Urteil des LG Freiburg vom 14.04.2004
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LG Freiburg Urteil vom 14.4.2004, 1 O 43/04
Werklieferungsvertrag: Vergütungsanspruch eines Lieferanten von Werbezündhölzern nach Vertragskündigung
Leitsätze
Der Anspruch eines Herstellers sukzessive auf Abruf zu liefernder und erst bei Abruf/Lieferung zu zahlender Waren (hier:
Werbestreichholzschachteln in jährlichen Tranchen zu mindestens 5.000 Stück über 10 Jahre) gegen den Besteller nach dessen Vertragskündigung
richtet sich nicht auf eine sofort zahlbare Gesamtvergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Vielmehr kann der Hersteller die Nettovergütung
nach § 649 S. 2 BGB nur in Raten verlangen, die zu den Zeitpunkten fällig sind, in denen der Besteller die Lieferungen ohne Vertragsbeendigung
spätestens hätte abrufen und bezahlen müssen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 602,70 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 15.
Januar 2004 zu zahlen, ferner weitere EUR 5.424,30 in 9 jährlichen Raten zu je EUR 241,08, die erste Rate fällig am 15. Oktober 2004, die
Folgeraten jeweils zum 15. Oktober eines jeden Folgejahres, sowie in weiteren 9 jährlichen Raten zu je EUR 361,62, die erste Rate fällig zum 15.
Januar 2005, die Folgeraten jeweils zum 15. Januar eines jeden Folgejahres, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszins aus den zukünftig fällig werdenden Raten seit Fälligkeit jeder Rate.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf EUR 6.063,35 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin vertreibt Werbezündhölzer und nimmt die Beklagte auf Zahlung vereinbarter Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen in
Anspruch.
2
Mit Vertrag vom 15. Oktober 2003 bestellte die Beklagte bei der Klägerin 50.000 Werbezündholzschachteln/-Briefchen, zu liefern in 10
Teillieferungen à 5.000 Stück zum Preis von EUR 164 für 1.000 Stück, die erste Lieferung ohne vorherigen Abruf mit einer Lieferzeit von 12
Wochen, die übrigen Lieferungen auf Abruf mindestens einmal jährlich, gerechnet ab dem Datum der Auftragserteilung mit gleicher Lieferfrist.
Die Beklagte schuldete außerdem für jede Lieferung/Teillieferung eine Vorauszahlung von 40 % der Vergütung bei Abruf.
3
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 kündigte die Beklagte den Vertrag.
4
Die Klägerin kauft die zu liefernde Ware selbst für EUR 43,46 pro 1.000 Stück ein und verlangt die Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis
ersetzt.
5
Sie behauptet, ihr seien außerdem Kosten für eine Gewerbeauskunft in Höhe von EUR 17,- entstanden und verlangt ferner eine Pauschale für
Kopien, Telefon und Porto in Höhe von EUR 20,-.
6
Die Klägerin beantragt,
7
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 6.063,35 nebst Zinsen p. a. daraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins
seit 29. November 2003 zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10 Sie hält den Vertrag wegen der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis wegen Wuchers für nichtig und macht geltend, der
Abschlussvertreter der Klägerin habe auf ihre Frage, ob sie den Vertrag vor allem bei Auflösung ihres Geschäfts jederzeit problemlos kündigen
könne, geantwortet, bei einer Kündigung gebe es keine Probleme, ohne sie auf ihre dann bestehende Zahlungsverpflichtung hinzuweisen. Er
habe sie auch nicht über den Einkaufspreis der Klägerin informiert. Wäre sie zutreffend informiert worden, hätte sie den Vertrag nicht
abgeschlossen.
11 Wegen der weiteren festgestellten Tatsachen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
12 Die Klage ist begründet, allerdings nur im zugesprochenen Umfang.
13 1. Der Klägerin steht nach § 649 Satz 2 BGB ein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich dessen zu, was sie infolge der Aufhebung
des Vertrages an Aufwendungen erspart hat.
14 a) Soweit die Beklagte meint, der am 15. Oktober 2003 geschlossene Vertrag sei wegen Wuchers nichtig, kann dem nicht gefolgt werden.
Maßgeblich dafür ist ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, nicht zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis, und die
Beklagte hat nicht geltend gemacht, die Klägerin überschreite mit ihren Preisen krass den Marktpreis für vergleichbare Waren.
15 b) Soweit die Beklagte beanstandet, die Klägerin bzw. deren Abschlussvertreter habe nicht über die Einkaufspreise informiert, begründet dies
keine Pflichtverletzung auf Seiten der Klägerin. Ein Verkäufer ist gegenüber dem Käufer nicht verpflichtet, seine Einkaufspreise offen zu legen.
16 c) Ferner ist auch die Behauptung der Beklagten unerheblich, nicht über die Rechtsfolgen einer Kündigung informiert worden zu sein. Auf
gesetzliche Rechtsfolgen einer Kündigung musste die Klägerin die Beklagte nicht hinweisen.
17 d) Soweit die Beklagte schließlich eine Pflichtverletzung darin sieht, dass nach ihrer Behauptung der Abschlussvertreter den wahrheitswidrigen
Eindruck erweckte, eine Kündigung sein problemlos, also ohne negative finanzielle Folgen für die Beklagte, möglich, fehlt es an einem
zulässigen Beweisantritt der dafür beweisbelasteten Beklagten (vgl. §§ 445 Abs. 1, 447, 448 ZPO).
18 2. Teilweise ist die Klage unbegründet, denn der Anspruch der Klägerin richtet sich nicht auf sofortige Zahlung der Nettogesamtvergütung.
Ausgangspunkt für die Klagforderung ist vielmehr die vereinbarte Vergütung, und die Vereinbarung der Parteien ging dahin, dass diese
Vergütung in sich aus der jeweils abgerufenen Menge ergebenden Raten zu zahlen sein würde. Dass die Beklagte den gesamten bestellten
Posten sogleich abgerufen hätte, ist weder von der Klägerin behauptet noch anzunehmen. Demzufolge kann die Klägerin nur die Vergütung
(abzüglich ersparter Aufwendungen) verlangen, die sie bei Fortbestand des Vertrages zu beanspruchen gehabt hätte. Dies ist eine in Raten zu
zahlende Vergütung, wobei für die erste Lieferung der Klägerin nach ihren AGB der Vertragsschluss maßgeblich ist unter Berücksichtigung einer
Lieferfrist von 12 Wochen, die sich die Klägerin selbst eingeräumt hat, für die Folgeraten an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses anknüpfende
Jahresfristen unter Berücksichtigung der Vorkasseverpflichtung der Klägerin bei Abruf in Höhe von 40 % der Vergütung pro Rate und hinsichtlich
der restlichen Rate (60 %) wiederum unter Berücksichtigung der von der Klägerin für sich selbst in Anspruch genommene Lieferfristen.
19 Eine sofortige Fälligkeit des gesamten Nettovergütungsanspruchs dagegen würde der Vergütungsvereinbarung der Parteien zuwider laufen und
dazu führen, dass die Klägerin über einen ihr dann zufließenden Kapitalnutzungsvorteil erheblich mehr als die tatsächlich vereinbarte Vergütung
abzüglich ersparter Aufwendungen erhielte. Dabei steht zwar nicht fest, wann die Beklagte welche Folgecharge abgerufen hätte. Sie hatte
indessen die Möglichkeit, die jährliche Mindestmenge immer erst nach Jahresfrist abzurufen. Dieser Vorteil ist Teil der Vergütungsvereinbarung
und bleibt ihr auch im Falle des § 649 S. 2 BGB erhalten, denn der danach der Klägerin zustehende Anspruch richtet sich weiterhin nach dieser
Vergütungsvereinbarung.
20 3. Unbegründet ist die Klage schließlich hinsichtlich der nicht belegten Nebenforderungen und hinsichtlich eines Teils der Zinsen, die die
Klägerin erst ab Fälligkeit der Raten und - nach ihren eigenen AGB - lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins
verlangen kann.
II.
21 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO. Dabei war der nicht unerheblichen Zuvielforderung der Klägerin Rechnung zu tragen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.