Urteil des LG Frankfurt am Main vom 11.09.2008
LG Frankfurt: berechnung der prämien, fälligkeit, vergütung, rückzahlung, aufrechnung, provision, rückgabe, rahmenvertrag, einmalprämie, regress
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Gericht:
LG Frankfurt 10.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-10 O 486/07,
2/10 O 486/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 667 BGB, § 675 BGB, § 812
Abs 1 S 2 BGB, § 115 InsO, §
116 InsO
Avalprovisionen im Insolvenzrecht: Insolvenzfestigkeit von
Provisionsansprüchen aus einem vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens abgeschlossenen
Geschäftsbesorgungsvertrag
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des jeweils beizutreibenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Rückgabe vereinnahmter Avalprovisionen von der
Beklagten.
Die Schuldnerin W Bau AG vereinbarte mit mehren Banken, u. a. auch der
Beklagten, am 16.07.2001 einen Sicherheitenpoolvertrag, wonach auch die
Beklagte anteilige Sicherheitengestellung für Werkunternehmen und Bauvorhaben
der W Bau AG übernahm (Anlage K 3). Diese Vereinbarung wurde ständig
fortgeschrieben.
Unter dem 24.05.2004 traf die W Bau AG mit der Beklagten eine Vereinbarung
über eine Verlängerung der Avalkreditlinie. Diese wies insgesamt eine Kreditlinie
von 51.334.216,00 Euro aus. Vorgesehen war eine 2 %ge Avalprovision per anno.
Die Vereinbarung sieht u. a. folgende Regelungen vor:
"Konditionen: 2 % per anno Avalprovision ... 50,00 Euro Mindestprovision pro Aval
per anno ... Die Provision wird jeweils im Voraus für das laufende Jahr belastet. Bei
vorzeitiger Rückgabe der Urkunde vergüten wir Ihnen die anteilige Provision.
Ergänzend ist eine Success-Fee in Höhe von 0,5 % zu zahlen."
Das Amtsgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 01.04.2005 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der W Bau AG eröffnet und den Kläger zum
Insolvenzverwalter bestellt.
Entfallend auf den Zeitraum ab dem 01.04.2005 hat die Schuldnerin an die
Beklagte Avalprovisionen insgesamt in Höhe von 678.842,26 Euro gezahlt (Anlage
K 5).
Der Kläger begehrt die Rückerstattung der gezahlten Avalprovisionen.
Gemäß §§ 115, 116 InsO seien die vertraglichen Verhältnisse, insbesondere der
Avalkreditvertrag, erloschen. Zwischen den Parteien habe ein
Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Inhalt bestanden, dass die Beklagte sich
verpflichtet habe, eine Avalkreditlinie zur Verfügung zu stellen. Dieser Vertrag sei
erloschen.
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Die im Hinblick auf diesen Vertrag geleisteten Prämien seien gegenstandslos
geworden.
Die Rückforderungsansprüche ergäben sich danach sowohl aus §§ 667, 665 BGB
nach Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrages als auch gemäß § 812 Abs.
1 S. 2 BGB.
Der Kläger macht geltend, dass die Rechtslage, insbesondere mit der in den
Konstellationen vergleichbar sei, die die Entscheidung des BGH vom 06.07.2005
(NJW-RR 2007, 50) und vom 18.01.2007 (NJW-RR 2007, 848) zugrunde gelegen
hätten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 678.842,26 Euro nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, dass die Prämien aufgrund der getroffenen
vertraglichen Vereinbarung der Parteien jeweils jahresweise vorab gezahlt worden
seien. Die Prämien seien vor der Insolvenzeröffnung fällig und gezahlt worden. Die
Rechtslage sei daher mit der vergleichbar, die die Entscheidung des BGH vom
19.09.1985 (NJW 1986, 301) zugrunde gelegen habe. Die Geschäftsbesorgung sei
nämlich mit der Übernahme der Bürgschaft selbst ausgeführt. Das
Vertragsverhältnis der Parteien sei zum einen als die Eröffnung einer
Avalkreditlinie zu betrachten. Maßgeblich für die Fälligkeit der Ratenzahlung sei
aber der jeweils einzeln geschlossene Avalkreditvertrag. Indiz dafür, dass ein
einzelner Vertrag geschlossen wurde, sei auch die Berechnung der Prämien nach
den jeweiligen einzelnen Avalen und dem der Beklagten vorbehaltenen
Prüfungsrecht vor Übernahme des Avals.
Der vorliegende Fall sei mit den durch den BGH im Jahre 2005 und 2007
entschiedenen Fällen nicht vergleichbar, da es damals um jeweils rückständige
Prämien eines Avalversicherers gegangen sei.
Die Beklagte rechnet hilfsweise mit Zahlungen in Höhe von 2.562.708,34 Euro auf,
die sie aufgrund der übernommenen Bürgschaften auf Bürgschaften in dem
betroffenen Zeitraum geleistet hat.
Ein Aufrechnungsausschluss gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestehe vorliegend
nicht, weil beide Forderungen schon vor Insolvenzeröffnung bestanden haben.
Die Beklagte behauptet, im Jahre 2005 habe der Kläger als Insolvenzverwalter
Tochtergesellschaften der Schuldnerin verkauft.
In einem entsprechenden Gespräch sei eine Vereinbarung getroffen worden, dass
entsprechende Avalprovisionen bei den beteiligten Banken, also auch bei der
Beklagten, anteilig bleiben sollte.
Dementsprechend seien Avalprovisionen in Höhe von 40.897,89 Euro aufgrund der
vertraglich vereinbarten Übernahme bereits aus diesem Grunde nicht
rückforderbar.
Der Kläger macht diesbezüglich geltend, dass eine Aufrechnung mit geleisteten
Zahlungen auf Bürgschaften ausgeschlossen sei, da eine solche Zahlung nach §
96 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar sei. Es habe sich insoweit um eine unentgeltliche
Leistung gehandelt, die die Beklagte erlangt habe, da die Avale jeweils erst noch
herauszugeben waren.
Zur Ergänzung des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten
Prämienzahlungen in Höhe von 678.842,26 Euro.
Der zwischen den Parteien bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag über die
Gewährleistung von Avalkrediten ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
beendet worden (§§ 115, 116 InsO).
Das Gericht stellt hierbei entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die
vereinbarte Avalkreditlinie als Gesamtvertrag ab, sondern auf die jeweiligen Avale.
Aus der getroffenen Vereinbarung der Parteien, insbesondere aus der letzten
Fortschreibung vom 24.05.2004, ergibt sich, dass die Beklagte der Schuldnerin
eine Avalkreditlinie zu bestimmten Rahmenkonditionen einräumen wollte. Nach
Auffassung des Gerichts handelt es sich hierbei um einen sog. Rahmenvertrag, der
die Gewährung zahlreicher nachfolgender Einzelavale den Konditionen nach
vorausbestimmen und voraussehbar machen sollte. Der einzelne jeweils
abgefragte und ausgeworfene Avalkredit ist daneben jedoch ein rechtlich
selbständiges Geschäft.
Soweit der Kläger geltend macht, dass sich diesbezüglich eine Änderung aus der
Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ergeben habe, vermag sich
das Gericht dem nicht anzuschließen. Denn danach ergibt sich lediglich eine
Änderung in der Formulierung des Darlehens als solchen, das nunmehr in § 488
BGB definiert ist. Dass hierbei aber eine Unterscheidung zwischen einem
Rahmenvertrag und dem jeweils abzuschließenden Einzelvertrag ausgeschlossen
sein sollte, ist keiner Weise ersichtlich.
Unabhängig davon haben die Parteien jedenfalls die letzte Verlängerung der
Avalkreditlinie weit nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes,
nämlich am 24.05.2004, vereinbart.
Maßgeblich erachtet das Gericht die Formulierung in der vorliegenden
Vereinbarung, wonach 2 % Avalprovision anfallen, die jeweils im Voraus für das
laufende Jahr belastet wird.
Die Parteien haben damit nicht nur eine vorgezogene Vergütungsregelung
vereinbart, sondern die Fälligkeit der Vergütung jeweils vor Beginn des laufenden
Jahres endgültig geregelt.
Der Anspruch auf die Avalprovision ist für die Beklagte damit im Zeitpunkt der
jeweiligen Inanspruchnahme entstanden.
Bei den streitgegenständlichen Avalprovisionen handelt es sich sämtlich damit um
Provisionen, deren Fälligkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2005
entstanden ist.
Der Anspruch auf diese Provisionen war fällig, sie waren verdient.
Grundsätzliche Bedenken gegen die Regelung der Fälligkeit zu Beginn der
Inanspruchnahme des Avals und der nachfolgenden zeitlichen Abrechnung der
Provisionen jeweils jährlich bestehen nicht.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den Urteilen des BGH vom 06.07.2006 und
vom 18.01.2007 (NJW-RR 2007, 50; NJW-RR 2007, 848). Denn diese hatten jeweils
die Fälligkeit von Prämienansprüchen des Kautionsversicherers nach Eröffnung des
Gesamtvollstreckungs- bzw. des Insolvenzverfahrens zum Gegenstand.
Hierbei ging es um die Rückforderung der Prämien, die für die Zeit nach der
Verfahrenseröffnung errechnet waren.
Der BGH hat insoweit festgestellt, dass der Kautionsversicherungsvertrag ebenso
wie ein Avalkredit einen Geschäftsbesorgungsvertrag darstellt. Für die Zeit nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestünden keine Prämienansprüche hierfür als
befristete Forderungen (BGH NJW-RR 2007,50).
Gleiches hat der BGH in seiner Entscheidung vom 18.01.2007 festgestellt. Er hat
dort allerdings ausgeführt, dass anderes wohl bei einer Einmalprämie gelten
könnte. In dem dort entschiedenen Fall bestanden keine Ansprüche aus der
übernommenen Haftung, da die Verträge auf Regress ausgelegt waren.
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Die Prämie war auch jeweils nur für die Bereitstellung des Rahmens zugesagt.
Anderes gilt im vorliegenden Fall. Denn die Avalprovision ist Entgelt für bereits
erbrachte Geschäftsbesorgung, nämlich für auch nach der Insolvenz
fortbestehende Haftung gegenüber Dritten (Obermüller, Rn. 5.4.3.4).
Vorliegend besteht ein Anspruch auf die Vergütung der Avalprämie danach nicht
als dauernde Vergütung für einen fortbestehenden Regress, sondern für die im
Wege der Geschäftsbesorgung übernommene Auslegung und Übernahme eines
Haftungsrisikos, nämlich der jeweiligen Bürgschaften. Diese Vergütung ist –
wirtschaftlich ähnlich einer Einmalprämie – damit auch im Voraus verdienbar und
vorliegend verdient.
Ansprüche auf Rückzahlung der danach vereinbarten und geleisteten Prämien
bestehen danach nicht.
Auf die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung kam es danach vorliegend nicht
mehr an.
Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.