Urteil des LSG Bayern vom 20.01.2009
LSG Bayern: wartezeit, firma, soziale sicherheit, hessen, marokko, arbeitsentgelt, verschulden, erwerbsunfähigkeit, arbeitsunfall, erfüllung
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.01.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 3 R 706/05
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 332/06
Bundessozialgericht B 5 R 112/09 B
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. März 2006 wird
zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Regelaltersrente.
Der im Jahr 1940 geborene Kläger, marokkanischer Staatsangehöriger, hat keine Berufsausbildung absolviert und war
zunächst in der elterlichen Landwirtschaft bzw. in Algerien als Maurer tätig. Nach Angabe des marokkanischen
Versicherungsträgers vom 15. Juli 2004 sind für den Kläger keine marokkanischen Beiträge nachgewiesen.
Nach seinen eigenen Angaben hielt sich der Kläger seit Januar 1968 illegal in der Bundesrepublik Deutschland auf und
war seit 1. August 1968 bei der Firma J. L., F., als Maschinenarbeiter beschäftigt. Vom Arbeitgeber seien monatlich
600.- DM vom Lohn einbehalten worden. Eine Steuerkarte oder ein Versicherungsnachweisheft habe er jedoch nicht
erhalten.
Beiträge zur Sozialversicherung wurden nur für den Zeitraum 2. Juni 1980 bis 29. März 1983 entrichtet. Der
Beitragszahlung lag eine Tätigkeit als Maschinenarbeiter bei der Firma J. L. KG zu Grunde. Am 9. Juni 1980 erlitt der
Kläger im Rahmen eines Arbeitsunfalls eine schwere Quetschverletzung des linken distalen Unterarms mit Fraktur der
linken Elle und Speiche. Der Kläger befand sich daraufhin vom 9. Juni 1980 bis 14. Oktober 1980, 8. Januar 1981 bis
16. März 1981 und 27. April 1981 bis 3. Juni 1981 in stationärer (Heil)Behandlung. Die Verletzung führte dazu, dass
der Kläger, der Linkshänder ist, die linke Hand nur noch als Beihand benutzen kann. Von der Großhandels- und
Lagerei - Berufsgenossenschaft (BG) wurde mit Bescheid vom 25. September 1981 eine Unfallrente auf der Grundlage
einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vom 100 ab 13. Juli 1981 gewährt. Ein Antrag des Klägers auf
Erhöhung der MdE wurde mit Bescheid vom 8. Dezember 1984 von der BG abgelehnt. Eine wesentliche Änderung im
Unfallfolgenzustand sei nicht eingetreten.
Vom 2. Juni 1980 bis 21. Juli 1980 bezog der Kläger beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, vom 23. Juli 1980 bis 15. Juli
1981 erhielt er Krankengeld. Am 15. Juli 1981 nahm der Kläger wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung als
Lagerarbeiter (Aushilfe) bei der Firma J. L. KG in F. (später Altpapier Recycling GmbH) in Vollzeit auf und bezog
beitragspflichtiges Arbeitsentgelt bis 29. März 1983.
Am 21. September 1981 begehrte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung von der Landesversicherungsanstalt
Hessen. Auf eine Mitgliedschaft bei der AOK in F. und Tätigkeiten bei der Firma L. KG seit Januar 1968 wurde vom
Kläger hingewiesen. Auf Anfrage durch die LVA Hessen teilte die AOK F. mit, dass für die Zeit vom 1. Januar 1968
bis 1. Juni 1980 keine Angaben gemacht werden könnten, weil eine Mitgliedschaft trotz eingehender Nachforschungen
nicht festzustellen sei. Bei den Kartenverwahrstellen der LVA Hessen fanden sich keine Versicherungskarten des
Klägers.
Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten von Dr. L. ein. Dr. L. stellte ein vollschichtiges Leistungsvermögen
des Klägers für leichte bis mittelschwere Arbeiten fest, die nicht die volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand
voraussetzen. Die derzeit verrichtete Tätigkeit erfolge nicht auf Kosten der Gesundheit. Mit Bescheid vom 23. Juli
1982 wurde daraufhin der Antrag des Klägers abgelehnt. Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig leichte bis
mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen zu verrichten. Auch sei die Wartezeit von 60 Kalendermonaten
Versicherungszeit nicht erfüllt.
Der Kläger hat hiergegen Widerspruch erhoben. Im Rahmen einer telefonischen Rücksprache mit dem damaligen
Bevollmächtigten des Klägers ergab sich ausweislich eines Vermerks vom 24. November 1983, dass der Kläger
tatsächlich bereits seit 1968 bei der Firma L., F., beschäftigt gewesen war. Der Arbeitgeber habe das
Beschäftigungsverhältnis jedoch offensichtlich nicht der zuständigen allgemeinen Ortskrankenkasse F. gemeldet. Der
Nachweis nach § 1397 Abs. 6 RVO könne nicht geführt werden.
Der ärztliche Dienst der LVA Hessen stellte am 28. Juni 1983 fest, dem Kläger seien noch vollschichtig leichte
Tätigkeiten, die ausnahmslos mit der rechten Hand zu verrichten sind, zuzumuten, wobei die linke Hand nur in
geringem Umfang als Beihand eingesetzt werden könne. Der Kläger könne auch keine Arbeiten ausführen, die
besondere Anforderungen an die nervliche Belastung darstellen. Der Widerspruch wurde daraufhin mit
Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 1984 zurückgewiesen. Der Kläger könne weiterhin vollschichtig als Lagerarbeiter,
Warensortierer, Pförtner oder Bote tätig sein. Klage wurde nicht erhoben.
Am 30. März 1983 wurde der Kläger im Zuge einer Ausweisungsverfügung vom 18. September 1978 nach Marokko
abgeschoben.
Am 22. März 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente bei der nunmehr zuständig gewordenen
Beklagten. Von der Beklagten durchgeführte Ermittlungen bei der AOK Hessen zur Feststellung einer Abführung von
Beiträgen vor dem 2. Juni 1980 blieben ergebnislos. Daraufhin lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom
1. September 2004 den Antrag ab. Anspruch auf Regelaltersrente bestehe nicht, weil der Kläger noch nicht das 65.
Lebensjahr vollendet habe. Auch sei die für den Anspruch auf Regelaltersrente erforderliche Wartezeit von 5 Jahren
nicht erfüllt. Es seien nur 28 Wartezeitenmonate in der deutschen Rentenversicherung und 0 Wartezeitenmonate in
der marokkanischen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei seit 1968 bis 1980 bei demselben
Arbeitgeber beschäftigt gewesen.
Aus daraufhin von der Beklagten bei der BG beigezogenen Unterlagen ergibt sich, dass bei bereits mehrfach
durchgeführten Betriebsprüfungen der AOK F. - zuletzt am 26. Februar 1979 - keine wesentlichen Erkenntnisse
gewonnen worden waren, dass nicht angemeldete Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis bei der Firma L. KG arbeiten.
Mit Schreiben vom 2. Juli 1981 teilte die AOK F. ferner mit, dass der Kläger mehrmals seinen Namen wechselte und
möglicherweise unter anderem Namen auch versichert war. Ein Nachweis dafür könne allerdings bis zum Jahr 1968
rückwirkend nicht erbracht werden, da die Firma L. über die gesetzlichen Aufbewahrungszeiten hinaus keine
Unterlagen mehr zur Verfügung habe. Eine Anfrage der Beklagten bei der Firma L. vom 21. April 2005 blieb erfolglos,
da der Arbeitgeber unter der bei der Beklagten bekannten Anschrift nicht mehr zu ermitteln war. Der BG hatte der
Kläger über die Unfallklinik Unfall im September 1980 Lohnabrechnungsbelege vom 5. Dezember 1975, 5. April 1976,
4. Juni 1976, 5. April 1978, 5. Mai 1978 und 5. Juni 1978 mit der Anmerkung vorgelegt, dass er weitere Unterlagen
nicht besitze. Aus den vorgelegten Belegen geht hervor, dass Beiträge zur Rentenversicherung nicht gezahlt wurden.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2005 zurückgewiesen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Augsburg verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Nachweise
über seine von 1965 bis 1982 verrichteten Tätigkeiten seien verloren gegangen. Auf Anfrage des Gerichts teilte er mit,
derartige Unterlagen seien im Krankenhaus "M. Klinik" in Deutschland.
Das SG wies darauf hin mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2006 die Klage ab. Die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Leistungen würden fehlen. Das Versicherungskonto des Klägers
weise nur 28 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten auf. Ein Nachweis, dass der Kläger auch schon vor 1980 in
Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, sei nicht erbracht.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt unter erneutem Hinweis auf seine Beschäftigung seit 1968 in der
Bundesrepublik Deutschland.
Der Senat hat diesbezüglich erneut Anfragen an die AOK Hessen und die Deutsche Rentenversicherung Hessen
gerichtet, die jedoch keine neuen Erkenntnisse erbrachten. Die Unterlagen über Betriebsprüfungen bei der Firma L.
KG wurden mittlerweile vernichtet. Er hat ferner die Akten der BG beigezogen.
Auf Anregung des Gerichts im Erörterungstermin vom 29. November 2006 prüfte die Beklagte, ob der Arbeitsunfall als
wesentliche Mitursache einer eventuell eingetretenen Erwerbsminderung anzusehen sei. Der sozialmedizinische
Dienst der Beklagten kam zu der Einschätzung, dass weder zum jetzigen Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt des
Arbeitsunfalls eine Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Kläger sei in der Lage, Tätigkeiten als Pförtner oder Telefonist
bzw. leichte Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Kontrolleurstätigkeiten vollschichtig auszuüben, soweit sie
überwiegend eigenhändig ausgeführt werden könnten.
In dem vom Senat gemäß § 106 SGG in Auftrag gegebenen Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. S. stellt der
Gerichtssachverständige nach Untersuchung des Klägers fest, dass der Kläger noch mehr als 6 Stunden täglich
leichte Arbeiten verrichten könne, soweit sie überwiegend einhändig ausgeübt werden können. Die linke Hand könne
der rechten Hand nur als Beihand für leichte Montier-, Sortier-, Verpacker- und Kontrollarbeiten dienen. Die Beklagte
hat hierzu ausgeführt, es sei nach wie vor davon auszugehen, dass der Kläger Tätigkeiten als Pförtner, Kontrolleur
oder Telefonist mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne.
Der Senat hat den Beteiligten eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Bayern vom 8. Dezember
2003 sowie ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31.1.2003 (Az. L 8 RJ 482/02) übermittelt
und darauf hingewiesen, dass danach noch eine Tätigkeit als Pförtner oder Spielhallenaufsicht in Betracht kommt.
In der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2009 ist der Kläger nicht erschienen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 17. März 2006 und des
Bescheids vom 1. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2005 zu
verurteilen, antragsgemäß Regelaltersrente entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie beigezogenen Akten des
Sozialgerichts Augsburg, der Beklagten und der BG verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Regelaltersrente zu.
Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Der Kläger war
zum Termin ordnungsgemäß geladen und wurde in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines
Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann.
Gemäß § 235 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind,
Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht und die
allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Zwar hat der im Jahr 1940 geborene Kläger mittlerweile die Regelaltersgrenze von 65 Jahren erreicht. Eine
Rentengewährung kommt aber nicht in Betracht, da der Kläger nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Gemäß § 51 Abs. 1, IV SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI)
Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 S. 1,
2 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind bzw. für die
Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Für den Kläger sind 28 Monate mit
Pflichtbeitragszeiten im Zeitraum Juni 1980 bis März 1983 nachgewiesen. Versicherungszeiten des Klägers in
Marokko, die nach dem deutsch-marokkanischen Sozialversicherungsabkommen auf die Wartezeit angerechnet
werden könnten, liegen nicht vor.
Die vom Kläger geltend gemachten Pflichtbeitragszeiten von 1968 bis Mai 1980 sind weder nachgewiesen noch
glaubhaft gemacht. Ob und inwieweit wirksam Beiträge entrichtet wurden, richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der
Beitragszahlung geltenden Recht, da § 300 Abs. 1 SGB VI nicht auf versicherungsrechtliche Tatbestände anwendbar
ist (KassKomm, Niesel, § 300 SGB VI Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Maßgeblich sind damit die Bestimmungen der
Reichsversicherungsordnung - RVO.
Es ist kein Nachweis vorhanden, dass für diesen Zeitraum gemäß § 1418 Abs. 1 RVO wirksam Beiträge gezahlt
wurden. Sowohl die Ermittlungen der Beklagten als auch des Senats bei der zuständigen Einzugsstelle sowie bei der
für die Kartenverwaltung zuständigen Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz ergaben keinen Nachweis einer
Beitragszahlung. Versicherungskarten liegen keine vor.
Der Kläger hat auch nicht eine Beitragszahlung im Sinne des § 1423 Abs. 3 RVO glaubhaft gemacht. Gibt der
Versicherte an, dass er während einer Zeit, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder überhaupt
nicht auf der Karte bescheinigt ist, versicherungspflichtig gewesen ist und dass für diese Zeit die erforderlichen
Beiträge entrichtet sind, so hat er es nach dieser Bestimmung glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung der
Entrichtung von Beiträgen ist nicht erfolgt.
Schließlich hat der Kläger auch nicht glaubhaft gemacht, dass der auf ihn entfallende Anteil vom Lohn abgezogen
worden ist. In diesem Fall gilt der Beitrag gemäß § 1397 Abs. 6 Satz 1, 2 RVO ohne Rücksicht auf die tatsächliche
Abführung als entrichtet, ohne dass es einer Eintragung in die Versicherungskarte bedürfte. Aus den vorliegenden
Entgeltabrechnungen geht jedoch im Gegenteil hervor, dass Beiträge zur Sozialversicherung bzw. Lohnsteuer nicht
abgeführt wurden. Bruttolohn und Nettolohn stimmen auf allen Bescheinigungen überein.
Der Kläger ist auch nicht gem. § 197 Abs. 3 SGB VI berechtigt, für Zeiten vor Juni 1980 nachträglich Pflichtbeiträge
zu zahlen, um damit die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit zu erreichen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist in
Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der
Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Frist
zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Hier liegt
schon kein Antrag des Klägers auf Zulassung zur Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen für Zeiten bis Mai 1980 vor.
Darüber hinaus liegen Lohnabrechnungen und damit Nachweise für eine versicherungspflichtige Beschäftigung nur für
die Monate November 1975, März 1976, Mai 1976, März 1978, April 1978, Mai 1978 und damit für 6 Monate vor.
Selbst wenn der Kläger berechtigt wäre, für diese Monate Pflichtbeiträge gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI
nachzuentrichten, wäre die allgemeine Wartezeit nach wie vor nicht erfüllt. Darüber hinaus ist nicht davon
auszugehen, dass der Kläger ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert war. Dem Kläger
wurden nach eigenen Angaben keine Versicherungsnachweise vom Arbeitgeber überlassen. Auch aus den dem Kläger
ausgehändigten Lohnabrechnungen geht hervor, dass keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden. Dies
hätte genug Anlass für den Kläger sein müssen, der Frage nachzugehen, ob für ihn Beiträge zur Rentenversicherung
abgeführt werden. Dies hat er jedoch zumindest leicht fahrlässig nicht getan, so dass nicht davon ausgegangen
werden kann, dass der Kläger an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war (vgl. KassKomm,
Peters, § 197 SGB VI Rn. 18).
Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit kann sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
ergeben, weil der Kläger nicht in Bezug auf die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen belehrt wurde. Zu der Entrichtung
von freiwilligen Beiträgen war der Kläger nach seiner Ausweisung nach Marokko nicht berechtigt, da er nicht
deutscher Staatsangehöriger ist (vgl. § 1233 Abs. 1 S. 1, 2 RVO, nunmehr § 7 Abs. 1 SGB VI). Ein entsprechendes
Recht lässt sich aus nicht aus dem deutsch-marokkanischen Sozialversicherungsabkommen ableiten. Ein Recht von
marokkanischen Staatsangehörigen zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung ist nach Ziffer
2 d) des Schlussprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko
über soziale Sicherheit ausgeschlossen. Eine Pflichtverletzung der LVA Hessen bzw. später der Beklagten ist
insoweit daher nicht zu erkennen.
Die allgemeine Wartezeit ist auch nicht gemäß § 245 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB VI vorzeitig erfüllt, weil der Kläger nach
dem 31. Dezember 1972 wegen eines Arbeitsunfalls vermindert erwerbsfähig geworden ist.
Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht
absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt
oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 DM übersteigt (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.).
Erwerbsunfähig ist nicht, der eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht
zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F.). Seit 1. Januar 2001 setzt der Eintritt von voller bzw.
teilweiser Erwerbsminderung voraus, dass das Leistungsvermögen unter 3 bzw. 6 Stunden abgesunken ist (vgl. § 43
Abs. 1, 2 SGB VI n.F.).
Sowohl nach dem Gutachten von Dr. L. als auch nach den aktuellen Feststellungen von Dr. S. wird dem Kläger noch
ein vollschichtiges bzw. über 6stündiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
bescheinigt. Der Gesundheitszustand des Klägers war nach dem Arbeitsunfall und ist es auch noch heute durch die
Unfallfolgen an dem linken Arm geprägt. Diese bedingen jedoch keine Einschränkung des quantitativen
Leistungsvermögens.
Zwar liegt beim Kläger aufgrund der weitgehenden Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand eine sog. schwere
spezifische Leistungsbehinderung vor (vgl. BSG SozR 220 § 1246 Nr. 30). Dies hat nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 75, 81, 90, 90, 104, 117, 136) zur Folge, dass eine konkrete
Verweisungstätigkeit zu benennen ist. Der Senat ist mit der Beklagten der Auffassung, dass der Kläger nach Ende
der akuten Behandlungsbedürftigkeit der Unfallverletzungen wieder in der Lage war, vollschichtig Tätigkeiten als
einfacher Pförtner an der Nebenpforte oder als Spielhallenaufsicht zu verrichten.
Die Tätigkeit eines Pförtners ist - wie sich aus der vom Senat in das Verfahren eingeführten berufskundlichen
Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 22. August 2000 (vgl. Urteil des LSG Baden-
Württemberg vom 31. März 2003, L8 RJ 482/02) ergibt - eine körperlich leichte Arbeit, die überwiegend im Sitzen,
gelegentlich auch im Stehen oder Gehen ausgeübt wird. Erforderlich ist auch ein ausreichendes sprachliches
Ausdrucksvermögen, wobei hinsichtlich der Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenfolge jedoch keine besonderen
sprachlichen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen zu stellen sind. Der Kläger könnte daher in einem
Bereich eingesetzt werden, der nicht in erster Linie durch Publikumsverkehr geprägt ist. Schwierigkeiten, die sich
daraus ergeben, dass der Kläger der deutschen Sprache nicht uneingeschränkt mächtig ist, bleiben hier außer
Betracht, da es sich hierbei nicht um eine gesundheitsbedingte Einschränkung des Erwerbsvermögen des Klägers
handelt.
Der Ausübung einer Pförtnertätigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seine linke Hand nur noch als
Beihand benutzen kann. Die anfallenden Verrichtungen (Durchführen von Ausweiskontrollen, Begrüßen und Anmelden
von Besuchern, Schlüsselausgabe und -rücknahme, Überwachen des Kfz- und Warenverkehrs) können ohne
Gebrauch der linken Hand verrichtet werden. Zwar fallen insbesondere in kleineren Betrieben weitere Tätigkeiten an
(zum Beispiel Bedienung der Telefonanlage, Fertigen von kleinen Notizen). Der Senat hat aber keinen Zweifel daran,
dass der Kläger, der im übrigen unter keinen wesentlichen qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens
leidet, in der Lage ist, kleinere Notizen auch mit der rechten Hand zu fertigen oder eine Telefonanlage zu bedienen.
Darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass der leistungsgeminderte Versicherte auf jedem Pförtnerarbeitsplatz
einsetzbar ist. Vielmehr genügt die prinzipielle Eignung für eine derartige Tätigkeit.
Soweit in der ebenfalls in das Verfahren ordnungsgemäß eingeführten berufskundlichen Stellungnahme des
Landesarbeitsamtes Bayern vom 20. November 2003 dargetan ist, dass der Kläger bei der Gefahrenabwehr die volle
Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich ist (zum Beispiel Bedienen der Feuerlöscher oder Öffnen der
Notausgänge bei gegebenen Anlass, in den Weg Stellen bzw. gemäßigtes Abdrängen unerwünschter Besucher), ist
darauf zu verweisen, dass derartige Notfälle nicht den Arbeitsalltag eines Pförtners prägen. In erster Linie wird es
Aufgabe eines Pförtners im Brandfall sein, die Feuerwehr zu informieren. Das "in den Weg Stellen" und gemäßigte
Abdrängen von Besuchern ist darüber hinaus auch Einarmigen möglich. Bei derartigen Notfällen (Feuer, Auftreten von
unerwünschten Personen, bei denen ein körperliches Eingreifen des Pförtners zumutbar und erforderlich ist und
darüber hinaus den Einsatz beider Hände erfordert) handelt es sich schließlich nicht um typische Arbeitsabläufe und
Belastungssituationen, die dem Abgleich von Anforderungen des Verweisungsberufs und gesundheitlichem
Leistungsvermögen des Versicherten zu Grunde zu legen sind (vgl. insoweit KassKomm, Niesel, § 240 SGB VI Rdn.
87).
Darüber hinaus kann der Kläger auf eine Tätigkeit als Spielhallenaufsicht verwiesen werden. Nach der
berufskundlichen Stellungnahme vom 20.11.2003 ist bei dieser Tätigkeit die volle Gebrauchsfähigkeit beider Arme
nicht erforderlich. Der körperliche Einsatz ist auch im Falle des Auftretens unerwünschter Gäste nicht vorgesehen.
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger auch nach seinem Unfall bis heute gesundheitlich in der Lage
wäre, eine derartige Tätigkeit auszuüben. Arbeitsplätze sind in ausreichendem Umfang vorhanden.
Gegen den Eintritt von Erwerbsunfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass
der Kläger nach Abschluss der stationären Behandlungsmaßnahmen ab 15. Juli 1981 bis zu seiner Ausweisung im
März 1983 tatsächlich versicherungspflichtig als Lagerhelfer beschäftigt war. Die tatsächliche Ausübung einer
vollschichtigen Erwerbstätigkeit schließt in der Regel die Annahme von Erwerbsunfähigkeit aus, da der tatsächlichen
Arbeitsleistung ein stärkerer Beweiswert zukommt als dem medizinischen Befunden (BSG SozR 220 § 1247 Nr. 12).
Dies gilt nur dann nicht, wenn die Tätigkeit nur unter unzumutbaren Schmerzen, einer unzumutbaren Anspannung der
Willenskraft oder auf Kosten der Gesundheit verrichtet wird. Hierfür gibt es jedoch keinen Beleg. Der Zeitraum von
immerhin zwei Jahren, in dem der Kläger diese Tätigkeiten verrichtet hat, spricht hingegen eher gegen eine solche
Annahme. Der Kläger hat diesen Arbeitsplatz auch nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, sondern weil er
ausgewiesen wurde.
Damit kommt eine Rentengewährung nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.