Urteil des LSG Bayern vom 28.10.2009

LSG Bayern: asthma bronchiale, berufliche tätigkeit, angina pectoris, behandelnder arzt, berufskrankheit, verdacht, befund, verwaltungsverfahren, sachverständiger, anerkennung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 7 U 314/08
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 180/09
Bundessozialgericht B 2 U 338/09 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16. April 2009 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 Euro auferlegt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit.
Die 1950 geborene Klägerin gibt an, sie habe von 1997 bis 1999 täglich sieben bis acht Stunden in einem Raum ohne
ausreichende Ventilation mit durchschnittlich sechs bis sieben Kanistern Aceton zu arbeiten gehabt und habe dabei
keine Schutzmaske getragen.
Der Allgemeinarzt Dr. S. berichtete am 22. Juli 2006 über den Verdacht auf eine Berufskrankheit der Klägerin. Sie
leide seit 1997 an Kopfschmerzen, Magenschmerzen, verstopfter Nase und Atemnot und führe diese Beschwerden
auf die bis 1999 ausgeübte Tätigkeit zurück. Laborchemisch sei ein Leberschaden ausgeschlossen. 2004 habe die
Klägerin Sodbrennen und Magenbeschwerden angegeben. Gastroskopisch seien eine kleine Hiatushernie und eine
Refluxoesophagitis festgestellt worden.
Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S. berichtete im Dezember 2003 über eine restriktive
Ventilationsstörung und Hyperreagibilität, am 4. März 2004 über eine leichtgradige bronchiale Hyperreagibilität, am 6.
Oktober 2004 über eine mehr restriktive Ventilationsstörung und ein ständiges bronchiales Reizsyndrom. Der Hals-
Nasen-Ohrenarzt Dr. R. diagnostizierte eine Rhinitis und Septumdeviation, Nasenmuschelhyperplasie sowie eine
Innenohrhochtonschwerhörigkeit beiderseits. Der Internist Dr. R. stellte am 16. August 2004 bei einer Sonographie
keinen pathologischen Befund des Abdomen fest. Die Klägerin hatte über zweimaliges Erbrechen berichtet.
1998 war die Klägerin wegen eines irritativ-toxischen Händeekzems in Behandlung. Die Hautveränderungen führte der
Dermatologe Dr. S. auf die berufliche Tätigkeit zurück; der beratende Hautarzt der Beklagten hielt einen
Arbeitsplatzwechsel für erforderlich. Am 4. August 1999 berichtete die Klägerin, sie leide nicht mehr unter
Hautveränderungen und sei nicht mehr in ärztlicher Behandlung.
Ein Computertomogramm des Schädels von 22. Januar 2004 erbrachte keinen krankhaften Befund.
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 4. November 2004 führte der Arzt für Arbeitsmedizin und Allergologie
Dr. W. aus, sowohl Aceton als auch das nach Angaben des Arbeitgebers verwendete Styrol wirkten neurotoxisch und
reizend auf Augenschleimhäute und obere Atemwege. Eine Reizung der tieferliegenden bronchialen Bereiche sei nur
bei sehr hoher Exposition, z.B. durch unfallartige Freisetzung, gegeben. Zwar habe beim Reinigen der Behälter und
der dabei erforderlichen großflächigen Verteilung des Acetons eine hohe Exposition vorgelegen. Eine Schädigung der
Atemwege durch Aceton oder Styrol sei aber nur unmittelbar während und nach der Beschäftigung und nicht mit
jahrelanger Verzögerung möglich. Dass sich ein Nasen-, Rachen- oder Bronchialschleimhäute reizender Prozess nach
Ende der Exposition über vier bis fünf Jahre verschlechtere, sei äußerst unwahrscheinlich. Eine geringgradige
bronchiale Hyperreagibilität habe keinen wesentlichen Krankheitswert.
Dieser Beurteilung stimmte der Gewerbearzt Dr. D. zu.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. März 2005 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 und
4302 sowie der Zifferngruppe 13 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Den Widerspruch der Klägerin
wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2005 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren ernannte das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin gemäß § 109
Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Internistin Dr. K. zur ärztlichen Sachverständigen. Sie führte im Gutachten vom 16.
November 2005 aus, diagnostiziert worden seien ein Verdacht auf ein allergisches oder toxisch-kumulatives
Händeekzem, Innenohrschwerhörigkeit, Septumdeviation, Nasenmuschelhyperplasie, Mittelohraffektion, restriktive
Ventilationsstörungen, leichtes bronchiales Reizsyndrom, axiale Hiatushernie, Refluxoesophagitis, Gastritis,
Thoracolumbalsyndrom bei Ostheochondrose und Spannungskopfschmerz. Diese Erkrankungen führe die Klägerin auf
die toxische Wirkung von Aceton zurück. Durch Inhalationen von Dämpfen könnten Reizerscheinungen an den
Schleimhäuten entstehen, in schweren Fällen auch Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Beklemmungsgefühl,
Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Rauschzustand bis zum Koma. Nach Ende der Exposition seien diese Beschwerden
aber vollständig reversibel. Es sei nicht bekannt, dass dauerhafte Schäden oder Spätschäden durch Exposition gegen
Aceton entstehen könnten. Aufgrund der von der Klägerin angegebenen Akutsymptomatik mit Reizung der Augen,
Nase und Rachenschleimhäute sowie Erbrechen sei davon auszugehen, dass es sich nicht über eine wesentlich die
MAK-Werte überschreitende Exposition gehandelt habe. Eine Berufserkrankung liege nicht vor.
Das Sozialgericht Regensburg wies mit Urteil vom 14. Februar 2007 die Klage ab und stützte sich dabei im
Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. W. und Dr. K ...
Der Senat wies die Berufung mit Urteil vom 21. November 2007 zurück. Sowohl Dr. W. als auch Dr. K. hätten
überzeugend dargelegt, dass eine Berufskrankheit trotz der Exposition gegenüber Aceton und Styrol nicht gegeben
sei.
Am 14. Mai 2008 beantragte die Klägerin erneut die Anerkennung einer Berufskrankheit. Sie übersandte einen Bericht
des Allgemeinmediziners Dr. S. vom 22. April 2008 über die von ihm gestellten Diagnosen sowie einen Arztbrief des
Kardiologen S. vom 27. März 2008 mit dem Hinweis auf eine pectanginöse Beschwerdesymptomatik bei bekannter
Mitralklappenstenose. Die Ergometrie sei bei ausreichender Belastbarkeit unauffällig. Eine koronare Herzkrankheit sei
im Vorfeld bereits ausgeschlossen worden. Die Beschwerden seien nicht cardial bedingt.
Mit Bescheiden vom 26. Mai 2008 und 2. September 2008 lehnte die Beklagte weitere Ermittlungen unter Hinweis auf
das bereits durchgeführte Verwaltungsverfahren und die Entscheidungen des Sozialgerichts Regensburg und des
Bayerischen Landessozialgerichts ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.
Dezember 2008 zurück.
Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie leide an einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach den
Nrn. 4301/4302 sowie der Zifferngruppe 13 der Anlage zur BKV. Hilfsweise beantrage sie die Feststellung, dass die
Gesundheitsstörung Folge von Arbeitsunfällen sei.
Sie übersandte einen Arztbrief des Kardiologen S. vom 5. Februar 2009: Der echokardiographische Befund sei
unverändert. Das zwischenzeitliche akute Ereignis lasse sich nicht mehr verifizieren.
Das Sozialgericht Regensburg wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. April 2009 ab. Die Befundberichte
enthielten dieselben Diagnosen, die bereits in den früheren Verfahren Gegenstand der Überprüfung gewesen seien.
Sämtliche Erkrankungen seien bereits Grundlage der Urteile des Sozialgerichts Regensburg und des Bayerischen
Landessozialgerichts gewesen.
Mit der Berufung macht die Klägerin weiterhin eine Atemwegserkrankung als Berufskrankheit, hilfsweise als Folge von
Arbeitsunfällen geltend. Sie verwies auf die ärztlichen Berichte. Dr. C. sei als sachverständiger Zeuge zu hören.
Der Internist und Pneumologe Dr. C. berichtete am 3. Juli 2009, er habe die Klägerin am 20. Dezember 2005, 4.
Oktober 2007 und 27. Juni 2008 behandelt. 2005 hätten bei Belastung gelegentlich auftretend, Atembeschwerden,
Stechen im Rücken, wenig Husen bestanden, 2007 fraglich etwas zunehmende Kurzatmigkeit, kein Husten, keine
Angina Pectoris, 2008 seit zwei Wochen thorakale Schmerzen sowie Gefühl von Kurzatmigkeit, zwischenzeitlich
etwas Fieber. Er habe die Diagnose gestellt: Verdacht auf das Vorliegen eines milden Asthma bronchiale, das letztlich
nicht zweifelsfrei bewiesen sei. Die Befunde der drei Konsultationen seien im Wesentlichen konstant.
Die Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Senat in Erwägung ziehe, ihr
Verschuldenskosten gemäß § 192 SGG aufzuerlegen in Höhe von mindestens 225,00 Euro, da ihr die
Aussichtslosigkeit, den Rechtsstreit fortzuführen, eingehend erläutert wurde. Der Klägerin war auch Gelegenheit
gegeben worden, dies mit ihrem Bevollmächtigten zu besprechen, auch er riet zur Berufungsrücknahme.
Die Klägerin stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16. April 2009 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung der Bescheide vom 26. Mai 2008 und 2. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.
Dezember 2008 zu verurteilen, festzustellen, dass eine Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach den Nrn.
4301/4302, hilfsweise der Zifferngruppe 13 der Anlage zur BKV, hilfsweise als Unfallfolge gegeben ist (Schriftsatz
vom 6. Mai 2009, Bl. 2).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und
Berufungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung
als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 - SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin zur Begründung ihrer Berufung zitierten Berichte
der behandelnden Ärzte S., Dr. S., Dr. S., Dr. S. und Dr. S. bereits im früheren Verwaltungsverfahren sowie im Klage-
und Berufungsverfahren vorgelegen haben und berücksichtigt wurden. Der Internist Dr. C. hat im Befundbericht vom 3.
Juli 2009 lediglich den Verdacht auf ein mildes Asthma bronchiale, das aber nicht zweifelsfrei bewiesen ist, geäußert
und außerdem erklärt, die Befunde der drei Konsultationen seien im Wesentlichen konstant. Daher sieht der Senat
keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen, zumal sich Dr. C. offensichtlich mit dieser Beurteilung in
Übereinstimmung mit den anderen behandelnden Ärzten der Klägerin und den im Verwaltungs- und Klageverfahren
eingeholten Gutachten befindet.
Da eine auf berufliche Einflüsse zurückzuführende Erkrankung bisher nicht festgestellt werden konnte, erübrigt sich
eine Überprüfung, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen hat.
Im Hinblick darauf, dass bislang kein behandelnder Arzt und kein ärztlicher Sachverständiger das Vorliegen einer
berufsbedingten Erkrankung feststellen konnte, ist das Verhal- ten der Klägerin, insbesondere auch im Hinblick auf die
vielfachen Belehrungen über die Rechtslage, von einem hohen Maß an Uneinsichtigkeit geprägt. Daher war die
Auferlegung von Verschuldenskosten im Sinne von § 192 SGG veranlasst.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.