Urteil des LSG Bayern vom 11.08.2009
LSG Bayern: stille gesellschaft, reisebüro, betriebsmittel, stadt, stillen, geschäftsführer, beitragsrückerstattung, inhaber, adresse, krankenversicherung
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.08.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 14 R 8018/07
Bayerisches Landessozialgericht L 5 R 958/08
Bundessozialgericht B 12 R 39/09 B
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 7. August
2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin wegen einer beitragspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) vom 01.01. bis
30.04.2004 Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten hat.
1.
Die Klägerin betreibt als Einzelfirma ein Reisebüro in B-Stadt mit der Internetpräsenz www.r ...de. Für sie war der
Beigeladene zu 1) im Reisebüro seit 01.05.1998 beitragspflichtig beschäftigt, die entsprechenden Meldungen und
Beitragsabführungen ergingen gegenüber der Beigeladenen zu 2).
Mit Telefax vom 31.10.2001 kündigte der Beigeladene zu 1) seine Mitgliedschaft bei den Beigeladenen zu 2) und 3)
mit Wirkung zum 31.12.2001, weil er ab 01.01.2002 selbständig sei und sich privat krankenversichern werde.
Tatsächlich blieb er weiterhin im Reisebüro der Klägerin tätig, die die entsprechenden
Gesamtsozialversicherungsbeiträge für 2002 weiterhin an die Beigeladene zu 2) abführte. Wegen einer
Schwangerschaft setzte die Klägerin den Beigeladenen zu 1) ab 01.01.2003 als Geschäftsführer ein. Mit
Gesellschaftsvertrag vom 15.12.2003 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine "stille Gesellschaft".
Danach leistete der Beigeladene zu 1) eine Bareinlage von 2.500,00 Euro, um stiller Teilhaber zu werden. Für seine
Tätigkeit erhielt er ab 01.01.2004 eine monatliche Vergütung von 1.750,00 Euro. Zudem war er mit 20 % am Gewinn
und am Verlust der Gesellschaft beteiligt, wobei die Verlustbeteiligung auf 2.500,00 Euro limitiert war. Zudem meldete
der Beigeladene zu 1) bei der Stadt B-Stadt unter dem 02.01.2004 eine gewerbliche Tätigkeit an in Gestalt der
Vermittlung von Reisen/ Flügen aller Art. Als Adresse war diejenige der Klägerin angegeben, als Beginn der
angemeldeten Tätigkeit der 01.01.2003.
Nach einer zweitätigen Betriebsprüfung (30.11.2004/07.12.2004) und durchgeführter Anhörung vom 08.03.2005
forderte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2005 für den Prüfzeitraum 01.01.2000 bis 30.04.2004 Beiträge und
Umlagen in Höhe von 27.038,83 Euro nach. Neben weiteren hier nicht streitigen Forderungen machte die Beklagte
geltend, der Beigeladene zu 1) sei auch über den 31.12.2001 hinaus für die Klägerin in deren Reisebüro als
Beschäftigter tätig gewesen, so dass die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten
seien.
Dagegen erhob die Klägerin unter dem 14.05.2005 Widerspruch und machte mit Schreiben vom 21.01.2006 geltend,
der Beigeladene zu 1) habe ursprünglich zum 01.01.2003 das Geschäft übernommen bzw. seinen Geschäftszweig
integriert. Der Beigeladene zu 1) sei wegen ihrer Schwangerschaft als Geschäftsführer auch für ihren Bereich ab dem
01.01.2003 bis auf Weiteres eingesetzt gewesen. Eine Beitragsrückerstattung von der Beigeladenen zu 2) sei wegen
Vorlage einer privaten Krankenversicherung erfolgt. Eine weitere Begründung erfolgte ebenso wenig wie ein Nachweis
der Geschäftsführertätigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück, weil sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1)
für die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt wesentlich geändert hätte.
2.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben, ohne diese zu begründen. Die Beigeladene
zu 2) hat angegeben, sie habe die Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 1) aufgrund dessen Angaben beendet. Dass
ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hatte, sei nicht bekannt gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.08.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die
angefochtene Entscheidung der Beklagten Bezug genommen. Ergänzend sei auszuführen, weder der Beigeladene zu
1) noch die Klägerin hätten dartun können, dass im streitigen Zeitraum von 2001 bis April 2004 kein
Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Die Beitragsrückerstattung der Beigeladenen zu 2) sei aus Unkenntnis
erfolgt und sei deshalb unbeachtlich. Anhaltspunkte, dass der Beigeladene zu 1) den Betrieb der Klägerin
übernommen oder eine Mitunternehmerschaft begründet hätte, seien nicht erkennbar.
Dagegen hat der Beigeladene zu 1) Berufung eingelegt und geltend gemacht, zumindest für den Zeitraum 01.01.2004
bis 30.04.2004 sei er in einer selbständigen Tätigkeit gewesen, wie sich aus dem Vertrag der stillen Gesellschaft und
aus der steuerlichen Behandlung dieses Zeitraumes durch die Finanzbehörden ergebe. Die Entscheidung des
Sozialgerichts Regensburg sei entsprechend zu korrigieren.
Der Beigeladene zu 1) beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom
13.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2006 insoweit aufzuheben, als dort
Gesamtsozialversicherungsbeiträge für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 01.01. bis 30.04.2004
nachgefordert wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hat sich zur Berufung weder geäußert noch einen Antrag gestellt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2009 waren die Verwaltungsakten der
Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1) ist zulässig (§§ 141, 143 Sozialgerichtsgesetz
- SGG), aber unbegründet. Diese Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als
Einzelrichter.
1.
Streitgegenstand der allein durch den Beigeladenen zu 1) eingelegten Berufung ist nach dessen unzweifelhaftem
Vorbringen nur noch, ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 13.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.03.2006 Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der
Klägerin auch für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.04.2004 zu Recht nachgefordert hat. Die Entscheidung der
Beklagten ist somit nur noch teilweise Gegenstand der Berufung. Nicht mehr zu befinden ist über die Nachforderung
von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bis 31.12.2003 aus der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) über die
Nachforderungen von Umlagen U 1 und 2 sowie über die der Höhe nach unzutreffende Meldung des beitragspflichtigen
Entgeltes.
Die Beklagte war gemäß § 28 p Abs. 2 SGB IV berechtigt und verpflichtet, im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der
Klägerin als Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1), dessen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und
Beitragspflicht nach den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung festzustellen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs.
1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 25 Abs. 1 SGB III) und die entsprechenden Beiträge von der
Klägerin als Zahlungspflichtiger gemäß § 28 e SGB IV nachzufordern.
2.
In Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten, dem dortigen Vorbringen der Beteiligten und in Würdigung des
gesamten prozessualen Vorbringens ist festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) im Reisebüro der Klägerin zunächst
seit 01.05.1998 abhängig beschäftigt war. Dies wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen und ergibt sich unter
anderem aus der Erstattung der entsprechenden Meldungen durch die Klägerin und aus der Abführung des
Gesamtsozialversicherungsbeitrages. An dieser abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin hat sich auch in der
Folgezeit nichts geändert. Die Klägerin ist stets Inhaberin des Reisbüros "R." in B-Stadt geblieben, der Beigeladene
zu 1) ist insbesondere nach außen hin niemals als Inhaber oder Mitinhaber des Reisebüros aufgetreten. An diesem
Status hat sich mit dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Jahr 2002 nichts geändert. Zwar hat die
Klägerin behauptet, der Beigeladene zu 1) habe einen eigenen Bereich erhalten. Dies ändert doch nichts daran, dass
der Beigeladene zu 1) stets in den Geschäftsräumen der Klägerin tätig war und die dortigen Betriebsmittel für seine
Tätigkeiten genutzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene zu 1) irgendwann eigene Betriebsmittel
eingesetzt hat oder durch unternehmerisches Tätigwerden dem Risiko von Verlust oder der Chance von Gewinn
ausgesetzt war.
Hieran hatte sich auch ab 01.01.2003 nichts geändert, als die Klägerin ihn schwangerschaftsbedingt als
Geschäftsführer eingesetzt hatte. Denn die Geschäftsführertätigkeit beinhaltet ihrem Begriff nach das Führen eines
fremden, nicht aber eines eigenen Geschäftes. Zudem sind Verhinderungsvertretungen wie vorliegend der Tätigkeit
eines leitenden Angestellten zuzuordnen, weil sich an den Eigentumsverhältnissen der Betriebsmittel und an der
Betriebsinhaberschaft nichts geändert hatte. Die im Nachhinein vorgenommene über ein Jahr rückwirkende
Anmeldung eines Reisebürogewerbes unter der Adresse der Klägerin bleibt insoweit ohne Belang.
3.
An diesen Verhältnissen hat sich auch durch den Abschluss der stillen Gesellschaft mit Vertrag vom 15.12.2003
nichts geändert. Denn zum Einen blieb die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) in ihrer Art gleich. Zum Anderen hatte der
Beigeladene zu 1) lediglich ein monatliches Gehalt von 1.750,00 Euro erhalten. Einem echten unternehmerischen
Risiko war er zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt, weil zwar eine Beteiligung am Verlust vereinbart war, diese jedoch auf
2.500,00 Euro limitiert war. Zudem ist es das Wesen der stillen Gesellschaft, dass nach außen hin keine
Veränderungen eintreten. Das heißt, der Beigeladene zu 1) ist auch nach Abschluss des Vertrages niemals nach
außen hin als Inhaber des Reisebüros der Klägerin aufgetreten. Es fehlt so mit an dem für eine selbständige Tätigkeit
typischen Auftreten am Markt, dem Abschluss von Geschäften in eigenem Namen, dem Treiben eigener Werbung für
eigene Zwecke und dem auch nach Außen hin erkennbaren Einsatz eigener Betriebsmittel.
Dabei wird nicht übersehen, dass die Klägerin schwangerschaftsbedingt dem Beigeladenen zu 1) weitgehende
Freiheiten einräumen musste und dass dieser insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Art seiner
Tätigkeit strengen Weisungen nicht mehr unterworfen war und weitgehende Freiheiten genießen konnte. Dies allein
ändert jedoch den Status des Beigeladenen zu 1) als leitender Angestellter und damit als abhängig Beschäftigter
nicht.
In einer Gesamtschau der relevanten Anhaltspunkte ergibt sich somit ein Fortbestehen der abhängigen Beschäftigung
des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin auch im streitigen Zeitraum 01.01. bis 30.04.2004. Die Berufung bleibt somit
in vollem Umfange ohne Erfolg.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung hat ausschließlich der Beigeladene zu 1) eingelegt.
Dieser ist als Beschäftigter kostenprivilegiert und zählt - anders als die Klägerin - nicht dem kostenpflichtigen
Personenkreis im Sinne des § 197 a SGG. In der Folge war auch kein Streitwert festzusetzen.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.