Urteil des LSG Bayern vom 15.03.2007

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 1 AS 238/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 321/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Oktober 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 01.01.2006 wegen der Anrechnung von
Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit streitig.
Der 1963 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zeiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 28.12.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom
01.11.2005 bis 30.04.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 621,00 EUR. Ende November 2005 teilte der Kläger
unter Vorlage einer Gewerbeanmeldung der Stadt S. vom 25.10.2005 mit, dass er eine selbstständige Tätigkeit
(Systembetreuung und Beratung von PC und Netzwerken) aufgenommen habe.
Auf die Aufforderung der Beklagten vom 14.12.2005, hierzu genauere Angaben zu machen, teilte der Kläger mit, er
erwarte Bruttoeinnahmen von 2.600 bis 2.800 EUR aus der selbstständigen Tätigkeit. Auf nochmalige Nachfrage der
Beklagten wegen der unklaren und unbelegten Angaben teilte der Kläger mit Schreiben vom 20.01.2006 mit, die
Einnahmen für Dezember hätten 3.160 EUR betragen. Gegenübergestellt wurden folgende nicht belegten Ausgaben:
Miete Z. 385 EUR, Unterkunft S. 250 EUR, Fahr- und Spritkosten 700 EUR, Kfz-Kosten 150 EUR, Kfz-Reparatur,
Winterreifen 350 EUR, Kfz-Versicherung und -steuer 75 EUR, Sicherheit/Rücklagen 150 EUR, Steuern 800 EUR,
Lebensmittel 250, Telefonkosten 105 EUR, sonstige Kosten, wie Arbeitsmittel, Kleidung 160 EUR.
Mit Bescheid vom 02.02.2006 hob die Beklagte daraufhin die Leistungsbewilligung ab dem 01.01.2006 mit der
Begründung auf, die Hilfebedürftigkeit sei entfallen. Mit seinem Widerspruch vom 19.02.2006 machte der Kläger
geltend, ohne die Unterstützung der Beklagten habe er keine Chance auf eine dauerhafte Arbeit. Die Beklagte wies
den Kläger mit Schreiben vom 02.03.2006 nochmals darauf hin, dass bei Zugrundelegung seiner Selbsteinschätzung
die Hilfebedürftigkeit entfallen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, unter
Zugrundelegung der Angaben des Klägers übersteige sein Einkommen den Bedarf von 624,00 EUR. Die Beklagte
stellte folgende Berechnung an: Pauschale für Versicherungen 30 EUR, Betriebskosten nach § 2a Abs. 1 Alg II-V
pauschal 20% der Einnahmen = 632 EUR, Unterkunftskosten am Arbeitsort 250 EUR und Fahrkosten für eine
Familienheimfahrt monatlich 208,20 EUR, daher verblieben von den 3160 EUR 2039,80 EUR. Abzüglich der Steuer in
Höhe von 25% (= 509,95 EUR) und des Freibetrages auf das Einkommen von 180 EUR ergebe sich ein
anzurechnendes Einkommen von 1349,85 EUR, das den Bedarf erheblich übersteige.
Mit seiner am 29.03.2006 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, seine
Kostenaufstellung sei ignoriert worden. Die Monatseinnahme von 3.160,00 EUR sei eine einmalige Einnahme
gewesen. Nähere konkrete Angaben zu seinem Einkommen machte der Kläger nicht. Das SG hat den Kläger mit
Schreiben vom 18.05.2006 darauf hingewiesen, dass Nachweise zum Gewinn ab dem 01.01.2006 vorzulegen seien.
Der Kläger hat daraufhin nur allgemein gehaltene Ausführungen gemacht. Dem zuständigen Vermittler der Beklagten
hatte er am 18.01.2006 mitgeteilt, dass er nun im EDV-Bereich selbstständig sei. Daraufhin wurde für Januar 2006
noch Einstiegsgeld bewilligt. Nach einem Vermerk vom 31.03.2006 wurde die Leistung eingestellt, weil sich die
Selbstständigkeit selbst trage.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.10.2006 abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der
Kläger habe bereits im November 2005 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit angezeigt und mit Schreiben
vom 23.01.2006 die Bruttoeinnahmen mit über 3.000,00 EUR angegeben. Nach diesen Angaben sei damit selbst unter
großzügigem Ansatz von Abzugsposten, wie sie im Widerspruchsbescheid ausführlich dargelegt worden seien, die
Hilfebedürftigkeit spätestens ab Januar 2006 entfallen. Mit der Erzielung von Einkommen aus selbstständiger
Tätigkeit sei eine wesentliche Änderung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten, sodass die
Leistungsbewilligung aufzuheben gewesen sei. Weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren seien konkrete
Angaben gemacht oder Nachweise vorgelegt worden, die begründet hätten, dass weiterhin Hilfebedürftigkeit vorliege.
Der Kläger hat gegen das am 10.11.2006 zugestellte Urteil mit einem am 20.12.2006 beim SG eingegangenen Fax
Berufung eingelegt. Das SG habe den Tatbestand nicht korrekt wiedergegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.10.2006 und den Bescheid der
Beklagten vom 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Für sie sei nicht ersichtlich, was der Kläger geltend machen wolle.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die
Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; denn streitig sind Geldleistungen von mehr als 500 EUR (§
144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, weil die Aufhebung des Bewilligungsbescheides durch die Beklagte nicht
zu beanstanden ist. Anspruchgrundlage für die Aufhebung ist § 48 SGB X, der über die §§ 40 SGB II und 330 SGB III
anzuwenden ist, weil davon auszugehen ist, dass der Kläger nach der Bewilligung des Alg II Einkommen erzielt hat,
das dazu geführt hat, dass die Hilfebedürftigkeit entfallen ist.
Der Anspruch auf Alg II setzt Hilfebedürftigkeit voraus (§ 19 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit und dem daraus erzielten Einkommen
sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Die Beklagte hat den Hilfebedarf des Klägers mit 624 EUR (Regelleistung 345 EUR, zuzüglich angemessener Kosten
der Unterkunft 279 EUR) angesetzt. Nach der Berechnung der Beklagten spricht mehr dafür als dagegen, dass der
Kläger ab Januar 2006 nicht mehr hilfebedürftig war. Da er selbst angegeben hat, er rechne mit einem
Bruttoeinkommen von 2.600 bis 2.800 EUR, und er im Dezember 2005 über 3.000 EUR Bruttoeinkommen erzielt hat,
ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass das erzielte Nettoeinkommen erheblich höher war als der Bedarf
des Klägers. Dies auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte den Bedarf mit 624 EUR zu niedrig
angesetzt hat. Zudem hat er für den Monat Januar 2006 auch ein Einstiegsgeld erhalten, durch das zumindest ein Teil
seiner Unkosten, die für seine selbständige Tätigkeit angefallen sind, ausgeglichen werden. Ein weiteres Indiz dafür,
dass die Hilfebedürftigkeit entfallen war, ist die Tatsache, dass er trotz des Hinweises des SG keine Angaben dazu
gemacht hat, welches Einkommen er im Januar 2006 erzielt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.