Urteil des LG Essen vom 07.02.2002

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Landgericht Essen, 10 S 441/01
Datum:
07.02.2002
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 441/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.09.2001 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Dorsten (Az.: 21 C 244/01) abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger
1.028,18 EUR (i.W.: eintausendachtundzwanzig und 18/100 Euro) nebst
12,5 % Zinsen seit dem 16.04.2001 zu zahlen
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall vom 19.08.2000 auf der Straße "An der
Wienbecke" in Dorsten ein Anspruch auf Ersatz eines Viertels seines Schadens zu. Die
Beklagten haften unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr des von der Beklagten zu
1) gesteuerten Fahrzeugs des Beklagten zu 2), das bei der Beklagten zu 3)
haftpflichtversichert ist (§§ 7, 17, 18 StVG, § 3 PflVG, § 3 StVO). Der Führer eines
Kraftfahrzeugs darf gemäß § 3 StVO nur mit einer solchen Geschwindigkeit fahren, dass
er sein Fahrzeug innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Dabei muss er
auch mit unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn rechnen. Das gilt auch auf
Fernstraßen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 3 Rdn. 14 u. 15
m.w.N.; BGH in VRS 33, Seite 368). Gegen diesen Grundsatz des auf "Fahren auf Sicht"
hat die Beklagte zu 1) hier verstoßen. Nur so ist es erklärlich, dass sie auf das
unbeleuchtete Hindernis, das der Kläger gesetzt hat, aufgefahren ist. Bei einem
ordnungsgemäß eingestellten Lampenkörper reicht das Abblendlicht bei
asymmetrischem Licht in der Regel bis zu 75 m (vgl. BGH a.a.O.). Die Beklagte zu 1)
hätte ihr Fahrverhalten so einrichten müssen, dass sie vor einem in diesem Bereich
auftauchenden Hindernis hätte anhalten können. Nach ihren eigenen Angaben hätte sie
das auch tun können. Sie selbst spricht von einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h, die
sie gefahren sein will. Selbst wenn man der Beklagten zu 1) hier zu ihren Gunsten eine
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"Schrecksekunde" von einer Sekunde zubilligen würde, so würde sie in dieser Zeit
einen Bereich von 19,44 m zurückgelegt haben. Unter Hin- zufügung sodann noch -
auch zu ihren Gunsten - einer Bremsansprech- und Reaktionszeit von 0,8 Sekunden
würde sie einen weiteren Weg von 15,55 m zurückgelegt haben. Damit hätte sie
insgesamt eine Strecke von 34,99 m zurückgelegt, bis der eigentliche Bremsvorgang
beginnt. Damit hatte sie für den eigentlichen Bremsvorgang noch einen Weg von 40,01
m. Bei einer - wiederum zu Gunste der Beklagten zu 1) - angenommenen
Bremsverzögerung von nur 5 m/Sek.² hätte dann der reine Bremsweg 37,8 m betragen.
Diese Berechnung zeigt, dass die Beklagte zu 1) bei sorgfältiger Fahrweise durchaus
ihr Fahrzeug noch hätte anhalten können. Damit war der Unfall für sie auf jeden Fall
nicht unvermeidbar. Der Kläger hat zwar durch sein unbeleuchtetes Fahrzeug das
Hindernis gesetzt. Vorliegend kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die
Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch ein hohes Verschulden des klägerischen
Fahrers zurücktritt.
Da die Beklagte zu 1) hier auch schuldhaft gegen das Gebot "Fahren auf Sicht"
verstoßen hat, ist der Haftungsanteil der Beklagten in Höhe von mindestens 25 %
gerechtfertigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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