Urteil des LG Essen vom 20.09.2004

LG Essen: internationale zuständigkeit, erfüllungsort, tschechische republik, örtliche zuständigkeit, materielles recht, fax, kuba, papiere, fass, tschechien

Landgericht Essen, 18 O 547/03
Datum:
20.09.2004
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 O 547/03
Normen:
§ 23 ZPO
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
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Mit Fax vom 24.02.2003 bestellte der Kläger bei der Beklagten 10.000 Neufässer mit
einer Blechstärke von 0,8 mm aus Eisen. Die Beklagte bestätigte den Auftrag mit Fax
vom 25.02.2003 und fertigte 5.189 Stück Fässer, die von Tschechien über Vlissingen
nach Kuba zum Kunden des Klägers verschifft wurden. Weitere 2.623 Fässer fertigte der
Kläger selbst und versandte sie ebenfalls nach Kuba. Am 03.06.2003 rügte der
kubanische Käufer dem Kläger gegenüber, weil die Wandstärke nur 0,65 bis 0,71 mm
betrage und minderte deshalb den Kaufpreis um 5,6 Euro je Fass. Auf die von der
Klägerin gefertigten 5.189 Fässer entfällt mithin ein Minderungsbetrag von 29.058,40
Euro.
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Der Kläger behauptet, die zu dünnwandigen Fässer seien nicht wie vorgesehen zur
Lagerung von Saftkonzentraten, sondern nur von einfachen Säften geeignet und sie
könnten auch nicht, wie beabsichtigt, in sechs Lagen übereinander gestapelt werden.
Eine sofortige Aufforderung des Klägers zur Nacherfüllung habe die Beklagte
zurückgewiesen, so dass die Setzung einer Frist nicht erforderlich gewesen sei.
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Der Kläger meint, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei gegeben, da
die Parteien in Deutsch korrespondiert hätten. Außerdem enthalte seine Bestellung vom
24.02.03 am Seitenende den Zusatz "Erfüllungsort für Lieferungen und Zahlungen ist
Bottrop".
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 29.058,40 € nebst 12 % Zinsen seit dem 19.08.2003
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zu zahlen.
Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und
beantragte im Übrigen, die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die Faxbestellung des Klägers vom 24.02.03 sei ohne die Fußzeile mit
dem Text " Erfüllungsort für Lieferungen und Zahlungen ist Bottrop" bei ihr eingegangen.
Da die Ware zum Preis von 12,50 € pro Fass "............." habe geliefert werden sollen, sei
individualvertraglich Vlissingen als Erfüllungsort vereinbart. Dass außerdem
vorgesehen gewesen sei, dass die Fahrzeuge in Bottrop neue Papiere übernehmen
sollten, begründe dort keinen Erfüllungsort.
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In der Sache behauptet die Beklagte, sie habe über Vlissingen lediglich 4.293 Fässer
geliefert, der Kläger weitere 2.622. Sie bestreitet, dass die von ihr gefertigten Fässer
Wandstärken von 0,65 bis 0,71 mm gehabt hätten und diejenigen, die der Kläger
geliefert hat, 0,8 mm. Bei den in Kuba vorgenommenen Stichproben seien
möglicherweise nur Fässer aus der Lieferung des Klägers kontrolliert worden. Die
Beklagte bestreitet ferner die fehlende Eignung der Fässer für den von dem Kunden
verfolgten Zweck. Ein sechslagiges Stapeln sei in jedem Fall verboten. Der Kläger habe
die angeblichen Mängel nicht rechtzeitig gerügt. Eine erste Rüge sei ihr am 23.07.2003
zugegangen, also erst vier Monate nach der Auslieferung. Eine zeitnahe Prüfung der
Wandstärke sei sowohl in Bottrop als auch in Vlissingen möglich gewesen.
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Dazu behauptet der Kläger, er selbst habe nur Blechstärken von 0,88 bis 0,90 mm
verwendet. Die Mängelrüge seines Kunden habe er am gleichen Tag an die Beklagte
weitergeleitet. Diese habe die Minderstärken mit Schreiben vom 23.07.2003 eingeräumt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und der dazu überreichten
Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unzulässig, da die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht
gegeben ist. Die Frage der internationalen Zuständigkeit ist nach deutschem Recht zu
prüfen (BGH NJW 76/1581). Aus der VO (EG) Nr. 44/2001, die in allen EU-Staaten
außer Dänemark ab 01.03.2002 das EUGVÜ ersetzt, ergibt sich die Zuständigkeit
deutscher Gerichte schon deshalb nicht, weil die tschechische Republik im Zeitpunkt
der Klageerhebung der EU noch nicht beigetreten war.
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Spezialgesetzliche Regeln, die die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen, wie sie
für bestimmte Rechtsgebiete etwa in den §§ 23 a, 328 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sind,
sind nicht einschlägig.
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Die Zuständigkeitsfrage ist mithin nach den von der Rechtsprechung entwickelten
allgemeinen Zuständigkeitsregeln zu entscheiden. Auch daraus ergibt sich die
Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht:
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Eine Vereinbarung über das international zuständige Gericht, die nach Maßgabe der §§
38,40 ZPO möglich ist, haben die Parteien nicht getroffen. Bei dieser Sachlage können
sich Anhaltspunkte aus den Bestimmungen des Deutschen Rechts über die örtliche
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Zuständigkeit ergeben (vgl. Baumbach-Lauterbach, Albers-Hartmann, ZPO, 60. Auflage,
2002, Überblick 6 zu § 12 ZPO). Diese Anhaltspunkte sprechen gegen die Zuständigkeit
deutscher Gerichte. Die Beklagte hat ihren allgemeinen Gerichtsstand in der
Tschechischen Republik. Auch der Erfüllungsort für die streitige Leistung, nämlich die
Klageforderung, liegt nach deutschem Recht in Tschechien. Für die Anwendbarkeit
deutschen Rechts spricht, dass die Parteien als Vertrags- und Korrespondenzsprache
Deutsch und als Vertragswährung die Währungseinheit Euro gewählt haben. Der Kläger
macht einen auf Geldzahlung gerichteten Schadensersatzanspruch geltend.
Erfüllungsort für Zahlungsansprüche ist grundsätzlich der Wohnort/Geschäftssitz des
Schuldners (§ 270 Abs. 1 BGB). Ein gemeinsamer Erfüllungsort für alle vertraglichen
und nebenvertraglichen Leistungspflichten in Deutschland besteht nicht. Ein solcher ist
für den Fall der Wandlung eines Kaufvertrages am Austauschort angenommen worden
(vgl. BGHZ 87/110). Der Kläger verlangt jedoch nicht Rückgängigmachung des
Vertrages, sondern Schadensersatz in Geld wegen Schlechterfüllung. Erfüllungsort ist
insofern der Ort, wo die vertragliche Hauptpflicht zu erfüllen ist (vgl. Baumbach-
Lauterbach, Albers-Hartmann, a.a.O. § 29 Anmerkung 3 A). Auch dies ist nicht in
Deutschland der Fall. Nach der Bestellung hatte die Beklagte bis zum 04./05.03.03 nach
Vlissingen zu liefern. Wenn es weiter heißt "die Fahrzeuge müssen vorher in Bottrop
neue Papiere übernehmen", so war damit ein vor der bis zum 04./05.03.03 in Vlissingen
vorzunehmenden Lieferung liegender Zeitpunkt gemeint. Dass die Parteien die
Zuständigkeit der Gerichte der Niederlande, also eines Drittstaats, wünschten, in dem
keine von ihnen ihren Sitz hat, kann nicht angenommen werden. Nach dem Parteiwillen
sollte dieser Umstand für die Begründung der internationalen Zuständigkeit keine
Bedeutung haben. Die Parteien haben auch keinen Erfüllungsort in Deutschland
vereinbart. Soweit es am unteren Rande des Bestellschreibens des Klägers vom
24.02.03 (Bl. 6 d.A.) heißt: "Erfüllungsort für Lieferungen und Zahlungen ist Bottrop",
bestreitet die Beklagte den Zugang der Bestellung mit diesem Inhalt. Beweis dafür, dass
die Bestellung der Beklagten mit dieser Klausel zugegangen ist, hat der insofern
beweispflichtige Kläger trotz Hinweises des Gerichts vom 02.07.2004 nicht angetreten.
Angesichts der Gestaltung des Auftragsschreibens ist es auch nicht fernliegend, dass
bei der Übermittlung als Fax dieser Zusatz nicht abgebildet worden ist. Auch bei dem
dem Gericht vorgelegten Exemplar befindet sich der Satz in kleiner Schrifttype am
untersten Seitenrand, wobei der Text in der weiteren Zeile nicht mehr vollständig
wiedergegeben worden ist. Bei dieser Sachlage spricht nicht schon der Beweis des
ersten Anscheins dafür , dass die Beklagte das Bestellschreiben mit dem vollständigen
Inhalt einschließlich der Klausel über den Erfüllungsort erhalten hat. Es bleibt deshalb
dabei, dass der Kläger für diese Tatsache, aus der er Vorteile herleitet, beweispflichtig
ist.
Dass die Umstände (Vertrags- und Korrespondenzsprache, Vertragswährung) auf die
Anwendbarkeit deutschen materiellen Rechts hindeuten, ist für die Frage der
internationalen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Eine Vermutung, die Parteien wollten
die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates begründen, dessen
materielles Recht streitentscheidend ist, besteht nicht. Das gilt insbesondere dann,
wenn die Parteien - wie hier - keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben, sondern
sich erst aus der Gesamtwürdigung aller Umstände erschließt, welches Recht
anwendbar ist.
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Auch andere Gesichtspunkte, die die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründen,
sind weder dargetan noch ersichtlich.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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