Urteil des LSG Bayern vom 20.09.2006

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.09.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 13 RA 385/03
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 4167/04
Bundessozialgericht B 13 R 537/06 B
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Juli 2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag ab dem
01.07.2003 und hierbei über die Frage, welches Geburtsdatum des Klägers zugrunde zu legen ist.
Der Kläger, der in der ehemaligen Sowjetunion geboren wurde und in seiner Heimat Lehrer an einer Mittel- und später
in einer Gehörlosensonderschule war, übersiedelte am 04.12.1992 in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist Inhaber
des Ausweises A für Vertriebene und Flüchtlinge. Am 07.09.1993 änderte der Kläger seinen vorherigen Namen V. T.
und erwarb am 07.02.1995 die deutsche Staatsangehörigkeit. Vom 07.12.1992 bis 31.08.1994 bezog er Leistungen
der Arbeitsverwaltung, arbeitete anschließend ein Jahr als Hilfskraft in einer Förderschule und, nach einer
Arbeitslosigkeit bis 29.02.1996, bis 31.12.2001 als Erzieher in einer Wohngruppe für Hörbehinderte. Bis 31.12.2001
legte er insgesamt 496 Monate Pflichtbeitragszeiten zurück. Den von der Beklagten erfassten Stammdaten und dem
Leistungsnachweis der Arbeitsverwaltung über die Zahlung von Eingliederungsgeld vom 09.06.1994 ist als
Geburtsdatum des Klägers der 1941 zu entnehmen. Im Zuge eines Antrags auf Kontenklärung, in dem er als
Geburtsdatum den 1941 angab, legte der Kläger verschiedene Unterlagen vor, die ebenfalls als Geburtsdatum den
1941 enthalten, nämlich Kopien des am 08.09.1993 ausgestellten Personalausweises, der Bescheinigung über die
Namensänderung vom 08.09.1993, des Ausweises A vom 22.06.1993, des Registrierscheins des
Bundesverwaltungsamtes vom 08.12.1992, der Einbürgerungsurkunde vom 07.02.1995, der Bescheinigung des
Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 19.11.1993 über die
Lehrbefähigung, des Reifezeugnisses, einer Archivbescheinigung des ukrainischen Innenministeriums vom
18.04.1991 sowie des Arbeitsbuchs und übersandte schriftliche Bestätigungen seiner ehemaligen Mitschülerin L. P.
und deren Mutter I. K ... L. P. , geboren 1941, gab an, sie sei zusammen mit dem Kläger in einer Klasse gewesen. I.
K. bestätigte, sie kenne den Kläger seit seiner Geburt im Jahre 1941. Den Akten der Beklagten ist im Übrigen zu
entnehmen, dass in dem Zeugnis der Sprachenschule K. vom 30.07.1993 über den Abschluss eines Deutsch- und
Integrationskurses für Akademiker als Geburtsdatum der 1941 angegeben ist. Dies gilt auch für den Antrag auf
Rentenauskunft für eine private Versicherung vom 18.06.2002. Der weitere am 18.09.2002 vom Kläger ausgefüllte
Fragebogen zur Prüfung der Vertrauensschutzregelungen enthält ebenfalls als Geburtsdatum den 1941. Am
27.09.2002 wurde dem Kläger nach Abschluss des Kontenklärungsverfahrens die Kontoübersicht übersandt.
Im Schreiben an die Beklagte vom 18.01.2001 teilte der Kläger mit, er werde im April 60 Jahre alt, und bat um
Auskunft, ab welchem Zeitpunkt er ohne Abzug Rentenleistungen erhalte. Im Zuge eines Antrags vom 27.02.2003 auf
Berücksichtigung einer Versicherungszeit vom 07.12.1992 bis 31.08.1994, den die Beklagte mit Verwaltungsakt vom
03.04.2003 ablehnte, führte der Kläger dagegen aus, er werde 2003 63 Jahre alt sein und verwies dazu auf eine vom
Standesamt I in B. am 17.03.2003 ausgestellte Geburtsurkunde mit Geburtsdatum 1940 (Geburtsort H. , Gebiet
S./Ukraine).
Am 03.04.2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63.
Lebensjahres. Er beantragte, die Altersrente solle nicht vorzeitig, sondern mit dem ohne Rentenminderung frühest
möglichen Zeitpunkt beginnen und gab dazu den 01.07.2003 an. Der vom Kläger dazu vorgelegte Vertrag zwischen
der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese A. e.V. mit dem Kläger und der übermittelte Leistungsnachweis der
Arbeitsverwaltung vom 14.03.1996 enthalten als Geburtsdatum den 1941. Der Kläger legte als Belege für das von ihm
behauptete frühere Geburtsdatum eine Bescheinigung einer Internatssonderschule, das Arbeitsbuch, jetzt mit Datum
1940, den Personalausweis, ausgestellt am 09.04.2003, jetzt mit Geburtsdatum 1940, und den am 15.04.2003
entsprechend abgeänderten Ausweis A mit Geburtsdatum 1940 vor. Das Standesamt I in B. übersandte auf Anfrage
der Beklagten eine am 17.03.2003 auf Anordnung des Landratsamtes G. ausgestellte Urkunde, wonach die Mutter des
Klägers 1940 einen Knaben geboren habe. Gleichzeitig teilte das Standesamt I in B. mit, es handele sich bei dem
Geburtsdatum des Klägers nicht um einen Schreibfehler und die Beurkundung sei verbindlich.
Mit Bescheid vom 26.06.2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Altersrente für langjährig Versicherte ab
und führ- te zur Begründung aus, der Kläger erfülle das 63. Lebensjahr erst 2004. Maßgebend sei das Geburtsdatum,
welches sich aus den ersten Angaben eines Berechtigten ergebe. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor,
sofern in früheren Dokumenten als Geburtsdatum der 1941 bezeichnet sei, handele es sich um einen Schreibfehler,
verursacht durch die Kriegs- und Nachkriegswirren sowie die Vertreibung. Maßgebend sei die amtliche
Geburtsurkunde des Standesamtes I in B ... Der Schreibfehler sei auch im Arbeitsbuches, im Vertriebenenausweis
und in allen Archivbescheinigungen berichtigt worden. Die Geburtsurkunde, die im Jahre 1940 in der Ukraine
ausgestellt worden sei, sei in der Kriegszeit 1941 bis 1945 verloren gegangen. Im Verschleppungsort habe die
Militärkommandantur das Geburtsjahr falsch eingetragen. Seit 1956 suche er nach der Geburtsurkunde und habe
verschiedene Institutionen eingeschaltet. Außerdem übersandte der Kläger eine Archivbescheinigung über die
Umsiedelung aufgrund eines sowjetischen Erlasses vom 22.09.1941 zum Verschleppungsort von Oktober 1941 bis
Januar 1956, die Mitteilung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 22.09.1994, wonach die erbetene
Urkunde nicht zu beschaffen sei, weil in den staatlichen ukrainischen Archiven entsprechende Nachweise nicht
festgestellt werden könnten, ergebnislose Antworten auf Suchanfragen wie des Kirchlichen Suchdienstes sowie
eidesstattliche Versicherungen des Klägers vom 22.07.2002 und 23.07.2002, er sei 1940 im Dorf H. in Ukraine
geboren, sowie seiner Schwester K. S. und seines Bruders V. T. , der Kläger sei 1940 in der Ukraine geboren. Mit
Widerspruchsbescheid vom 18.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Maßgebend sei das
Geburtsdatum, welches sich aus den ersten Angaben eines Berechtigten ergebe.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt,
ihm ab 01.07.2003 Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag zu gewähren. Er legte eine am 17.08.2004
von der Republik Kasachstan ausgestellte Urkunde vor, in der es heißt, diese sei wiederholt ausgestellt, der Kläger
sei 1940 geboren und hierüber sei im Standesamtsregister für Geburten am 20.06.1957 die entsprechende Eintragung
vorgenommen worden. Es sei nicht das Geburtsdatum 1941 maßgebend, welches sich aus den ersten Angaben
ergebe, denn diese Angaben würden auf einem Schreibfehler beruhen. Dies sei im Klageverfahren mehrfach unter
Vorlage einschlägiger Dokumente nachgewiesen worden. Bei der Ausstellung der Geburtsurkunde in Kasachstan am
20.06.1957 würden sich mehrere Schreibfehler finden. So sei auch der Geburtsort, nämlich die Stadt T. , falsch
eingetragen worden. Auch der Ort der Eheschließung seiner Eltern, nämlich das Standesamt der Stadt T. in
Kasachstan, sei unrichtig eingetragen. Dies deute auf nicht übersehbare Fehler der ausgestellten Geburtsurkunde mit
dem Geburtsdatum 1941 hin. Außerdem legte der Kläger die Einbürgerungsurkunde vom 07.02.1995, ein Schreiben
der AOK vom November 2003 sowie seinen Führerschein, jeweils mit geändertem Geburtsort und geändertem
Geburtsdatum, vor.
Mit Urteil vom 06.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne gemäß
§ 236 Abs.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - i.V.m. der Anlage 21 zum SGB VI keine vorzeitige
Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag in Anspruch nehmen, weil er nicht vor Januar 1939 geboren sei.
Bei einem Geburtsdatum im April 1940 könne Rente ohne Abschlag nach 63 Jahren und sieben Monaten, bei einem
Geburtsdatum im April 1941 mit 63 Jahren und zehn Monaten in Anspruch genommen werden. Unabhängig davon
bestünde kein Anspruch auf eine Altersrente gemäß § 236 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB VI, weil der Kläger nicht 45 Jahre
mit Pflichtbeiträgen vorweisen könne. Auf Altersrente für langjährig Versicherte mit Rentenminderung habe er erst ab
dem 01.05.2004 Anspruch. Maßgebend sei das Geburtsdatum, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder
Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder gegenüber dem Arbeitgeber
ergebe. Die erstmalige Angabe sei im Dezember 1992 gegenüber dem Arbeitsamt erfolgt, worauf dieses am
07.12.1992 Leistungen erbracht habe. Hierbei sei als Geburtsdatum der 1941 eingetragen und entsprechend auch eine
Rentenversicherungsnummer vergeben worden. Unter einem Schreibfehler im Sinne des Gesetzes sei nicht irgend ein
Schreibfehler zu einem anderen Zeitpunkt in einer Urkunde zu verstehen. Selbst wenn dies so wäre, sei nicht belegt,
dass es sich bei der Angabe des Geburtsdatums 1941 und des Geburtsortes T. in der von der Militärkommandantur
ausgestellten Geburtsurkunde um einen Schreibfehler gehandelt habe. Auch wenn die Angabe des Geburtsortes
falsch sei, sei damit noch nicht belegt, dass ein unbewusster Schreibfehler bei der Eintragung des Geburtsdatums für
das Jahr 1941 vorgelegen habe. Möglich wäre auch, dass bewusst das Geburtsdatum 1941 eingetragen worden sei,
um während der Internierung Nachteile zu vermeiden, die sich bei einem früheren Geburtsdatum vielleicht ergeben
hätten. Das SG hat dem Kläger Missbrauchskosten in Höhe von 150,00 EUR auferlegt, nachdem die Vorsitzende der
Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und beantragt,
ihm ab 01.07.2003 Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag zu gewähren. Er habe aufgrund der
umfangreichen Recherchen nachweisen können, dass das zugrunde gelegte Geburtsdatum falsch sei. Alle beteiligten
Behörden hätten dies erkannt und in den einschlägigen Urkunden das Geburtsdatum berichtigt. Er wende sich gegen
die Auferlegung von Kosten gemäß § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil er aufgrund seiner Überzeugung nach
bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe und von einer Uneinsichtigkeit keine Rede sein könne. Es gehe ihm
nicht um das Geld und schon gar nicht um das Recht auf die Rente, sondern vielmehr um Gerechtigkeit und um einen
unerträglichen Vorwurf des SG an seine Mutter, es sei auch möglich gewesen, dass bewusst das Geburtsdatum 1941
eingetragen worden sei, um während der Internierung Nachteile zu vermeiden. Er sei 1940 in der Ukraine geboren. Das
sei mit der Geburtsurkunde, dem Personalausweis und mehreren Personalien belegt. Aus zwei
Archivbescheinigungen gehe klar hervor, dass er in der Ukraine geboren sei und die im Kasachstan am 20.06.1957
ausgestellte Geburtsurkunde fehlerhaft sei. Bereits ab 04.12.1992 habe er auf allen Wegen auf die fehlerhafte
Ausstellung der Geburtsurkunde in Kasachstan wegen der Kriegszeit hingedeutet. Beim Arbeitsamt, bei allen
Behördengängen habe er wiederholt betont, dass die Geburtsurkunde fehlerhaft ausgestellt worden sei. Nach der
Entlassung von der Kommandantur habe man ihm aufgrund falscher Eintragungen vom russischen Militär eine
fehlerhafte provisorische Geburtsurkunde ausgestellt. Die Eltern hätten nichts ändern können, denn die
Personaldokumente seien in der Kriegszeit verloren gegangen. In der berichtigten Originalgeburtsurkunde sei das
Geburtsdatum und der Geburtsort am 20.06.1957 eingetragen worden, viel früher als vor Abgabe der
Versicherungsnummer bei der Beklagten. Der Kläger verwies zur Begründung der Berufung auf eine
Archivbescheinigung vom 07.12.1990 bezüglich der Umsiedelung in der Sowjetunion, ein Schreiben des
Generalkonsulats der Republik Kasachstan an den Kläger vom 22.07.2004, ein Schreiben der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland vom 22.09.1994, eine Bescheinigung des Landratsamtes G. vom 05.02.2004, ein
Schreiben des Kirchlichen Suchdienstes vom 05.06.2002, Bescheinigungen der Republik Kasachstan vom 10.04.2003
und 11.04.2003, eidesstattliche Versicherungen der M. M. vom 01.08.2005, der K. S. vom 08.08.2005 und der R. K.
vom 31.08.2005, Bescheinigungen des Justizministeriums der Ukraine vom 02.04.2002 und 22.11.2004,
Archivbescheinigungen des Innenministeriums der Ukraine vom 12.04.2006 und vom 12.04.2006 sowie der
Verwaltung des Staatsarchives des Gebietes A. vom 07.04.2003 sowie eine Bescheinigung der Republik Kasachstan,
Offene AG "I." vom 11.04.2003. Darüber hinaus übersandte er einen Bescheid der Arbeitsverwaltung vom 29.04.2005,
worin diese davon ausgehe, er sei 1940 geboren. Allerdings gewährte die Arbeitsverwaltung Leistungen über den
Januar 2005 hinaus, nachdem der Kläger auf das klageabweisende Urteil des SG hingewiesen hatte.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15.03.2005 den Antrag des Klägers vom 11.01.2005 auf Zahlung von
Regelaltersrente mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erfülle erst am 23.04.2006 das 65. Lebensjahr. Mit
Bescheid vom 09.05.2006 hat die Beklagte auf Antrag des Klägers vom 17.01.2006 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
oder nach Altersteilzeitarbeit ab 01.06.2006 bewilligt.
Der Kläger beantragt, ihm unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 06.07.2004 und des
Bescheides vom 26.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2003 sowie des Bescheides vom
15.03.2005 ab 01.07.2003 Altersrente für langjährig Versicherte ohne Abschlag, hilfsweise unter Berücksichtigung
eines Geburtsdatums 1940 Regelaltersrente ab 01.05.2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Er- gänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten des SG, der Beklagten und der Arbeitsverwaltung, der Akte des LSG sowie auf den
Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch
nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist das Urteil des SG vom 06.07.2004 und der Bescheid vom 26.06.2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2003, mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf eine Altersrente
gemäß § 236 SGB VI abgelehnt hat. Gegenstand des Verfahrens ist gemäß §§ 96, 153 SGG auch der Bescheid der
Beklagten vom 15.03.2005 über die Ablehnung eines Anspruchs auf Regelaltersrente.
Das Urteil des SG vom 06.07.2004 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte aufgrund des Antrags
vom 03.04.2003 keinen Anspruch auf eine Altersrente hat. Einen Anspruch auf Altersrente für langjährige Versicherte
haben Versicherte, die vor dem 01.01.1948 geboren sind, das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35
Jahren erfüllt haben. Die Altersgrenze von 63 Jahren wird für Versicherte angehoben, die nach dem 31.12.1936
geboren sind. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenze und die
Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente bestimmen sich nach Anlage 21 des SGB VI (§ 236
Abs.1 SGB VI). Die Altersgrenze von 63 Jahren wird für Versicherte, die vor dem 01.01.1942 geboren sind und 45
Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben oder bis zum 14.02.1941 geboren
sind und am 14.02.1996 Vorruhestandgeld oder Überbrückungsgeld der Seemannskasse bezogen haben,
entsprechend der Tabelle in § 236 Abs.2 Nr.2 SGB VI angehoben.
Die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs.2 SGB VI greift nicht ein. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen,
dass der Kläger nicht 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorweisen kann.
Bis Dezember 2001 hat der Kläger 496 Monate an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Die Beklagte hat es zutreffend
mit Verwaltungsakt vom 03.04.2003 abgelehnt, den Zeitraum vom 07.12.1992 bis 31.08.1994, in dem der Kläger
Leistungen der Arbeitsverwaltung bezogen hat, bei der Erfüllung der Vertrauensschutzregelung von 45 Jahren zu
berücksichtigen. Aber selbst wenn dieser Zeitraum mit Pflichtbeitragszeiten belegt wäre, würden sich bis zum
31.12.2001 lediglich 517 Monate anstatt der für die Inanspruchnahme der Vertrauensschutzregelung erforderlichen 540
Monate errechnen.
Ein Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte unter den Voraussetzungen des § 236 Abs.1 SGB VI liegt
nicht vor, weil der Kläger unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorga- ben nicht nachweisen kann, dass er zum
Zeitpunkt der Antrag- stellung am 03.04.2003 bereits das 63. Lebensjahr vollendet hatte. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass dies erst am 23.04.2004 der Fall war.
Bei der Bestimmung des Alters des Klägers als Anspruchsvoraus- setzung für die Altersrente für langjährig
Versicherte (§ 236 Abs.1 Nr.1 SGB VI) sind die Beklagte und das SG zutreffend von den Angaben des Klägers
ausgegangen, die dieser bei Eintritt in das Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland gemacht hat.
Gemäß § 33a Abs.1 SGB I, mit Wirkung vom 01.01.1998 in das SGB eingefügt (BGBl I S. 266), ist das
Geburtsdatum maßgebend, dass sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner
Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder
Sechsten Abschnitts des SGB IV handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt, soweit Rechte oder Pflichten davon
abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist.
Von dem nach § 33a Abs.1 SGB I maßgebenden Geburtsdatum darf nur abgewichen werden, wenn der zuständige
Leistungsträger feststellt, dass entweder ein Schreibfehler vorliegt oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor
dem Zeitpunkt der ersten Angabe ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Feststellung des
Geburtsdatums des Klägers durch die Beklagte beruht hier aber weder auf einem Schreibfehler, noch existiert eine
Originalurkunde anderen Inhalts, ausgestellt zu einem Zeitpunkt vor der Erstangabe des Geburtsdatums des Klägers
gegenüber den genannten Stellen in der Bundesrepublik Deutschland.
§ 33a SGB I knüpft an die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) an, wonach für inländische
Sozialleistungsträger und Gerichte ausländische Statusentscheidungen mangels Beweiskraft grundsätzlich nicht
verbindlich sind (BSG SozR 2200 § 1248 Nr.44). Vor dem In-Kraft-Treten dieser Vorschrift waren in diesen Fällen
regelmäßig besonders aufwändige Ermittlungen erforderlich, weil im Zuge eines Leistungsverfahrens die
Sozialversicherungsträger das richtige Geburtsdatum von Amts wegen unter Ausschöpfung aller erreichbaren und
tauglichen Mitteln festzustellen hatten (BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr.12). Der Gesetzgeber hat aus dieser Erfahrung
heraus mit der Einführung des § 33a SGB I die Prüfung der Geburtsdaten durch die Verwaltung und die Gerichte
vereinfachen wollen und deshalb grundsätzlich das Geburtsdatum als maßgebend bestimmt, welches der Berechtigte
oder Verpflichtete oder ein Angehöriger gegenüber einem zuständigen Leistungsträger oder gegenüber dem
Arbeitgeber angegeben hatte (BT-Drs. 13/8994).
Mit dieser neuen Vorschrift wurden aber nicht nur die vorher besonders aufwändigen Ermittlungen zur Feststellung des
Geburtsdatums vereinfacht, sondern im Gegenzug die Beweiswürdigung durch die Verwaltung und die Gerichte
weitestgehend eingeschränkt: Nur wenn nachweisbar ein Schreibfehler vorliegt oder sich aus einer Urkunde, deren
Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Geburtsdatums ausgestellt worden ist, sich ein anderes
Geburtsdatum ergibt, kann ausnahmsweise von der grundsätzlichen Regelung des § 33a Abs.1 SGB I abgewichen
werden.
Aus dem genannten Normzweck und der Entstehungsgeschichte des § 33a SGB I ergibt sich, dass eine Ausnahme
zum Beispiel dann gerechtfertigt ist, wenn im Zusammenhang mit der ersten Angabe des Geburtsdatums im Sinne
des § 33a Abs.1 SGB I die Zahlen des Geburtsdatums unbeabsichtigt vertauscht wurden. Aus Anlass der Aufnahme
des Geburtsdatums des Klägers durch den Arbeitgeber oder einen Leistungsträger bei der Vergabe der
Versicherungsnummer lag aber bereits nach dem Vortrag des Klägers ein solcher Schreibfehler im Sinne einer
irrtümlichen Unrichtigkeit nicht vor. Vielmehr trägt dieser vor, ein Schreibfehler sei bereits bei der Ausstellung der
Geburtsurkunde in der Sowjetunion erfolgt. Die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt, könnte also ein solcher
Schreibfehler nicht die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 33a Abs.2 Nr.1 SGB VI rechtfertigen.
Der Kläger hat auch keine geeignete Urkunde vorgelegt, die die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 33a
Abs.2 Nr.2 SGB I erfüllt, denn diese Vorschrift setzt ausdrücklich voraus, dass das Original einer solchen Urkunde
vor dem Zeitpunkt der Erst- angabe des Geburtsdatums im Sinne des § 33a Abs.1 SGB I ausge- stellt worden ist.
Der Kläger hat eine Vielzahl von Unterlagen in- und ausländi- scher Behörden vorgelegt, insbesondere beruft er sich
auf die Geburtsurkunden des Standesamtes I B. vom 17.03.2003 und die Geburtsurkunde des Standesamtes der
Stadt T. in Kasachstan vom 17.08.2004. Auch wenn die Geburtsurkunde des Standesamtes der Stadt T. eine
Eintragung am 20.06.1957 bestätigt, so ändert dies nichts daran, dass es sich um eine Urkunde handelt, die nach
dem Zeitpunkt ausgestellt worden ist, als der Kläger im Sinne des § 33 a Abs.1 SGB I das Geburtsdatum mitgeteilt
hat. Im Übrigen ergibt sich aus der Urkunde kein Anhalt, wann die vom Kläger vorgetragene Änderung des Datums
vorgenommen wurde.
Die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen bzw. Bestätigungen von Bekannten und Angehörigen ist nicht
geeignet, von der Regelung des § 33a Abs.1 SGB I abzuweichen. Die Ausnahmeregelung des § 33a Abs.2 SGB I ist
abschließend, d.h. ein Beweis kann nicht durch Beweismittel geführt werden, die § 33a Abs.2 SGB I nicht erfasst. Die
Regelung des § 33a SGB I wird auch nicht dadurch berührt, dass ein Geburtsdatum nach anderen Vorschriften, die
z.B. die innere Verwaltung zu vollziehen hat, als rechtsverbindlich anerkannt wird. Denn § 33a SGB I betrifft davon
unabhängig allein das Verhältnis zwischen dem Versicherten und dem Sozialleistungsträger. Die Regelung in § 33a
SGB I wird damit nicht durch Entscheidungen anderer Behörden verdrängt.
Der Senat weist den Kläger darauf hin, dass es für die Ent- scheidung der Verwaltung bzw. die Gerichte nicht darauf
an- kommt, ob der Vortrag eines Versicherter zutreffend ist, er sei an dem von ihm benannten Tag geboren.
Unerheblich ist, ob die von einem Versicherten gemachten Angaben im Vorfeld einer Verwaltungs- bzw.
Gerichtsentscheidung tatsächlich der Wahrheit entsprechen oder nicht. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des §
33a SGB I die unbedingte Anknüpfung an das in Wahrheit zutreffende Geburtsdatum aufgegeben (BSG SozR 3-1200
§ 33a Nr.1; SozR 4-1200 § 33a Nr.1). Lediglich um die vor dem In-Kraft-Treten des § 33a SGB I häufig erforderlichen
intensiven Ermittlungen hinsichtlich des tatsächlichen Geburtsdatums zu vermeiden, wurde das maßgebliche
Geburtsdatum im Geltungsbereich des SGB eigenständig und abschließend definiert. Dies bedeutet im umgekehrten
Fall auch, dass im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren nicht das richtige historische Datum der
Geburt zu ermitteln ist, wenn sich aus einer älteren Urkunde, die vor der ersten Angabe des Versicherten ausgestellt
worden ist, ein abweichendes Geburtsdatum ergibt.
Für die gerichtliche Entscheidung ist somit nicht maßgebend, welche Umstände dazu geführt haben, dass das
Geburtsdatum des Klägers in den vorliegenden Unterlagen nicht deckungsgleich angeführt ist. Erörterungen von
möglichen Motiven einer eventuellen unrichtigen Eintragung eines Geburtsdatums, gegen die sich der Kläger in seiner
Berufungsbegründung wendet, können deshalb nicht Gegenstand einer Beweiswürdigung im Rahmen des § 33a SGB I
sein.
Die Vorschrift des § 33a SGB I verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das
Eigentumsrecht des Art.14 Abs.1 Grundgesetz (GG) oder gegen den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG (BSG SozR
3-1200 § 33a Nrn.1 und 2; SozR 4-1200 § 33a Nr.1). Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass § 33a SGB I
auch europarechtlichen Regelungen nicht entgegen steht (SozR 3-6940 Art.3 Nr.1).
Die Beklagte und das SG haben somit zu Recht einen Anspruch auf Altersrente nach § 236 SGB VI mit der
Begründung abgelehnt, der Kläger vollende das 63. Lebensjahr erst 2004. Sie hat auch zutreffend auf Antrag vom
11.01.2005 mit Bescheid vom 15.03.2005 einen Anspruch auf Regelaltersrente gemäß abgelehnt, weil unter
Berücksichtigung der oben genannten Ausführungen davon auszugehen ist, dass der Kläger erst am 23.04.2006 das
65. Lebensjahr vollendet hat (vgl. § 35 Nr.1 SGB VI).
Das SG hat Missbrauchskosten in Höhe des Mindestbetrages von 150 EUR erhoben (§ 192 Abs.1 Satz 3 SGG i.V.m.
§ 184 Abs.2 SGG). Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen ist,
dessen Prozessbevollmächtigten auf eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung gemäß § 192 Abs.1 Nr.2 SGG
hingewiesen. Aufgrund der eindeutigen Rechtslage konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch erkennen,
dass die Fortführung des Rechtsstreits aussichtslos ist. Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger
zuzurechnen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 192 Rdnr.2). Dieser konnte bei Beachtung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht erwarten, dass der Kläger ohne eine entscheidende Änderung der
Sachlage im Berufungsverfahren erfolgreich sein würde.
Eine Aufhebung der vom SG auferlegten Missbrauchskosten im Berufungsverfahren ist nicht gerechtfertigt, zumal der
Kläger trotz der deutlichen Hinweise des Senats zur offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Klage und einer - im Zuge
einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung erfolgten - anwaltlichen Beratung nicht bereit war, die Klage
zurückzunehmen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Erfolgsaussichten in diesem Rechtsstreit von jedem
Einsichtigen als völlig aussichtslos bewertet würden (vgl. dazu Meyer-Ladewig a.a.O. § 192 Rdnr.9).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 06.07.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren
erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.