Urteil des LSG Bayern vom 06.10.2010
LSG Bayern: anhaltende somatoforme schmerzstörung, rente, berufliche tätigkeit, arbeitsmarkt, professor, bluthochdruck, fibromyalgie, wechsel, rehabilitation, tinnitus
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.10.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 15 R 377/07
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 253/09
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Februar 2009 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1955 geborene Kläger hat von August 1971 bis Februar 1975 den Beruf des Mechanikers erlernt und im Mai 1995
die Meisterprüfung als Straßenbauermeister abgelegt. Er war zunächst als Baggerfahrer/Tiefbauarbeiter, ab Juli 1990
bis Januar 1999 im Geschäft der Ehefrau als Betriebsleiter/ Baumaschinist/ Tiefbaupolier/ Straßenbauermeister
versicherungspflichtig beschäftigt. Für den Kläger ist durch Bescheid vom 16. Januar 2007 des Zentrum Bayern
Familie und Soziales (ZBFS) Region Oberpfalz ein Grad der Behinderung - GdB - von 70 festgestellt.
Der Kläger begehrte erstmals mit Antrag vom 12. Mai 1998 unter Hinweis auf Schulter- und Rückenbeschwerden
Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit von der Beklagten. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom
7. Juli 1998 und erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht
Regensburg (SG; Az. S 6 RJ 701/98). Der vom SG beauftragte Gutachter Dr. W. stellte in seinem Gutachten vom 26.
Januar 2000 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten auch als
Betriebsleiter im Bau fest. Das SG wies daraufhin die Klage mit Urteil vom 22. Januar 2001 ab. Die hiergegen zum
Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung nahm der Kläger am 27. Juni 2002 zurück.
Mit Antrag vom 9. Juni 2004 begehrte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Nachdem
der von der Beklagten beauftragte Gutachter Dr. S. feststellte, der Kläger könne aufgrund einer anhaltenden
Schmerzstörung mit erheblicher psychovegetativer Überlagerung bei depressiver Entwicklung, Wirbelsäulen- und
Gelenkbeschwerden ohne schwerwiegende Funktionsminderung sowie Übergewicht den Beruf des
Straßenbauermeisters nur noch unter 3 Stunden ausüben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hingegen noch Arbeiten
6 Stunden und mehr täglich verrichten, gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22. Oktober 2004 Rente
wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Juni 2004 auf Dauer. Der Antrag auf Gewährung von
Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde abgelehnt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2005 zurückgewiesen. In dem hieran anschließenden Klageverfahren holte das
SG ein Gutachten der praktischen Ärztin Dr. V. ein. Diese stellte fest, beim Kläger stünde eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung im Vordergrund. Der Kläger sei jedoch noch zu leichten, gelegentlich mittelschweren
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr täglich in der Lage. Die Durchführung von
Maßnahmen der stationären Rehabilitation sei erforderlich. Der Kläger stellte daraufhin in der mündlichen Verhandlung
am 12. Januar 2006 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur stationären Rehabilitation und nahm zugleich die
Klage zurück.
Mit weiterem Antrag vom 9. Mai 2006 begehrte der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung bei gleichzeitiger
Zurückstellung des Antrags bis zur Entscheidung über den Antrag auf Leistungen zur stationären Rehabilitation. Vom
7. bis 28. Dezember 2006 nahm der Kläger an einer stationären Reha - Maßnahme in der A.Klinik Klinik Bad A. teil.
Dort wurde beim Kläger eine somatoforme Störung mit depressiver Komponente, eine medial betonte Gonarthrose
rechts (Zustand nach Arthroskopie rechtes Kniegelenk), eine arterielle Hypertonie sowie ein Schlafapnoesyndrom
festgestellt. Der Kläger wurde vollschichtig arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes entlassen. Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit angefochtenem Bescheid vom 24.
Januar 2007 ab.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, seit Erstellung des Gutachtens durch Dr. S.
habe sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert. Hinzugekommen seien eine schwere depressive
Episode bei anhaltenden somatoformen Schmerzzuständen, eine Schlafapnoe, arterieller Bluthochdruck,
Knorpelschäden an beiden Kniegelenken sowie Dauerschmerzen im Bereich des Rückens, der Schulter, der Hände
und der Fingergelenke. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten der Neurologin und Psychiaterin H. vom 22. März
2007 ein. Diese diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, wirbelsäulen- und gelenkabhängige
Beschwerden ohne schwerwiegende Funktionsminderung, ein Schlafapnoesyndrom, mit nCPAP behandelt sowie
Übergewicht. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Der Widerspruch wurde
daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2007 zurückgewiesen.
Mit der hiergegen zum SG erhobenen Klage unter dem Az. S 15 R 377/07 hat der Kläger sein Begehren weiter
verfolgt. Es seien erhebliche orthopädische Leiden wie ein ausge-prägter Knorpelschaden an beiden Kniegelenken,
eine ausgeprägte Fibromyalgie sowie
Schwierigkeiten mit Ohrgeräuschen nicht gewürdigt worden. Befundberichte der Radiologen Dr. N. sowie des
Orthopäden Dr. B. wurden vorgelegt.
Das SG hat die Schwerbehindertenakten beim ZBFS - Region Oberpfalz sowie Befundberichte des Diplom-
Psychologen Z., des Internisten Dr. F., des Allgemeinmediziners D. beigezogen. Es hat gemäß § 106
Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Internistin und Fachärztin für
das öffentliche Gesundheitswesen Dr. L. und des Neurologen und Psychiaters R. sowie gemäß § 109 SGG durch ein
orthopädisches Gutachten von Dr. L ...
Dr. L. stellte in ihrem Gutachten vom 28. Februar 2008 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Hals- und
lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Spinalkanalenge der HWS ohne
Nervenwurzelreizerscheinungen und Aufbraucherscheinungen der LWS ohne Nachweis eines Bandscheibenvorfalls 2.
Knie- und Hüftgelenksbeschwerden beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkungen 3.
Aufbraucherscheinungen der Schultergelenke beidseits bei Zustand nach Teilruptur der Schultersehne links nach
Bagatellverletzung im November 2007 4. Somatoforme Schmerzstörung 5. Bluthochdruck 6. Schwerhörigkeit
beidseits, Tinnitus rechts 7. Schlafapnoesyndrom, mit nächtlicher Maskenbeatmung therapiert.
Sie kam zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch 6 Stunden und mehr täglich leichte Tätigkeiten überwiegend im
Sitzen, im Wechsel mit Gehen und Stehen verrichten. Nicht mehr zumutbar seien besondere Anforderungen an die
psychische Belastbarkeit, dauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten,
Tätigkeiten im Knien und in der Hocke sowie Akkord- und Nachtschichtarbeiten.
Der Neurologe und Psychiater R. (Gutachten vom 23. Juni 2008) diagnostizierte beim Kläger eine akzentuierte
Persönlichkeit mit narzisstischen und ängstlich vermeidenden Zügen, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit
Nerven- und Muskelreizerscheinungen, eine Hörminderung beidseits bei Angaben eines Ohrgeräusches beidseits, eine
Bewegungseinschränkung in den Schulter- und Kniegelenken beidseits, ein Schlafapnoesyndrom, eine leichte
Depression bei deutlicher Somatisierung, rezidivierende Schmerzen in den Hüftgelenken beidseits ohne wesentliche
Einschränkung, einen Zustand nach Teilruptur der Schultersehne links und Verletzungen November 2007, einem
Bluthochdruck sowie Übergewicht. Der Kläger könne noch 6 Stunden und mehr leichte Arbeiten im Wechsel zwischen
Gehen, Sitzen und Stehen ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne besonderen Zeitdruck und ohne besondere
Anforderungen an das Hörvermögen verrichten.
Dr. L. (Gutachten vom 18. September 2008) stellte bei dem Kläger ein generalisiertes mittelstark ausgeprägtes
Fibromyalgie-Syndrom, deutliche degenerative Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, erhebliche
degenerative Veränderungen im Bereich der Schultergelenke, rechts deutlicher als links, chronische
Kniebeschwerden, vorwiegend muskulär hervorgerufen, Bluthochdruck, medikamentös weitgehend eingestellt,
beidseitige Schwerhörigkeit mit Tinnitus und ein erhebliches, therapiebedürftiges Schlafapnoesyndrom fest. Der
Kläger könne seit 9. Mai 2006 täglich nur noch 3 bis unter 6 Stunden Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
verrichten. Dies ergebe sich aus der Darstellung des Klägers, er könne nur noch stundenweise täglich unter
Inkaufnahme von erheblichen Schmerzen arbeiten, wobei er sich regelmäßig kurzfristig hinlegen müsse.
Nachdem die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 5. Oktober 2008 dargelegt hatte, aus den von Dr. L. festgestellten
Funktionsstörungen und Befunden ließe sich eine quantitative Leistungsminderung nicht ableiten, hat Dr. L. in seiner
ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2008 an seiner sozialmedizinischen Beurteilung festgehalten.
Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 18. Februar 2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die
Gutachten von Dr. L. und R. gestützt. Das Gutachten von Dr. L. sei nicht überzeugend. Es enthalte keine objektiv
nachvollziehbare Darstellung, warum der Kläger keine leichten körperlichen Tätigkeit mehr ausüben könne.
Mit Schriftsatz vom 25. März 2009 hat der Kläger hiergegen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben
und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Februar 2009 aufzuheben sowie die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheids vom 24. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2007 zu
verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Mai 2006 nach Maßgabe der gesetzlichen
Vorschriften zu gewähren. Zur Begründung wird auf das Gutachten von Dr. L. verwiesen, wonach der Kläger nur noch
unter starken Beschwerden und unter Einnahme von regelmäßiger Schmerzmedikation eine gewisse berufliche
Tätigkeit ausüben könne. Der Kläger werde auf Kosten seiner Gesundheit weiterhin in seinen bisherigen Beruf
eingeschränkt tätig. Dr. L. habe überzeugend zum Krankheitsbild der Fibromyalgie Ausführungen gemacht. Der Kläger
sei in ganz erheblicher Weise schmerzbeeinträchtigt.
Der Senat hat Befundberichte des Orthopäden Dr. E., der Internistin und Rheumatologin Dr. F., des
Allgemeinmediziners D. beigezogen und gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch ein sozialmedizinisch-internistisch-
rheumatologisches Gutachten von Professor Dr. C ... Der Sachverständige hat beim Kläger in seinem Gutachten vom
9. Juni 2010 folgende Diagnosen festgestellt: 1. histrionische und ängstliche Persönlichkeitsakzentuierung mit
langjähriger depressiver Reaktion noch leichtgradiger Ausprägung 2. chronifizierte Schmerzkrankheit mit dem
führenden Erscheinungsbild eines mittelgradig ausgeprägtem Fibromyalgiesyndroms sowie unspezifischer
psychosomatischer Störungen im Sinne funktioneller Ober- und Unterbauchbeschwerden sowie einer starken
olfaktorischen Irritierbarkeit. 3. multiple Arthrosen im Bereich der großen und kleinen Gelenke mit initialer Coxarthrose,
fortgeschrittener Gonarthrose und Retropatellaarthrose beidseits sowie Meniskopathie bei Zustand nach Arthroskopie /
Kniegelenkstoilette rechts sowie Fingergelenkspolyarthrosen und einer Periarthropathia humeroscapularis mit
Teilruptur der Supraspinatussehne beidseits mit einer beidseitigen Epicondylopathia radialis der Ellenbogen;
außerdem mäßiges degenerativ-myostatisches Wirbelsäulensyndrom 4. Schlafapnoesyndrom unter zeitweiser
nächtlicher Überdruckbeatmung mit zunehmend schlechter Compliance und ungünstiger Schlafhygiene 5.
Metabolisches Syndrom mit Adipositas, Fettstoffwechselstörung, gestörter Glukosetoleranz bei ausgeprägter
Adipositas mit intermittierender Hepatopathie vermutlich nutritiv-toxischer Genese. 6. wechselnder Tinnitus aurium
beidseits bei weitgehend altersentsprechendem audiometrischen Befund 7. unklare, geringfügige Impetigo-
Veränderungen.
Der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten überwiegend
sitzend, im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorrangig in geschlossenen
Räumen verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten unter Zeitdruck (zum Beispiel Akkord, Fließband), in
Wechsel- oder Nachtschicht, in Zwangshaltungen, mit vermehrtem Heben und Tragen von Lasten, wobei das
gelegentliche Tragen von Gewichten bis zu 15 kg zumutbar sei. Nicht mehr möglich seien auch Arbeiten mit häufigem
Bücken, Arbeiten im Knien, Arbeiten an Maschinen, soweit eine durchgängige Lärmbelastung gegeben ist, Exposition
gegenüber Lärm und Staub, Gasen, Dämpfen und Rauch und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an den
Gleichgewichtssinn. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.
Das Gutachten ist dem Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010 mit der Anfrage übermittelt worden,
ob die Berufung zurückgenommen werde. Die Ermittlungen von Amts wegen seien abgeschlossen.
Mit Fax vom 16. September 2010 hat der Kläger beantragt, eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L. einzuholen. Dr.
C. habe von einem eruptiven Aufspringen des Klägers berichtet, das mit Schmerzen begründet worden sei. Dies
bestätige eine Verschlechterung im Vergleich mit den Vorbefunden und dem Vorgutachten von Dr. L ... Es handele
sich um einen entscheidenden Gesichtspunkt bei der Frage, ob eine Fibromyalgieerkrankung vorliege. Deshalb
bestehe Anlass, den Vorgutachter Dr. L. ergänzend anzuhören. Mit Fax vom 27. September 2010 wurde geltend
gemacht, die Ausführungen von Dr. C. seien nicht verständlich. Entweder zeige der Kläger das Vollbild einer
Fibromyalgieerkrankung oder nicht. Wenn der Sachverständige von einer Aggravation ausgehe, solle er sich dazu
äußern, wie er zu dieser Einschätzung komme. Dr. C. habe festgestellt, dass die chronische
Schmerzbeeinträchtigung in den letzten Jahren durch die regelmäßige Schmerzmedikation möglicherweise zu einem
schmerzsteigernden Effekt geführt habe. Hierbei verkenne der Sachverständige aber, dass die Verordnung der
Medikation durch andere Ärzte dem Kläger empfohlen worden sei. Dieser Umstand könne also dem Kläger nicht zum
Vorwurf gemacht werden. Es wurde angeregt, aufgrund der Widersprüchlichkeiten im Gutachten von Dr. C. ein
Gutachten von Amts wegen von Prof. Dr. C., M., einzuholen.
In der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2010 stellt der Klägerbevollmächtigten den Antrag aus dem Schriftsatz
vom 25. März 2009.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des SG sowie
der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 24.
Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2007 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen
voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI zu.
Gem. § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen
teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor
Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben 3. vor
Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande
sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme vor dem SG und dem Bayer- ischen Landessozialgericht
steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungs- fähigkeit des Klägers zwar qualitativ hinsichtlich der Art
und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen
jedoch einen rentenerheblichen Umfang angenommen hätten. Eine quantitative Leistungsein- schränkung liegt nicht
vor. Der Kläger kann noch 6 Stunden täglich und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte, gelegentlich
mittelschwere Arbeiten verrichten.
Beim Kläger stehen die Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen am Bewegungs-apparat und insbesondere die
Auswirkungen der somatoforme Schmerzerkrankung im Vordergrund.
Bereits bei der Untersuchung im Verfahren vor dem SG durch Dr. L. und den Nervenarzt R. zeigten sich beim Kläger
im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Aufbrauchserscheinungen, die jedoch nur diskret bis mäßig ausgeprägt
waren. Neurologische Befunde wie Reflexauffälligkeiten oder Lähmungserscheinungen waren nicht festzustellen. Die
Wirbelsäule war lotgerecht aufgebaut. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war ausreichend gut. Es fand sich eine gut
ausgeprägte paravertebrale Muskulatur. Auch an den oberen Extremitäten war die Muskulatur seitengleich kräftig
ausgebildet. Die Hände waren beidseits ausgeprägt beschwielt mit Spuren körperlicher Arbeit. Auch an den Beinen
fand sich eine seitengleich sehr gut ausgebildete Muskulatur. Dr. L. hat für den Senat nachvollziehbar hieraus
abgeleitet, dass von einer körperlichen Schonung des Klägers aufgrund dieses Befundes nicht ausgegangen werden
kann.
In Bezug auf die Schmerzangaben des Klägers ist anzumerken, dass - wie der Nervenarzt R. festgestellt hat - die
Bewegungsfähigkeit deutlich besser war, als sie aufgrund der Beschwerdeschilderung zu erwarten gewesen wäre.
Auch Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass die vom Kläger angegebenen subjektiven Beschwerden mit den organischen
Befunden nicht in Einklang zu bringen sind. Auffallend ist auch, dass der Kläger die Arme kaum bewegt und sofort
Schmerzen angibt, beim Be- und Entkleiden jedoch in der Lage ist, die Arme bis zur Waagerechten anzuheben.
Aus diesem Befunden haben Dr. L. und der Nervenarzt R. für den Senat überzeugend abgeleitet, dass dem Kläger
jedenfalls noch leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr täglich mit bestimmten
qualitativen Einschränkungen möglich sind. Die hiervon abweichende Beurteilung des Dr. L. konnte den Senat nicht
überzeugen. Wie schon das SG überzeugend dargelegt hat, bleibt Dr. L. einer überzeugenden Begründung dafür
schuldig, warum der Kläger nicht zumindest leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten können solle.
Dr. L. setzt sich in keiner Weise mit den abweichenden Ergebnissen sämtlicher Vorgutachter auseinander. Er stützt
sich im Wesentlichen auf die Beschwerdeangaben des Klägers, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Dies wäre aber
angesichts der von den Vorgutachtern festgestellten Diskrepanzen zwischen Beschwerdeschilderung des Klägers und
objektiven Befunden unverzichtbar.
Die sozialmedizinische Beurteilung von Dr. L. und R. wird von Professor Dr. C. vollumfänglich bestätigt. Nach seinen
Ausführungen haben sich seit den umfangreichen Begutachtungen im Rentenverfahren sowie im sozialgerichtlichen
Verfahren keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Der Zustand sei im Wesentlichen seit vielen Jahren
unverändert. Professor Dr. C. stellt insbesondere fest, dass sich auch aus dem von Dr. L. in den Vordergrund
gerückten Fibromyalgiesyndrom eine quantitative Leistungsminderung des Klägers nicht ableiten lässt. Auch insoweit
hat Professor Dr. C. in Übereinstimmung mit den Aussagen von Dr. L. und R. auffällige Diskrepanzen zwischen den
Beschwerdeschilderungen und dem tatsächlichen Einschränkungsbild des Klägers geschildert. So gab der Kläger bei
der expliziten Prüfung der fibromyalgietypischen Tender-Points zum Teil mit sehr starken Ausdrucksformen der
Schmerzwahrnehmung Schmerzen an. Bei verdeckter Prüfung der Tenderpoints ergaben sich - von einigen
Ausnahmen im Bereich der oberen Rückenpartie abgesehen - jedoch keine Druckdolenz. Auch bei der
Griffstärkenüberprüfung oder der Prüfung der Beweglichkeit im Schultergelenk waren die behaupteten
Beeinträchtigungen durch Professor Dr. C. objektiv nicht nachweisbar.
Zu einer weiteren Beweiserhebung nach § 106 SGG besteht kein Anlass. Dr. C. hat das Aufspringen des Klägers aus
der Sitzposition zur Kenntnis genommen und näher be-schrieben (Kläger springt in dem Moment, in dem Ehefrau
berichtet, der Kläger habe eigentlich immer Schmerzen und könne deshalb oft nicht sitzen, auf, stöhnt, streckt sich,
windet sich auch in stehender Position und präsentiert Körpergestik, als hätte er akut eine Gallenkolik). Dessen
ungeachtet ist er nur von einem mittelgradigem Fibromyalgiesyn-drom ausgegangen, das keine führende, sondern nur
eine mit zu berücksichtigende Relevanz habe und keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens nach
sich ziehe. Von einer rentenrelevanten Verschlechterung des Fibromyalgiesyndrom kann also nicht die Rede sein.
Insoweit ist auch klarzustellen, dass die Diagnose "Fibromyalgie" nicht per se eine Berentungsdiagnose darstellt,
unabhängig davon, ob es - wie von Dr. C. im Falle des Klägers angenommen - als "Vollbild" auftritt oder nicht.
Entscheidend ist immer, welche krankheitsbedingten Funktionseinschränkungen beim Kläger vorliegen. Insoweit
konnte Dr. C. jedoch keine so gravierenden Einschränkungen finden, die eine Verrichtung von leichten Arbeiten für
zumindest 6 Stunden am Tag unmöglich machen würden. Die von Seiten des Klägers vorgetragenen
Widersprüchlichkeiten im Gutachten von Dr. C. liegen nicht vor, insbesondere macht er dem Kläger keine "Vorwürfe"
in Bezug auf dessen Schmerzmitteleinnahme.
Soweit der Antrag, Dr. L. zu hören, nach § 109 SGG gestellt sein sollte, so wurde er jedenfalls in der mündlichen
Verhandlung nicht aufrecht erhalten. Er wäre auch verspätet gewesen.
Nach alledem steht für den Senat fest, dass der Kläger zumindest leichte, in Überein- stimmung mit Prof. Dr. C.
gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger
unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit
finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbe-hinderung vor, die
ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Die beim Kläger
gegebenen qualitativen Leistungseinschrän-kungen sind nicht ungewöhnlich. Im Übrigen kann der Kläger nach den
Feststellungen von Dr. L. noch als Sortierer, Verpacker leichter Gegenstände, Montierer oder einfacher Pförtner
eingesetzt werden. Dem Kläger steht auch noch ein weites Beschäfti- gungsfeld etwa im Bereich der
Bürohilfstätigkeiten offen. Nach den Feststellungen von Prof. Dr. C. kann der Kläger durchaus auch noch
Büromaschinen und Bildschirmgeräte bedienen. Von keinem der Gutachter wurde schließlich eine eingeschränkte
Wegefähigkeit des Klägers festgestellt, die Notwendigkeit arbeitsunüblicher Pausen besteht ebenfalls nicht.
Damit scheidet die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos
geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.