Urteil des LSG Bayern vom 27.02.2008

LSG Bayern: arbeitsunfall, form, meniskusläsion, entschädigung, befund, chirurg, zyste, ergänzung, laden, zeugeneinvernahme

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.02.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 5 U 5054/03 L
Bayerisches Landessozialgericht L 2 U 204/06
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 10. Mai 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Folgen eines Arbeitsunfalles vom 17. Januar 2003 und deren Entschädigung.
Der 1958 geborene Versicherte suchte am 17. Januar 2003 den Durchgangsarzt Chirurg Dr. N. auf und berichtete, er
sei am gleichen Tag "auf einer Rampe wegen einer glatten Fläche" ausgerutscht. Seitdem habe er Beschwerden im
rechten Sprungelenk und an der Lendenwirbelsäule. Er habe die Arbeit abgebrochen. In der Unfallanzeige vom 30.
Januar 2003 ist angegeben, beim Absteigen aus dem Bagger sei der Kläger beim Tritt auf eine vereiste
Grabeinfassung ausgerutscht und umgeknickt. Er habe sich am rechten Knie verletzt. Am 6. März 2003 teilte der
Kläger der Beklagten schriftlich mit, er sei, als er einen Schritt nach vorn auf die Marmoreinfassung eines Grabes
habe machen wollen, auf dieser ausgerutscht und habe sich dabei das rechte Bein am Knie verdreht. Anschließend
sei er mit den Füßen voraus in das ausgehobene Nebengrab gefallen.
Dr. N. diagnostizierte eine Prellung und Stauchung der Lendenwirbelsäule, Prellung des Beckens, Distorsion des
rechten Kniegelenks mit Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Im Magnetresonanztomogramm (MRT) des rechten
Kniegelenks vom 28. Januar 2003 wurde ein Einriss im Hinterhorn des Außenmeniskus mit angrenzendem
Knochenmarködem im Sinne eines Reizzustandes festgestellt, außerdem ein Kniegelenkserguss, eine Chondropathie
und eine Baker-Zyste. Am 30. Januar 2003 stellte Dr. N. einen leichten Erguss, ein Streckdefizit und Druckschmerz
fest. Am 6. Februar 2003 hielt er wegen eher zunehmender Schmerzsymptomatik eine Operationsindikation für
gegeben. Der Chirurg Dr. F. stellte am 10. Februar 2003 einen Druck-Beugeschmerz fest.
Am 27. Februar 2003 führte Dr. F. eine Arthroskopie mit Außenmeniskus-Hinterhornresektion, partieller Synovektomie
und Knorpelglättung durch. Der Pathologe Prof. Dr. S. beurteilte das eingesandte Gewebsstück am 28. Februar 2003
als Monate alte Meniskusruptur. Der Nachweis von Eisenpigment sei schwach positiv gewesen.
Die Beklagte erkannte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. K. mit Bescheid
vom 3. Juni 2003 das Ereignis als Arbeitsunfall mit unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit
bis 27. Februar 2003 an. Im Bericht über die Arthroskopie werde weder eine begleitende Kapselbandverletzung noch
eine vorbestehende Instabilität des Kniegelenks beschrieben. Ein Zusammenhang zwischen der Meniskusläsion und
dem Unfallereignis könne daher nicht bestehen.
Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2003 zurück.
Die am 22. Oktober 2003 erhobene Klage begründete der Kläger am 19. April 2006: er sei am 17. Januar 2003 auf der
vereisten Marmoreinfassung ausgerutscht und habe sich das rechte Bein verdreht; dann sei er mit den Füßen voraus
in das ausgehobene Nebengrab gefallen. Aus den ärztlichen Berichten ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine
Vorschädigung. Er übersandte ein Gutachten des Dr. F. vom 18. Dezember 2003. Die Beschwerden seien auf das
Verdrehtrauma zurückzuführen. Es bestehe eine Minderung der Funktionsfähigkeit des rechten Beines von einem
Zehntel.
Beigezogen wurde ein Bericht des Dr. F. über eine Arthroskopie vom 8. Juli 2003 wegen persistierender Schmerzen
im rechten Kniegelenk. Es zeigte sich eine chronische Synovitis. Eine Knorpelglättung war erforderlich. In der
Stellungnahme des Pathologen Prof. Dr. S. vom 11. Juli 2003 wird die Auffassung vertreten, es könne sich um
Sekundärschäden der Meniskusruptur handeln.
Das Sozialgericht Augsburg wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2006 ab. Der Außenmeniskuseinriss
sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. Ein geeignetes Unfallereignis habe nicht
vorgelegen. Außerdem sei eine traumatische Meniskusschädigung grundsätzlich mit verletzungsspezifischen
Veränderungen an anderen Strukturen verbunden.
Zur Begründung der Berufung erklärte der Kläger im Schreiben vom 1. Juni 2007, aus dem Gutachten des Dr. F.
ergebe sich eindeutig ein Zusammenhang zwischen Meniskusriss und Unfall. Eine Krafteinwirkung mit gewaltsamer
Verdrehung des Kniegelenks sei durchaus denkbar. Ein degenerativer Vorschaden sei nicht nachgewiesen.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten nach Aktenlage vom
6. Juli 2007 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Oktober 2007 aus, eine persönliche Untersuchung des
Klägers sei im Hinblick auf die bestehende Problematik nicht erforderlich. Die wiederholten Schilderungen des Klägers
ließen eine Fixierung des Fußes sicher ausschließen, ein Drehsturz habe also nicht stattgefunden und habe auch
nicht durch einen Sturz zustandekommen können. Bei der ersten Untersuchung durch Dr. N. am 17. Januar 2003
habe der Kläger keine Schmerzen im Kniegelenk angegeben, auch sei keine Ergussbildung beschrieben. Über
Schmerzen im Knie habe der Kläger offenbar erst bei der Untersuchung am 30. Januar 2003 geklagt. Das
Kernspintomogramm vom 28. Januar 2003 zeige Knorpelschäden, die nicht innerhalb der elf Tage zwischen
Unfallereignis und Kernspintomogramm entstanden sein könnten. Auf den Röntgenaufnahmen vom Unfalltag zeigten
sich degenerative Veränderungen des Kniegelenks im Sinne einer Pangonarthrose mit Beteiligung aller
Kompartimente. Das Operationsprotokoll vom 27. Februar 2003 erwähne keine traumatischen Veränderungen der
Binnenstrukturen des Kniegelenkes. Ein frischer Riss sei zwar theoretisch wegen der schwach positiven
Eisenpigmenteinlagerung vorstellbar, jedoch nicht mit einer traumatischen Meniskuszerreißung gleichzusetzen,
sondern Folge des stark vorgeschädigten Gewebes. Den isolierten Meniskusriss ohne verletztungsspezifische
Veränderungen an anderen Strukturen gebe es nicht. Weder kernspintomographisch noch intraoperativ seien aber
Begleitverletzungen gefunden worden.
Der Kläger wandte ein, eine Untersuchung sei zur Gutachtenserstellung erforderlich. Er habe bei der ersten
Schilderung des Unfalls noch unter Schock gestanden, außerdem spreche er nicht gut Deutsch. Es könne daher nicht
ausgeschlossen werden, dass doch ein Drehsturz oder ein anderer, einen Meniskusriss bedingender Mechanismus
abgelaufen sei. Zum Unfallhergang könnten die Kollegen, Herr J. und Herr K. , Angaben machen. Auch seien die
genaueren örtlichen Gegebenheiten nicht festgestellt worden. Eine Vorschädigung des Kniegelenks habe nicht
bestanden. Dr. F. sei zur abschließenden Erörterung zu laden.
Der Kläger stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichs Augsburg vom 10. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung
des Bescheides vom 3. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2003 zu
verurteilen, ihm über den 27. Februar 2003 hinaus Entschädigung als Anlass des Arbeitsunfalls vom 17. Januar 2003
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und
Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung
als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner
anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Der vom Senat gehörte ärztliche Sachverständige, der
Orthopäde Dr. F. , hat im Gutachten vom 6. Juli 2007 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. Oktober 2007
nach Überprüfung der Röntgenaufnahmen vom Unfalltag überzeugend dargelegt, dass der Meniskusriss im rechten
Kniegelenk des Klägers nicht durch den Arbeitsunfall vom 17. Januar 2003 verursacht wurde.
Im Kernspintomogramm vom 28. Januar 2003 wurden ein Außenmeniskus-Hinterhornriss mit begleitendem Reizödem,
ein Erguss, außerdem Knorpelschäden bis zum Grad IV im äußeren Kompartiment, bis zum Grad III im inneren
Kompartiment sowie an der Kniescheibe festgestellt. Bei der Operation vom 27. Februar 2003 hat Dr. F.
Knorpelschäden an der Kniescheibe und einen Außenmeniskusriss gesehen. Zwar wurden die ausgeprägten
Knorpelschäden im inneren und äußeren Kompartiment im Operationsprotokoll nicht beschrieben, es ist aber davon
auszugehen, dass sie vorgelegen haben, da Dr. F. eine Knorpelglättung vorgenommen hat. Das im
Kernspintomogramm beschriebene Knochenmarködem wurde im Sinne eines Reizzustandes gewertet, ist also nicht
verletzungsbedingt. Wie Dr. F. betont, sind solche Knochenödeme grundsätzlich eine unspezifische Veränderung.
Auffällig sind die Knorpelschäden im inneren und noch verstärkt im äußeren Kompartiment. Wie die Baker-Zyste sind
sie Zeichen einer vorbestehenden Degeneration. Geschädigt war auch der Kniescheibenknorpel. Somit lag, wie Dr. F.
erläutert, eine Pangonarthrose vor, worunter man den Verschleiß aller drei Kniegelenkskompartimente versteht. Die
Knorpelschäden können nicht innerhalb der elf Tage, die zwischen dem Unfallereignis und dem Kernspintomogramm
liegen, entstanden sein. Die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag bestätigen die degenerativen Veränderungen des
Kniegelenks im Sinne einer Pangonarthrose.
Zudem enthält das Operationsprotokoll vom 27. Februar 2003 keinerlei Hinweise auf eine traumatische Veränderung
der Binnenstrukturen des Kniegelenks. Es sind weder Bänderläsionen, noch Einblutungen, noch Veränderungen im
Meniskus selbst beschrieben, die als verletzungsbedingt gedeutet werden könnten. Wie Dr. F. erläutert, spricht auch
die Form der Rissbildung gegen einen Unfallzusammenhang, da ein Hinterhornschaden grundsätzlich als eher
degenerativ bedingt angesehen wird. Der schwach positive Nachweis von Eisenpigment schließt eine geringgradige
Einblutung nicht aus und könnte auf einen frischen Riss hindeuten. Dieser Befund kann aber nicht mit einer
traumatischen Meniskuszerreißung gleichgesetzt werden, da das Gewebe so stark vorgeschädigt war.
Besonders bedeutsam ist die Tatsache, dass weder kernspintomographisch noch interoperativ eine Begleitverletzung
gefunden werden konnte. Nach der derzeitigen wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen objektivierbare Verletzungen
am Kapsel-Band-Apparat vorhanden sein, um eine verletzungsbedingte Meniskusläsion begründen zu können. Den
isolierten Meniskusriss ohne verletzungsspezifische Veränderungen an anderen Strukturen gibt es nicht, so Dr. F.
(Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 698).
Im Hinblick auf diese überzeugenden Befunde kann die Frage des genauen Unfallhergangs dahingestellt bleiben. Zwar
hat der Kläger am 17. Januar 2003 gegenüber Dr. N. , gegenüber seinem Arbeitgeber - siehe die Unfallanzeige vom
30. Januar 2002 -, im Schreiben vom 6. März 2003 sowie gegenüber Dr. F. bei der Untersuchung am 12. Dezember
2003 stets angegeben, auf einer glatten, vereisten Fläche ausgerutscht zu sein. Aber völlig unabhängig von der
möglichen, denkbaren oder wahrscheinlichen Unfallmechanik sprechen die Erstsymptomatik, die Röntgenbefunde
vom 17. Januar 2003, das Kernspintomogramm vom 28. Januar 2003, das Operationsprotokoll vom 27. Februar 2003
und der pathologische Befund vom 28. Februar 2003 gegen einen Zusammenhang des Meniskusrisses mit dem
Arbeitsunfall. Der beantragten Zeugeneinvernahme bedarf es daher nicht. Im Hinblick auf die vorliegenden
umfangreichen ärztlichen Unterlagen in den Akten ist eine weitere Sachaufklärung auf medizinischem Gebiet
gleichfalls nicht geboten.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.