Urteil des LG Frankfurt am Main vom 26.07.2007
LG Frankfurt: minderung, flughafen, reiseveranstalter, verspätung, aufwand, fahrtkosten, fahren, beförderung, unterbringung, entschädigung
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Gericht:
LG Frankfurt 24.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-24 S 290/06,
2/24 S 290/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 EGV 261/2004, Art 9 EGV
261/2004, Art 19 MontrÜbk, §
280 BGB
Haftung aus Luftbeförderung: Recht zur vorübergehenden
Heimfahrt bei einer elfstündigen Verspätung des
Hinfluges; Schadensersatzanspruch wegen
Einschränkungen der Unterbringung infolge der
verzögerten Anreise
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.11.2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H. – Az. 2 C 1231/06 (23) – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 189,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.5.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten werden
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz haben der Kläger zu 58 % und die
Beklagte zu 42 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 45 % und die Beklagte
zu 55 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Widergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der
Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete
Berufung des Klägers ist in der Sache teilweise begründet.
Die zulässige selbständige Anschlussberufung der Beklagten ist nicht begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt
189,50 Euro zu.
Im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 146,40 Euro
wendet sich die Beklagte nur gegen eine Verurteilung in Höhe von 42,– Euro.
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wendet sich die Beklagte nur gegen eine Verurteilung in Höhe von 42,– Euro.
Insoweit hat das Amtsgericht die Klage aber zu Recht für begründet erachtet.
Darüber hinaus kann der Kläger über den von dem Amtsgericht zuerkannten
Betrag weitere 43,10 Euro verlangen.
Nicht angegriffen wird das Urteil des Amtsgerichts, soweit es wegen der
Verzögerung des Fluges eine Minderung des Flugpreises in Höhe von 12 %
angenommen hat. Der Minderungsbetrag von 104,40 Euro ist deswegen auch im
Berufungsverfahren zugrunde zu legen.
Zu Recht hat das Amtsgericht auch einen Schadensersatzanspruch in Höhe von
42,– Euro wegen der Fahrtkosten des Klägers am Anreisetag zuerkannt. Als
Anspruchsgrundlage hat es nicht § 651 f Abs. 1 BGB angenommen, weil zwischen
den Parteien kein Reisevertrag zustande gekommen sei. Dieser Rechtsauffassung
schließt sich die Kammer an. Ansprüche aus dem Reisevertragsrecht (§§ 651 a ff
BGB) kommen nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtheit von Reiseleistungen
geschuldet wird. Gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 90/314 EWG über Pauschalreisen
vom 13.6.1990 müssen für eine Pauschalreise mindestens zwei Dienstleistungen
der Beförderung, Unterbringung oder andere touristische Dienstleistungen zu
einem Gesamtpreis erbracht werden. Dies ist bei den von der Beklagten
geschuldeten Beförderungsleistungen nicht der Fall, da die Beklagte nur die
Beförderung schuldete.
Demgegenüber stehen dem Kläger aber wegen der Schlechterfüllung des
Beförderungsvertrages neben dem Anspruch auf Minderung
Schadensersatzansprüche zu, wobei es letztlich dahinstehen kann, ob diese aus §
280 Abs. 1 BGB oder Art 19 MÜ herzuleiten sind, da auch das Montrealer
Übereinkommen dem Reisenden Schadensersatzansprüche zubilligt und die
Haftungshöchstbeträge in diesem Fall nicht überschritten sind. Die Beklagte ist für
die aufgrund der Verspätung entstandenen Schäden verantwortlich, da sich die
Gründe für die Verspätung in ihrer Sphäre ereignet haben. Sie haftet insoweit auch
für einen technischen Defekt des Flugzeuges, da sie im Rahmen des
Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien dafür zu sorgen hat, dass technisch
einwandfreie Flugzeuge zum Einsatz kommen.
Der Schadensersatzanspruch besteht zum einen in den Kosten, die der Kläger in
Folge der Flugverzögerung aufwenden musste. Die Fahrtkosten für seine
Heimreise und die Rückkehr zum Flughafen stellen einen adäquat kausalen
Schaden aus der Flugverzögerung dar, weil der Kläger berechtigt war, die Wartezeit
nicht auf dem Flughafen zu verbringen, sondern zu seiner Wohnung heimzufahren.
Unstreitig verzögerte sich der Hinflug um 11 Stunden. Für diese Zeit war es dem
Kläger nicht zuzumuten, am Flughafen in Köln zu verharren, wenn er in Köln wohnt.
Er ist auch nicht verpflichtet, Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen der
Beklagten anzunehmen, wenn er mit geringem Aufwand wieder nach Hause fahren
kann. Die Bestimmungen in Art 6 und 9 der VO (EG) Nr. 261/2004 vom 11.2.2004
zu Betreuungsleistungen sind eine Verpflichtung des Luftfahrtunternehmens,
jedoch keine Berechtigung nur diese Leistungen ausführen zu dürfen. Der Kläger
verletzt auch keine Schadensgeringhaltungspflicht, wenn er sich dafür entscheidet,
nicht die Betreuungsleistungen der Beklagten anzunehmen, sondern nach Hause
zu fahren, da die Heimreise und Rückkehr zum Flughafen mit geringem Aufwand
möglich ist. Die entstandenen Fahrtkosten, die der Kläger durch die Vorlage der
Quittungen belegt hat, die das Datum des Abfluges tragen (Anlagen K 4 und K 5
zur Klageschrift, Bl. 9 d. A.), sind nicht unverhältnismäßig hoch.
Der Kläger kann ferner Schadensersatz dafür verlangen, dass der Aufenthalt in der
gebuchten Unterkunft infolge der verzögerten Anreise nur eingeschränkt zur
Verfügung gestanden hat. Zu dem Schaden ist auch der Aufwand für Unterkunft
und Verpflegung zu rechnen, der infolge der Verzögerung nur eingeschränkt
genutzt werden konnte. Die Einbeziehung der Kosten für Reiseleistungen, die der
Kläger bei einem anderen Reiseveranstalter gebucht hat, ist nach Auffassung der
Kammer gerechtfertigt, weil der Kläger sonst schlechter gestellt wäre als wenn er
die gesamten Reiseleistungen bei der Beklagten gebucht hätte. Denn bei der
Buchung sämtlicher Leistungen bei einem Reiseveranstalter hätte sich der
Minderungsanspruch wegen der Verzögerung bei der Anreise auf den gesamten
Reisepreis bezogen. Allein der Umstand, dass der Kläger seine Reise bei einem
Internetanbieter gebucht hat, der die einzelnen Reiseleistungen bei
unterschiedlichen Reiseveranstaltern besorgt, darf nicht dazu führen, dass dem
Reisenden deswegen verminderte Ansprüche zustehen. Zwar mag der
Internetanbieter die Stellung eines Reisebüros einnehmen, das
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Internetanbieter die Stellung eines Reisebüros einnehmen, das
Leistungsbeziehungen zu einzelnen Reiseveranstalter vermittelt. Allerdings stellt
sich die Buchung des Reisenden als die Buchung einer Gesamtheit von
Reiseleistungen dar, da er Aufteilung der Reiseleistungen unter verschiedenen
Reiseveranstalter nicht veranlasst hat und auch nicht beeinflussen kann. Auf
dieser Grundlage gebietet ein effektiver Verbraucherschutz, die Kosten für andere
Reiseleistungen im Sinne von frustrierten Aufwendungen in die
Schadensberechnung einzubeziehen, wenn durch eine Schlechterfüllung einzelner
Reiseleistungen andere Reiseleistungen nicht mehr in vollem Umfang in Anspruch
genommen werden können.
Bei der Berechnung eines solchen Schadens können die Grundsätze, die für die
Berechnung einer Minderung zugrunde gelegt werden, herangezogen werden. Im
Falle der Verzögerung der Anreise entspricht es der ständigen Rechtsprechung der
Kammer, für jede über 4 Stunden hinausgehende Verzögerung eine Minderung
von 5 % des anteiligen Tagesreisepreises zuzusprechen. Diese Grundsätze sind
auch für die Berechnung des Schadens in diesem Fall anzuwenden, denn der
Kläger musste grundsätzlich damit rechnen, dass eine Verzögerung der Anreise
von 4 Stunden eintreten kann. Erst über diesen Zeitraum hinaus liegt eine
Beeinträchtigung des Aufenthalts am Urlaubsort vor.
Der anteilige Tagespreis für die Unterkunft beträgt 123,14 Euro (Reisepreis 862,–
Euro bei 7 Übernachtungen). Für eine relevante Verzögerung von 7 Stunden
beträgt der Schadensersatz 35 % des Tagesreisepreises. Die ergibt 43,10 Euro.
Weitergehende Ansprüche des Klägers sind auf dieser Grundlage unbegründet.
Ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 651 f Abs. 2 BGB, die der Kläger
hilfsweise begehrt, ist nicht begründet, weil für das Rechtsverhältnis zwischen den
Parteien kein Reiserecht gilt. Zudem wären die Voraussetzungen dieses
Anspruches nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer ohnehin nicht erfüllt,
da eine Entschädigung erst bei einer Minderung ab 50 % in Betracht kommt.
Die Kosten des Rechtsstreites in erster Instanz und des Berufungsverfahrens
waren in dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens der Parteien zu verteilen (§ 92
Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer
für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des
2. JuMoG vom 22.12.2006 nicht erreicht wird.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§
543 Abs. 2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.