Urteil des LG Karlsruhe vom 05.05.2006
LG Karlsruhe (eintritt des versicherungsfalles, berechnung, satzung, ermittlung, rente, anwartschaft, antrag, betrag, ausscheiden, eingriff)
LG Karlsruhe Urteil vom 5.5.2006, 6 O 150/05
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Berechnungsgrundlagen der Startgutschrift nach Umstellung
der Versorgung von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem
Leitsätze
1. Beim Ausscheiden des Versicherten aus dem öffentlichen Dienst stellt sich die Frage des Bestandschutzes
aus rein tatsächlichen Gründen häufig nicht, da er auch bei Fortbestand der bisherigen Satzung der Anstalt nur
einen Anspruch auf eine oft geringfügige Versicherungsrente gehabt hätte.
2. Es besteht Anspruchskonkurrenz zwischen dem Anspruch unmittelbar aus § 18 BetrAVG n. F. und dem
Anspruch aus der neuen Fassung der Satzung der Anstalt.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet ist, auf Antrag die bei
der Ermittlung der Vollleistung anzurechnende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung statt nach dem
Näherungsverfahren nach einer Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers entsprechend § 79
(4) VBLS n. F. zugrunde zu legen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet ist, den Altersfaktor
gemäß § 36 (3) VBLS n. F. anzuwenden.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte dürfen jeweils die Vollstreckung durch die
Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die im öffentlichen Dienst beschäftigte Klägerin wendet sich mit ihrer Klage nach Umstellung der
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem gegen
Berechnungsgrundlagen und Höhe der ihr von der beklagten Zusatzversorgungseinrichtung erteilten
Startgutschrift.
2
Die Pflichtversicherung der Klägerin wurde zum 31.10.2003 wegen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
beendet.
3
Die Klägerin ist am ....1953 geboren. Bis zum 31.12.2001 hat sie als Beschäftigte im öffentlichen Dienst 366
Umlagemonate bei der Beklagten zurückgelegt (AH 5/9).
4
Die Beklagte hat mit Mitteilung vom 15.10.2002 die Rentenanwartschaft der Klägerin zum 31.12.2001 auf EUR
331,00 errechnet und ihr dementsprechend eine Startgutschrift von 82,75 Punkten erteilt (AH 1). Die Mitteilung
über die Startgutschrift beruht auf der Neufassung der Satzung der Beklagten zum 01. Januar 2001 (im
Folgenden: VBLS n.F.).Bei der Errechnung der Startgutschrift wurde die Steuerklasse III/0 zugrunde gelegt (AH
13).
5
Die Beklagte hat auf Verlangen des Gerichts mit Schriftsätzen vom 27.06.2005 und 20.09.2005 (AS 63, 77)
Fiktivberechnungen vorgelegt, die den Vergleich mit den Beträgen ermöglichen, die sich bei Anwendung der
bisherigen Satzung in der Fassung der 41. Änderung (im Folgenden VBLS a.F.) ergeben würden. Die Beklagte
hat folgende Beträge errechnet (vgl. AH 43 ff., 49 ff., 53 ff. und 59 ff.):
6
1. Erste Fiktivberechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG zum 01.03.2018 (Vollendung des 65. Lebensjahres): EUR
351,65 (AH 47);
7
2. Zweite Fiktivberechnung nach VBLS n.F. zum 01.03.2018 (Vollendung des 65. Lebensjahres): EUR 349,04
(AH 51);
8
3. Dritte Fiktivberechnung nach § 44, 44 a VBLS a.F. zum 31.12.2001: EUR 244,88 (AH 57);
9
4. Vierte Fiktivberechnung nach §§ 44, 44 a VBLS a.F. zum 31.10.2003 (Ausscheiden aus dem öffentlichen
Dienst): EUR 265,46 (AH 63).
10 (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Länge wurde an dieser Stelle abgesehen.)
11 Die Klägerin trägt vor:
12 Durch die Berechnungsgrundlagen der Startgutschrift erleide sie Nachteile. Da sie bereits seit 1971 versichert
war, habe sie ursprünglich mit einem Erreichen der Vollleistung mit 35 Versicherungsjahren rechnen können.
Die ab 1992 Versicherten könnten den Höchstversorgungssatz erst nach 40 Versicherungsjahren erreichen. In
der Startgutschrift werde eine Höchstversorgung erst nach 44,44 Versicherungsjahren erreicht. Bei der
Startgutschrift werde die Vordienstzeit nicht berücksichtigt. Durch die Anwendung des Näherungsverfahrens
anstelle einer konkreten Berechnung werde sie benachteiligt. Nach der bisherigen Satzung sei eine
Dynamisierung nach dem Verdienst der letzten 3 Jahre vor der Verrentung erfolgt, die nunmehr entfallen soll. §
18 BetrAVG könne für die Errechnung der Anwartschaft nicht herangezogen werden, da er nur für bereits
beendete Arbeitsverhältnisse gelte.
13 Die Klägerin beantragt:
14 Es wird festgestellt, dass die Berechnungsweise der Startgutschrift rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet
ist, unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2002 auf das Versorgungskonto der Klägerin 122,49
Versorgungspunkte, was einer monatlichen Rentenanwartschaft von 489,94 EUR entspricht, als Stargutschrift
zu übertragen.
15 Ferner stellt die Klägerin folgende Hilfsanträge:
16 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles
mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag der Berechnung der Zusatzrente nach
ihrer Satzung in der Fassung der 41. Änderung zu folgenden Zeitpunkten entspricht:
17
a) 31.12.2001
18
b) Eintritt des Versicherungsfalles.
19 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet ist, auf Antrag die
bei der Ermittlung der Vollleistung anzurechnende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung statt nach dem
Näherungsverfahren nach einer Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers entsprechend §
79 (4) VBLS n.F. zugrunde zu legen.
20 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet ist, den
Altersfaktor gemäß § 36 (3) VBLS n.F. anzuwenden.
21 4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet ist, beim
maßgebenden Zeitraum für den Vomhundertsatz die Zeiten gemäß § 42 (2)a VBLS i. d. F. d. 41. SÄ in vollem
Umfang, hilfsweise zur Hälfte zu berücksichtigen.
22 Die Beklagte stellt den Antrag,
23 die Klage abzuweisen.
24 Die Beklagte trägt vor:
25 Bei der Klägerin sei vorab zu beachten, dass sie zum 31.10.2003 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden
sei. Bei Fortgeltung der bisherigen Satzung käme daher nur ein Anspruch auf eine sog. Versicherungsrente für
die Klägerin in Betracht.
26 (Vom Abdruck des Urteils in der gesamten Länge wurde an dieser Stelle abgesehen.)
Entscheidungsgründe
27 Der in der Klagschrift vom 04.04.2005 angekündigte Antrag wurde im Lichte der dort gestellten zusätzlichen
Hilfsanträge Ziffer 1 bis 4 ausgelegt und ist ebenso zulässig, wie es diese Hilfsanträge sind. Zwischen den
Parteien besteht ein Rechtsverhältnis in Form eines privatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrages, bei dem
die Beklagte Versicherer, der Arbeitgeber des Klägers Versicherungsnehmer und der Kläger Begünstigter ist
(so schon BGH VersR 1988/577).
28 Die Klage ist jedoch nur in dem Umfang der Hilfsanträge Ziff. 2. und 3. begründet.
29 Mit den Hilfsanträgen Ziff. 2. und Ziff. 3. ist die Klage begründet, weil insoweit der Gleichheitssatz (Artikel 3
GG) verletzt ist. Der Hauptantrag und die übrigen Anträge sind unbegründet, weil im Ergebnis kein Eingriff in
die erdiente Anwartschaft festgestellt werden kann.
30 1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag und mit dem Hilfsantrag Ziffer 1 unbegründet, weil die Klägerin nach der
Rechtsprechung der Kammer durch einen etwaigen Eingriff in ihre erdiente Anwartschaft durch die
Startgutschrift keinen Nachteil erleidet. Bei Fortbestand der bisherigen Satzung der Beklagten hätte sie nach
ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst zum 31.10.2003 nur einen Anspruch auf eine
Versicherungsrente nach §§ 44, 44 a VBLS a.F. gehabt. Während sich ihre Startgutschrift auf EUR 331,00
errechnet (AH 1), ergibt sich nach der Vierten Fiktivberechnung gemäß §§ 44, 44 a VBLS a.F. zum 31.10.2003,
also zum Ausscheiden der Klägerin aus dem öffentlichen Dienst, nur ein Betrag von EUR 265,46 (AH 59).
Nach altem Satzungsrecht hätte sie also nach ihrem Ausscheiden wesentlich geringere Ansprüche als nach
neuem Satzungsrecht. Demgemäß kann ihr kein Anspruch wegen eines Eingriffs in ihre erdiente Anwartschaft
zugebilligt werden.
31 2. Bei der Berechnung der Startgutschrift ist die Beklagte allerdings nach der Rechtsprechung der Kammer
verpflichtet, auf Antrag die bei der Ermittlung der Vollleistung anzurechnende Rente der gesetzlichen
Rentenversicherung statt nach dem Näherungsverfahren nach einer Rentenauskunft des gesetzlichen
Rentenversicherungsträgers entsprechend § 79 Abs. 4 VBLS n.F. zugrunde zu legen und den Altersfaktor
gemäß § 36 Abs. 3 VBLS n.F. anzuwenden. Im Übrigen waren die unmittelbar auf die Startgutschrift
bezogenen Klagebegehren abzuweisen.
32 a) Unter der Voraussetzung, dass den Versicherten ihre nach alten Satzungsbestimmungen erworbene
Anwartschaft nach den unter 1. dargelegten Voraussetzung erhalten bleibt, bestehen im vorliegenden Fall
grundsätzlich keine Bedenken gegen die Berechnung der Startgutschrift, mit Ausnahme der Ermittlung der
anzurechnenden Rente nach dem Näherungsverfahren und mit Ausnahme der Nichtanwendung des
Altersfaktors.
33 b) Die Tarifvertragsparteien, und ihnen folgend die Beklagte in der Satzung, waren grundsätzlich in der
Gestaltung der Bestimmungen über die Errechnung der Startgutschrift frei, soweit sie nicht in bestehende
Anwartschaften eingegriffen haben. Ein etwaiger Eingriff ist durch die vorstehenden Ausführungen unter 1.,
folgt man insoweit der Rechtsprechung der Kammer, ausgeglichen.
34 c) Bei der Errechnung der Startgutschrift ist die Beklagte jedoch verpflichtet, die bei der Ermittlung der
Vollleistung anzurechnende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag statt nach dem
Näherungsverfahren nach einer Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers entsprechend §
79 Abs. 4 VBLS n.F. zugrunde zu legen. Die Tarifautonomie steht dieser Regelung ebenso wenig entgegen,
wie § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB. Die Kammer geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Verweis
auf § 18 Abs. 2 BetrAVG in § 33 Abs. 1 des Tarifvertrages Altersversorgung lediglich auf eine
Berechnungsgrundlage verweisen wollten, ohne die Einzelheiten der Berechnung im Sinne einer
Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien festlegen und damit abschließend regeln zu wollen. Die Regelung
in der Satzung der Beklagten behandelt die rentenfernen Jahrgänge gegenüber den rentennahen Jahrgängen
ungleich (Artikel 3 GG) und benachteiligt sie damit unangemessen. (Vgl. auch § 2 (5) BetrAVG für vor Eintritt
des Versorgungsfalles ausgeschiedene Beschäftigte der Privatwirtschaft). Es ist kein Grund ersichtlich, warum
insoweit die rentenfernen Jahrgänge anders zu behandeln sein sollten, als die rentennahen. Die strikte
Anwendung des Näherungsverfahrens bei rentenfernen Jahrgängen kann auch nicht als typisierende und
generalisierende Regelung bei Massengeschäften gerechtfertigt werden. Härten und Ungerechtigkeiten
betreffen nicht nur eine kleine Zahl von Personen. Der Unterschied kann vielfach auch sehr intensiv sein. In
vielen Fällen stellen sich die Versicherten offenbar mit der Berechnung nach dem Näherungsverfahren
günstiger als mit einer Errechnung aufgrund der erreichten Entgelte. Es hat aber den Anschein, dass
insbesondere bei Personen mit längeren Ausbildungszeiten oder Fehlzeiten wie etwa durch Kindererziehung die
Rente nach dem Näherungsverfahren wesentlich zu hoch angesetzt sein dürfte. Dieser Personenkreis wird
regelmäßig keine Lebensarbeitszeit von rund 45 Jahren erreichen, wie sie die Errechnung der Rente im
Näherungsverfahren voraussetzt.
35 Typisierung und Generalisierung rechtfertigen es nicht, diesen Personenkreis zu benachteiligen. Der
Verwaltungsaufwand der Beklagten dafür dürfte relativ gering sein. Die betreffenden Personen werden
Rentenauskünfte des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung einholen. Der Mehraufwand der Beklagten
besteht dann lediglich noch in der Erstellung einer neuen Berechnung unter Eingabe der Daten der Auskunft der
gesetzlichen Rentenversicherung und kann nicht übermäßig groß sein. Die unangemessene Benachteiligung
der betroffenen Angehörigen der rentenfernen Jahrgänge lässt sich am einfachsten durch eine entsprechende
Anwendung von § 79 Abs. 4 der Neufassung der Satzung satzungskonform beseitigen. Dort ist für die
rentennahen Jahrgänge eine derartige Rentenauskunft vorgesehen.
36 d) Ein weiterer Verstoß gegen Artikel 3 GG bei der Gutschrift der Startgutschrift auf dem Versorgungskonto
besteht darin, dass der Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 VBLS n.F. nicht angewendet wird. Damit erfolgt eine
Benachteiligung insbesondere der jüngeren Versicherten unter den rentenfernen Jahrgängen gegenüber der
sonstigen Gutschrift von Versorgungspunkten. Insoweit hatte zunächst der Altersvorsorgeplan 2001 vom
13.11.2001 (= Anlage 5 zum Tarifvertrag Altersversorgung) unter 3.4.1 vorgesehen, dass die bisher erworbenen
Anwartschaften in Versorgungspunkte unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 3,25 % umgerechnet und
in das Punktemodel transferiert werden. Diese Regelung sollte jedoch nach § 40 Abs. 4 des Tarifvertrages
Altersversorgung vom 01.03.2002 nur dann Anwendung finden, soweit nicht im Tarifvertrag Altersversorgung
eine anderweitige Regelung getroffen war. Der Tarifvertrag Altersversorgung sah in § 33 Abs. 2 und Abs. 7
lediglich die Berechnung der Anwartschaften zum 31.12.2001 und eine Dynamisierung über Bonuspunkte vor.
Inzwischen haben die Tarifvertragsparteien im Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 12.03.2003 (vgl. Berger/Kiefer,
Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unter C 3.1.2) als Einfügung zu § 32 des
Tarifvertrages Altersversorgung die Formulierung „ohne Berücksichtigung der Altersfaktoren“ sowie „eine
Verzinsung findet vorbehaltlich des § 19 Abs. 1 nicht statt“ vereinbart. Die Beklagte hat durch die dritte
Satzungsänderung vom 26.06.2003 ihre Satzung in § 78 Abs. 1 Satz 2 u. 3 VBLS n.F. entsprechend geändert.
Die Kammer hält beide Regelungen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Artikel 3 GG) für nichtig (vgl.
zum Prüfungsmaßstab für Tarifverträge: BAG, Urteil vom 24.08.1993 - 3 AZR 313/93, sub B.II.2.). Die Gruppe
der vor dem Umstellungsstichtag bereits Versicherten würde auf diese Weise gleichheitswidrig schlechter
gestellt werden als die Gruppe der erst seit dem 01.01.2002 bei der Beklagten versicherten Personen. Es liegt
eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Aus der Sicht der Kammer würden insbesondere
die Startpunkte der jüngeren rentenfernen Jahrgänge entwertet werden, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Gutschrift
nicht so behandelt werden würden, wie in diesem Zeitpunkt sonst erworbene Versorgungspunkte. Eine
satzungskonforme Regelung lässt sich auf Grund der Gleichstellung nur darin finden, dass die Startpunkte mit
dem Altersfaktor multipliziert werden, wobei der Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 VBLS n.F. eine jährliche
Verzinsung von 3,25 % während der Anwartschaftsphase beinhalten soll.
37 e) Ohne die von der Kammer vorgenommene Anwendung des Altersfaktors wäre zu erwägen, ob ein Eingriff in
die erdiente Dynamik der erdienten Anwartschaft vorliegt (vgl. oben II.1.i), bzw., ob die Bezüge der Jahre 1999,
2000 und 2001 Grundlage der Berechnung der Startgutschrift sein können (vgl. unten II.3.d)).
38 2. Die weitergehende Klage war danach abzuweisen.
39 a) Die nach Eintritt des Versicherungsfalles erfolgende Dynamisierung der Betriebsrente nach § 39 VBLS n. F.
um jährlich 1% ist jedenfalls gegenwärtig unbedenklich. Die Kammer hat dazu im Urteil vom 27.06.2003 - 6 O
43/03 - ausgeführt, dass dies bei den gegenwärtigen Preissteigerungsraten und im Hinblick auf §§ 16 (3) Nr. 1,
18 (4) BetrAVG jedenfalls derzeit hinnehmbar sei. Bei höheren Preissteigerungsraten sei eine anderweitige
Anpassungsregelung zunächst Angelegenheit der Tarifvertragsparteien. An dieser Rechtsprechung hält die
Kammer weiterhin fest. (Vgl. auch Urteil des BGH vom 11.06.2003 AZ.: IV ZR 156/02 und Urteil des OLG
Karlsruhe vom 20.07.2004, Az.: 12 U 83/03, in VersR 2005, 253 ff).
40 b) Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Startgutschrift im vorliegenden Fall die Steuerklasse III/0
zugrundegelegt.
41 c) Die Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgeltes für die Startgutschrift auf der Grundlage der Bezüge
der Jahre 1999, 2000 und 2001 begegnet keinen Bedenken, wenn dann auf die errechneten Startpunkte der
Altersfaktor angewendet wird (oben II.2.d)). Ohne die dadurch erfolgende Dynamisierung läge eine
Benachteiligung insbesondere der jüngeren rentenfernen Jahrgänge gegenüber der sonstigen Behandlung von
zu einem bestimmten Lebensalter erworbenen Versorgungspunkten vor.
42 d) Bei dem von der Kammer gewährten Bestandsschutz für die rentenfernen Jahrgänge ist eine
unangemessene Benachteiligung gegenüber den rentennahen Jahrgängen nicht feststellbar.
Stichtagsregelungen sind grundsätzlich nicht unzulässig. Die damit verbundenen Härten sind hier hinnehmbar.
Auch wenn zuzugeben ist, dass nicht erst ab Erreichen eines Lebensalters von 55 Jahren zum 31.12.2001 eine
Änderung der Lebensplanung in Bezug auf die (Zusatz-) Versorgung erschwert oder unmöglich ist, bestehen
gegen diesen Anknüpfungspunkt letztlich keine durchgreifenden Bedenken.
43 e) Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass es hier auf eine Anspruchkonkurrenz zwischen dem
Anspruch unmittelbar aus § 18 BetrAVG n. F. und dem Anspruch aus der neuen Fassung der Satzung der
Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht ankommt, weil die Klägerin nach der Rechtsprechung der
Kammer Anspruch auf Anwendung des Altersfaktors hat, hier mit 1,2. Bei Anwendung des Altersfaktors von
1,2 ergibt sich bei der von der Klägerin errechneten Startgutschrift von EUR 331,00 ein höherer Betrag als der
von der Beklagten in der Ersten Fiktivberechnung nach § 18 Abs. 2 errechneten Summe von EUR 351,65.
Danach kommt es hier nicht darauf an, ob die Klägerin statt dem sich nach der neuen Fassung der Satzung
der Beklagten ergebenden Betrag von EUR 349,04 (vgl. Zweite Fiktivberechnung) den sich unmittelbar aus §
18 Abs. 2 BetrAVG ergebenden Betrag von EUR 351,65 verlangen könnte.
44 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
45 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.