Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 05.03.2002
LSG Bwb: nachzahlung von beiträgen, aufenthalt im ausland, verlegung des wohnsitzes, europäisches recht, geburt, vormerkung, eugh, verordnung, anerkennung, daten
Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 05.03.2002 (rechtskräftig)
Sozialgericht Heilbronn S 5 RA 1415/96
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 13 RA 1250/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für zwei Kinder
der Klägerin, die diese in den Niederlanden erzogen hat, vormerken muss.
Die 1944 in E./Deutschland geborene Klägerin war in der Zeit vom 1. April 1962 bis 30. April 1965 bei der
Stadtsparkasse E. als Stenotypistin in der Kreditabteilung versicherungspflichtig beschäftigt. Aus dem
Beschäftigungsverhältnis schied sie aus Anlass ihrer Heirat 1965 aus und ließ sich die zur gesetzlichen
Rentenversicherung gezahlten Beiträge erstatten. Nach ihrer Heirat nahm sie die niederländische Staatsangehörigkeit
an. Sie ist Mutter der 1969 geborenen Tochter Y. H. und des 1971 geborenen Sohnes M. D. Sie hat beide Kinder
während der ersten zehn Lebensjahre erzogen. Die Klägerin, ihr Ehemann und später auch die Kinder wohnten vom
28. Oktober 1964 bis 23. März 1970 in der Gemeinde S. O. (jetzt: Gemeinde A. M.), in der Zeit vom 23. März 1970
bis 6. Januar 1975 in der Gemeinde G. und schließlich vom 6. Januar 1975 bis 31. März 1981 in der Gemeinde V. a.d.
G. jeweils in den Niederlanden. Der Ehemann der Klägerin ist ebenfalls niederländischer Staatsangehöriger. Er war
vom 1. August 1964 bis 30. Juni 1969 bei der Firma M. GmbH und Co. in Mö., in der Zeit vom 1. August 1969 bis 30.
September 1993 bei der K. TKT GmbH in Aa. als Verkaufsingenieur im Bereich Maschinenbau und schließlich in der
Zeit vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1997 als Verkaufsingenieur bei der B. T. GmbH und Co. KG in L.
beschäftigt; während der zuletzt genannten Beschäftigung des Ehemanns wohnte die Klägerin mit Ehemann und
Kindern in D./Deutschland.
Die Klägerin sprach am 26. Juni 1995 bei der Auskunfts- und Beratungsstelle Stuttgart der Beklagten vor und
erkundigte sich nach der Möglichkeit der Nachzahlung von Beiträgen bei Heiratserstattung. Sie kündigte zugleich an,
sie werde den Antrag auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten stellen. In der weiteren Vorsprache bei der
Ortsbehörde für Arbeiter- und Angestelltenversicherung in D. am 6. September 1995 stellte sie den Formantrag auf
Feststellung von Kindererziehungszeiten sowie von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Durch Bescheid
vom 16. November 1995 ließ die Beklagte die Klägerin zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge bei Heiratserstattung für
die Zeit von April 1962 bis April 1965 zu. Die Klägerin zahlte die freiwilligen Beiträge in Höhe von 7.170,30 DM ein. Sie
beantwortete auch eine Anfrage der Beklagten zur Feststellung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung im Ausland. Sie gab an, sie habe mit ihrer Tochter Y. H. und ihrem Sohn M. D. während der
ersten zehn Lebensjahre in den verschiedenen Gemeinden in den Niederlanden – zeitweise grenznnah zu Deutschland
- gewohnt und die Kinder dort erzogen. Mit Bescheid vom 6. Februar 1996 lehnte es die Beklagte ab, für die Tochter
Y. die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1970 als Kindererziehungszeit sowie die Zeit vom 18. Mai 1969 bis 17. Mai
1979 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung und für den Sohn M. die Zeit vom 1. April 1971 bis 31. März
1972 als Kindererziehungszeit sowie die Zeit vom 15. März 1971 bis 14. März 1981 als Berücksichtigungszeit wegen
Kindererziehung vorzumerken. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, ihr Mann sei seit 1964 in der
Bundesrepublik Deutschland zu Höchstbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Tatsache,
dass ihr Wohnsitz auf der anderen Seite der Grenze liege, sei kein Grund, die Kindererziehungszeiten nicht
anzuerkennen. Dies wäre eine Diskriminierung und widerspreche den Gesetzen der Europäischen Gemeinschaft. Die
Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1996 zurück.
Die Klägerin hat beim Sozialgericht (SG) Heilbronn am 24. Juni 1996 Klage erhoben, mit der sie weiterhin die
Vormerkung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten begehrt hat. Soweit die §§ 56, 57 und 249 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Anerkennung der begehrten Zeit als Kindererziehungs- oder
Berücksichtigungszeiten nicht zuließen, verstießen sie gegen Art. 7, 48 Abs. 2 und 51 des EG-Vertrags (alte
Fassung) sowie gegen Art. 3 und 10 der EWG-Verordnung 1408/71. Nach letzterer Vorschrift dürften Geldleistungen
nicht mit der Begründung versagt werden, der Antragsteller wohne in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen
Gemeinschaft. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, sie hält einen Verstoß gegen die von der Klägerin
angeführten Bestimmungen des europäischen Rechts nicht für gegeben. Während des Klageverfahrens ist die
Klägerin, die aufgrund der Beschäftigung ihres Ehemanns in L. mit der Familie in D. gewohnt hatte, wieder in die
Niederlande verzogen. Das SG hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 28. Mai 1999
abgewiesen. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, im Versicherungskonto der Klägerin Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeiten vorzumerken. Die Voraussetzungen der §§ 56, 57 und 249 SGB VI seien nicht gegeben. Art.
51 des EG-Vertrags (alte Fassung) i.V.m. den Bestimmungen der EWG-Verordnung 1408/71 sehe nur die
Zusammenrechnung der in verschiedenen Mitgliedsstaaten zurückgelegten Zeiten vor. Die Vorschriften regelten nicht
die Voraussetzungen für die Entstehung der Versicherungszeit (unter Hinweis auf EuGH SozR 6030 Art. 51 Nr. 23 und
Art. 48 Nr. 5). Es sei Sache jedes Mitgliedsstaats, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen jemand einem
System der sozialen Sicherheit zugehöre, solange es dabei nicht zu einer diskriminierenden Unterscheidung zwischen
Inländern und Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten komme. Aus Anhang VI Abschnitt C (Deutschland) Nr. 19 zur
EWG-Verordnung 1408/71 ergebe sich, dass als Versicherungszeit wegen Kindererziehung nach den deutschen
Rechtsvorschriften die Zeit gelte, in der die Erziehung des Kindes durch den betroffenen Arbeitnehmer in einem
anderen Mitgliedsstaat erfolge, soweit dieser Arbeitnehmer nach § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz nicht beschäftigt
werden dürfe oder Erziehungsurlaub nehme, wobei die Vorschrift nur für Geburten ab 1. Januar 1986 gelte (unter
Hinweis auf BSG, Urteile vom 30. Oktober 1990, 4 RA 24/90 und vom 16. Juni 1994, 13 RJ 31/93). Schließlich habe
sich die Klägerin freiwillig von der deutschen Rentenversicherung abgewandt, indem sie sich die vom 1. April 1962 bis
30. April 1965 entrichteten Beiträge habe erstatten lassen und ins Ausland verzogen sei. Erst von 1993 bis Ende
Januar 1998 habe sie im Bundesgebiet gelebt und hier die beiden Kinder erzogen. Im Rentenrecht gelte aber der
Grundsatz, nur wer sich noch im sozialen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, solle auch
im Falle der Kindererziehung rentenwirksam abgesichert sein (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer
des 1. Senats vom 2. Juli 1998, 1 BvR 810/90, NZS 1998, 518). Das Urteil des SG ist den Bevollmächtigten der
Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 16. Juni 1999 zugestellt worden.
Die Klägerin hat hiergegen am 15. Juli 1999 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie vertritt
weiterhin die Auffassung, die zur Anwendung gebrachten §§ 56, 57, 249 SGB VI verletzten insoweit europäisches
Recht, als sie unter Verstoß gegen Art. 10 EWG-Verordnung 1408/71 Geldleistungen bei Alter allein deshalb kürzten
oder entziehen würden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats als des Staats wohne, in dessen
Gebiet der zur Zulassung verpflichtete Träger seinen Sitz habe. Sie hat darauf hingewiesen, dass das
Bundessozialgericht das Verfahren B 5/4 RA 82/97 R ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Rechtsfrage
zur Entscheidung vorgelegt habe, ob das europäische Recht die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach
deutschem Recht vor dem 1. Januar 1986 gebiete, wenn die Kindererziehung zwar in einem anderen Mitgliedsstaat
stattgefunden habe, der erziehende Elternteil jedoch in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Eintritt des
Mutterschutzes und auch nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs als Grenzgänger versicherungspflichtig
beschäftigt gewesen sei. Sie hat auf Anforderung des Senats die Geburtsurkunden ihrer Kinder, Nachweise über ihre
Wohnort und Wohnzeiten in den niederländischen Gemeinden A. M., G. und V. a. d. G. sowie Bescheinigungen über
die Beschäftigungszeiten ihres Ehemannes vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 1999, den Bescheid vom 6. Februar 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für ihre am 18. Mai 1969
geborene Tochter Kindererziehungszeiten vom 1. Juni 1969 bis 31. Mai 1970 sowie Berücksichtigungszeiten vom 18.
Mai 1969 bis 17. Mai 1979 und für ihren am 15. März 1971 geborenen Sohn Kindererziehungszeiten vom 1. April 1971
bis 31. März 1972 sowie Berücksichtigungszeiten vom 15. März 1971 bis 14. März 1981 vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist auch in Kenntnis des Urteils des Europäischen Gerichtshofs bei ihrer Auffassung geblieben, die
Voraussetzungen für die Vormerkung der begehrten Zeiten lägen nicht vor. Der EuGH habe die Anerkennung von
Kindererziehungszeiten nach Europäischem Recht lediglich für den Fall als geboten erachtet, in dem die Versicherte
zur Zeit der Geburt des Kindes als Grenzgängerin in dem für die Anerkennung der Kindererziehungszeit zuständigen
Mitgliedsstaat beschäftigt gewesen sei und in einem anderen Mitgliedsstaat gewohnt habe. Im vorliegenden Falle sei
die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland weder beschäftigt gewesen noch habe hier ein Rumpfarbeitsverhältnis
bestanden.
Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Mai 2000 das Ruhen des Rechtsstreits angeordnet. Am 14. März 2001 ist
das Verfahren durch die Klägerin wieder angerufen worden. Der Senat hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 23. November 2000, Rechtssache (Ursula Elsen C) – 135/99 beigezogen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (63 240744 S 605), die Klageakten des SG (S 5 RA 1415/96)
und die Berufungsakten des Senats (L 13 RA 2828/99, 1250/01) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte
Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn das SG hat die Klage wegen des Bescheids
vom 6. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 1996 zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin steht der von ihr erhobene Vormerkungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen der einzigen
Anspruchsgrundlage, auf die sie ihr Begehren stützen kann und die sich aus § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI ergibt, sind
nicht erfüllt. Danach hat der Versicherungsträger einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid über die im
Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten zu erlassen, die länger als sechs
Kalenderjahre zurückliegen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat (vgl. BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr. 2 und
SozR 3-2600 § 56 Nr. 4). Der Versicherte kann nur die Feststellung von "Daten" und nur von solchen beanspruchen,
die der Versicherungsträger nach Maßgabe der Vorschriften des SGB VI in einem Versicherungskonto zu speichern
hat (§ 149 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VI). "Daten" sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse
einer natürlichen Person (vgl. § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I); § 67 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X)). Der Vormerkungsanspruch ist somit ausschließlich auf die Feststellung von Tatsachen
gerichtet, die nach dem im Zeitpunkt der Vormerkung gültigen Recht in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise
rechtserheblich und nach Maßgabe des deutschen Rentenversicherungsrechts im Versicherungskonto zu vermerken
sind. Eine Entscheidung über Rechte oder Ansprüche auf Geldzahlungen kann hingegen nicht verlangt werden. Zweck
dieses Verfahren und insbesondere des Vormerkungsbescheids nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist eine
Beweissicherung hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich
bedeutsam werden können und Grundlage für eine Rentenauskunft sind. Die rentenrechtliche Bedeutsamkeit beurteilt
sich deshalb ausgehend von der derzeitigen Rechtslage (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juli 2001- B 5 RJ 6/00 R -, SGb
2001, 619 m.w.N; so auch BSG, Urteil vom 27. Januar 1999 - B 4 RA 29/98 R - nicht zur Veröffentlichung bestimmt).
Die Klägerin ist zwar "Versicherte" i.S. des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, obwohl ihre aus Pflichtbeitragszeiten bis
Ende April 1965 in der Rentenversicherung der Angestellten erworbene Rentenanwartschaft gegen die BfA auf ihren
Antrag aus Anlass der Heirat erstattet worden sind. Sie hat jedoch für dieselben Zeiten wirksam freiwillige Beiträge
nachgezahlt und dadurch den Status einer Versicherten wiedererlangt und ein neues Versicherungsverhältnis zur BfA
begründet. Für die strittigen Zeiträume liegen jedoch keine in das Versicherungskonto einzustellenden Daten vor. Dies
gilt für die geltend gemachten Tatbestände von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung und von
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur
Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1999 (BGBl I S. 3843) sind Kindererziehungszeiten Zeiten der
Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für Geburten vor dem 1. Januar 1992 schränkt § 249
Abs. 1 SGB VI diese Regelung auf die ersten 12 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt ein. Gemäß §
56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird eine Kindererziehungszeit für einen Elternteil angerechnet, wenn die Erziehungszeit
dem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen
gleichsteht und der Elternteil von der Anrechnung nicht ausgeschlossen ist. Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist
eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind
dort gewöhnlich aufgehalten hat. Nach § 57 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen
vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die
Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen; nach § 249 Abs. 2 Satz 1 SGB VI steht der
Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt
allerdings nicht, wenn die Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit
einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.
Keiner Darlegung bedarf, dass die Klägerin von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten nicht im Sinne von § 56
Abs. 4 SGB VI ausgeschlossen ist. Für die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten, die der Klägerin gemäß § 56
Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zuzuordnen wären, fehlt es an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1
Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 SGB VI. Die Erziehung der Kinder ist weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt
noch kann die Erziehung im Ausland (hier in den Niederlanden) einer Inlandserziehung gleichgestellt werden.
Die Kinder der Klägerin wurden beide in den ersten zehn Lebensjahren in den Niederlanden erzogen. Die Klägerin, ihr
Ehemann und beide Kinder hatten während der hier relevanten Zeiträume ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den
Gemeinden A. M., G. und V. a. d. G. in den Niederlanden. Dort lag der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse. Sie
hatten dort nicht nur ihren Wohnsitz, sondern haben sich nach eigenen Angaben auch tatsächlich dort gewöhnlich
aufgehalten. Erst im Jahre 1993 sind sie in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen; inzwischen wohnen sie
wieder in den Niederlanden.
Die Erziehung der Kinder in den Niederlanden steht einer solchen im Inland nicht gleich. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.
Abs. 3 S. 2 und 3 SGB VI steht eine Erziehung im Ausland einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland gleich, wenn sich der erziehende Elternteil mit dem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und
während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen der dort ausgeübten Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten (in der gesetzlichen Rentenversicherung) hat. Darüber hinaus sind
bestimmte Auslandstätigkeiten zum Aufbau eigener Ansprüche in der deutschen Rentenversicherung geeignet;
insbesondere in so genannten Entsendungsfällen im Sinne von § 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind
Kindererziehungszeiten auch dann vorzumerken, wenn sich der Erziehende mit dem Kind im Ausland gewöhnlich
aufhält, er aber während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten
Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat (vgl. BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 13). Das heißt,
auch in diesem Fall trifft die Erwägung zu, dass dem Erziehenden in der deutschen Rentenversicherung gerade wegen
der Kindererziehung Rentenanwartschaften entgangen sind. Folgt ein selbst nicht erwerbstätiger Elternteil seinem im
Ausland beschäftigten oder tätigen Ehegatten nach, treffen die genannten Erwägungen (Entgehen von
Rentenanwartschaften wegen Kindererziehung) nicht ohne weiteres zu (vgl. BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 6 S. 27; BSG
SozR 3-2600 § 56 Nr. 8 S. 40). Dennoch soll es ihm im Vergleich zu einem im Inland Erziehenden mit Blick auf die
Schutzpflichten des Staates für Ehe und Familie (vgl. Art 6 Abs. 1 Grundgesetz) nicht zum Nachteil gereichen, wenn
er das Inland verlässt und damit den Erziehungsort ins Ausland verlegt, um mit dem vorübergehend im Ausland
erwerbstätigen Ehegatten und dem Kind als Familie zusammenzuleben (zu diesem Gesichtspunkt stellvertretend:
BSGE 71, 227, 231 = SozR 3-2600 § 56 Nr. 4). Der Auslandsaufenthalt des erziehenden Elternteils muss allerdings
mit der typisierenden und pauschalierenden Grundwertung des Gesetzes in Einklang bleiben, dass während der Zeit
des Auslandsaufenthalts deutsche Rentenanwartschaften gerade wegen der Kindererziehung entgangen sind, nicht
aber wegen einer Integration in eine ausländische Arbeitswelt oder weil sich der Erziehende dauerhaft bzw. auf nicht
absehbare Zeit von der inländischen Arbeits- und Erwerbswelt und damit auch von der deutschen Rentenversicherung
gelöst hat (z.B. Auswanderungsfälle).
Die Klägerin sind aber während des hier maßgeblichen Zeitraums des Auslandsaufenthalts deutsche
Rentenanwartschaften nicht gerade wegen der Kindererziehung entgangen. Sie hat unmittelbar vor der Geburt der
Kinder und auch nach deren Vollendung des zehnten Lebensjahres des Sohnes an den Träger der deutschen
Rentenversicherung keine Pflichtbeiträge gezahlt. Die Beiträge für die Zeit von April 1962 bis April 1965 hat sie im
Jahre 1996 nachgezahlt. Es handelt sich, auch wenn sie anstelle der erstatteten Pflichtbeträge gezahlt worden sind,
um freiwillige Beiträge und nicht um Pflichtbeiträge (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 SGB VI).
Die Gleichstellung der Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung folgt auch nicht aus § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI.
Im Falle der Auslandserziehung gilt die Gleichstellung danach auch, wenn die Ehegatten einen gemeinsamen
Aufenthalt im Ausland haben und der Ehegatte des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeiträge hat oder nur deshalb
nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit
war. Das Merkmal "solche" weist dabei auf den Wortlaut des Satzes 2 zurück. Gemeint sind also Pflichtbeiträge zur
deutschen Rentenversicherung aufgrund einer "dort" - im Ausland - ausgeübten Beschäftigung (Entsendungsfälle; so
auch BSG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 4 RA 24/90 - nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Ehemann der
Klägerin erfüllt die Voraussetzung dieser Bestimmung nicht, denn er hat im streitigen Zeitraum zwar Pflichtbeiträge
nach Bundesrecht gezahlt, diese allerdings nicht aufgrund einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung, sondern
aufgrund einer Inlandsbeschäftigung. Die Regelung ist auch nicht erweiternd auszulegen. Zwar lässt sich fragen,
warum, wenn schon eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung mit Inlandspflichtbeitragszeiten für die Gleichstellung
genügt, dies nicht auch im Falle der unmittelbaren Zahlung von Pflichtbeiträgen des Ehegatten der erziehenden
Elternteils aufgrund einer Inlandsbeschäftigung gelten soll. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten soll den
generativen Beitrag des erziehenden Elternteils zur Solidargemeinschaft abgelten. Der Gesetzgeber nimmt insoweit
typisierend an, dass der Elternteil, der Kinder mit Wohnsitz im Inland erzieht oder bei dem ein Versicherungsverhältnis
zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht, auch einen Beitrag zur Zukunftssicherung in Form von künftigen
Beitragszahlern leistet. Die Gleichstellungsregelungen beziehen als eng auszulegende Ausnahmebestimmungen
solche Personen in den Anwendungsbereich der Regelung ein, von denen typisierend erwartet werden kann, dass
auch ihre Erziehungsleistung in Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gute kommt. Dies ist gerechtfertigt
bei den Personen, die sich vorübergehend im Ausland aushalten und dabei nach § 4 SGB VI weiter in einem
Versicherungsverhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung stehen. Bei diesem Personenkreis ist zu erwarten,
dass sie mit ihrer Familie zu einem späteren Zeitpunkt in den Geltungsbereich des Gesetzes zurückkehren werden.
Dagegen sind die Kindererziehungszeiten der Ehegatten von Grenzgängern nicht nach den Bestimmungen des SGB
VI in das System der Rentenversicherung einzubeziehen. Die Zeit der Erziehung von Kindern im Gebiet eines anderen
Staats wird nicht im System der Alterssicherung abgegolten. Wer sich, wie die Klägerin, in ein ausländisches Rechts-
und Sozialsystem integriert, befindet sich für die Dauer dieser Integration nicht im Verantwortungsbereich der
deutschen Rentenversicherung.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich schließlich nicht aus Art. 3 und 10 EWG-Verordnung 1408/71 sowie deren
Anhang VI Buchst. C Nr. 19. Zur Frage des Exports von Kindererziehungszeiten hat der Europäische Gerichtshof im
Urteil vom 23. November 2000, Rechtssache (Elsen) C-135/99, zwar entschieden, dass die zuständige Einrichtung
eines Mitgliedsstaats nach Art. 8a, 48 und 51 EG-Vertrag (neu: Art. 18, 39 und 42 EGV) Kindererziehungszeiten
anzurechnen hat, die eine zur Zeit der Geburt des Kindes als Grenzgängerin in einem Mitgliedsstaat beschäftigte und
in einem anderen Mitgliedsstaat wohnhafte Person in letzterem zurückgelegt hat. Diese Voraussetzungen liegen in der
Person der Klägerin schon deshalb nicht vor, weil sie zwar im anderen Mitgliedsstaat wohnhaft war und dort die Kinder
erzogen hat. Sie war aber nicht in dem von ihr für zuständig gehaltenen Mitgliedsstaat als Grenzgängerin beschäftigt.
Der Entscheidung des EuGH lag die Erwägung zu Grunde, die hier fraglichen Bestimmungen benachteiligten
Gemeinschaftsangehörige, die von ihrem in Art. 8a EG-Vertrag (neu: Art. 18 EGV) verbürgten Recht Gebrauch
machen, sich in den Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Ein Gemeinschaftsangehöriger, der "weiterhin"
in Deutschland arbeite, dürfe durch die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedsstaat nicht den Vorteil
der Anrechnung von zurückgelegten Erziehungszeiten verlieren. Diese Situation besteht im vorliegenden Fall nicht.
Die Klägerin hat weder zur Zeit der Geburt ihrer Kinder (1969 und 1971) noch unmittelbar vor der Geburt in der
Deutschland gearbeitet. Sie ist vielmehr nach ihrer Heirat im Jahre 1965 in die Niederlande verzogen und hat seither
keine Beschäftigung im Inland mehr ausgeübt. Ein Fall, in dem der Anspruch auf Vormerkung von Kindererziehungs-
und Berücksichtigungszeiten durch Ausübung der Freizügigkeit verloren gegangen wäre, liegt mithin nicht vor. Die
erforderlich Fortdauer der Verbindung zum nationalen Sicherungssystem, die in dem der Entscheidung des EuGH zu
Grunde liegenden Fall in Form einer Inlandsbeschäftigung der Erziehenden bestanden hatte und auch vom BSG in
Form eines Rumpfarbeitsverhätlnisses gefordert wird (vgl. BSG SozR 3-2600 § 56 Nr. 6 S. 27; BSG SozR 3-2600 §
56 Nr. 8 S. 40), fehlt im Falle der Klägerin.
Schließlich verletzen die zur Anwendung gebrachten rentenrechtlichen Regelungen auch nicht Verfassungsrecht.
Insbesondere verstoßen Regelungen, die die rentenrechtliche Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland
ausschließen, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
entspricht es der Eigenart eines auf Pflichtbeiträgen des Versicherten aufbauenden Sozialversicherungssystems,
dass es grundsätzlich an inländische Beschäftigungsverhältnisse anknüpft, weil die mit einem derartigen System
verbundene zwangsweise Einbeziehung lediglich innerhalb der Reichweite der nationalen Hoheitsgewalt erfolgen kann.
Es ist ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im
eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln. Systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche
Einbeziehung in nationale Sicherungssysteme ist daher der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen
Staatsgebiet und nicht die Staatsangehörigkeit. Dieses System hat sich in allen nationalen
Sozialversicherungssystemen durchgesetzt. Davon kennt auch das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausnahmen,
die aber nicht einschlägig sind. Wer sich dagegen, wie die Klägerin, in ein ausländisches Rechts- und Sozialsystem
integriert, befindet sich für die Dauer dieser Integration nicht im Verantwortungsbereich der bundesdeutschen
Rentenversicherung. Sie partizipiert vielmehr an den dort im Falle der Kindererziehung gewährten Sozialleistungen.
Bereits die Vermeidung des Doppelbezugs von Leistungen rechtfertigt daher den Staatsgebietsbezug bei der
Anerkennung von Kindererziehungszeiten (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 2. Juli 1998, 1
BvR 810/90, NJW 1998, 2963 f.).
Nach allem erweist sich die Berufung als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht
vorliegen.