Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14.07.2010

LSG Bwb: ernährung, lebensmittel, versorgung, krankenversicherung, arzneimittel, diät, behandlung, formelles gesetz, verordnung, intervention

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 14.07.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Heilbronn S 12 KR 770/07
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 5 KR 2103/09
Bundessozialgericht B 1 KR 20/10 R
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.3.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für von ihm benötigte Diätnahrungsmittel durch die Beklagte.
Der im Jahr 1988 geborene Kläger leidet an einer seltenen angeborenen Stoffwechselstörung, der so genannten
Ahornsirupkrankheit (Leucinose). Bei dieser Erkrankung kommt es zu Störungen im Abbau der Aminosäuren Leucin,
Iso-Leucin und Valin. Die Erkrankung bedarf einer Behandlung durch Gabe von künstlichen Aminosäuremischungen
verbunden mit einer lebenslangen Diät mit verminderter Zufuhr von verzweigtkettigen Aminosäuren. Ohne Einhaltung
der diätetischen Ernährung kommt es - auch im Erwachsenenalter -zu Stoffwechseldekompensationen, die sehr
schnell mit erheblichen allgemeinen und neurologischen Symptomen einhergehen, wobei es sehr rasch zu
lebensbedrohlichen Krisen, wie etwa Ataxien oder Bewusstseinseinschränkungen bis hin zum Koma, kommen kann.
Hinzu kommt, dass der Kläger ohne die hier im Streit stehenden künstlichen Lebensmittel seinen Kalorienbedarf nicht
vollständig decken kann. Nimmt er nur allgemein erhältliche Lebensmittel zur Deckung seines Kalorienbedarfes zu
sich, hat dies bei der Schwere seiner Stoffwechselstörung stets zur Folge, dass die maximal tolerierte Leucinmenge
mit der Folge von Vergiftungserscheinungen überschritten wird. Nach den Angaben seiner Mutter in der mündlichen
Verhandlung des Senats kann er praktisch nichts essen außer Gemüse und Obst in geringen Portionen, mit denen er
aber seinen Kalorienbedarf nicht vollständig decken kann.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 80 und dem Merkzeichen "H" seit dem 5.2.1999.
Der Kläger bezieht die von ihm benötigten diätetischen Lebensmittel über die Firma SHS Gesellschaft für Klinische
Ernährung. Die Kosten hierfür wurden ebenso wie die Kosten für Aminosäuremischungen und Eiweißhydrolysate
zunächst von der Beklagten übernommen.
Mit Schreiben vom 8.4.2004 wies die Beklagte die Mutter des Klägers darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Kosten
für die Diätnahrungsmittel, die der Kläger zur Durchführung einer eiweißreduzierten Ernährung benötige, ab dem
1.5.2004 nicht mehr zu übernehmen. Es handele sich bei diesen Diätnahrungsmitteln nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts weder um Heilmittel noch um Arzneimittel. Die dafür anfallenden Kosten könnten daher nicht
von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, sondern fielen in den Bereich der allgemeinen
Lebenshaltung und der Eigenverantwortung der Versicherten für eine gesundheitsbewusste Lebensführung.
Die Mutter des Klägers sprach daraufhin bei der Beklagten vor und machte geltend, dass sie auch weiterhin eine
Kostenübernahme für die Diätnahrung ihres Sohnes beanspruchen wolle. Die eiweißarmen Nahrungsmittel gehörten
ebenso wie die Aminosäurensupplementierung zur notwendigen Prävention der Erkrankung ihres Sohnes und seien
damit vergleichbar dem lebensnotwendigen Insulin für Diabetiker. Die eiweißarmen Nahrungsmittel seien
ausschließlich bei Spezialfirmen erhältlich, die Kosten normaler Nahrungsmittel stünden dazu im Verhältnis 1:10. Eine
Abweichung von den Diätvorgaben hätte lebensbedrohliche Folgen für ihren Sohn. Eine allgemeine
gesundheitsbewusste Lebensführung sei insoweit nicht ausreichend. Es gebe deshalb keine Alternative zu den
diätetischen Nahrungsmitteln für ihren Sohn.
Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme für die Diätnahrungsmittel ab dem 1.5.2004 mit Bescheid vom 15.4.2004
ab. Dagegen erhob die Mutter des Klägers Widerspruch mit Schreiben vom 19.4.2004, eingegangen bei der Beklagten
am 20.4.2004.
Die Beklagte holte daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Baden-Württemberg zu der Frage, ob im
Einzelfall eine weitere Kostenübernahme besonderer Nahrungsmittel möglich sei, ein. In seinem Gutachten vom
28.4.2004 führte Dr. B. aus, die medizinische Notwendigkeit der diätetischen Behandlung der vorliegenden
Aminosäurestoffwechselstörung könne bestätigt werden. In leistungsrechtlicher Hinsicht sei die gesetzliche
Krankenversicherung verpflichtet, in derartigen Fällen die Kosten für spezifische Aminosäuremischungen zu
übernehmen. Die Kosten für andere Nahrungsmittel seien dagegen der Eigenbeteiligung der Versicherten zuzuordnen.
Im Falle von Bedürftigkeit sei der Versicherte an das zuständige Sozialamt zu verweisen.
Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 1.6.2004 an die Mutter des Klägers dazu bereit, aufgrund der
besonderen Situation des Klägers die Kosten der besonderen Diätnahrungsmittel noch bis zur Vollendung des 18.
Lebensjahres des Klägers zu übernehmen und gab dem Widerspruch insoweit statt.
Mit Schreiben vom 20.6.2006 wandte sich die Beklagte erneut an den MDK Baden-Württemberg und bat um Klärung
der Frage, ob im vorliegenden Einzelfall aufgrund der Arzneimittelrichtlinien eine Kostenübernahme erfolgen könne. Dr.
Bä. führte dazu in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 26.6.2006 aus, die einzige Behandlungsmöglichkeit
der angeborenen Stoffwechselerkrankung Leucinose sei die konsequente Durchführung einer leucinarmen diätetischen
Ernährung. Verordnungsfähig seien nicht zur alleinigen Ernährung geeignete phenylalaninfreie
Aminosäuremischungen. Da hier ein konkretes Produkt nicht beantragt worden sei, könne nicht geprüft werden, ob die
Vorgaben zur Produktspezifizierung der Arzneimittelrichtlinien eingehalten seien. Für eine Bezuschussung der
Ernährung des Versicherten durch die gesetzliche Krankenversicherung gebe es keine Rechtsgrundlage. Ebenso
fielen Eiweißspezialmehle zum Kochen oder Backen und eiweißarme Fertignahrungsmittel nicht in die Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei Vorliegen von Bedürftigkeit könnten Mehrkosten der Ernährung auf Antrag
vom Sozialamt übernommen werden. Grundsätzlich seien geeignete Standard- und Spezialprodukte bei dieser
Erkrankung verordnungsfähig. Die Aufstellung einer Verordnung stelle eine therapeutische Option dar, über die der
Vertragsarzt unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu entscheiden habe.
Mit Schreiben vom 28.7.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Verlängerung der Kostenübernahme für
die Diätnahrungsmittel über das 18. Lebensjahr hinaus nicht möglich sei. Am 6.9.2006 erhob die Mutter des Klägers
Widerspruch gegen das Schreiben vom 28.7.2006.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom
28.7.2006 zurück.
Am 27.2.2007 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn. Er ließ zur Begründung ausführen, ein
Anspruch auf Erstattung der ihm für die Beschaffung der lebensnotwendigen Spezialnahrungsmittel entstandenen
Kosten ergebe sich aus § 13 Abs. 3 SGB V. Die von der Beklagten zu gewährende Krankenbehandlung umfasse
neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln. Die für die
Behandlung seiner speziellen und sehr seltenen Stoffwechselerkrankung notwendigen Lebensmittel hätten die
Funktion von Arznei- und Heilmitteln. Ohne diese spezielle Behandlung könne er nicht überleben. Zu der Behandlung
mit speziellen Nahrungsmitteln sei eine Alternative nicht denkbar, sodass die speziellen Diätnahrungsmittel nicht als
Nahrungsmittel, sondern vielmehr als Arznei- und Heilmittel zu qualifizieren seien. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V
habe der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in
welchen medizinisch notwendigen Fällen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und
Sondennahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden könnten. Entgegen der
Auffassung der Beklagten stellten die vom Kläger benötigten Spezialnahrungsmittel einen den Arzneimitteln
gleichzusetzenden Teil der Ernährung dar, der ausnahmsweise von der Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenversicherung umfasst sei. Mit der Gabe der Spezialnahrung werde beim Kläger genau das in § 2 Abs. 2 Nr. 1
Arzneimittelgesetz definierte Ziel erreicht, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheitszustände zu heilen,
zu lindern oder zu verhüten. Aufgrund dieser vergleichbaren Wirkung sei die spezielle Kost des Klägers mit einem
Arzneimittel vergleichbar. Daneben sei die Spezialnahrung auch als Elementardiät im Sinne von Ziff. 15.2.3 der auf
der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Arzneimittelrichtlinien zu qualifizieren. Danach
bestünden Elementardiäten aus diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im
Sinne der Diätverordnung), die - unabhängig von der Molekulargröße - oral zuzuführende Gemische aus Proteinen
(auch hoch hydrolysierte Proteine) Aminosäuren, Kohlenhydrate, Fette, Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine
enthielten und die als einzige Nahrungsquelle geeignet seien. Soweit die Arzneimittelrichtlinien Verordnungsverbote für
bestimmte Diätlebensmittel und Krankenkost enthielten, seien sie rechtswidrig. Die Ermächtigung zum
Richtlinienerlass gebe dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
nicht die Befugnis, selbst Inhalt und Grenzen des Arzneimittelbegriffs festzulegen. Das in diesem Zusammenhang
immer wieder herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts vom 9.12.1997, Az.: 1 RK 23/95 sei auf den
vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil die im dortigen Verfahren maßgebliche Erkrankung, die
Phenylketonurie, nicht mit der Ahornsirupkrankheit des Klägers vergleichbar sei. Ein an Phenylketonurie Erkrankter
könne bei weitem mehr normale Lebensmittel zu sich nehmen, als dies bei der Ahornsirupkrankheit der Fall sei.
Zudem stelle die Beschaffung der Spezialnahrungsmittel für den Kläger eine gravierende finanzielle Belastung dar. Er
sei zum einen selbst noch Schüler, zum anderen hätten seine Eltern verhältnismäßig geringe Einkünfte, sodass die
notwendigen Ausgaben für die Beschaffung der Spezialnahrungsmittel die materielle Existenz der Eltern des Klägers
bedrohten.
Das Sozialgericht Heilbronn wies die Klage mit Urteil vom 23.3.2009 ab. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen
Anspruch auf Kostenerstattung für die über die Vollendung seines 18. Lebensjahres hinaus beschafften
Diätnahrungsmittel bzw. auf Gewährung dieser Diätnahrungsmittel für die Zukunft auf der Grundlage von § 27 Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 SGB V sowie von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Bei den vom Kläger benötigten
Diätnahrungsmitteln handele es sich nicht um Arzneimittel im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Es handele
sich vielmehr um Lebensmittel, die nach dem ermittelten Sachverhalt der Ernährung des Klägers und seiner
ausreichenden Versorgung mit Grundnahrungsmitteln dienten. Trotz Fehlens der Arzneimitteleigenschaft sei jedoch
die Gewährung von Lebensmitteln im Rahmen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V nicht
vollständig ausgeschlossen. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V ermächtige vielmehr den Gemeinsamen Bundesausschuss,
in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise
Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate und Elementardiäten sowie Sondennahrung in die Arzneimittelversorgung
einbezogen werden könnten. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe von dieser Ermächtigungsnorm Gebrauch
gemacht und die Arzneimittelrichtlinien erlassen. Die vom Kläger benötigten Diätnahrungsmittel fielen jedoch nicht
unter die in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V benannten Ausnahmen. Es handele sich weder um Eiweißhydrolysate, noch
um Aminosäuremischungen oder Sondennahrung. Auch eine Elementardiät sei vorliegend nicht gegeben. Bei
Elementardiäten im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V handele es sich um Gemische von
Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und Spurenelementen. Die Arzneimittelrichtlinien in ihrer geänderten Fassung
vom 25.8.2008 bezögen darüber hinaus ergänzende bilanzierte Diäten zur Behandlung von angeborenen, seltenen
Defekten im Kohlehydrat- und Fettstoffwechsel und anderen diätpflichtigen Erkrankungen, die unbehandelt zu
schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung führen würden und bei denen eine diätetische Intervention mit
ergänzenden bilanzierten Diäten medizinisch notwendig sei, in den Bereich der Verordnungsfähigkeit mit ein. Es sei
insoweit auch festzuhalten, dass die vom Kläger nach ärztlicher Verordnung einzuhaltende Diät mit bestimmten
Diätnahrungsmitteln unter dieser Regelung subsumiert werden könne. Es sei insoweit aber höchstrichterlich
festgestellt, dass diese Regelung der Arzneimittelrichtlinien wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig
seien. Mit dieser Regelung werde der Kreis der zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähigen
Lebensmittel über die Vorgaben der Ermächtigungsnorm des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V hinaus erweitert. Die
gesetzliche Regelung ermächtige den Gemeinsamen Bundesausschuss lediglich dazu, für die vier vom Gesetzgeber
selbst in der formellen Gesetzesnorm vorgegebenen Nahrungsmittelgruppen (Aminosäuremischungen,
Eiweißhydrolysate, Elementardiäten, Sondennahrung) die medizinisch notwendigen Fallgruppen festzulegen, in denen
die gesetzliche Krankenversicherung ihre Versicherten hiermit zu versorgen habe. Die erweiternde Anwendung auf
ergänzende bilanzierte Diäten in bestimmten Fällen durch die Arzneimittelrichtlinien sei von der Ermächtigungsnorm
nicht gedeckt. Das SGB V habe vielmehr Lebensmittel grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung ausgeschlossen und diese, auch bei entstehendem Mehraufwand, dem Bereich der
Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet. Damit werde der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen
Krankenversicherung Rechnung getragen, sich auf gezielte Maßnahmen der Krankheitsbekämpfung zu beschränken.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 9.4.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6.5.2009 Berufung eingelegt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts handle es sich bei der vom Kläger einzuhaltenden Diät um eine
Elementardiät im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Diese Norm enthalte keine Erläuterung des Begriffes
"Elementardiät". Die vom Sozialgericht zitierte Definition, wonach Elementardiäten Gemische von
Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und Spurenelementen seien, sei den Arzneimittelrichtlinien entnommen, in
denen der Begriff "Elementardiät" in einem Klammereinschub entsprechend erläutert worden sei. Die dem Kläger
verordnete Diätnahrung sei allerdings gerade ein solches Gemisch von Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und
Spurenelementen und stelle damit eine solche Elementardiät dar. Eine Begrenzung des Anwendungsbereiches auf die
in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V genau festgelegten Fälle verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, wenn dadurch
Fälle, die genau gleich gelagert seien und sich allenfalls durch ernährungsphysiologische Unterschiede auszeichneten
davon ausgeschlossen würden. Sofern man davon ausgehe, dass die diätetische Ernährung des Klägers keine
Elementardiät darstelle, werde hilfsweise geltend gemacht, dass es sich bei dem Krankheitsbild des Klägers um
genau die gleiche Situation handele, wie in den Fällen, in denen Elementardiäten notwendig seien. In beiden Fällen
führe die Nichteinhaltung der bilanzierten Diät zu schwerer geistiger und körperlicher Beeinträchtigung, sodass die
strikte Einhaltung der bilanzierten Diät medizinisch notwendig sei. Eine Ungleichbehandlung dieser gleichgelagerten
Fälle entbehre daher eines sachlichen Grundes. Da der Kläger weder ausschließlich von den von der Beklagten
erstatteten Aminosäuremischungen leben könne, noch sich von normalen Lebensmitteln ernähren könne, sei sein Fall
den in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelten Fällen gleichgelagert. Der Fall des Klägers sei auch nicht mit dem vom
Bundessozialgericht mit Urteil vom 16.12.2008 entschiedenen Fall (B 1 Kn 3/07 KR-R) vergleichbar. Das dort im Streit
stehende "Lorenzos Öl" habe nicht die existenzielle Bedeutung für den dortigen Kläger gehabt, wie die diätetische
Ernährung des Klägers im vorliegenden Verfahren.
Der Kläger hat zuletzt zum Nachweis für die entstandenen Kosten eine Aufstellung über die von ihm käuflich
erworbenen Spezialnahrungsmittel der Firma SHS vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung ergänzend
ausgeführt, die wirklichen Kosten seien weit höher, weil die Spezialnahrung auch über Verwandte aus Italien in der
Vergangenheit günstig bezogen werden konnte. Die entsprechenden Kosten seien in der Aufstellung nicht enthalten
und würden hier nicht geltend gemacht. Vorgelegt wurde weiter eine Schätzung des Zentrums für Kinder- und
Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg vom 29.06.2010 über die Mehrkosten der vom Kläger benötigten
Spezialnahrung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.3.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 28.7.2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die
Diätnahrungsmittel des Klägers für die Zeit von Juni 2006 bis Juni 2010 in Höhe von 2.118,14 EUR zu erstatten sowie
die zukünftig hier anfallenden Kosten zu übernehmen ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Heilbronn. Sie führt ergänzend aus, dass
Elementardiäten diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der
Diätverordnung) seien, die - unabhängig von der Molekulargröße - oral zuzuführende Gemische aus Proteinen (auch
hochhydrolysierte Proteine), Aminosäuren, Kohlehydraten, Fetten, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen
enthielten und als einzige Nahrungsquelle geeignet seien (so genannte Trinknahrung). Bei den vom Kläger
verwendeten diätetischen Nahrungsmitteln handele es sich z. B. um Nudelgerichte, Backwaren, Lobrofin statt Ei,
Sahne, Milch oder Dessert. Diese Nahrungsmittel dienten ausschließlich der Ernährung unter Vermeidung von für den
Kläger allergieauslösenden Substanzen. Eine Zuordnung zur Elementardiät sei nicht zulässig, da kein medizinischer
Zweck verfolgt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten
des Sozialgerichts und des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Insbesondere ist die
Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da laufende Leistungen für die vom Kläger
lebenslang benötigten Diätnahrungsmittel im Streit stehen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist aber nicht begründet.
Die Beklagte hat die Erstattung und die dauerhafte Übernahme der Kosten für die diätetischen Lebensmittel des
Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.
I. Ein Anspruch auf dauerhafte Kostenübernahme besteht nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht. Der Kläger hat
zwar gemäß § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung. Dazu gehört
nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Hierzu bestimmt § 31 Abs. 1 Satz 1
SGB V, dass Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, soweit die
Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen
sind. Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V, der durch Art. 1 Ziff. 1a. Buchst. c) des Gesetzes zur Weiterentwicklung der
Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl I S. 2426) mit Wirkung zum
1.1.2009 eingefügt wurde, haben Versicherte Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Versorgung, wenn die
diätische Intervention mit bilanzierten Diäten medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Die diätetischen Nahrungsmittel, die der Kläger aufgrund der bei ihm vorliegenden Festtstoffwechselerkrankung
Leucinose (Ahornsirupkrankheit) benötigt, sind aber weder als Arzneimittel im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V
(1.) erstattungsfähig, noch handelt es sich um eine bilanzierte Diät zur enteralen Versorgung i. S. v. § 31 Abs. 5 Satz
1 SGB V (2.).
1. Entgegen der Auffassung des Klägers gehören die von ihm benötigten diätetischen Nahrungsmittel nicht zu den
erstattungsfähigen Arzneimittel. Nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel
Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im und am menschlichen oder
tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten
oder zu erkennen. Diese weit gefasste Begriffsdefinition erfasst unter dem Gesichtspunkt der Verhütung von
Krankheiten grundsätzlich auch jegliche Stoffe, die der Ernährung des Menschen dienen. Eine Eingrenzung erfährt der
Arzneimittelbegriff daher in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel-
und Futtermittelgesetzbuches (LBFG) keine Arzneimittel sind. § 2 Abs. 2 LBFG verweist auf den Lebensmittelbegriff
des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Danach sind "Lebensmittel" alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu
bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem,
teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den
Lebensmitteln gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates. Die begriffliche
Abgrenzung zwischen Lebens- und Arzneimittel kann hier aber dahinstehen, denn das Bundessozialgericht hat vor
dem Hintergrund dieser Rechtslage in seinen Urteilen vom 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 - und vom 16.12.2008 - B 1 KN
3/07 KR R - (jeweils Juris) ausgeführt, dass für den Fall, dass nach der europarechtlichen Begriffsbestimmung bei
dem dort streitgegenständlichen "Lorenzos Öl" von einem Arzneimittel auszugehen wäre, dieses als Fertigarzneimittel
nach § 4 Abs. 1 AMG der Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG bedürfte. Entsprechendes gilt auch für die diätetischen
Nahrungsmittel des Klägers. Selbst wenn es sich dabei um Arzneimittel i.S.d. § 2 des AMG handeln sollte, bedürften
sie, um erstattungsfähig zu sein, einer arzneimittelrechtlichen Zulassung, die aber ersichtlich nicht vorliegt.
2. Die diätetischen Nahrungsmittel des Klägers sind auch nicht nach § 31 Abs. 5 SGB V als bilanzierte Diät
erstattungsfähig. In § 6 der Arzneimittelrichtlinien (AMRL) in der Fassung vom 18.12.2008/22.1.2009, zuletzt geändert
am 17.12.2009, in Kraft getreten am 12.3.2010 (BAnZ 2010 Nr. 39 S. 996) wird hierzu ausgeführt, dass Lebensmittel,
Nahrungsergänzungsmittel, sog. Krankenkost und diätetische Lebensmittel, einschließlich Produkten für Säuglinge
oder Kleinkinder von der Versorgung nach § 27 SGB V ausgeschlossen sind (Satz 1). Versicherte haben einen
Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten
medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist (Satz 2). Bilanzierte Diäten - diätetische Lebensmittel für
besondere medizinische Zwecke - sind nach § 1 Abs. 4a der Verordnung über diätetische Lebensmittel - DiätV -
Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Versorgung von Patienten
bestimmt sind. Sie dienen der ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter,
behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechselung oder Ausscheidung
gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder der Ernährung von
Patienten mit einem sonstigen Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen
Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil im Hinblick auf die frühere Regelung in Ziff. 15.2.5 der Arzneimittelrichtlinien
(AMRL) in der Fassung vom 25.8.2005 angenommen, dass es sich bei der vom Kläger einzuhaltenden Diät um eine
bilanzierte Diät handelt. Nach Ziff. 15.2.5 AMRL in der Fassung vom 25.6.2005 wurden ergänzende bilanzierte Diäten
zur Behandlung von angeborenen, seltenen Defekten im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel und anderen
diätpflichtigen Erkrankungen, die unbehandelt zu schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung führen und bei
denen eine diätetische Intervention mit ergänzenden bilanzierten Diäten medizinisch notwendig ist, in die
Verordnungsfähigkeit im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung mit einbezogen. Das Sozialgericht kam aber
deshalb nicht zu einer Erstattungsfähigkeit der Diätnahrungsmittel des Klägers, weil es mit der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts von der Nichtigkeit der Ziff. 15.2.5 AMRL in der Fassung vom 25.8.2005 ausgegangen ist. Das
Bundessozialgericht hatte die Regelung der AMRL für nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des § 31 Abs. 1
Satz 2 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung vom 14.6.2007 (BGBl I S. 1066), gedeckt angesehen, da
so der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V a. F. erweitert und ergänzende bilanzierte Diäten zur
Behandlung von Stoffwechselerkrankungen in die Erstattungsfähigkeit einbezogen werden sollten, obwohl es sich
dabei um keine der vier ausdrücklich in dieser gesetzlichen Norm genannten Gruppen der enteralen Ernährung, den
Aminosäuremischungen, den Eiweißhydrolysaten, den Elementardiäten oder der Sondennahrung handelte. Es hat
daher die Arzneimittelrichtlinien insoweit für nichtig erklärt (Urteile vom 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 - und vom
16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R - (jeweils Juris)).
Mit der Änderung des § 31 SGB V und der Einfügung des Abs. 5 durch das GKV-OrgWG ist der Kreis der
verordnungsfähigen Produkte aber nicht dahingehend erweitert worden, dass nunmehr die vom Kläger benötigten
Diätnahrungsmittel darunter zu fassen wären. Bei den nunmehr nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V ausnahmsweise zu
erstattenden Nahrungsmitteln muss es sich um bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung handeln. Dies ist
ausdrücklich in der gesetzlichen Regelung festgelegt. Damit trägt der Gesetzgeber dem vom Bundessozialgericht im
Urteil vom 28.2.2008 dargelegten Verständnis des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. Rechnung. Das
Bundessozialgericht hatte ausgeführt, dass in dieser Norm mit den vier genannten Produktgruppen
(Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung) diejenigen Konstellationen der
künstlichen enteralen Ernährung zusammen gefasst worden seien, die ausnahmsweise von der gesetzlichen
Krankenversicherung zu tragen seien. Ausgeschlossen seien Mittel, deren wesentlicher Zweck nicht die enterale
Ernährung, sondern weitergehende therapeutische Ziele seien. Dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 31
Abs. 5 SGB V die Erstattungsfähigkeit nicht auf Diätnahrungsmittel erstrecken wollte, ergibt sich aus der Begründung
des Ausschusses für Gesundheit zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 16/10609 S. 50 f.). Danach sollte mit § 31 Abs. 5 SGB
V in Reaktion auf das Urteil des BSG vom 28.2.2008 eine ausreichende Regelung für die Versorgung von
Versicherten mit anderen diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, als mit den vier genannten
Produktgruppen bereits erfasst waren, geschaffen werden. Dabei orientierte sich der Begriff der diätetischen
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) an der Definition des § 1 Abs. 4a der
Diätverordnung und unterschied sich nach der Vorstellung des Ausschusses damit deutlich von Lebensmitteln des
allgemeinen Verzehrs. Zwar sollten zu den verordnungsfähigen Produkten auch spezifisch auf ein Krankheitsbild
abgestimmte Spezialprodukte gehören, wenn sie medizinisch erforderlich sind. Grundsätzlich als nicht
verordnungsfähig angesehen wurden aber etwa glutenfreie Spezialmehle, lactosefreie Milchprodukte, phenylalaninfreie
Fertigprodukte und andere entsprechende Lebensmittel. In der Begründung des Ausschusses wurde ausdrücklich
betont, dass es weiterhin dabei bleibe, dass die Versorgung mit Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, so
genannter Krankenkost und anderen diätetischen Lebensmitteln als bilanzierte Diäten grundsätzlich nicht zu den
Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
Allerdings ergibt sich aus dieser Begründung nicht, dass auch tatsächlich eine Begrenzung der Erstattungsfähigkeit
auf bilanzierte Diäten ausschließlich zur enteralen Ernährung beabsichtigt war. Insoweit beinhaltet § 31 Abs. 5 SGB V
eine Einschränkung gegenüber der Vorgängerregelung in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F ... Von den dort genannten
vier Produktgruppen der ausnahmsweise zu erstattenden diätetischen Lebensmitteln dient nur die Sondennahrung der
enteralen Ernährung im klinischen Sinn, während die ebenfalls genannten Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate
sowie Elementardiäten (Trinknahrung) durchaus im Wege oraler Nahrungsaufnahme verabreicht werden können. Der
Begriff der enteralen Ernährung wird im Bericht des Ausschusses an keiner Stelle erwähnt. Vielmehr wird betont, dass
die bisherige gesetzliche Regelung nicht ausreiche für eine Versorgung von Versicherten mit anderen diätetischen
Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, wenn dies medizinisch notwendig sei. Besondere Richtlinien über
die Voraussetzungen der Verordnung bilanzierter Diäten zur enteralen Versorgung sowie eine Zusammenstellung der
verordnungsfähigen Produkte, die nach § 31 Abs. 5 S. 2 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erstellen
sind, liegen bisher nicht vor. Es kann aber letztlich dahinstehen, ob der Gesetzgeber ungeachtet dieser Erwägungen
mit der Begrenzung auf die enterale Ernährung eine Einschränkung der Leistungspflicht gegenüber der zuvor
bestehenden Gesetzeslage bezweckt hat.
Denn die vom Kläger benötigten Diätnahrungsmittel stellen, anders als das Sozialgericht angenommen hat, schon
keine bilanzierte Diät dar. Es handelt sich vielmehr um Grundnahrungsmittel für den Kläger, die er anstelle der für ihn
unverträglichen, gewöhnlichen Nahrungsmittel zu sich nimmt. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Rechnungen
begehrt der Kläger die Kostenübernahme beispielsweise für Nudeln, Kräuterkräcker, Ei- und Sahneersatzprodukte.
Diese Produkte enthalten ausweislich der bei der Akten befindlichen Auskunft der Herstellerfirma SHS vom 20.1.2004
keine Aminosäuren, sondern sind lediglich eiweißarm. Bilanzierte Diäten sind hingegen besondere Zubereitungen, mit
denen alle benötigten Nährstoffe in ausreichender Menge und in optimaler Zusammensetzung zugeführt werden
sollen. Für das Inverkehrbringen bilanzierter Diäten besteht nach § 4a Abs. 1 DiätV eine Anzeigepflicht gegenüber
dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Bilanzierte Diäten müssen sich gemäß den
Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie
den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen. Sie dürfen nur unter
ärztlicher Aufsicht verwendet werden (§ 14b Abs. 1 Satz 2 und 3 DiätV). Bei den vom Kläger verwendeten
diätetischen Lebensmitteln handelt es sich aber um verschiedene Komponenten der allgemeinen Ernährung, deren
ausgewogene Zusammenstellung unter Berücksichtigung der Vorgaben seines Diätplanes der Kläger selbst
vorzunehmen hat. Die "Bilanzierung" erfolgt damit nicht durch den Hersteller, sondern findet beim Endverbraucher
statt. Die vom Kläger benötigten Nahrungsmittel stellen sich deshalb nicht anders dar als glutenfreie Spezialmehle,
lactosefreie Milchprodukte, phenylalaninfreie Fertigprodukte und andere entsprechende Lebensmittel, die mit der
Regelung des § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V gerade nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen
einbezogen werden sollten (Ausschussbericht vom 15.10.2008, BT Drs. 16/10609, S. 51).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme nach der Übergangsreglung des § 316 SGB V. Nach
dieser Vorschrift haben Versicherte bis zur Veröffentlichung der Zusammenstellung nach § 31 Abs. 5 Satz 2 SGB V
im Bundesanzeiger Anspruch auf enterale Ernährung nach Maßgabe des Kapitels E der Arzneimittel-Richtlinien in der
Fassung vom 25.8.2005 (BAnz. S. 13241). Allein in Betracht käme hier nur ein Anspruch nach Ziff. 15.2.5 Satz 2 der
AMRL in der maßgeblichen Fassung, welche zwar vom Bundessozialgericht in den Urteilen vom 28.2.2008 - B 1 KR
16/07 - und vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R - (a.a.O.) für nichtig erklärt worden ist, deren Anwendung nunmehr
aber über § 316 SGB V durch formelles Gesetz angeordnet wird (Nolte in Kasseler Kommentar, Stand April 2010, §
316 SGB V RdNr. 3). Allerdings betraf diese Ziffer lediglich ergänzende bilanzierte Diäten und keine sonstigen
Diätnahrungsmittel, so dass die diätetischen Lebensmittel des Klägers nicht darunter zu fassen waren, da es sich -
wie ausgeführt - nicht um bilanzierte Diäten handelt.
II. Hinsichtlich der Kosten der bisher vom Kläger seit der Vollendung des 18. Lebensjahres erworbenen
Diätnahrungsmittel kommt nur ein Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten
für notwendige selbst beschaffte Leistungen zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung
nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§
13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V). Da die Versorgung des Klägers mit Diätnahrungsmitteln bis zur Vollendung seines
18. Lebensjahres durch die Beklagte übernommen worden war und dem Kläger schon vor diesem Zeitpunkt bekannt
war, dass die Beklagte eine weitere Kostenübernahme ablehnen werde, kommt als Anspruchsgrundlage allein der
Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V in Betracht. Danach sind dem Versicherten die Kosten
für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse die
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Beklagte hat die Übernahme der inzwischen bezifferten Kosten aber nicht zu Unrecht abgelehnt. Der
Erstattungsanspruch des Klägers reicht grundsätzlich nicht weiter als sein Sachleistungsanspruch. Für die Zeit ab
dem 1.1.2009 gilt aber das im Hinblick auf die Rechtslage nach Einführung des § 31 Abs. 5 SGB V Ausgeführte. Für
den davor liegenden Zeitraum ergibt sich nichts anderes. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. unterlagen
Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten (Trinknahrung) und Sondennahrung der Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung. Entgegen der Auffassung des Klägers stellen die Diätnahrungsmittel, für die er
Kostenerstattung begehrt, keine Elementardiät i.S. dieser Vorschrift dar. Elementardiäten sind nach der
Begriffsdefinition in der AMRL (Ziff. 15.2.3 in der Fassung vom 25.8.2005) diätetische Lebensmittel für besondere
medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten im Sinne der Diätverordnung), die unabhängig von der Molekulargröße - oral
zuzuführende Gemische aus Proteinen (auch hydrolysierte Proteine), Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fetten,
Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen enthalten, und die als einzige Nahrungsquelle geeignet sind (so
genannte Trinknahrung). Diese Definition erfüllen die vom Kläger benötigten diätetischen Nahrungsmittel wie Nudeln,
Kräuterkräcker, Ei- und Sahneersatzprodukte schon deshalb nicht, weil sie keine bilanzierte Diät, sondern
Grundnahrungsmittel von fester Konsistenz darstellen, und zudem nicht jeweils als einzige Nahrungsquelle geeignet
sind.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Der Kläger
kann sich mit Hilfe der auf allgemeinen Märkten erhältlichen und für ihn noch verträglichen Lebensmittel nicht in
ausreichendem Maße ernähren und benötigt die künstlichen Lebensmittel (mit den entsprechenden, lebenslang
anfallenden Mehrkosten), um überhaupt überleben zu können. Insoweit wird er von den gesetzlichen Beschränkungen
des Leistungskatalogs des SGB V (vgl. dazu BSG Urt. v. 28.2.2008 - B 1 KR 16707 R - Juris Rn 46) in weit
stärkerem Maße betroffen als die Kläger in den vom BSG bisher entschiedenen Fällen und auch stärker als andere
Versicherte, die bei weit weniger schweren Erkrankungen weitaus höhere Leistungen aus der gesetzlichen
Krankenversicherung erhalten. Eine grundrechtsorientierte Auslegung (vgl. dazu BSG Urt. v. 16.12.2008 - B 1 KN 3/07
KR R - Juris Rn 32) lässt der klare Wortlaut von § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB V nicht zu und auch die Richtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschusses nehmen (entsprechend den gesetzlichen Vorgaben) eine auf die vorliegende
Erkrankung anwendbare Konkretisierung nicht vor.