Urteil des LG Essen vom 15.11.2007

LG Essen: culpa in contrahendo, zuschlagserteilung, geheimer vorbehalt, vergabeverfahren, ausschreibung, chancengleichheit, vergütung, datum, anpassung, auftragsvergabe

Landgericht Essen, 4 O 168/07
Datum:
15.11.2007
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 168/07
Normen:
§ 19 Nr. 3, § 24 Nr. 3, § 25 Nr. 1 (1) Lit. a VOB/A
Sachgebiet:
Sonstiges
Rechtskraft:
nein
Tenor:
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2007
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E., die Richterin am
Landgericht C. und den Richter Dr. N.
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
1
Die Beklagte schrieb mit kartellvergaberechtlicher Bekanntmachung vom 5.7.2005
(Anlage K2) den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn 1 von km 269 bis zu den
Tank- und Rastanlagen Münsterland europaweit aus. Das Bietverfahren sah vor, dass
Angebote bis zum 25.8.2005 (ursprünglich: 18.8.2005) einzureichen sein sollten,
verbunden mit einer auf den 30.11.2005 bestimmten Bindefrist. An diesem Tage sollte
auch die Zuschlagsfrist ablaufen (vgl. vorformuliertes Angebotsschreiben Anlage K3).
Zum Auftragsinhalt bestimmten die Ausschreibungsunterlagen in Ziffer 2 der
Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K4), dass das Gesamtprojekt spätestens 12
Werktage nach Zuschlagserteilung begonnen und 445 Werktage nach
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Zuschlagserteilung beendet sein sollte. Ein kalendergenauer Anfangs- und Endtermin
war nicht festgelegt; die entsprechenden Formularfelder waren freigelassen.
Auf dieser Grundlage gab die Klägerin am 24.8.2005 mit auf den 30.11.2005 bestimmter
Bindefrist ein Angebot über die ausgeschriebenen Arbeiten zu einer Angebotssumme
von rund 11 Mio. EUR ab (Anlage B1). Aufgrund Verzögerungen bei der Bereitstellung
von Haushaltsmitteln wurde über den Zuschlag jedoch zunächst nicht innerhalb der auf
den 30.11.2005 bestimmten (Binde- und Zuschlags-) Frist entschieden. Die Beklagte
wandte sich daher mit Schreiben vom 15.11.2005 an alle Bieter und bat um
Verlängerung der Bindefrist um 4 Monate bis zum 31.3.2006 (Anlage K5). Die Klägerin
erklärte sich mit der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist am 28.11.2005
einverstanden (Anlage K6).
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Am 29.12.2005 benachrichtigte die Beklagte gem. § 13 VgV alle Teilnehmer des
Bietverfahrens, dass die Klägerin das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und
daher den Zuschlag erhalten solle (Anlage K7). Daraufhin wurde durch einen
unterlegenen Bieter ein Nachprüfungsverfahren vor der VK Münster in Gang gesetzt,
welches am 10.2.2006 durch Antragsrücknahme endete.
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Am 14.2.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin den Zuschlag (Zuschlagsschreiben vom
13.2.2006, Anlage K8). Hierauf reagierte die Klägerin durch das aus Anlage B3
ersichtliche Bestätigungsschreiben vom 17.2.2006, welches zugleich eine
Mehrkostenanmeldung enthielt. Zur Begründung führte sie aus, dass ihre Kalkulation
einen Beginn der Arbeiten spätestens Mitte Dezember 2005 vorgesehen habe. Wegen
der verzögerten Auftragserteilung entstünden erhebliche Mehrkosten, die sobald wie
möglich beziffert würden.
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In der Folge machte die Klägerin mit der 5. bis 8. und 10. bis 12. Abschlagsrechnung
Mehrkosten für bituminöses Mischgut, Verkehrssicherungsarbeiten, Schüttgüter und
Betonteile geltend. Nach dem Stand der 12. Abschlagsrechnung beziffert die Klägerin
diese Mehrkosten auf insgesamt 1.318.029,22 EUR.
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Sie ist der Auffassung, der Anspruch auf Zahlung von Mehrvergütung sei verankert "in
den gegenseitigen Kooperationspflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung
des Umstands, dass sich wegen der Vergabeverzögerung die dem Vergabeverfahren
nach der Vorstellung der Beteiligten zugrunde liegenden Umstände überholt haben".
Das Vergabeverzögerungsrisiko trage nämlich die Beklagte. Dogmatisch zutreffend sei
Grundlage des Anspruchs "der Wegfall einer Geschäftsgrundlage im formstrengen
Vertragsanbahnungsverfahren nach dem Kartellvergaberecht". Für die Ermittlung des
Anspruchs der Höhe nach sei auf § 2 Nr. 5 VOB/B abzustellen. Vor diesem Hintergrund
sei die Beklagte zur Zahlung der Mehrkosten nebst Verzugszinsen – zeitlich jeweils
bezogen auf die einzelnen Abschlagsrechnungen – verpflichtet.
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Die Klägerin beantragt mit ihrer der Beklagten am 31.5.2007 zugestellten Klage,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von € 1.318.029,22 nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie Zinsen gemäß § 288
BGB aus - €204.962,72 seit dem 30.8.2006 bis zum 29.9.2006, - € 396.064,16
seit dem 30.09.2006 bis zum 24.10.2006, - € 418.350,68 seit dem 25.10.2006
bis zum 29.11.2006, - € 428.832,54 seit dem 30.11.2006 bis zum 12.03.2007, -
9
€ 974.167.29 seit dem 13.03.2007 bis zum 29.03.2007, - € 1.043.378,40 seit
dem 30.03.2007 bis Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne Vergütung nur nach Maßgabe ihres im
Bieterwettbewerb ursprünglich abgegebenen Angebotes verlangen. Für Ansprüche auf
Zahlung von Mehrvergütung sei eine Grundlage nicht ersichtlich.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den durch konkludente
Bezugnahme vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist nicht begründet.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Mehrkosten infolge verzögerter
Zuschlagserteilung, sondern lediglich Anspruch auf Zahlung der Vergütung gemäß
Angebot vom 24.8.2005. Auf dieses Angebot hin ist nämlich durch Zuschlag vom
14.2.2006 ein Vertrag über die Ausführung der Bauleistungen zustande gekommen.
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a) Das gemäß § 19 Nr. 3 VOB/A zunächst im Sinne von § 148 BGB auf den 30.11.2005
befristete Angebot vom 24.8.2005 konnte durch Zuschlag am 14.2.2006 angenommen
werden, weil die Klägerin sich durch Schreiben vom 28.11.2005 mit der Verlängerung
der Bindefrist bis zum 31.3.2006 einverstanden erklärt hatte.
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Der Zuschlag erfolgte dabei auf das ursprüngliche Angebot. Denn die Klägerin hatte
einer Verlängerung der Bindefrist vorbehaltlos zugestimmt. Eine den Inhalt des
Angebots abändernde oder auch nur relativierende Interpretation der
Zustimmungserklärung verbietet sich, weil ein Vorbehalt wegen des
Nachverhandlungsverbotes des § 24 Nr. 3 VOB/A und des zwingenden
Ausschlussgrundes für verspätete Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A nicht
hätte erklärt werden dürfen (vgl. nur BayObLG, NZBau 2002, 689).
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Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, eine ohne ausdrücklichen Vorbehalt erklärte
Zustimmung zur Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist dahingehend auszulegen,
sie schaffe – letztlich doch in Abänderung des Angebots – "lediglich eine
Vertrauensgrundlage für den Auftraggeber, dass der Bieter weiterhin bereit ist, den
Auftrag entsprechend seinem Angebot auszuführen, soweit sich dessen Grundlagen
nicht nachweislich geändert haben" (so aber OLG Hamm, NJW-RR 2007, 819, 820). Es
ist vielmehr im Gegenteil unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens
treuwidrig, einen Vorbehalt, den man im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht hätte
erklären dürfen, nach Abschluss desselben geltend zu machen. Dies zumal ein etwaiger
geheimer Vorbehalt unbeachtlich ist (vgl. § 116 BGB).
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b) Der Zuschlag vom 14.2.2006 stellt auch keine Annahme des Angebots der Klägerin
unter Änderungen dar, was nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem
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neuen Antrag gilt. Allerdings wird eine derartige Konstellation im Bauvertragsrecht im
Falle zeitlich verzögerter Auftragsvergabe angenommen, wenn das ursprüngliche
Angebot nach dem Kalender bestimmte Ausführungsfristen enthält und mit dem
Zuschlag infolge der zeitlichen Verzögerung eine neue Bauzeit festgelegt wird (BGHZ
162, 259 = NJW 2005, 1653, 1655; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 819). So liegt der Fall
hier jedoch nicht.
Vorliegend bestimmte die Beklagte mit der Zuschlagserteilung nämlich keine vom
Angebot der Klägerin abweichenden Ausführungsfristen. Hierzu bestand auch keine
Veranlassung, da die Ausführungsfristen nach dem Inhalt des Angebotes der Klägerin
vom Zeitpunkt der Zuschlagserteilung – hier dem 14.2.2006 – an zu berechnen waren.
So war unter Ziffer 2 der Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage K4), die Grundlage
des Angebots waren, lediglich bestimmt, dass die Arbeiten spätestens 12 Werktage
nach Zuschlagserteilung beginnen und spätestens 445 Werktage nach
Zuschlagserteilung beendet sein sollten. Die für die Angabe genauer Daten
vorgesehenen Formularfelder "frühestens" bzw. "spätestens am … (Datum)" enthielten
demgegenüber keine Eintragungen. Ein fester Anfangs- oder Endtermin war danach
nicht Angebotsinhalt. Vielmehr waren die Bauzeiträume variabel, abhängig lediglich
vom Zeitpunkt der Zuschlagserteilung. Dieser aber war nach dem Inhalt des
klägerischen Angebotes terminlich unbestimmt.
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Zur terminlichen Bestimmung des Zeitpunktes der Zuschlagserteilung im Sinne eines
letztmöglichen Zuschlagszeitpunktes kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
auf die ursprünglich auf den 30.11.2005 bestimmte Zuschlagsfrist abgestellt werden: Die
Zuschlagsfrist erfüllt im Rahmen eines Vergabeverfahrens lediglich eine
verfahrenstechnische Funktion. Während die Regelung des § 11 VOB/A über
Vertragsfristen den Inhalt des Auftrags im Blick hat, betrifft die Bestimmung des § 19
VOB/A über die Zuschlagsfrist das Procedere der Auftragserteilung (vgl. BayObLG,
NZBau 2002, 689, 690). Dementsprechend ist anerkannt, dass die Zuschlags- und
Bindefrist – anders als der Inhalt der abgegebenen Angebote, vgl. § 24 Nr. 3 VOB/A –
auch im Verlaufe eines Vergabeverfahrens noch einvernehmlich verlängert werden
kann (vgl. nur OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 578; BayObLG, NZBau 2000, 49; Weyand,
ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 19.11.2007, § 19 VOB/A, Rz. 4942 m.w.N.).
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Natürlich ist es nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen möglich, dass im Einzelfall
nach dem Inhalt des jeweiligen Angebots ein Zusammenhang zwischen
verfahrensbezogener Zuschlagsfrist und der Ausführungsfrist besteht. Anders jedoch
vorliegend: Denn wie bereits dargelegt waren nach Ziffer 2 der Besonderen
Auftragsbedingungen fixe Anfangs- oder Endtermine für die Bauausführung gerade
nicht vorgesehen, obwohl derartige Termine – hätte man einen Konnex herstellen
wollen – in Abhängigkeit von der ursprünglichen Zuschlagsfrist problemlos hätten
berechnet und angegeben werden können.
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2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B. Die Voraussetzungen
dieser Bestimmung sind schon deshalb nicht dargetan, weil die Bauzeit Gegenstand der
vertraglichen Vereinbarung war. Eine Leistungsbestimmung der Beklagten scheidet
damit von vornherein aus.
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Auch eine entsprechende Anwendung von § 2 Nr. 5 VOB/B überzeugt nicht. Sie
begegnet bereits grundsätzlichen Bedenken, weil die Bestimmungen der VOB/B
mangels Rechtsnormqualität nicht analogiefähig sind. Darüber hinaus besteht jedenfalls
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vorliegend in Anbetracht der individualvertraglich ausgehandelten Bauzeitenregelung
auch kein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung. Insoweit unterscheidet sich
der zur Entscheidung anstehende Fall grundlegend von solchen Fällen, in denen der
Bauvertrag seinem Inhalt nach auf eine überholte Ausführungszeit gerichtet ist und
daher insoweit der Anpassung bedarf (so im Falle von BayObLG, NZBau 2002, 689 ff.;
OLG Jena, NZBau 2005, 341 ff.).
3. Schließlich kommt auch keine Anpassung der durch die Beklagte nach Maßgabe des
Angebots vom 24.8.2005 geschuldeten Vergütung nach den Grundsätzen über den
Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Für die Möglichkeit, eine
Vertragspflicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls oder der Änderung der
Geschäftsgrundlage an die veränderten Verhältnisse anzupassen, ist nur unter ganz
eng begrenzten Voraussetzungen Raum. So hat die Rechtsprechung seit jeher daran
festgehalten, dass der das gesamte Schuldrecht beherrschende Grundsatz der
Vertragstreue nur dann zurücktreten muss, wenn anders ein untragbares, mit Recht und
Gerechtigkeit schlechthin unvereinbares Ergebnis nicht zu vermeiden wäre (vgl etwa
BGH, NJW 1958, 1772; BGH, NJW 1974, 1186, NJW 1977, 2262; BGH, NJW-RR 1993,
881; jeweils m.w.N.). Insbesondere sind Umstände, die nach dem Vertragszweck
erkennbar in den Risikobereich nur des einen Vertragsteiles fallen, nicht geeignet, dem
hierdurch betroffenen Vertragsteil eine Berufung auf den Wegfall der
Geschäftsgrundlage zu ermöglichen.
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So aber liegt der Fall hier. Denn das Risiko von Preissteigerungen für die zu
erbringende Sachleistung fällt in die Sphäre der Klägerin als Sachleistungsschuldnerin.
Der Umstand allein, dass die Klägerin durch eine Veränderung der kalkulatorischen
Grundlagen des Auftrags wirtschaftlich ungünstiger gestellt ist, als sie bei
Angebotsabgabe erwartet hatte, gibt nicht die Befugnis, gemäß § 313 BGB in den
geschlossenen Vertrag rechtsgestaltend einzugreifen. Wollte man es für zulässig halten,
einen Vertrag allein wegen einer Verzögerung des Vergabeverfahrens aus
Billigkeitserwägungen umzugestalten, würde dies zu einer für das öffentliche
Auftragswesen untragbaren Unsicherheit führen.
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Auch Besonderheiten des Kartellvergabeverfahrens rechtfertigen keine andere Wertung:
Ein allgemeines Vergabeverzögerungsrisiko, welches der Sphäre des öffentlichen
Auftraggebers zuzuordnen wäre, gibt es nicht. Ein solches Risiko lässt sich zunächst
nicht aus dem das Vergaberecht nach § 97 Abs. 2 GWB prägenden Gebot der
Gleichbehandlung aller teilnehmenden Bieter ableiten. Es mag infolge
Vergabeverzögerung im Einzelfall vorkommen, dass der zunächst bestplatzierte Bieter
aus dem Wettbewerb ausscheidet, weil er die seinem Angebot zugrunde liegende
Kalkulation nicht mehr halten kann. Dies beeinträchtigt die Chancengleichheit der
Wettbewerber – vom Sonderfall missbräuchlicher Verzögerung abgesehen – jedoch
nicht (so aber OLG Jena, NZBau 2005, 341, 344): Das Risiko der Vergabeverzögerung
trifft alle Teilnehmer eines Vergabeverfahrens gleichermaßen; sofern es sich wegen
eines durch einen Mitbieter angestrengten Nachprüfungsverfahrens realisiert, ist es dem
Vergabeverfahren nach dem Rechtsschutzsystem des GWB sogar immanent. Es wäre
vor diesem Hintergrund umgekehrt ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit
im Vergabeverfahren, wenn infolge Vergabeverzögerung einem einzigen Bieter das
Recht zu Nachverhandlungen zugestanden würde. Außerdem darf nicht außer Acht
bleiben, dass eine Vergabeverzögerung aus Sicht des bestplatzierten Bieters nicht nur
Risiko, sondern auch Chance sein kann: Verschiebt sich etwa die Ausführungszeit
eines Bauvorhabens in eine Schönwetterperiode, ist dies häufig mit nicht unerheblichen
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Minderkosten verbunden. Gleichwohl steht hier weder dem Auftraggeber noch einem
Mitbewerber das Recht zu Nachverhandlungen zu. Auch dies stellt keine
Beeinträchtigung der Chancengleichheit im Vergabeverfahren dar.
Im Übrigen wäre bei anderer Beurteilung für den Auftraggeber entgegen der
Vergabezentralnorm des § 97 Abs. 5 GWB völlig unkalkulierbar, welches der
eingereichten Angebote bei Erteilung des Zuschlags das Wirtschaftlichste ist. Würde
dem bestplatzierten Bieter ein Anspruch auf Vertragsanpassung allein infolge
Vergabeverzögerung zugebilligt, wäre der Auftraggeber damit letztlich gezwungen,
einen Vertrag zu unbekannten Konditionen abzuschließen. Dies obwohl er sich zuvor
hat versichert lassen, dass der bezuschlagte Bieter an seinem Angebot unverändert
festhalte.
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Es kommt hinzu, dass ein derartiger Zwang zum Vertragsschluss sowohl der
Zivilrechtsordnung im Allgemeinen als auch dem Vergabeverfahren im Besonderen
fremd ist: Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die
Ausschreibung das Stadium im Vorfeld der Auftragsvergabe betrifft, in dem es dem
Auftraggeber nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen unbenommen bleiben
muss, von der Vergabe des in Aussicht genommenen Auftrags abzusehen. Ein
allgemeiner Anspruch auf Zuschlagserteilung kann der VOB/A nach Wortlaut und
Regelungszusammenhang selbst dann nicht entnommen werden, wenn der
Auftraggeber die Ausschreibung nicht nach § 26 VOB/A aufheben kann (BGHZ 139, 259
= NJW 1998, 3636, 3638 f.; BGH, NZBau 2003, 168; BGH, NZBau 2003, 293, 294;
zustimmend etwa Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 16. Auflage 2007, § 26 VOB/A
Rn. 4). Die hiernach anerkannte Vertragsfreiheit des Auftraggebers aber würde
weitgehend entwertet, wollte man einem Bieter trotz vorbehaltloser Zustimmung zur
Bindefristverlängerung ein Recht auf nachträgliche Vertragsanpassung zubilligen.
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Allerdings darf der Teilnehmer bei einer öffentlichen Ausschreibung darauf vertrauen,
dass er eine realistische Chance auf eine Amortisation seiner oft sehr erheblichen
Aufwendungen zur Ausarbeitung eines sorgfältig kalkulierten Angebots hat (BGH, NJW
1998, 3636, 3637). Die Verletzung dieses Vertrauens rechtfertigt jedoch nicht die
Annahme eines allgemeinen "Vergabeverzögerungsrisikos" in der Sphäre des
öffentlichen Auftraggebers (so aber BayObLG, NZBau 2002, 689, 690 f.; OLG Jena,
NZBau 2005, 341, 344). Sie bildet nämlich nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (NJW 1998, 3636 ff.) lediglich den maßgeblichen Grund für die
regelmäßig auf das negative Interesse gerichtete Ersatzpflicht des Ausschreibenden
nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 311, 280 Abs. 1 BGB). Und auch
diese Haftung greift nur dann, wenn sich außerhalb der Vergabebestimmungen
liegende Risiken realisieren – so vorliegend der Umstand, dass die Beklagte das
Vorhaben ohne Sicherstellung der erforderlichen Finanzierung ausgeschrieben hat.
Hätte die Klägerin daher vorliegend die infolge mangelnder Finanzierung eingetretene
Vergabeverzögerung zum Anlass genommen, aus dem Bietverfahren auszuscheiden,
hätte sie mitunter einen Anspruch auf Ersatz der im Vertrauen auf ordnungsgemäße
Ausschreibung gemachten Aufwendungen gehabt. Diesen Weg hat die Klägerin jedoch
nicht beschritten, sondern sich stattdessen vorbehaltlos an ihr Angebot über den
30.11.2005 hinaus bis zum 31.3.2006 gebunden. Damit aber hat sie gegenüber der
Beklagten zum Ausdruck gebracht, das Risiko innerhalb der Bindefrist auftretender
Preissteigerungen zu übernehmen. Hieran muss sie sich nach allgemeinen
zivilrechtlichen Grundsätzen festhalten lassen.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Vollstreckbarkeitsausspruch auf §
709 ZPO.
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