Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 01.06.2005

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 T 295/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1821 BGB, Art 233 § 2 Abs 3
BGBEG, § 17 SachenRBerG, §
11b VermG, § 3 VerkFlBerG
Ankauf nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz:
Erforderlichkeit einer Genehmigung des Vertreterhandelns
durch das Vormundschaftsgericht
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts
Fürstenwalde /Spree vom 01.06.2005 – 7 VIII 11/05 – aufgehoben und die Sache zur
erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1000,-- € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom
01.06.2006 ist gemäß § 19 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erteilung der
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des notariellen Kaufvertrages vom
15.11.2004 – UR-Nr. 2479/2004 des Notars ... mit Amtssitz in Fürstenwalde – mit der
Begründung zurückgewiesen, dass der Vertrag nicht der Genehmigung gemäß § 1821
BGB durch das Vormundschaftsgericht bedürfe.
Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VerkFlBerG i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG ist für die
Erteilung der Genehmigung nach § 1821 BGB das Vormundschaftgericht zuständig.
Das Amtsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass nach der
Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25.10.2002 -VZR 243/01-, abgedruckt in VIZ 2003,
194 ff. = BNotZG 2003, 336 ff) Verfügungen des gesetzlichen Vertreters nach § 11 b
Abs. 1 VermG und Art 233 § 2 Abs. 3 EGBGB grundsätzlich durch die
Bestellungsbehörde (Landkreis oder kreisfreie Stadt) – und nicht vom
Vormundschaftsgericht - zu genehmigen sind. Gemäß Art 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB,
16 Abs. 4 VwVfG, §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB bedarf es zur Wirksamkeit der
Erklärungen des Vertreters der Genehmigung derjenigen Behörde, die den Vertreter
bestellt hat. Die Notwendigkeit einer Genehmigung des Vertrages durch das
Vormundschaftsgericht hat der BGH ausdrücklich für den dort entschiedenen Fall
verneint. Diese ergebe sich auch nicht aus § 7 GBBerG.
Die vorgenannte Entscheidung des BGH vom 25.10.2002 ist für den vorliegenden Fall
jedoch nicht einschlägig, weil hier die besondere Zuständigkeitsbestimmung des § 17
Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG greift.
Inhaltlich handelt es sich bei dem Vertrag vom 15.11.2004 – anders als in dem vom BGH
entschiedenen Fall - um einen Kaufvertrag mit Auflassung nach dem
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG) zur Durchsetzung des von der
Beteiligten zu 2. geltend gemachten Ankaufrechts gemäß § 3 Abs. 1 VerkFlBerG an dem
im Grundbuch von R. Blatt 392 eingetragenen Grundbesitz, Flur 20, Flurstücke 154/1 und
154/2. Der sich aus § 3 Abs. 1 VerkFlBerG ergebende Erwerbsanspruch richtet sich
eigentlich gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer. Steht dem öffentlichen Nutzer
– wie hier der Beteiligten zu 2. - kein vollständig verfügungsbefugter
Grundstückseigentümer zur Verfügung oder ist dessen Person unbekannt, ist gemäß § 3
Abs. 4 Satz 3 VerkFlBerG die Vorschrift des § 17 SachenRBerG über die Bestellung eines
Pflegers für unbekannte oder abwesende Grundstückseigentümer entsprechend
anwendbar. Ist für den Grundstückseigentümer ein Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3
EGBGB bestellt – wie hier die Beteiligten zu 1. –, nimmt dieser die Aufgaben des Pflegers
wahr, so dass es einer Pflegerbestellung nicht bedarf. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4
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wahr, so dass es einer Pflegerbestellung nicht bedarf. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4
SachenRBerG ist für die Erteilung der Genehmigung nach § 1821 BGB „statt des
Landkreises das Vormundschaftgericht zuständig„. Damit hat der Gesetzgeber die
nunmehr vom BGH in seiner vorzitierten Entscheidung vom 25.10.2002 beantwortete
(zuvor umstrittene) Frage, ob ein von einem nach § 11 b Abs. 1 VermG oder Art 233 § 2
Abs. 3 EGBGB bestellten Vertreter vorgenommenes und in § 1821 BGB aufgezähltes
Rechtsgeschäft der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes oder des Landkreises
bzw. der kreisfreien Stadt bedarf ( vgl . zum Meinungsstreit: Kiethe in Rechtshandbuch
Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, § 11 b VermG Rn. 18 ff.; Münchener
Kommentar/Säcker, BGB, 4. Aufl., Art 233 § 2 EGBGB Rn.8), ausdrücklich geregelt und
klargestellt, dass die in Abs. 3 Satz 1 bezeichneten Vertreter im Rahmen ihrer Tätigkeit
als Pfleger im Sinne der Sachenrechtsbereinigung zur Vornahme solcher Geschäfte der
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen (vgl. Münchener
Kommentar/Wendtland, BGB, 4. Aufl., § 18 SachenRBerG Rn. 13; Czub/Schmidt-
Räntsch/Hügel, Kommentar zum SachenRBerG, Loseblattsammlung, 3. Erg.Lfg., § 17 Rn.
15 a; Hammel in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, §
17 SachenRBerG, Rn. 7). Das Vormundschaftsgericht soll als neutrale und unabhängig
Stelle eine gewisse Kontroll– und Überwachungsfunktion zur Vermeidung von
Mißbrauchsfällen ausüben. Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.10.2002
unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG ausgeführt, dass das
Vormundschaftsgericht für die Erteilung der Genehmigung „statt des Landkreises„
zuständig ist, wenn ein nach Art 233 § 2 Abs. 3 EGBGB oder nach § 11 b Abs. 1 VermG
bestellter Vertreter die Aufgaben nach § 17 SachenRBerG wahrnimmt.
Durch die Verweisung in § 3 Abs. 4 Satz 3 VerfFlBerG auf § 17 SachenRBerG gilt § 17
Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG auch für Rechtsgeschäfte nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG. Ein
nach § 11 b VermG oder Art 233 § 2 Abs. 3 EGBGB bestellter Vertreter nimmt also auch
die Aufgaben eines Pflegers nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz wahr.
Schließt er eines der in § 1821 BGB aufgezählten Rechtsgeschäfte ab, bedarf dieses der
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Die Verweisung in § 3 Abs. 4 Satz 3
VerkFlBerG auf § 17 SachenRBerG ist umfassend. Sie enthält keine Einschränkungen.
Eine einschränkende Auslegung der Verweisungsregelung ist auch nicht nach Sinn und
Zweck der Reglung des § 17 Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG geboten. Die Interessenlage
des unbekannten oder abwesenden Grundstückseigentümers in Verkaufsfällen nach
dem SachenRBerG und VerkFlBerG ist vergleichbar. Beide Gesetze begründen einen
gesetzlichen Anspruch zugunsten des Nutzers eines Grundstücks gegenüber dem
Grundstückseigentümer auf Abschluss eines Kaufvertrages zum hälftigen Verkehrswert
oder Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Das
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz verweist hinsichtlich der Bestimmung des
Ankaufpreises, des weiteren Inhalts des Kaufvertrages und des Verfahrens (§§ 6, 7, 14
VerkFlBerG) auf die Parallelvorschriften im Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Bei dieser
Sachlage besteht für eine unterschiedliche Behandlung keine Veranlassung.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Ausführungen des BGH in der vorzitierten
Entscheidung zur Genehmigungsbedürftigkeit von Vertretergeschäften durch das
Vormundschaftsgericht nach § 7 GBBerG.
Der BGH hat zwar insoweit ausgeführt, dass § 7 GBBerG eine Sondervorschrift darstelle
und nur die Fälle betreffe, in denen eine juristische Person des öffentlichen Rechts als
Vertreter des Eigentümers auftrete. Im Übrigen seien die allgemeinen Vorschriften über
die Befugnisse eines gesetzlichen Vertreters zu Grundstücksgeschäften anwendbar. Ist
eine natürliche Person zum gesetzlichen Vertreter bestellt, verbleibe es deshalb bei der
Zuständigkeit der bestellenden Behörde zur Genehmigung der von dem Vertreter
geschlossenen Geschäfte.
Diese Grundsätze lassen sich aber weder auf § 3 VerkFlBerG noch § 17 Abs. 3
SachenRBerG übertragen. Anders als § 3 Abs. 4 Satz 3 VerkFlBerG verweist § 7 GBBerG
nicht auf § 17 SachenRBerG. Für eine unterschiedliche Behandlung von
Vertretergeschäften einer natürliche und einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts lässt sich – anders als aus § 7 GBBerG – nichts entnehmen.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts findet § 17 Abs. 3 Satz 4 SachenRBerG nicht
(nur) Anwendung, wenn die Bestellung des Pflegers durch das Vormundschaftsgericht
erfolgt ist. Denn § 17 Abs. 3 SachenRBerG betrifft die Fälle, in denen nach § 11 b VermG
oder – wie hier – gemäß Art 233 § 2 Abs. 3 EGBGB ein Vertreter bestellt wurde. Ist ein
Pfleger nach § 17 Abs. 1 SachenRBerG zu bestellen, ergibt sich die Zuständigkeit des
Vormundschaftsgerichts für die Bestellung, die Überwachung und die Erteilung der
Genehmigung von Rechtsgeschäften aus Absatz 2.
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Es ist auch nicht zutreffend, dass die Genehmigung nach § 1821 BGB nur in den in Satz
2 und 3 aufgeführten Fällen der eingeschränkten Vertretungsmacht durch das
Vormundschaftgericht zu erteilen ist. § 17 Abs. 4 Satz 3 SachenRBerG gilt für alle Fälle
des § 17 Abs. 3 Satz 1 (OLG Jena, DtZ 1996, 318; Böhringer OV spezial 1996, 27; Czub/-
Hügel, a.a.O., Rn. 15 a; Vossius, SachenRBerG, § 17 Rn. 8). Liegt eine der in Satz 2 und 3
genannten Fallgruppen vor, ist der gemäß § 11 b VormG oder Art 233 § 2 Abs. 3 EGBGB
bestellte Vertreter überhaupt nicht zum Vertragsschluss legitimiert. Die
Vertretungsmacht ist ausgeschlossen (Münchener Kommentar/Säcker, BGB, 4. Aufl., Art
233 § 2 EGBGB Rn. 13). Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit durch das
Vormundschaftsgericht stellt sich dann nicht. Es bedarf dann der Bestellung eines
(Ergänzungs-) Pflegers nach § 17 Abs. 1, 2 SachenRBerG i.V.m. § 1909 BGB für den
unbekannten Grundstückseigentümer (Czub-Hügel, a.a.O., Rn. 15; Wendtlandt, a.a.O.,
Rn. 11; Vossius, SachenRBerG, § 17 Rn. 8; Böhringer, VIZ 2003, 553 [554 f.).
Nach alledem ist das Vormundschaftsgericht zur Erteilung der Genehmigung zum
Kaufvertrag vom 15.11.2004 nach § 1821 BGB zuständig. Entsprechend ist der
angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur Entscheidung in eigener
Zuständigkeit an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Die Anordnung einer Kostenerstattung ist nicht veranlasst, § 13 a FGG.
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