Urteil des LG Freiburg vom 26.09.2003
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LG Freiburg Beschluß vom 26.9.2003, 4 T 216/03
Insolvenzeröffnungsantrag eines Arbeitnehmers des Gemeinschuldners: Ablehnung von Prozesskostenhilfe beim Ziel einer
Eröffnungsablehnung zwecks Erlangung von Insolvenzgeld
Leitsätze
Einem Gläubiger kann für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht alleine deswegen Prozesskostenhilfe gewährt werden, weil er die
Abweisung des Antrags mangels Masse (§ 26 InsO) anstrebt, um damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Insolvenzgeld
nach § 183 Abs.1 Nr. 2 SGB III herbeizuführen.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 20.08.2003 (8 IN 290/03) wird als
unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte Ziffer 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1
Der Beteiligte Ziffer 1 hat am 31.07.2003 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gemeinschuldners gestellt. Zur
Begründung hat er vorgetragen, er sei vom 01.11.2002 bis 31.05.2003 als Arbeitnehmer in der vom Gemeinschuldner betriebenen
Sportgaststätte tätig gewesen. Die Gehälter für April und Mai 2003 seien nicht ausgezahlt worden. Trotzt Titulierung habe der Gemeinschuldner
den Lohn nicht bezahlt. Gleichzeitig hat der Beteiligte Ziffer 1 den Antrag gestellt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner
Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren.
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Nach Eingang des Antrags hat das Amtsgericht Termin zur Anhörung des Schuldners bestimmt und Ermittlungen von Amts wegen zu der Frage
eingeleitet, ob ein Eröffnungsgrund gegeben ist. Nach Anhörung des Schuldners hat es die Feststellung getroffen, dass zwar ein
Eröffnungsgrund vorliege, das schuldnerische Vermögen jedoch voraussichtlich nicht ausreichen werde, um nach der Eröffnung die Kosten des
Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu decken. Es hat deshalb den Beteiligten aufgegeben, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des
Schreibens zur Deckung der Verfahrenskosten einen Vorschuss in Höhe von EUR 5.000,00 einzuzahlen mit der Ankündigung, die Eröffnung
mangels Masse abzulehnen, wenn der Vorschuss nicht eingehe (§ 26 Abs. 1 InsO). Gleichzeitig hat es den Prozesskostenhilfeantrag des
Beteiligten Ziffer 1 als unbegründet zurückgewiesen, weil der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg habe.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das Rechtsmittel damit begründet, dass vorliegend der Insolvenzantrag
der Festlegung des Zeitpunkts der Insolvenz i.S. v. § 183 Abs. 1 SGB III diene.
II.
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Das Rechtsmittel des Antragstellers ist zulässig (§§ 4 InsO, 127 ZPO), jedoch nicht begründet.
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Dem Gläubiger kann nach den §§ 4 InsO, 114 ff. ZPO für die Antragstellung Prozesskostenhilfe gewährt werden, sofern nicht nur die
persönlichen Voraussetzungen i.S. v. § 115 ZPO erfüllt sind, sondern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet
und nicht mutwillig erscheint (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung 3. Auflage Rdnr. 2/22; aaO. 3/118; HK-Kirchhof,
Insolvenzordnung 2. Auflage § 4 InsO Rdnr. 9; Uhlenbruck, InsO 12. Auflage § 4 Rdnr. 18; a.A. MünchKomm-Ganter § 4 InsO Rdnr. 23). Die
hinreichende Erfolgsaussicht fehlt jedoch, wenn der antragstellende Gläubiger auf seine Forderung voraussichtlich keinerlei Quote erhalten wird,
weil der Antrag mangels Masse abgelehnt werden wird (LG Potsdam ZInsO 2002, 1149; Vallender MDR 1999,598,600).
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Hiervon will die Literatur dann absehen, wenn der Insolvenzantrag dazu dient, einen Beschluss nach § 26 InsO herbeizuführen, um damit den
Zeitpunkt für das Insolvenzereignis i.S. v. § 183 Abs. 1 SGB III festzulegen (Uhlenbruck ZIP 1982, 288 zu § 141 b Abs. 3 Nr. 1 AFG; Zöller-Philippi,
ZPO 23. Auflage § 114 Rdnr. 57; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht Rdnr. 370; Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Auflage § 4 Rdnr. 134; FK-
Schmerbach § 13 Rdnr. 83; Uhlenbruck, InsO 12. Auflage § 14 Rdnr. 76; Vallender MDR 1999,598,601). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen,
weil die Interessen der Arbeitnehmer auf Gewährung von Insolvenzgeld in anderer Weise ausreichend sichergestellt sind (i.E. wie hier LG
Potsdam ZInsO 2002, 1149).
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§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III bestimmt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld haben, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht
gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden
drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Hieraus ergibt sich, dass Ansprüche auf Insolvenzgeld nach
Maßgabe der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 (vgl. EuGH NJW 2003, 2371) unter verschiedenen, aber vergleichbaren
Bedingungen bestehen. Dabei bildet § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III einen Auffangtatbestand, der zu den in Nr. 1 und 2 der genannten
Bestimmung geregelten Anspruchsvoraussetzungen gleichwertig ist.
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Das Bundessozialgericht hat nämlich zu der inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung (§ 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG) ausgeführt, dass jene
Bestimmung ein Auffangtatbestand für die Fälle sei, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden
Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat. Dabei bedeutet "offensichtlich" i.S. der Vorschrift eine Erleichterung für die
Darlegungen des Arbeitnehmers. Es reicht nämlich aus, dass Tatsachen festgestellt sind, die regelmäßig den Schluss zulassen, dass der
Arbeitgeber insolvent geworden ist. "Offensichtlich" bedeutet somit nicht, dass die Insolvenz zweifelsfrei ist, sondern ist in dem Sinne zu
verstehen, dass der sich der aus den äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters ausreicht (BSGE 53, 1).
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Der Arbeitnehmer bedarf also der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht alleine deswegen, um die Ablehnung des Insolvenzverfahrens
mangels Masse herbeizuführen. Da das Amtsgericht den Prozesskostenhilfeantrag somit zu Recht abgelehnt hat, kommt es nicht darauf an, dass
unter den gegebenen Umständen eine Beiordnung eines Anwaltes nicht erforderlich erscheint (§§ 121 Abs. 2 ZPO, 4 InsO).
10 Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.