Urteil des LG Freiburg vom 30.01.2003

LG Freiburg: erhöhung des kapitals, juristische person, eugh, kapitalgesellschaft, grundbuchamt, genossenschaft, gebühr, fonds, geschäftsleitung, erwerbszweck

LG Freiburg Beschluß vom 30.1.2003, 4 T 276/02
Kosten einer Grundbuchberichtigung: Gebührenansatz bei einer durch Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften notwendigen
Grundbuchberichtigung
Leitsätze
Der Ansatz der Gebühr nach § 60 KostO infolge einer durch die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften erforderlich gewordenen
Grundbuchberichtigung verstößt nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.7.1969.
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Staufen vom 27.09.2002 (UR II 16/02) wird zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Am 27.12.1999 hat die Beteiligte Ziffer 1 einen Berichtigungsantrag hinsichtlich im Grundbuch H., Blatt Nr. zu Gunsten der Spar- und Kreditbank
B. eG - Raiffeisenbank in H. eingetragenen Grundstücke gestellt. Sie hat sich hierbei auf den dem Antrag beigefügten Auszug aus dem
Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Freiburg GnR 22 St und GnR 54 Bs vom 08.12.1999 bezogen. Aus dieser Bescheinigung geht hervor,
dass die Spar- und Kreditbank B. eG - Raiffeisenbank - mit dem Sitz in H. - als übertragende Genossenschaft - mit der Volksbank eG K. mit dem
Sitz in B. - als übernehmende Genossenschaft - durch Aufnahme verschmolzen ist. Die Firma der Genossenschaft mit dem Sitz in B. ist geändert
und lautet auf Volksbank B. eG.
2
Das Grundbuchamt hat die Berichtigung vollzogen und am 11.2.2000 Kosten von insgesamt von DM 145,00 angesetzt (Grundakte AS 265) und
diesen Ansatz am 22.03.2000 auf insgesamt DM 3.920,00 korrigiert (AS 269).
3
Mit Schreiben vom 06.06.2002 hat die Beteiligte Ziff. 1 Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt und beantragt, die Rechtssache dem
Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil die angesetzte Gebühr gegen die Gesellschaftsrichtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969
verstoße.
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Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte
Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Dass das Grundbuchamt zutreffend eine Gebühr nach § 60 KostO angesetzt hat und dass vorliegend nicht etwa nur der Gebührentatbestand des
§ 67 Abs. 1 Satz 1 KostO gegeben ist, stellt auch die Beteiligte Ziffer 1 nicht in Frage (vgl. hierzu auch OLG Hamm Rpfleger 1983, 42;
Korintenberg/Lappe, KostO 15. Auflage § 60 Rdnr. 16, 16 a).
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Das Grundbuchamt hat mit den angesetzten Kosten auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Richtlinie
69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital verstoßen (im folgenden Richtlinie).
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Nach Artikel 4 der Richtlinie unterliegen die dort aufgeführten Vorgänge der Gesellschaftssteuer. Nach Artikel 10 der Richtlinie erheben die
Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftssteuer von den Gesellschaften keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf die in Artikel 4
genannten Vorgänge und die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Artikel 4 genannten Vorgänge.
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Vorliegend geht es um einen von Art. 4 erfassten Vorgang, nämlich die in Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe c genannte Erhöhung des Kapitals einer
Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art. Deshalb ist hier grundsätzlich der Regelungsgehalt der Richtlinie vom 17.07.1969 berührt.
10 Eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers (übertragender Rechtsträger) als ganzes
auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) im Sinne von § 2 Nr. 1 UmwG - vorliegend durchgeführt durch
eingetragene Genossenschaften, was sich im Einzelnen nach den Bestimmungen der § 79 ff. UmwG bestimmt - stellt eine Erhöhung des Kapitals
einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art i.S. v. Artikel 4 Abs. 1 c der Richtlinie dar. Es handelt sich nämlich um einen Vorgang der
Kapitalansammlung, der in der Erhöhung des Kapitals einer, der sog. "übernehmenden" Gesellschaft durch die Einbringung des gesamten
Vermögens durch eine andere, die sog. "übernommene" Gesellschaft besteht (EuGH, Urteil vom 13.02.1996 - verbundene Rechtssachen C-
197/94 und C-252/94, Rdnr. 34 bis 36; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-8/96 - Rdnr. 20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5.12.2002 - 14
Wx 130/01, in juris dokumentiert).
11 Die Richtlinie erfasst auch Verschmelzungsverträge eingetragener Genossenschaften (vgl. OLG Karlsruhe aaO).
12 Derartige Vorgänge dürfen, wie sich aus Artikel 10 Buchstaben a und b der Richtlinie ergibt, weder unmittelbar noch mittelbar einer über die
Vorgaben der Richtlinie hinausgehenden Besteuerung ausgesetzt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-8/96 - Rdnr. 27).
13 Sie dürfen dann auch nicht Steuern oder Abgaben i.S. v. Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie unterworfen werden, weil derartige Abgaben zwar
nicht auf die Kapitalzuführung als solche, wohl aber wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des
Instruments zur Kapitalsammlung, erhoben würden, so dass die Beibehaltung dieser Abgaben auch die von der Richtlinie verfolgten Ziele
gefährden würde (EuGH, Urteil vom 02.12.1997 - C-188/95 - Rdnr. 21).
14 Dennoch verstößt die Erhebung der Eintragungsgebühren, die durchaus als Steuern und Abgaben im vorbeschriebenen Sinne angesprochen
werden können, vorliegend nicht gegen die Bestimmungen der Richtlinie vom 17.07.1969. Artikel 12 der Richtlinie bestimmt nämlich, dass in
Abweichung von Artikel 10 die Mitgliedsstaaten Besitzwechselsteuern, einschließlich Katastersteuern auf die Einbringung von in ihrem
Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder "fonds de commerce" in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit
Erwerbszweck erheben können. Mit Besitzwechselsteuern sind Registersteuern gemeint, die von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit
bestimmten Vorgängen der Übertragung von Grundstücken oder "fonds de commerce" nach allgemeinen und objektiven Kriterien erhoben
werden. Artikel 12 macht keinen Unterschied zwischen verschiedenen Besitzwechselsteuern, die die Mitgliedsstaaten erheben können. Sie
ermächtigt die Mitgliedsstaaten allgemein, neben der Gesellschaftssteuer, jedoch im Zusammenhang mit einer Einbringung in eine
Kapitalgesellschaft, Steuern zu erheben, deren Entstehungstatbestand objektiv im Zusammenhang mit der Übertragung des Eigentums an
Grundstücken steht (EuGH, Urteil vom 11.12.1997 - C-42/96 - Rdnr. 34 f). Um eine derartige Besitzwechselsteuer geht es hier, auch wenn der
Vorgang sich rechtstechnisch nur als Grundbuchberichtigung nach einem Verschmelzungsvorgang darstellt (vgl. EuGH aaO.).
15 Nach Artikel 12 Abs. 2 der Richtlinie darf es bei den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Steuern und sonstigen Abgaben keinen Unterschied
machen, ob der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet des die Steuern erhebenden Mitgliedsstaates liegt oder nicht. Diese
Steuern und sonstigen Abgaben dürfen auch nicht höher sein als diejenigen, die in dem erhebenden Mitgliedsstaat für gleichartige Vorgänge
erhoben werden. Auch diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Gebührentatbestand des § 60 Abs. 1 KostO allgemein gefasst ist und
sämtliche mit der Eintragung eines Eigentümers zusammenhängenden Vorgänge erfasst, unabhängig davon, ob es sich um einen Sachverhalt
handelt, der grundsätzlich von der Richtlinie erfasst wird oder nicht.
16 Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 ist deshalb nicht begründet (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2000 - 20 W 288/00;
BayObLG FGPrax 2001, 37).
17 Der Wortlaut der Richtlinie ist eindeutig, weshalb die Rechtslage unzweifelhaft und klar ist. Außerdem hat der EuGH, wie dargestellt, die hier
aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet. Eine Vorlage an den EuGH kommt deshalb nicht in Betracht.
18 Die Voraussetzungen der Zulassung der weiteren Beschwerde sind mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht gegeben.
19 Die Entscheidung beruht im Übrigen auf § 14 Abs. 7 KostO.