Urteil des LSG Bayern vom 02.12.2008

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Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 02.12.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 7 AL 47/06
Bayerisches Landessozialgericht L 8 B 326/07 AL PKH
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten das Ruhen des Arbeitslosengeldes wegen Eintritts einer Sperrzeit
wegen Arbeitsablehnung streitig. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von
Prozesskostenhilfe (PKH).
Der Kläger und Beschwerdeführer war bis 28. Februar 2005 bei einer Personalserviceagentur als Elektroinstallateur
beschäftigt. Er meldete sich am 21. Januar 2005 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Daraufhin bewilligte die
Beklagte ab 1. März 2005 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen. Im Anhörungsschreiben vom
13. Dezember 2005 führte die Beklagte aus, der Kläger habe sich auf einen Vermittlungsvorschlag der Arbeitsagentur
vom 25. November 2005 bei der Firma S. Personaldienstleistung GmbH nicht vorgestellt. Mit Schreiben vom 13.
Dezember 2005 teilte der Kläger mit, er habe sich bereits bei einer anderen Zeitarbeitsfirma beworben. Mit Bescheid
vom 14. Dezember 2005 ordnete die Beklagte eine Sperrzeit vom 1. Dezember 2005 bis 21. Dezember 2005 an.
Hiergegen erhob der Klägerbevollmächtigte am 22. Dezember 2005 Widerspruch. Zur Begründung führte der
Bevollmächtigte aus, der Kläger habe sich zuvor bereits bei einer anderen Firma beworben. Hätte er sich nunmehr
auch noch für eine andere Stelle beworben, so wäre dies nach Auffassung des Klägers treuwidrig gewesen. Mit
Bescheid vom 3. Januar 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit dem Arbeitsangebot vom 25. November
2005 wurde der Kläger vollständig und verständlich über die Folgen, die eintreten, wenn er die angebotene
Beschäftigung nicht annehme oder nicht angetreten oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses
durch sein Verhalten verhindert werde. Ein Abwarten des Erfolges einer anderen Bewerbung sei nicht notwendig und
es müsse auch ein Laie wissen, dass er sich mit einer Bewerbung keine Zeit lassen dürfe. Ein wichtiger Grund liege
nicht vor.
Hiergegen richtete sich die am 2. Februar 2006 beim Sozialgericht Augsburg (SG) eingegangene Klage. Zugleich
wurde Prozesskostenhilfe beantragt.
Mit Beschluss des SG vom 1. Februar 2007 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen wendet sich die beim SG am 6. März 2007 eingegangene Beschwerde. In der Begründung vom 8. Mai 2007
hat der Klägerbevollmächtigte ausgeführt, bei der Frage der Vorwerfbarkeit des pflichtwidrigen Verhaltens müssten die
intellektuellen Fähigkeiten des Klägers berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Februar 2007 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt O., B-Straße, B-Stadt zu gewähren.
Das Bayerische Landessozialgericht hat die Beklagtenakte und die Verfahrensakte des Sozialgerichts Augsburg (Az.:
S 7 AL 47/06) beigezogen.
II.
Der Antrag des Klägers ist zulässig (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm. 127 Abs. 1 Satz 1
Zivilprozessordnung - ZPO) aber nicht begründet.
Nach § 73a Abs. 1 SGG (i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag
Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur
Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner
durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (vgl. Meyer-
Ladewig, Komm. zum SGG, 9. Aufl., Rdnr. 7d zu § 73 a). Hinreichende Erfolgsaussichten lagen und liegen bei der
gebotenen summarischen Prüfung, nach Auffassung des Senats jedoch nicht vor.
Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige (summarische)
Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) zu
beachten. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers
aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar
hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig, SGG,
Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 7, 7a zu § 73a). Deshalb dürfen keine allzu überspannten Anforderungen gestellt werden
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2000, Az.: 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936). Die
beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg. Dabei ist, wie sich aus dem auf die Rechtsverfolgung abstellenden Wortlaut und dem Normzweck der §§ 114
Satz 1, 119 Satz 2 ZPO ergibt, entscheidend auf den voraussichtlichen Erfolg in der Sache selbst und nicht auf einen
davon losgelösten Erfolg des Rechtsmittels zu sehen. Prozesskostenhilfe ist deshalb auch nicht zu bewilligen, wenn
das materielle Ergebnis sich in der Berufungsinstanz voraussichtlich nicht ändern wird (vgl. auch BGH, Beschluss
vom 28. September 1993 - III ZA 3/93 - ZIP 1993, 1729). Denn der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten
weitgehend gleichen Zugang zu Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet lediglich, ihn einem solchen
Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko
mitberücksichtigt (BVerfGE 81, 347, 356 ff = NJW 1991, 413 f; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).
Bei Anwendung dieser vorgenannten Grundsätze hat das SG zu Recht den Antrag auf PKH abgelehnt. § 144 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 19. November 2004 sieht ein Ruhen des
Arbeitslosengeldanspruches vor, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat. Ein
versicherungswidriges Verhalten liegt nach Nummer 2 der vorgenannten Vorschrift vor, wenn der bei der Agentur für
Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer oder Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von
der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht
annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das
Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung).
Wie sich aus dem vorgelegten Schreiben der Agentur für Arbeit M. vom 25. November 2005 ergibt, wurde dem Kläger
eine konkrete Arbeitsstelle als Elektriker bei einer Personaldienstleistungs-GmbH angeboten. In der angefügten
Rechtsbelehrung wird auf die Möglichkeit der Verhängung einer Sperrzeit hingewiesen. Entgegen dieses Hinweises
hat der Kläger keinen Vorstellungstermin vereinbart. Die Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung (§ 144 Abs 1 Nr. 2 SGB 3)
erfordert ein vorwerfbares, jedoch kein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Arbeitslosen (BSG vom 14.
Juli 2004, B 11 AL 67/03 R). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung, die auf dem Grundgedanken
beruht, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst
zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (BSG vom 14. Juli 2004, B 11 AL 67/03 R;
weiter BSG, BSGE 49, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr. 11 mwN; BSGE 71, 256, 261 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 7;
BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11 S. 49 und SozR 3-4300 § 144 Nr. 7 S. 8). Die an den Sperrzeittatbestand geknüpften
Sanktionen erwiesen sich jedenfalls dann als unverhältnismäßig, wenn allein an einen objektiv vorliegenden
Tatbestand angeknüpft würde. Aus den beigezogenen Unterlagen ergibt sich, dass dem Kläger seine Obliegenheit,
sich beim potentiellen Arbeitgeber zu melden und einen Vorstellungstermin zu vereinbaren, auch bekannt sein
musste. Der Senat kann sich insoweit nicht der Argumentation des Klägerbevollmächtigten anschließen, wonach es
dem Kläger aufgrund seiner eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten nicht möglich gewesen wäre zu erkennen,
dass er trotz einer bereits erfolgten anderweitigen Bewerbung anlässlich dem Schreiben vom 25. November 2005
verpflichtet gewesen sei, eine weitere Bewerbung abzugeben. Mit dem Schreiben vom 25. November 2005 wurde der
Kläger konkret aufgefordert einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Ausdrücklich wurde auf die beiliegende
Rechtsfolgenbelehrung verwiesen, in welcher auf die Möglichkeit einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 144
Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III sowie auf das "Merkblatt für Arbeitslose, Ihre Rechte-Ihre Pflichten " hingewiesen wird. Bei
dieser klaren Formulierung besteht auch für einfach strukturierte Arbeitssuchende die Verpflichtung bei Zweifeln über
den Telefonservice nachzufragen. Insoweit liegt nach Auffassung des Senats bei summarischer Prüfung eine
vorwerfbare Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers vor. Bezüglich des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne
von § 144 Abs. 1 S. 2 SGB III wurden vom Klägerbevollmächtigten keine Tatsachen dargelegt und sind für den
erkennenden Senat auch nicht aus den beigezogenen Unterlagen ersichtlich. Danach besteht keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache, die eine Prozesskostenhilfe rechtfertigt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG und ergeht kostenfrei.