Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.09.2002

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Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 27.09.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 5 KR 2606/99
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1517/01
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. März 2001
aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin EUR 6.166,38 nebst 2 v.H. Zinsen über dem Diskontsatz der
Deutschen Bundesbank für den Zeitraum vom 01. Juli 1997 bis 31. Dezember 1999 und 2 v.H. Zinsen über dem
Basiszins-satz gemäß § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes seit dem 01. Januar 2000 zu zahlen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Beklagte der Klägerin neben dem Son-derentgelt 9.17 für eine
Herzoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine das Sonderent-gelt 9.02 für eine Schrittmacher-Implantation
(Zweikammersystem) zu vergüten hat. Diese Leis-tungskomplexe sind beschrieben in der ICPM
(Operationenschlüssel) der Anlage 2 der Bundes-pflegesatzverordnung (BPflV).
Bei dem am 1994 geborenen A. J., der über seinen Vater I. J. bei der Beklagten familienhilfebe-rechtigt ist, wurde
durch Ärzte der Klägerin am 26. März 1997 eine notwendige intracardiale Operation durchgeführt. Im Rahmen dieser
Operation wurde das bereits vorher implantiert ge-wesene Herzschrittmachersystem ausgetauscht. Der Patient wurde
am 08. April 1997 aus der stationären Behandlung entlassen. Von der unter dem 15. Mai 1997 gestellten Rechnung
beglich die Beklagte zwar u.a. die Herzoperation mit Herz-Lungen-Maschine (Sonderentgelt 9.17) mit DM 18.032,23,
lehnte jedoch die Bezahlung des Sonderentgelts 9 02 in Höhe von DM 12.060,40 (entsprechend EUR 6.166,38) ab.
Die Beklagte begründete diese Ablehnung mit dem von ihr einge-holten Gutachten des Dr. S. (Allgemeinmedizin,
Sozialmedizin) vom 10. September 1997. Die-ser ist Beratungsstellenleiter des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK) in F ... Er führte aus, bei gleichem Leistungskomplex und identischen ICPM-Ziffern sei
hier statt der beiden Sonderentgelte nur die Fallpauschale 9.12 in Anrechnung zu bringen. Die zusätzliche Abrechnung
des Sonderentgelts 9.02 halte er nicht für gerechtfertigt, da der Leistungskomplex nicht erfüllt worden sei. Die
Reimplantation des Schrittmachers sei bei gleichem Zugang und gleichem Organ am offenen Herzen erfolgt. Dr. S.
blieb auch in seinem weiteren Gutachten vom 04. März 1998 bei seiner Beurteilung, nach § 11 Abs. 2 und § 14 Abs. 3
der BPflV sei das Son-derentgelt eine Gebühr für einen Leistungskomplex, der innerhalb eines Operationssaales er-
bracht werde und Vorbereitung des Personals, Rüstzeiten, Operation und Anästhesie beinhalte. Ein Sonderentgelt sei
grundsätzlich nur dann abrechenbar, wenn diese Leistungen erbracht wür-den. Dies werde insbesondere dadurch
deutlich, dass die Kalkulation des Sonderentgelts 9.02 bei 11.260 Gesamtpunkten liege und damit nur um ca. ein
Drittel weniger betrage als die durchge-führte Herzoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und
Herzklappenersatz. Berück-sichtige man darüber hinaus den Umstand, in welcher kurzen Zeit und mit welchem
geringen Aufwand ein Schrittmacherwechsel am offenen Herzen durchgeführt werden könne, müsse auch der Klägerin
klar sein, dass die entsprechende Vergütung für das Sonderentgelt 9.02 mit 11.260 Gesamtpunkten dazu in keinem
Verhältnis stehe. Die weitere Korrespondenz zwischen den Be-teiligten führte zu keiner Annäherung der Standpunkte.
Mit der am 28. September 1999 schriftlich beim Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin
ihren Zahlungsanspruch weiter. Nach § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1a BPflV könne neben einem Sonderentgelt für ein
und denselben Operationstermin dann ein weite-res Sonderentgelt berechnet werden, wenn die Operation "in einem
anderen Operationsgebiet" stattfinde, also zumindest wesentliche Teile eines neuen, zusätzlichen
Leistungskomplexes er-bracht würden. Ein weiteres Kriterium für ein "anderes Operationsgebiet" sei die Schaffung ei-
nes neuen "operativen Zugangs". Es treffe zwar zu, dass nicht alle Leistungen des Sonderentgelts 9.02 erbracht
worden seien; mit dem Sonderentgelt 9.02 würden jedoch zu 90 vom Hundert (v.H.) reine Materialkosten für das
Herzschrittmacherimplantat bezahlt. Neben der Verlängerung der Zeitdauer der Operation erfordere die Implantation
eine besondere Leistung für die operie-renden Ärzte. Außerdem habe bei dem Patienten für den Austausch des
Herzschrittmachersys-tems ein zweiter Zugang, nämlich die Inzision zur Entfernung des Herzschrittmachergenerators
und die dort dann vorgesehene Neuimplantation durchgeführt werden müssen. Die Alternative wäre die Durchführung
der Reimplantation in einer zweiten Operation, was ein unethisches Ver-halten darstellen würde. Die Klägerin bezog
sich auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des Prof. Dr. Z. (Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Klinik am
Universitätsklinikum T.) vom 02. September 1999, in der auf die Erforderlichkeit des zweiten Zugangs hingewiesen,
diese Ar-gumentation aber für überflüssig und nicht stichhaltig gehalten wird, da auch schon aus allge-meinen
Gründen die beiden Sonderentgelte nebeneinander abrechenbar sein müssten. Es handle sich um eine besondere
Leistung sowohl des Klinikums als auch der behandelnden Ärzte. Die Klägerin legte auszugsweise Kopien aus
"Bundespflegesatzverordnung", Kommentar mit einer umfassenden Einführung in das Recht der
Krankenhausfinanzierung von Tuschen/Quaas, vor. Die Beklagte trat der Klage unter Wiederholung ihrer bereits im
vorangegangenen Verwaltungs-verfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen entgegen. Danach sei der operative
Eingriff bei einem gleichen Zugang und am gleichen Organ durchgeführt worden. Nach der Anlage 2 des bundesweiten
Sonderentgeltkataloges für Krankenhäuser sei nach Ziffer 3 die Abrechnung eines weiteren Sonderentgeltes nur dann
möglich, wenn der Eingriff in einem anderen Operationsge-biet über einen gesonderten Operationszugang
vorgenommen werde. Da dies nicht vorgelegen habe, könne kein weiteres Sonderentgelt abgerechnet werden. Das SG
wies mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2001 die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Klage sei nicht
begründet; der Klägerin stehe ein Sonderentgelt nach Nr. 9.02 der Anla-ge 2 zur BPflV nicht zu. Die Voraussetzungen
für die Gewährung dieses Sonderentgeltes lägen nicht vor, da sich aus der genannten Vorschrift ergebe, dass hierfür
eine eigenständige Operation in einem anderen Opera-tionsgebiet erforderlich sei. Eine kumulative Abrechnung der
Positionen 9.17 und 9.02 im vor-liegenden Fall widerspreche auch nach Auffassung des Gerichts der Systematik der
BPflV. Die Klage sei deshalb als unbegründet abzuweisen.
Mit der am 04. April 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung gegen den ihr am 26. März
2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid ver-folgt die Klägerin ihren Vergütungsanspruch
weiter. Sie macht geltend, für die Beurteilung der Berechtigung ihrer Forderung komme es auf die
Abrechnungsregelungen an, die im jeweiligen Pflegesatzzeitraum der Leistungserbringung gegolten hätten.
Maßgeblich sei demnach das Pfle-gesatzrecht des Jahres 1997, da in diesem Zeitraum die stationäre Behandlung
des Patienten J. in ihrer Klinik stattgefunden habe. Es sei also die BPflV vom 26. September 1994, geändert durch
das Zweite Gesetz zur Neuordnung von der Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen
Krankenversicherung vom 23. Juni 1997, anzuwenden. Nach § 14 Abs. 6 sei zusätz-lich zu einer Fallpauschale ein
Sonderentgelt berechenbar bei a) einer Operation in einem anderen Operationsgebiet bei demselben oder einem
weiteren Operationstermin, b) bei einer Rezidivoperation während desselben Krankenhausaufenthaltes, c) einer
diagnostischen oder sonstigen therapeutischen Leistung nach Anlage 2, wenn diese Leistung mit der Fallpauschale
nicht vergütet werde und d) bei der Behandlung von Blutern (§ 11 Abs. 2 Satz 3). Zwar handle es sich streng
genommen nur um die zusätzliche Abrechnung eines Sonderentgelts neben einer Fallpauschale. Der Fall der
Abrechnung von zwei Sonderentgelten nebeneinander werde aber überwiegend dem gleichgeachtet. Bei der
erforderlichen wertenden Betrachtungswei-se, ob eine Operation an einem "anderen Operationsgebiet" stattgefunden
habe, seien die durch-geführten Operationen hier zweifelsfrei zwei unterschiedlichen Leistungskomplexen zuzuord-
nen, so dass die Voraussetzungen für eine simultane Abrechnung beider Sonderentgelte erfüllt seien. Dies gelte umso
mehr, als ein neuer operativer Zugang erforderlich gewesen sei. Zwar gelte ein zusätzlicher "Scherenschlag" in
demselben, bereits freigelegten Operationsgebiet nicht als Erbringung eines weiteren Leistungskomplexes. Darum
habe es sich aber hier nicht gehan-delt, da ein zweiter Zugang, nämlich die Inzision zur Entfernung des
Herzschrittmachergenera-tors und die dort dann vorgesehene Neuimplantation durchgeführt worden sei. Dass dem so
sein müsse, ergebe sich schon daraus, dass das Entgelt zu 90 v.H. die Materialkosten für das Herz-
schrittmacherimplantat vergüte. Auch Sinn und Zweck der BPflV ergebe eindeutig die Richtig-keit ihrer Interpretation.
Ihre Zinsforderung ergebe sich aus den Regelungen der jeweils gelten-den baden-württembergischen Landesverträge
zu § 112 Abs. 2 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Danach könne sie Verzugszinsen in
Höhe von 2 v.H. über dem Dis-kontsatz bzw. seit dem 01. Januar 2000 2 v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 1
des Diskont-satz-Überleitungsgesetzes ab Fälligkeitstag berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedürfe. Die
Fälligkeit ergebe sich nach § 19 Abs. 1 des Landesvertrages innerhalb von 14 Tagen nach Über-mittlung des
Rechnungssatzes.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. März 2001 aufzuhe-ben und die Beklagte zu verurteilen,
ihr EUR 6.166,38 nebst 2 v.H. Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank für den Zeitraum vom 01.
Juli 1997 bis 31. Dezember 1999 und 2 v.H. Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 des Dis-kontsatz-
Überleitungsgesetzes seit dem 01. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig. Sie bezieht sich auf die von ihr im Verwaltungs-verfahren eingeholten
Gutachten des MDK vom 10. September 1997 und 04. März 1998.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung
einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwal-tungsakten sowie die
Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die entsprechend den Frist- und Formvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte
Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Betei-ligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne
mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und begründet. Das SG hätte die Leistungsklage nicht abweisen
dürfen, sondern ihr stattgeben müs-sen.
Zunächst ist zu bemerken, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Klage schon
deswegen begründet ist, weil Rechnungen zeitnah zu begleichen sind, und zwar auch dann, wenn der Kostenträger sie
nicht für berechtigt hält. Nach den vertraglichen Abma-chungen gilt, dass etwaige Überzahlungen erst bei späteren
Abrechnungen zu berichtigen sind. Diese Regelung ist deswegen geschaffen worden, um zu vermeiden, dass die
Leistungserbringer in erheblichem Umfang mit ihren Forderungen abwarten müssen, so dass es ohne weiteres zu
Insolvenzen kommen könnte. Dies wäre aber ein nicht in Kauf zu nehmender Nachteil, der durch die Umstellung vom
Tagespflegesatzprinzip auf Fallpauschalen und Sonderentgelte entstehen würde. Das Ziel dieser Umstellung ist es
aber nicht, worauf noch zurückzukommen sein wird, Leistungserbringer in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben oder
solche Kosten, mit denen sie im Weg der Sonderentgelte und Fallpauschalen ausfallen, doch auf den
Tagespflegesatz umzulegen. Vielmehr soll mit der Neuregelung mehr Kostengerechtigkeit im Einzelfall geschaffen
und die Solidarität der Kranken auf ein vernünftiges Maß begrenzt werden. Dies würde aber dadurch vereitelt, dass
zunächst nicht unbedeutende Beträge nicht bezahlt werden, obwohl die Leistungen erbracht worden sind, was ganz
besonders im vorliegenden Fall deutlich wird, in dem das streiti-ge Entgelt zu etwa 90 v.H. durch die Materialkosten
bestimmt wird. Diese müssen auch von der Klägerin ihrerseits den Lieferanten bezahlt werden und sind nicht
aufzufangen. Dass die im Rahmen dieses Falls erörterte Möglichkeit, allein aus Kostengründen Patienten zweimal
einer Operation zu unterziehen, obwohl dies medizinisch nicht erforderlich wäre, ausscheidet, versteht sich geradezu
von selbst. Der Senat ist davon überzeugt, dass kein pflichtbewusst handelnder Arzt sich auf ein solches Vorgehen
einlassen wird. Dabei kann völlig dahingestellt bleiben, ob ein derartiges Verhalten nicht nur unethisch, sondern
möglicherweise auch strafrechtlich zu ver-folgen wäre.
Im Hinblick auf die bisher verstrichene Zeit hält es der Senat jedoch nicht für sinnvoll, der Beru-fung allein aus diesem
Grunde stattzugeben. Vielmehr hat der Senat die materielle Berechtigung der von der Klägerin erhobenen Forderung
geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese im geltend gemachten Umfang besteht. Rechtsgrundlage für den
von der Klägerin erhobenen und in zulässiger Weise mit der Leistungs-klage geltend gemachten Anspruch sind die
Vorschriften der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (BPflV) vom 26. September 1994 (BGBl. I S.
2750), geändert durch das Dritte SGB V-Änderungsgesetz vom 10. Mai 1995 (BGBl. I S. 678), die Erste Verordnung
zur Änderung der BPflV vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1988), die Zweite Verordnung zur Änderung der BPflV
vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 2003), die Dritte Verordnung zur Än-derung der BPflV vom 18. Dezember 1995
(BGBl. I S. 2006) sowie die Vierte Verordnung zur Änderung der BPflV vom 17. April 1996 (BGBl. I S. 619). Nach
deren § 10 Abs. 1 werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Pflegesätze nach § 11 (Fallpauschalen und
Sonder-entgelte), einen Gesamtbetrag nach § 12 (Budget) sowie tagesgeldliche Pflegesätze nach § 13, durch die das
Budget den Patienten oder ihren Kostenträgern anteilig berechnet wird, vergütet. Nach § 11 Abs. 2 BPflV wird ein Teil
der allgemeinen Krankenhausleistungen für einen in den Entgeltkatalogen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 oder § 16 Abs. 2
BPflV bestimmten Leistungskomplex eines Behandlungsfalles mit den Sonderentgelten vergütet. Nähere Einzelheiten
haben die Ver-tragspartner gemäß den Absätzen 2 bis 8 der Vorschrift zu vereinbaren. Die BPflV basiert auf der
Grundlage der §§ 16, 17 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsge-setzes (KHG) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), geän-dert durch das Gesetz vom 02. August 1993
(BGBl. I S. 1402) i.V.m. Art. 24 des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266, 2328), das Gesetz vom 26.
Mai 1994 (BGBl. I S. 1084) sowie das Gesetz vom 01. November 1996 (BGBl. I S. 1631). Neben dem von der
Beklagten anerkannten Sonderentgelt 9.17 (Herzoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine als Rezidiveingriff
mit Einsatz einer Herzklappe) enthält die Anlage 2 (Bundesweiter Sonderentgelt-Katalog für Krankenhäuser) der BPflV
das Sonderentgelt 9.02. Dessen Leistungsbeschreibung lautet: "Schrittmacher-Implantation, Zweikammersystem -
auch Reimplantation". Es handelt sich mithin schon von der Leistungsbeschreibung her um eine ganz andere
Operation als die in dem Sonderentgelt 9.17 beschriebene Herzoperation. Nach den Abrechnungsbestimmungen die-
ser Anlage 2 (Nr. 3) darf ein weiteres Sonderentgelt zusätzlich zu einer Fallpauschale oder zu einem Sonderentgelt für
Operationen nur dann berechnet werden, wenn u.a. eine Operation an demselben Operationstermin vorgenommen
wird, der Eingriff jedoch in einem anderen Operati-onsgebiet über einen gesonderten Operationszugang erfolgt. Diese
Voraussetzungen sind im vor-liegenden Fall eindeutig erfüllt, selbst wenn Prof. Dr. Z. in seiner Stellungnahme vom
02. April 1999 dem Umstand, dass zur Implantation des Herzschrittmachers eine weitere Körperöffnung hergestellt
werden muss, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Er hat dabei überse-hen, dass trotz des erheblichen
Anteils des Herzschrittmachers an den Kosten der Operation ge-rade diesem Umstand eines zweiten Zugangs
erhebliche Bedeutung zukommt, da hierdurch eine im Wesentlichen eigenständige Operation gekennzeichnet ist,
wenn auch arbeitstechnisch kleine-re Anteile in einem anderen Operationsgebiet erfolgen. Der von der Beklagten
eingeschaltete Gutachter des MDK Dr. S. bagatellisiert diesen Vorgang der Schaffung eines eigenen Operati-
onszugangs jedoch in unzulässiger Weise. Den von ihm angeführten Umständen, dass es sich bei der Implantation
oder Reimplantation eines Herzschrittmachers um eine relativ einfache Opera-tion handelt, trägt die Höhe des
Sonderentgelts Rechnung. Denn es entfallen nur 10 v.H. der ge-samten Kosten auf die ärztlichen Maßnahmen. Bei
Bejahung der Herstellung eines zweiten Zu-gangs, der auch wieder geschlossen werden muss, erscheint
demgegenüber die Implantation der Elektroden, die durch die Herzoperation vereinfacht wird, unbedeutend. Dass bei
einer zeitglei-chen Operation wie im vorliegenden Fall Teile der Operation eingespart werden, worauf Dr. S. zutreffend
hingewiesen hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung, zumal beispielsweise auch die Narkose anders beobachtet
und gesteuert werden muss, als wenn nur ein Operationsgebiet betroffen wäre. Dass hier gewisse, allerdings sehr
geringe Einsparungsmöglichkeiten vorhanden sind, kann auch dem Verordnungsgeber nicht verborgen geblieben sein.
Dabei ist darauf hinzu-weisen, dass eine Operation in zwei Gebieten gleichzeitig durchaus nicht der Regelfall sein
dürf-te und es sich um pauschalierte Durchschnittswerte handelt; mithin muss es zulässig sein, dass einzelne
leichtere Operationen durch dementsprechend schwerer auszuführende kompensiert werden. Dadurch wird ein
Durchschnittswert erreicht, der in jedem Fall zu zahlen ist, unabhän-gig von der Kompliziertheit des jeweiligen
individuell erforderlichen Eingriffs.
Dass die von der Beklagten gewählte Verhaltensweise nicht hinnehmbar ist, ergibt sich schon daraus, dass Einbußen
in der hier in Rede stehenden Größenordnung von keiner Klinik verkraftet werden können. Dies hätte zur Folge - ein
unethisches, möglicherweise sogar strafbares Verhal-ten der Klinikärzte kann von vornherein ausgeschlossen werden
-, dass die ungedeckten Kosten in erheblicher Höhe auf den Tagespflegesatz umgelegt werden müssten; dadurch
würde der durch die BPflV verfolgten Absicht der größeren Gerechtigkeit in der Abrechnung der einzelnen Leistungen
zuwider gehandelt. Dies hätte eine unvertretbare überproportionale Belastung jener Patienten oder ihrer Kostenträger
zur Folge, die keine aufwendigen Operationen oder sonstige Behandlungen benötigen. Die andere Alternative wäre die,
dass die Leistungserbringer binnen kurzem insolvent würden und damit die Sicherstellung der erforderlichen
Krankenhauskapazitä-ten unmöglich würde.
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war vielmehr aufzuheben.
Die Beklagte war nicht nur zur Zahlung des Sonderentgelts 9.02 zusätzlich zu der bereits erfolgten Zahlung zu
verurteilen, sondern auch zur Zahlung der Zinsen. Solche sind zwar in den Vorschriften des SGB V nicht vorgesehen,
jedoch in den maßgebenden Verträ-gen und auch in dem von der Klägerin vorgelegten Vertragsentwurf, wobei sich die
Staffelung aus der Fassung der Verträge ergibt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG in der bis 01. Januar 2002 geltenden Fas-sung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da er sich bei der getroffenen Entscheidung an die jüngst ergangene
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehalten hat (vgl. Urteile des 3. Senats des BSG vom 26. April
2001 [B 3KR 16/00 R, veröffentlicht in SozR 3 - 5565 § 14 Nr. 1] und vom 21. Februar 2002 [B 3 KR 4/01 R und 30/01
R, zur Veröffentlichung vorgesehen]). Danach hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist der
Senat, soweit ersicht-lich, vom Urteil eines der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abgewichen.