Urteil des LG Koblenz vom 20.07.2007

LG Koblenz: einstweilige verfügung, gegendarstellung, richtigstellung, lmg, ausgabe, betroffene person, verleger, druck, gesellschaft, beitrag

LG
Koblenz
20.07.2007
13 O 2/07
13 O 2/07
Verkündet am: 20.07.2007
.als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Landgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
U r t e i l
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
- Verfügungsklägerin -
Verfahrensbevollmächtigte: …
gegen
- Verfügungsbeklagte -
Verfahrensbevollmächtigter: …
wegen: Abdruck einer Gegendarstellung
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz
auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2007
durch …
für Recht erkannt:
Die einstweilige Verfügung vom 23.05.2007 wird wie folgt berichtigt und neu gefasst:
Die Antragsgegnerin wird bei Meidung der gesetzlichen Zwangsmittel verpflichtet,
in der nächsten, zum Druck nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitschrift „j.“ in gleicher Schrift und in
den gleichen Teilen des Druckwerks wie der beanstandete Text sowie in allen Ausgaben, in denen der
beanstandete Text erschienen ist, ohne Einschaltungen und Weglassungen unter drucktechnischer
Hervorhebung (d.h. Fettdruck) des Wortes Gegendarstellung und der Fundstelle der Erstmitteilung sowie
unter drucktechnischer Hervorhebung des Namens der Antragstellerin eine Gegendarstellung mit
folgendem Inhalt abzudrucken:
„Der Artikel „Weitere Zeitungsverlage praktizieren Leiharbeit“ in der Ausgabe 5/2007 auf S. 25 der
Zeitschrift „j.“ enthält eine falsche Behauptung, die ich wie folgt richtig stelle:
Sie schreiben, der Verleger des „D.K.“ sei an der N. Gesellschaft, einer Gesellschaft für Leiharbeitnehmer,
beteiligt.
Diese Behauptung ist falsch. Richtig ist, dass weder der Verleger noch der Verlag des „D.K.“ an der N.
GmbH beteiligt ist.
D., den …
…“.
Die einstweilige Verfügung vom 23.05.2007 in der vorstehenden Fassung wird bestätigt.
Der Antrag der Verfügungsbeklagten, die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung ohne, hilfsweise
gegen Sicherheitsleistung einzustellen, wird zurückgewiesen.
Auf Antrag der Verfügungsklägerin wird zur Erzwingung des Abdrucks der vorstehenden
Gegendarstellung gegen die Verfügungsbeklagte ein Zwangsgeld von 5.000,- € festgesetzt, ersatzweise
für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft, die am Geschäftsführer der
Verfügungsbeklagten … zu vollziehen ist, wobei 500 € Zwangsgeld einem Tag des Haftvollzuges
entsprechen.
Die Verfügungsbeklagte kann die Vollstreckung des Zwangsmittels durch Erfüllung ihrer Verpflichtung
zum Abdruck der Gegendarstellung abwenden.
Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden:
Beklagten) im Wege der einstweiligen Verfügung den Abdruck einer Gegendarstellung.
Die Klägerin ist Verlegerin der Zeitung „D.K.". Die Beklagte ist Verlegerin der monatlich erscheinenden
Zeitschrift „j.“. Die Beklagte veröffentlichte in der Ausgabe Mai 2007 des „j.“ in der Rubrik „Spektrum“ unter
den Überschriften (Kleindruck) „Wilhelmshaven, Gießen und Leipzig“ und (Großdruck) „Weitere
Zeitungsverlage praktizieren Leiharbeit“ einen Beitrag, in dem es auszugsweise heißt: „Der Trend zur
Leiharbeit hält an: Auch die „W. Z.“ [u.a.] arbeiten jetzt mit Leih-Redakteuren. Die „W. Z.“ setzt drei
Redakteure der N. Gesellschaft ein. An dieser Gesellschaft sind neben dem Verleger der „W. Z.“ auch die
Verleger der „N. Z.“ und des „D.K.“ beteiligt. …“ (GA 31).
Tatsächlich ist die Klägerin nicht an der N. Gesellschaft beteiligt.
Auf Verlangen der Klägerin gab die Beklagte eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Das
mit weiterem Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 15.05.2007 (GA 37 ff.) gestellte Verlangen
der Klägerin, die in der vorstehenden Urteilsformel wiedergegebene Gegendarstellung abzudrucken und
Anwaltskosten für das Abdruckverlangen zu zahlen, lehnte die Beklagte in zwei Schreiben ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 18.05.2007 ab (GA 40 f.); in dem ersten Schreiben sagte die Beklagte
zu, anstelle einer Gegendarstellung in der Juni-Ausgabe des „j.“ eine „presserechtlich ordnungsgemäße
Berichtigung und Entschuldigung, so wie es der Pressekodex fordert“, abzudrucken.
Auf Antrag der Klägerin hat die Kammer durch Beschluss vom 23.05.2007 im Wege der einstweiligen
Verfügung die Beklagte zum Abdruck der von der Klägerin begehrten Gegendarstellung verpflichtet;
wegen der Fassung des Antrags wird auf die Antragsschrift der Klägerin vom 21.05.2007 (GA 1 f.) und
ihren Schriftsatz vom 23.05.2007 (GA 19 f.) und wegen der Fassung des Beschlusses der Kammer auf
GA 22 f. Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen die einstweilige Verfügung vom 23.05.2007 Widerspruch eingelegt. In der
Ausgabe Juni 2007 des „j.“ hat die Beklagte in der Rubrik „Spektrum“ unter den Überschriften (Kleindruck)
„Berichtigung“ und (Großdruck) „D. ist nicht beteiligt“ eine Berichtigung und Entschuldigung abgedruckt;
wegen des Inhalts und der Gestaltung des Redaktionsbeitrages im Einzelnen wird auf GA 53 Bezug
genommen.
Die Klägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 23.05.2007 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass nach den Worten
„beteiligt ist“ die Worte „D., den …, …“ angefügt werden,
die Beklagte durch Festsetzung eines empfindlichen Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zu
vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zur Erfüllung der einstweiligen Verfügung anzuhalten.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den zugrunde liegenden Antrag der Klägerin
zurückzuweisen,
die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung ohne Sicherheitsleistung einzustellen, hilfsweise
gegen Sicherheitsleistung, auch durch eine selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft
einer deutschen Großbank.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin könne kein berechtigtes Interesse am Abdruck einer
Gegendarstellung für sich in Anspruch nehmen. Insbesondere sei die Klägerin als Presseorgan gehalten,
dem veröffentlichenden Presseorgan – ohne Berechnung einer Anwaltsgebühr ‑ die Möglichkeit zu
geben, eine Richtigstellung nach Ziffer 3 des Pressekodex abzudrucken. Eine solche
„Wohlverhaltenspflicht“ zwischen Presseorganen sei unter Berücksichtigung des für beide Parteien
geltenden Pressekodex im Wege der Rechtsfortbildung zu entwickeln. Insoweit stelle sich das Verlangen
der Klägerin auch als rechtsmissbräuchlich dar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 05.07.2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung vom 23.05.2007 ‑ die wegen einer unbeabsichtigten Auslassung im Hinblick
auf die Wiedergabe von Ort, Datum und Unterschrift in der beantragten Gegendarstellung gemäß § 319
ZPO zu berichtigen ist ‑ ist auf den Widerspruch der Beklagten nach § 11 Abs. 4 des
Landesmediengesetzes für Rheinland-Pfalz (LMG) in Verbindung mit §§ 936, 925 ZPO zu bestätigen. Der
Antrag der Beklagten auf Gewährung einstweiligen Vollstreckungsschutzes ist zurückzuweisen; dem
Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Zwangsmitteln ist stattzugeben.
I.
Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Der Klägerin
steht nach § 11 LMG in Verbindung mit §§ 935 ff. ZPO ein Anspruch auf Abdruck der von ihr begehrten
Gegendarstellung gegen die Beklagte zu.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 LMG liegen vor und sind zwischen den Parteien
auch nicht im Streit. Die Beklagte tritt dem Abdruckverlangen der Klägerin allein im Hinblick auf die
anspruchsausschließende Voraussetzung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 LMG entgegen. Danach besteht eine
Verpflichtung zur Aufnahme der Gegendarstellung gemäß Absatz 1 nicht, wenn die betroffene Person
oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Gegendarstellung hat.
Das berechtigte Interesse der Klägerin am Abdruck der Gegendarstellung ist nicht infolge der von der
Beklagten angekündigten und nachfolgend veröffentlichten Berichtigung entfallen.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann das berechtigte Interesse am Abdruck einer
Gegendarstellung unter Presseorganen nicht im Hinblick auf den sogenannten Pressekodex generell
verneint werden. Nach Ziffer 3 der vom Deutschen Presserat in Zusammenarbeit mit den
Presseverbänden beschlossenen Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) hat das Publikationsorgan
veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich
nachträglich als falsch erweisen, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.
Diese Regelung hat nicht, wie die Beklagte meint, zur Folge, dass ein durch eine unrichtige
Tatsachendarstellung in der Presse betroffenes Presseorgan sein Gegendarstellungsverlangen erst dann
gerichtlich durchsetzen könnte, wenn es dem veröffentlichenden Publikationsorgan Gelegenheit zur
Richtigstellung gegeben hat. Ein unmittelbar geltend gemachtes Abdruckverlangen unter Presseorganen
nach § 11 LMG stellt sich auch nicht gemäß § 242 BGB generell als rechtsmissbräuchlich dar.
a) Dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des § 11 LMG und den Bestimmungen des Pressekodex,
insbesondere der Ziffer 3 und den hierzu ergangenen Richtlinien 3.1 und 3.2, ist nicht zu entnehmen, dass
die Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs von der Voraussetzung eines erfolglosen
Verlangens nach Richtigstellung abhängig ist.
b) Eine solche Subsidiarität des Gegendarstellungsrechts unter Presseorganen folgt auch nicht aus dem
Zweck des Pressekodex. Ausweislich der Präambel des Pressekodex müssen sich „Verleger,
Herausgeber und Jornalisten … bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer
Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein“. Weiter heißt es, dass die publizistischen
Grundsätze die Berufsethik der Presse konkretisieren und dass die Präambel Bestandteil der
„berufsethischen Normen“ ist.
Daraus ist zu entnehmen, dass die Bestimmungen des Pressekodex ‑ als berufsethisches Regelwerk ‑
dazu dienen, den Publikationsorganen bestimmte Selbstverpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit
aufzuerlegen. Hierzu gehört auch die Verpflichtung nach Ziffer 3, veröffentlichte unrichtige Behauptungen
„von sich aus“ richtig zu stellen. Es ist daher bereits zweifelhaft, ob der Pressekodex dazu bestimmt ist,
Rechte und Pflichten von Presseorganen untereinander im Sinne der von der Beklagten befürworteten
„Wohlverhaltenspflicht“ zu regeln; denn nach dem Inhalt seiner Präambel hat der Pressekodex (allein) das
Verhältnis der Presse „gegenüber der Öffentlichkeit“ und ihr Ansehen in der öffentlichen Wahrnehmung
zum Gegenstand.
Entscheidend spricht jedoch gegen eine Einschränkung des Gegendarstellungsrechts ‑ auch unter
Presseorganen ‑, dass der Pressekodex, insbesondere seine Ziffer 3, seinem erkennbaren Sinn nach
ausschließlich den Zweck hat, die Stellung des von einer Pressemeldung Betroffenen gegenüber dem
Publikationsorgan im Wege einer Selbstverpflichtung zu verbessern, indem das Publikationsorgan aus
eigener Initiative eine Richtigstellung abdrucken muss, sobald es Kenntnis von der Unrichtigkeit der
veröffentlichten Nachricht oder Behauptung erlangt. Ziffer 3 des Pressekodex hat dagegen nicht den
Zweck, gesetzliche Ansprüche des Betroffenen, unter anderem den Gegendarstellungsanspruch nach den
Landesmediengesetzen, einzuschränken.
c) Auch der Zweck und die Funktion des Gegendarstellungsanspruchs nach § 11 LMG sprechen gegen
eine generelle Subsidiarität gegenüber dem Richtigstellungsverlangen nach Ziffer 3 des Pressekodex.
Der Gegendarstellungsanspruch hat insbesondere die Aufgabe, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
zu schützen und ihm Selbstverteidigung gegen Einwirkungen der Medien durch die Befugnis zu
gewähren, an gleicher Stelle und mit entsprechendem Publizitätsgrad die ihn betreffende Darstellung
durch seine Wortmeldung, seine Sicht des mitgeteilten Sachverhalts zu vervollständigen (BGHZ 66, 182,
195 m.w.Nachw.; vgl. auch BVerfGE 66, 131, 142 f.; 97, 125, 146; Sedelmeier in Löffler, Presserecht,
5. Aufl., § 11 LPG Rdnr. 39 ff.). Dabei kommt auch dem zeitlichen Aspekt Bedeutung zu, weil der
Betroffene eine Gegendarstellung zeitnah durchsetzen kann, solange der zugrunde liegende Vorgang der
Öffentlichkeit noch in Erinnerung ist (vgl. BVerfGE 66, 142; Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 11 Rdnr. 28). Dem entspricht es, dass die Gegendarstellung nach § 11
Abs. 3 Nr. 4 LMG unverzüglich und nach Absatz 4 ausschließlich im Wege der einstweiligen Verfügung
geltend zu machen ist.
Mit diesem Schutzzweck wäre der von der Beklagten befürwortete generelle Vorrang eines
Richtigstellungsverlangens nicht zu vereinbaren. Dieser käme allenfalls dann in Betracht, wenn der durch
eine Richtigstellung gewährleistete Schutz in jedem Einzelfalle als gleichwertig anzusehen wäre. Dies ist
jedoch nicht von vorneherein gewährleistet. Während der Anspruchsinhalt der Gegendarstellung zum
Schutz des Betroffenen in § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 LMG formal ausgestaltet ist (Abdruck ohne
Einschaltungen und Weglassungen in gleicher Aufmachung, in der nächstfolgenden für den Druck nicht
abgeschlossenen Nummer in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der
beanstandete Text), sieht Ziffer 3 des Pressekodex lediglich vor, dass eine Richtigstellung unverzüglich
und „in angemessener Weise“ zu erfolgen hat. Zeitpunkt, Aufmachung und Inhalt der Richtigstellung
liegen daher im Ermessen des Publikationsorgans.
Dem Betroffenen ist es nicht zuzumuten, vor der Geltendmachung seines Gegendarstellungsanspruchs
stets eine Richtigstellung seitens des Publikationsorgans abwarten zu müssen. Dies gilt auch, wenn der
Betroffene selbst ein Presseorgan ist. Im Falle eines Vorrangs der Richtigstellung wäre der Betroffene
zunächst darauf verwiesen, abzuwarten, ob und mit welchem Inhalt das Publikationsorgan der ihm nach
dem Pressekodex obliegenden Selbstverpflichtung zur Richtigstellung nachkommt. Er wäre daher der
Gefahr ausgesetzt, dass eine Richtigstellung nicht oder nicht in gleichwertiger Weise erfolgt, etwa durch
eine nicht der beanstandeten Äußerung entsprechende Platzierung in dem Druckwerk oder durch eine
sinnentstellende oder abwertende Darstellung, durch die sein Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit
erneut beeinträchtigt würde. Eine hierauf folgende Gegendarstellung würde erst zu einem späteren
Zeitpunkt abgedruckt werden können, zu dem die ursprüngliche unrichtige Tatsachenbehauptung bereits
längere Zeit zurückliegt und das Interesse der Öffentlichkeit an dem Vorgang gegebenenfalls bereits
gemindert ist oder infolge der unzureichenden Richtigstellung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung noch
vertieft worden ist. Das Risiko, dass seinem Persönlichkeitsrecht durch das Publikationsorgan nicht
zeitnah oder nicht hinreichend Geltung verschafft wird, hat der Betroffene auch dann nicht hinzunehmen,
wenn er selbst als Angehöriger der Presse dem Pressekodex verpflichtet ist.
d) Eine „Wohlverhaltenspflicht“ unter Presseorganen aus berufsethischen Gründen im Sinne einer
Nachrangigkeit des Gegendarstellungsrechts lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch
nicht im Hinblick auf die von ihr angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur (Nicht-
)Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten bei Selbstbeauftragung zur Abmahnung eines
Anwaltskollegen begründen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 ‑ I ZR 2/03, NJW 2004, 2448). Im
vorliegenden Fall ist nicht zu entscheiden, ob die Klägerin für ein vorgerichtliches
Gegendarstellungsverlangen (oder auch für ein Richtigstellungsverlangen nach dem Pressekodex) die
Erstattung von Anwaltskosten verlangen könnte; vielmehr geht es allein um die Frage, ob der Klägerin der
zugrunde liegende Primäranspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung zusteht. Die weitere von der
Beklagten vorgelegte Entscheidung (BGH, Urteil vom 12.12.2006 ‑ VI ZR 175/05, AnwBl. 2007, 547)
befasst sich ebenfalls mit der, wie ausgeführt, nicht einschlägigen Kostenproblematik bei
Selbstmandatierung; sie hat aber bereits nicht die Abmahnung unter Rechtsanwälten zum Gegenstand.
2. An einem berechtigten Interesse der Klägerin am Abdruck einer Gegendarstellung fehlt es auch nicht im
vorliegenden Einzelfall aufgrund der vorgerichtlichen Ankündigung der Beklagten, eine „presserechtlich
ordnungsgemäße“ Richtigstellung abdrucken zu wollen. Der Klägerin war es aus den vorstehend
dargelegten Gründen nicht zumutbar, eine solche inhaltlich nicht näher konkretisierte Richtigstellung
abzuwarten.
Das berechtigte Interesse ist auch nicht nachträglich ‑ nach Erlass der einstweiligen Verfügung vom
23.05.2007 ‑ durch den Abdruck der Richtigstellung im Juni-Heft der Zeitschrift „j.“ entfallen. Zwar ist
anerkannt, dass es am berechtigten Interesse im Sinne der Presse- bzw. Mediengesetze fehlen kann,
wenn bereits eine Richtigstellung erfolgt ist, durch die der mit der Gegendarstellung verfolgte Zweck
erreicht worden ist (OLG Dresden, NJW 1997, 1379; OLG Köln, NJW-RR 2001, 337; Schleswig-
Holsteinisches OLG, AfP 2004, 125; LG Berlin, AfP 2004, 148; Burkhardt in Wenzel, aaO, Rdnr. 55).
So liegt es hier jedoch nicht. Es kann dahinstehen, ob die Richtigstellung der Beklagten, wie die Klägerin
meint, bereits deshalb nicht ausreichend ist, weil die Klägerin im berichtigenden Text nicht mit ihrer
vollständigen Firma „Verlag …“, sondern als „…“ bezeichnet ist. Die Berichtigung trägt dem Interesse der
Klägerin jedenfalls deshalb nicht hinreichend Rechnung, weil die Überschrift des Beitrags für den
durchschnittlich flüchtigen Leser (vgl. Burkhardt, aaO) nicht in ausreichendem Maße erkennen lässt, dass
der Beitrag eine dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin dienende presserechtliche Richtigstellung
enthalten soll. Zwar ist die in der Juni-Ausgabe in der Rubrik „Spektrum“ erschienene Richtigstellung der
Beklagten unter der Überschrift „Berichtigung“ abgedruckt. Diese Überschrift ist jedoch – entsprechend
dem Überschriftstext „Wilhelmshaven, Gießen und Leipzig“ in dem beanstandeten Artikel der Mai-
Ausgabe ‑ im Kleindruck gehalten und tritt optisch hinter die nachfolgende, im Großdruck gehaltene
Überschrift „D. ist nicht beteiligt“ zurück. Diese Hauptüberschrift, die für den Leser als „Blickfang“ dienen
soll, lässt zum einen nicht erkennen, dass es - wie in dem beanstandeten Beitrag vom Mai 2007 ‑ um das
für Verleger und Redakteure sensible Thema „Leiharbeit“ geht. Zum anderen ist der schlagwortartig auf
eine schlichte Ortsangabe verkürzten Überschrift „D. ist nicht beteiligt“ nicht ohne weiteres zu entnehmen,
dass der Beitrag eine Berichtigung hinsichtlich der Klägerin als Verlegerin des „D.K.“ zum Gegenstand
hat. Diese Aufmachung des Berichtigungsbeitrags ist der von der Klägerin ‑ zulässigerweise ‑ begehrten
Gegendarstellung nicht gleichwertig. Während die Gegendarstellung bereits durch die entsprechende
Überschrift die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Lesers auf den nachfolgenden Text lenkt, ist dies
bei der von der Beklagten gewählten Aufmachung, die sich von den übrigen Redaktionsbeiträgen
– abgesehen von dem kleingedruckten Wort „Berichtigung“ ‑ nicht unterscheidet, in weitaus geringerem
Maße der Fall.
II.
Der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 23.05.2007 ohne,
hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einzustellen (§§ 936, 924 Abs. 3 Satz 2, 707 ZPO), ist
zurückzuweisen. Das Interesse der Klägerin an einer Vollziehung der einstweiligen Verfügung hat
gegenüber dem Interesse der Beklagten Vorrang. Die Rechtsverteidigung der Beklagten hat nach
Auffassung der Kammer keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; zur Begründung wird auf die
Ausführungen oben I. Bezug genommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagten durch den
Abdruck der Gegendarstellung ‑ bei dem es sich für den Leser erkennbar um eine eigene Sachdarstellung
der Klägerin handelt ‑ ein erheblicher Nachteil entstünde; hiervon ist bereits deshalb nicht auszugehen,
weil die Beklagte bereits von sich aus einen berichtigenden Redaktionsbeitrag veröffentlicht hat.
Demgegenüber hat die Klägerin ein erhebliches Interesse an dem zeitnahen Abdruck der von ihr
begehrten Gegendarstellung.
III.
Die Entscheidung über die Anordnung von Zwangsmitteln beruht auf § 888 ZPO. Die Beklagte ist weder in
der Ausgabe Juni 2007 noch – trotz Kenntnis der ihr am 29.05.2007 zugestellten einstweiligen
Verfügung – in der Ausgabe Juli 2007 ihrer Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung
nachgekommen. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- €
zur Durchsetzung der einstweiligen Verfügung als notwendig, jedoch auch als ausreichend.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.