Urteil des LG Frankfurt am Main vom 10.08.2007

LG Frankfurt: mängelrüge, bauarbeiten, entschädigung, hotel, minderung, provisorisch, reiseveranstalter, restaurant, abtretung, verfügung

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Gericht:
LG Frankfurt 24.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-24 S 263/06,
2/24 S 263/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651c BGB, § 651d Abs 2 BGB
Reisepreisminderungsanspruch: Wirkungen einer nicht
unmittelbaren Mängelrüge und Beweislast hinsichtlich einer
Abhilfemöglichkeit
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.09.2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H., Az. 2 C 1195/06 (15), teilweise wie folgt
abgeändert:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
2.493,– Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 14.01.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 31% und die
Beklagte zu 69% zu tragen.
Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Klägerin zu 38% und die
Beklagte zu 62% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO
abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des
Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen
Reisemängeln gemäß §§ 651 c I, 651 d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt
1.662,– Euro.
a.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass aufgrund der Bauarbeiten in
der Hotelanlage Reisemängel im Sinne von § 651 c I BGB vorgelegen haben.
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Diesbezüglich hat das Amtsgericht im unstreitigen Tatbestand folgende Tatsachen
festgestellt:
"Im Hotel fanden Renovierungsarbeiten statt. Es wurden Bungalows entkernt und
saniert. Im benachbarten Komplex 5 Meter von der Unterkunft der Klägerin
entfernt wurde tagsüber gearbeitet. Es war Hämmern, Sägen, Schleifen, Bohren
und Presslufthammer zu hören.
Im Restaurant wurden Wände, Buffetanrichten und Böden aufgebrochen und neu
gefliest. Gehwege wurden gestrichen, wodurch es zu Geruch kam. Ein Weg war
zwei Tage gesperrt. Die Spezialitätenrestaurants waren geschlossen und
provisorisch errichtet."
In den Entscheidungsgründen heißt es weiterhin:
"In dem der Unterkunft der Klägerin benachbarten Bungalowkomplex fanden
Abbrucharbeiten statt. Es wurden Treppen saniert, Türen erneuert und Fenster neu
eingebaut. Hierbei war Hämmern, Sägen, Schleifen, Bohren und Presslufthämmer
zu hören.
Auch im Restaurantbereich wurde gearbeitet. Die Restaurants waren aus diesem
Grund nur provisorisch in Betrieb. Das Buffet war mit Planen abgedeckt."
Hinsichtlich dieser genannten Reisemängel hat das Amtsgericht insgesamt für alle
diesbezüglichen Mängel eine Minderungsquote von 20% angenommen.
Nach einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände hält das
Berufungsgericht diese Minderungsquote von 20% ganz erheblich für zu gering
angesetzt.
Bereits die vom Amtsgericht festgestellten Bauarbeiten haben die Reise der
Klägerin im vorliegenden Einzelfall ganz massiv beeinträchtigt. Dabei ist aufgrund
der hier zugrunde zu legenden Feststellungen des Amtsgerichts zunächst zu
berücksichtigen, dass die Hotelanlage – jedenfalls teilweise – einer Baustelle glich.
Weiterhin ist es zu ganz erheblichen Lärmbeeinträchtigungen gekommen. Es
handelte sich auch nicht um geringfügige Bauarbeiten sondern um Bauarbeiten
von ganz erheblichem Ausmaß. Es fanden nämlich umfangreiche Entkernungs-
und Sanierungsmaßnahmen statt. Dabei ist auch maßgeblich zu berücksichtigen,
dass ein Schwerpunkt der Bauarbeiten im benachbarten Bungalowkomplex, der
nur fünf Meter von der Unterkunft der Klägerin entfernt lag, war. Diese Bauarbeiten
waren von einem entsprechenden Baulärm begleitet, so wie er im
amtsgerichtlichen Urteil festgestellt worden ist. Es ist offensichtlich, dass ein
Aufenthalt in der klägerischen Unterkunft tagsüber während der Reise aufgrund
der benachbarten Bauarbeiten ganz massiv beeinträchtigt gewesen ist.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fanden aber auch noch weitere
Bauarbeiten in der Hotelanlage statt. So unter anderem im Restaurant. Dort
wurden Wände, Buffetanrichten und Böden aufgebrochen und neu gefliest. Auch
dabei handelte es sich nicht nur um unbedeutende "Renovierungsmaßnahmen"
sondern um erhebliche lärmintensive Baumaßnahmen. Das Restaurant war aus
diesem Grund nur provisorisch in Betrieb. Das Buffet war mit Planen abgedeckt.
Weiterhin waren nach den Feststellungen des Amtsgerichts die
Spezialitätenrestaurants geschlossen und provisorisch errichtet.
Auch dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise der Klägerin dar.
Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin ein von der Beklagten
mit 5N bewertete Hotelanlage gebucht hat. Es ist gerichtsbekannt, dass eine
Bewertung mit 5N durch die Beklagte bedeutet, dass es sich um ein Hotel der
obersten Kategorie handelt. Ein Restaurantbereich, wie er hier von der Klägerin
vorgefunden worden ist, entspricht nicht annähernd dem Standard wie er bei
einem 5N-Hotel erwartet werden kann.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des Amtsgerichts
Gehwege gestrichen worden sind und es dadurch zu Geruch gekommen ist.
Nach einer Gesamtabwägung hält das Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall
für die oben genannten Mängel eine Minderungsquote von insgesamt 50% für
angemessen.
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Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass die Klägerin auch im Hinblick
auf den Mitreisenden ... bzgl. der Minderung aktivlegitimiert ist. Es handelte sich
nämlich um eine sog. Familienreise. Herr ... ist der Lebensgefährte der Klägerin.
Dies dokumentierte sich nach außen auch darin, dass die Klägerin und Herr ...
gemeinsam eine Junior-Suite buchten.
Bei einem Gesamtreisepreis von 3.324,– Euro für zwei Personen ohne
Versicherungsleistungen ergibt sich bei einer Minderungsquote von 50% für die
gesamte Reisezeit ein Minderungsbetrag von 1.662,– Euro.
b.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass vorliegend die Minderung
weder ganz noch teilweise gem. § 651 d II BGB ausgeschlossen ist.
Insbesondere kann die Klägerin vorliegend den Minderungsanspruch für die
gesamte Reisezeit geltend machen.
Selbst wenn man vorliegend unterstellt, dass die Klägerin die eben genannten
Reisemängel tatsächlich erst am 07.12.2005 gerügt und Abhilfe verlangt hat,
verbleibt es dabei, dass die Klägerin einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des
Reisepreises in Höhe von 1.662,– Euro gemäß §§ 651 c I, 651 d I, 638 III und IV BGB
hat.
Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. zum Ganzen Beschluss der Kammer
vom 04.05.2007; Az. 2-24 S 46/07 und Urteil der Kammer vom 27.07.2007; Az. 2-
24 S 215/06) kann der Reisende grundsätzlich erst dann eine Minderung des
Reisepreises wegen des Vorliegens von Mängel geltend machen, wenn er zuvor
den Mangel gerügt hat, § 651 d II BGB.
Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, den Reiseveranstalter davon in Kenntnis
zu setzen, dass sich der Reisende von vorliegenden Reisemängeln beeinträchtigt
fühlt, und ihm zunächst Gelegenheit zur Abhilfe zu geben.
Weiterhin gilt nach der Rechtsprechung der Kammer, dass wenn zu spät,
insbesondere unmittelbar vor Ende der Reise, gerügt wird und dann eine Abhilfe
nicht mehr erfolgen kann, eine Minderung entfällt.
Allerdings kann sich eine nicht unmittelbare Mängelrüge auch auf den vor der
Mängelrüge liegenden Zeitraum beziehen, wenn eine Abhilfe zu einem früheren
Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre. Dann tritt die Minderung ab Vorliegen des
Reisemangels ein.
Behauptet der Reisende, eine Abhilfe sei auch zu einem früheren Zeitpunkt nicht
möglich gewesen, so muss der Reiseveranstalter dartun und beweisen, dass er bei
rechtzeitiger Mängelanzeige zur Abhilfe in der Lage gewesen wäre. Dies ist
grundsätzlich anzunehmen, wenn der Reiseveranstalter zum Zeitpunkt der
tatsächlichen Mängelrüge in der Lage gewesen ist, Abhilfe zu schaffen. Hat der
Reiseveranstalter zum Zeitpunkt der tatsächlichen Mängelrüge keine Abhilfe
schaffen können, bedarf es eines konkreten Sachvortrags seitens des
Reiseveranstalters, dass bei einer frühzeitigen Mängelrüge eine Abhilfe möglich
gewesen und auch erfolgt wäre.
Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand ist jedoch nicht davon auszugehen,
dass die Beklagte als Reiseveranstalterin in der Lage gewesen wäre, eine wirksame
Abhilfe zu schaffen, auch wenn die Klägerin sofort die Mängel gerügt hätte.
Jedenfalls hat die Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich eine Möglichkeit der
gleichwertigen Abhilfe bei einer sofortigen Mängelrüge substanziiert behauptet. Die
Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, welche konkreten Abhilfemaßnahmen sie
angeboten hätte, wenn sofort gerügt worden wäre.
Die Beklagte hat aber auch nicht substanziiert dargelegt, dass im Zeitpunkt der
tatsächlichen Mängelrüge am 07.12.2005 eine wirksame Abhilfe möglich gewesen
ist. Insbesondere hat die Beklagte noch nicht einmal ansatzweise vorgetragen,
dass das Hotel, welches als Abhilfe angeboten worden ist, dem ursprünglich
gebuchten Hotel gleichwertig war. Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen, dass die
Reiseleitung vor Ort kein konkretes Hotel und dessen Ausstattung oder auch Lage
benennen konnte. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch das
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benennen konnte. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch das
Amtsgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, wohin
der angebotene Umzug hingehen sollte.
Wenn aber eine Rüge zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem noch ausreichend Zeit
für eine Abhilfe zur Verfügung steht – wie es hier der Fall war, da die Klägerin und
ihr Lebensgefährte zum Zeitpunkt der unstreitigen Rüge noch knapp eine Woche
Urlaub hatten – aber dennoch von der beklagten Reiseveranstalterin keine
ausreichenden Abhilfemaßnahmen angeboten bzw. veranlasst werden, fehlt es an
jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagten als Reiseveranstalterin im Falle
einer unmittelbaren Rüge andere Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung gestanden
haben.
Aus diesem Grund ist in diesem Fall auch selbst ohne einen entsprechenden
Einwand des Reisenden die beklagte Reiseveranstalterin gehalten, darzulegen und
zu beweisen, dass sie anders als im Zeitpunkt der tatsächlichen späteren Rüge im
Falle einer unmittelbaren Rüge zur Abhilfe in der Lage gewesen wäre, da
beispielsweise im Falle einer unmittelbaren Rüge ein gleichwertiger
Zimmerwechsel bzw. ein Hotelwechsel noch möglich gewesen wäre.
Wie dargestellt, ist dies hier nicht der Fall gewesen.
Danach ist der Minderungsanspruch der Klägerin weder ganz noch teilweise gem. §
651 d II BGB ausgeschlossen.
2.
a.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus eigenem Recht einen Anspruch auf
Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß §
651 f II BGB in Höhe von 831,– Euro.
Die Voraussetzungen eines entsprechenden Entschädigungsanspruchs gemäß §
651 f Abs. 2 BGB liegen vor.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist eine Reise im Sinne von § 651 f II
BGB jedenfalls dann erheblich beeinträchtigt, wenn Reisemängel vorliegen, die
eine Minderungsquote von mindestens 50% rechtfertigen.
Dies ist wie oben dargelegt hier der Fall gewesen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer wurde eine Entschädigung
gemäß § 651 f II BGB anhand pauschaler Tagessätze berechnet.
Zwar wurde diese Berechnungsweise vom Bundesgerichtshof nicht als unzulässig
angesehen, jedoch hält die Kammer im Hinblick auf die nunmehrige
Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1047 ff.) an dieser Berechnungsweise der
Entschädigung nach § 651 f II BGB nicht mehr fest (vgl. Urteil der 24. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.02.2006, Az.: 2-24 S 118/05).
Nach der nunmehrigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab
für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f II BGB auf den Reisepreis
abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen
hat.
Diesbezüglich ist hier auf den Reisepreis nur bzgl. der Klägerin von 1.662,– Euro
abzustellen. Bei dem Anspruch nach § 651 f II BGB handelt es sich nämlich um
einen höchstpersönlichen Anspruch, der nur dem jeweiligen betroffenen Reisenden
zusteht.
Insbesondere angesichts des Umstands, dass vorliegend Reisemängel vorgelegen
haben, die eine Minderungsquote von 50% gerechtfertigt haben, hält das
Berufungsgericht nach einer Gesamtwürdigung eine Entschädigung in Höhe des
hälftigen auf die Klägerin entfallenden Reisepreises (1.662,– Euro), nämlich 831,–
Euro, für angemessen und ausreichend.
b.
Weitere Entschädigungsansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude aus
abgetretenem Recht kommen dagegen nicht in Betracht.
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Vorliegend kann die Klägerin den Entschädigungsanspruch wegen vertanen
Urlaubs gem. § 651 f II BGB, der ihrem Lebensgefährten als höchstpersönlicher
Anspruch zusteht, nicht erfolgreich geltend machen.
Der Vortrag der Klägerin zu der behaupteten Abtretung dieses Anspruchs durch
ihren Lebensgefährten Herrn ... an sie ist unsubstanziiert.
Die Klägerin hat die näheren Umstände, insbesondere den Zeitpunkt, der
Abtretung nicht dargelegt. Bereits die Beklagte hat mehrfach ausgeführt, dass
eine Abtretung nicht substanziiert dargetan worden ist. Aufgrund der
offensichtlichen Unsubstanziiertheit und der Hinweise der Beklagten bedurfte es
vorliegend auch keines weiteren Hinweises des Gerichts.
Insgesamt ergibt sich aufgrund obiger Ausführungen ein Zahlungsanspruch der
Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 2.493,– Euro.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht
vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.