Urteil des LG Wiesbaden vom 06.09.2007
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Gericht:
LG Wiesbaden 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 S 35/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558a BGB
Begründung eines Wohnraummietverlangens mit dem
örtlichen Mietspiegel: Vermieterpflicht zur kostenlosen
Überlassung des Mietspiegels
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom
3.4.2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom
3.4.2007 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet; sie führt jedoch im Ergebnis nicht zum Erfolg.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten, die Mieterin einer Wohnung in der ... ist,
für die Zeit ab 1.10.2006 eine Mieterhöhung in Höhe von 49,03 Euro monatlich mit
Erhöhungsverlangen vom 24.7.2006 geltend gemacht. Das
Mieterhöhungsverlangen wurde mit dem Mietspiegel der Landeshauptstadt W,
Stand 1.1.2006, unter entsprechender Mitteilung der Vergleichsmietenberechnung
bei Baualterklasse, Lageklasse, Ausstattungsklasse, Größenklasse vorgestellt. Es
wurde im Mieterhöhungsverlangen darauf hingewiesen, dass der Mietspiegel beim
Mieterschutzverein W und Umgebung e. V. beispielsweise erhältlich ist und auch
im Kundencenter der Klägerin eingesehen werden kann. Die Beklagte hat im
amtsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 30.1.2007 (Bl. 27 d. A.) ihre
Verteidigungsbereitschaft angezeigt.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 3.4.2007 im Verfahren nach § 495 a ZPO die
Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Anforderung gemäß § 558 a BGB
hinsichtlich des formellen Mieterhöhungsverlangens nicht eingehalten seien, da
der Mietspiegel der Landeshauptstadt Wiesbaden dem Mieterhöhungsverlangen
nicht beigefügt worden sei. Der Hinweis, der Mieter könne den Mietspiegel beim
Mieterschutzverein einsehen bzw. erwerben oder im Kundencenter der Klägerin
einsehen, würde der Begründungspflicht nach § 558 a BGB nicht genügen, im
Raum Wiesbaden sei der Mietspiegel auch bei der Gemeinde nicht kostenlos
erhältlich, auch im Internet sei lediglich ein Auszug eingestellt, so dass für die
Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens unter diesen Voraussetzungen die
Übersendung des Mietspiegels gemeinsam mit dem Mieterhöhungsverlangen
notwendig sei.
Hiergegen hat die Klägerin sich mit der Berufung zur Wehr gesetzt mit der
weiteren Begründung, dass die Anforderung durch das Amtsgericht Wiesbaden
hier übersteigert seien, die Beklagte hätte, falls Interesse daran bestanden hätte,
von der Klägerin auch ein Exemplar des Mietspiegels kostenlos zur Verfügung
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von der Klägerin auch ein Exemplar des Mietspiegels kostenlos zur Verfügung
gestellt bekommen. Ein entsprechendes Interesse sei auf Seiten der Beklagten
allerdings nicht vorhanden gewesen, insoweit habe auch keine weitere
Begründungspflicht bestanden. Zudem ist die Klägerin der Auffassung, dass es der
Beklagten durchaus zumutbar gewesen wäre, für 2 bis 3 Euro einen
entsprechenden Mietspiegel zu erwerben, um sich informieren zu können.
Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, dass es für sie, die über
erheblichen Wohnungsbestand verfüge, erkennbar eine unangemessene
Benachteiligung darstelle, wenn man zur Wirksamkeit des
Mieterhöhungsverlangens jeweils die Übersendung eines aktuellen Mietspiegels
fordere. Durch den hierdurch entstehenden Kostenaufwand würde letztlich die
wirtschaftliche Verwertung des Eigentums und die Durchführung eines
Mieterhöhungsverlangens unmöglich gemacht werden. Es sei hier mit exorbitant
steigenden Verwaltungskosten zu rechnen.
Im übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass auch bei einem Vergleich mit der
Rechnungslegung über Nebenkosten sich ergebe, dass der Mietspiegel nicht
übersandt werden müsse. Es sei auch bei Nebenkostenabrechnungen
grundsätzlich so, dass eine Einsichtsmöglichkeit gewährt werden müsse, nicht
aber sämtliche Belege einer Nebenkostenabrechnung den jeweiligen Mietern
unaufgefordert zur Verfügung gestellt werden müssten.
Die Klägerin beantragt,
dass der Klägerin am 4.4.2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden
vom 3.4.2007 – Az.: 91 C 6738/06-30 – aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, einer Anhebung der Grundmiete für die von ihr bei der Klägerin
gemietete Wohnung im Hause ... von zurzeit 245,16 Euro monatlich um 49,03
Euro monatlich auf 294,19 Euro monatlich ab dem 1.10.2006 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die zulässige Berufung führt im Ergebnis zur Abänderung des erstinstanzlichen
Urteils, hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen kann auf das erstinstanzliche
Urteil in vollem Umfang verwiesen werden.
Auch die rechtliche Wertung durch das Amtsgericht ist im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Regelung des § 558 a
BGB nicht ausdrücklich darauf abstellt, dass ein Mietspiegel auf den zur
Begründung des Mieterhöhungsverlangens Bezug genommen werden kann, dem
Mieterhöhungsverlangen auch tatsächlich beigefügt werden muss. Aus der
Formulierung in Absatz 1, dass das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in
Textform zu erklären und zu begründen ist, kann hier allerdings ein
entsprechender Rückschluss gezogen werden. Die Frage, ob die Möglichkeit einer
Einsichtnahme bei Gemeinden oder der kostenlose Erhalt eines Mietspiegels
genügt, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Unstreitig ist bei der
Stadt Wiesbaden ein entsprechender Mietspiegel nicht zur Einsichtnahme zu
erhalten, auch andere Möglichkeiten, kostenlos einen entsprechenden Mietspiegel
zu besorgen, bestehen hier nicht. Die Information des Mieters durch Möglichkeiten
im Internet sind zwar durchaus denkbar, können aber nicht zur Grundlage eines
entsprechenden Mieterhöhungsverlangens gemacht werden, da nicht verlangt
werden kann, dass jeder Mieter grundsätzlich auch über einen Internetanschluss
verfügt. Im übrigen ist auch hier nicht der komplette Mietspiegel mit den
entsprechenden Erläuterungen erhältlich, die für eine Überprüfung des
Mieterhöhungsverlangens allerdings erforderlich wären.
Zutreffend hat das Amtsgericht auch dargestellt, dass auch der Hinweis auf die
Einsichtnahme in den Mietspiegel im Kundencenter der Klägerin nicht genügt. Eine
solche Einsichtnahmemöglichkeit wäre zwar kostenlos oder nur mit geringen
Kosten für den Weg zum Kundencenter verbunden, allerdings kann dies für die
Möglichkeit der Nachprüfung durch den Mieter nicht genügen. Die Vorschrift des §
558 a BGB soll nämlich dazu dienen, dass der Mieter in die Lage versetzt wird,
objektiv zu überprüfen, ob das Mieterhöhungsverlangen gerechtfertigt ist oder
nicht. Hierzu ist, da der Mietspiegel mit umfangreichen Erläuterungen versehen ist,
eine gewisse "Bedenkzeit" erforderlich. Insoweit ist die Zustimmung zum
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eine gewisse "Bedenkzeit" erforderlich. Insoweit ist die Zustimmung zum
Mieterhöhungsverlangen auch mit einer längeren Bedenkfrist versehen. Die
Möglichkeit sich hierüber ausführlich zu informieren, das Für und Wider eines
Mieterhöhungsverlangens abzuwenden und die Argumente der Vermieterseite
ausführlich zu werten, ist bei einer Einsichtnahme im Kundencenter nach
Auffassung des Gerichts nicht gegeben, zumal hier eine gewisse Drucksituation für
den Mieter durchaus denkbar ist, wenn er sich zum Vermieter begeben muss, der
das Mieterhöhungsverlangen an ihn gestellt hat. Eine rein objektive Betrachtung
ist hier unter Umständen nicht mehr gewährleistet, so dass dies der umfassenden
und objektiven Informationsmöglichkeit durch den Mieter gemäß § 558 a BGB nicht
hinreichend gerecht wird.
Die weitere Argumentation der Klägerin, bei entsprechendem Verlangen wäre der
Mietspiegel der Beklagten auch kostenlos zur Verfügung gestellt worden, genügt
hier ebenfalls nicht. Dies setzt nämlich voraus, dass die Beklagte ihrerseits aktiv
wird, um das Mieterhöhungsverlangen zu überprüfen und feststellt, dass ihr dies
so nicht möglich ist. Es würde gedanklich also eine gewisse Weigerungshaltung
begründen, die so für das Mieterhöhungsverlangen nicht vorgesehen ist. Die
Beifügung des Mietspiegels soll schließlich nicht den Vermieter beeinträchtigen,
sondern dem Mieter eine objektive Überprüfung möglich machen und hierdurch
gegebenenfalls Rechtsstreite vermeiden, insofern ist für den Vermieter hiermit
auch keine Belastung verbunden.
Auch die Argumentation, dass hier exorbitanter Verwaltungsaufwand erforderlich
wäre bei der Vielzahl der Wohnungen, für die die Klägerin als Vermieterin
entsprechende Mieterhöhungsverlangen stellen würde, kann nicht überzeugen. Die
Klägerin hat selbst festgestellt, dass für den einzelnen Mieter das Verlangen des
Mietspiegels mit einem Aufwand von 2 bis 3 Euro verbunden wäre. Es ist nicht
ersichtlich, dass dieser Aufwand für die Klägerin als Vermieterin höher wäre, so
dass sich der exorbitante Aufwand nur dadurch ergibt, dass die Klägerin auch
entsprechend viele Wohnungen als Vermieterin zu betreuen hat. Dies kann dem
einzelnen Mieter jedenfalls nicht zur Last gelegt werden. Im übrigen ist ein Aufwand
von 2 bis 3 Euro pro Mieterhöhungsverlangen sicherlich nicht als überzogen
anzusehen im Hinblick darauf, dass bei stetigen Mieterhöhungen es sich nicht um
einmalige monatliche Zahlungen handelt, sondern die Mieterhöhung für die
Zukunft weiter fortbestehen bleibt und die Grundlage für weitere
Mieterhöhungsverlangen bildet, so dass hier ein Kostenaufwand in der genannten
Höhe sicherlich nicht als überzogen angesehen werden kann.
Der Vergleich mit der Einsichtnahmemöglichkeit hinsichtlich der Belege für
Nebenkostenabrechnungen überzeugt nicht. Bei Nebenkostenabrechnungen ist
ein Einsichtsrecht durchaus gerechtfertigt, da es sich hierbei um eine Abrechnung
handelt, die letztlich auch zugunsten des Mieters vorgenommen wird. Soweit der
Mieter hier Bedenken hat, dass die zugrunde liegenden Berechnungen zutreffend
sind, kann er von einem Einsichtsverlangen Gebrauch machen. Dem gegenüber ist
das Mieterhöhungsverlangen einseitig zum Vorteil des Vermieters, so dass
hierdurch höhere Verpflichtungen an den Vermieter gestellt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Klägerin hat als unterlegene Partei
die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision war zuzulassen, da es sich hier um eine Vielzahl von vergleichbaren
Fällen handelt, zudem nach Auffassung des Gerichts eine grundlegende
Entscheidung dahingehend erforderlich ist, ob, wenn kostenlos ein Mietspiegel
nicht zur Verfügung gestellt werden kann, dieser jeweils durch den Vermieter dem
Mieterhöhungsverlangen beigefügt werden muss.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.