Urteil des LG Essen vom 27.10.2008

LG Essen: gesetzliche frist, einzahlung, beschwerderecht, winter, zustellung, offenkundig, deckung, anfechtung, anwendungsbereich, einzelrichter

Landgericht Essen, 16a T 145/08
Datum:
27.10.2008
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
16. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16a T 145/08
Normen:
§§ 788 (2) ZPO, 67 GKG
Sachgebiet:
Sonstiges
Tenor:
hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. L, die Richterin am
Landgericht Essen und den Richter am Landgericht U
am 27.10.2008
b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts Essen vom 17.09.2008 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 3,50 Euro
Gründe:
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Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO statthaft und wahrt die
gesetzliche Frist nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie ist - unabhängig von der geltend
gemachten Beschwer - gemäß § 67 GKG gegen die Entscheidung des
Vollstreckungsrichters, die Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahren nach § 788
Abs. 2 ZPO gemäß § 17 GKG von der Einzahlung eines Vorschusses abhängig zu
machen, zulässig (vgl. vgl. Meyer, GKG, 9. Aufl. 2007, § 67 Rn. 7). Es entscheidet die
Kammer, nachdem der Einzelrichter die Sache nach § 568 Satz 1 Nr. 1 ZPO übertragen
hat.
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Die sofortige Beschwerde ist begründet.
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Die Gläubigerin ist nicht verpflichtet, vor der Durchführung des
Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 788 Abs. 2 ZPO einen Auslagenvorschuss iHv.
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3,50 Euro zu zahlen. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Aus diesem
Grund hat die Kammer den angegriffenen Beschluss aufgehoben.
Die Befugnis des Gerichts, für bestimmte Handlungen einen Auslagenvorschuss zu
verlangen und die Vornahme dieser Handlung sogar von der Zahlung eines solchen
Vorschusses abhängig zu machen, ist in § 17 GKG geregelt. Wie das Amtsgericht in der
angegriffenen Entscheidung zurecht ausgeführt hat, ist der Anwendungsbereich dieser
Vorschrift im vorliegenden Fall nicht durch § 12 GKG ausgeschlossen.
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Zu unterscheiden ist zunächst die Frage der Vorschusspflichtigkeit nach § 17 GKG von
der allgemeinen Kostentragungspflicht. Die Kammer folgt der Auffassung der
Gläubigerin nicht, dass sie der Staatskasse gegenüber nicht auf die Kosten und
Auslagen des Kostenfestsetzungsverfahrens haften soll. Die Kostentragungspflicht
ergibt sich aus § 22 Abs. 1 GKG. Wer ein Verfahren in bürgerlichen Rechtstreitigkeiten
beantragt, schuldet der Staatskasse die hierfür anfallenden Kosten und Auslagen. Dies
gilt auch für den Antragsteller im Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. Meyer, aaO, § 22
Rn. 15, 20 a.E.). Gründe, warum dies im Festsetzungsverfahren nach §§ 788 Abs. 2, 103
Abs. 2, 104 ff ZPO nicht so sein soll, sind - auch aus der von der Gläubigerin
vorgelegten Entscheidung des LG Berlin - nicht ersichtlich. Gegen eine Ausnahme
spricht auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber für die allgemeine
Zwangsvollstreckung keine Vorschrift nach dem Vorbild der §§ 23, 26 GKG geschaffen
hat, durch die die Kostenschuld des Gläubigers für das Insolvenz-,
Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren gegenüber § 22 GKG
begrenzt wird. Die ebenfalls zitierte Entscheidung des LG Düsseldorf vom 20.08.2008
verhält sich nicht zur Kostentragungspflicht, sondern allein zur Vorschusspflicht nach §
17 GKG.
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Insoweit stimmt die Kammer dem LG Düsseldorf im Ergebnis zu. Eine Befugnis, die
Durchführung des Festsetzungsverfahrens von der Einzahlung eines
Auslagenvorschusses iHv. 3,50 Euro abhängig zu machen, besteht nicht. § 17 GKG
unterscheidet zwischen Handlungen, die nur auf Antrag einer Partei erfolgen (Absätze 1
und 2) und solchen, die von Amts wegen vorzunehmen sind (Abs. 3). In den
erstgenannten Fällen besteht die Vorschusspflicht von Gesetzes wegen; das Gericht
soll die Vornahme der Handlung von der Zahlung des Vorschusses abhängig machen.
Handlungen, die von Amts wegen vorzunehmen sind, dürfen niemals von der Zahlung
eines Vorschusses abhängig gemacht werden (Meyer, aaO, § 17 Rn. 26 m.w.N.). Das
Gericht kann zur Deckung der Auslagen nach KV 9000 ff zum GKG einen
Auslagenvorschuss verlangen.
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Das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 788 ZPO ist kein Verfahren nach § 17 Abs. 1
GKG (Hartmann, Kostengesetze, 37 Aufl. 2007, § 17 GKG Rn. 8), so dass es auch ohne
die Einzahlung eines Vorschusses durchzuführen ist. § 17 Abs. 1 GKG meint Anträge
auf Eröffnung eines neuen Verfahrens (z.B. Klageerhebung, öffentliche Zustellung) oder
auf Durchführung einer Beweisaufnahme oder bestimmter verfahrensleitender
Anordnungen (vgl. Hartmann, aaO, Rn. 7; Oestrich/ Winter/ Hellstab, GKG, Stand: Juli
2008, § 17 Rn. 6 ff). Das Kostenfestsetzungsverfahren gehört kostenrechtlich zur 1.
Instanz (vgl. Belz in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl. 2000, § 104 Rn. 62) und ist mit den
aufgezählten Fällen nicht vergleichbar.
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Die von Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 104 Rn. 7 vertretene Auffassung steht
dem nicht entgegen. Dort wird - ohne nähere Begründung - vertreten wird, dass der
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Antragsteller die Zustellungskosten vorzuschießen "hat", wenn sie nicht unter die
Freistellungspauschale fallen. Dies wird allerdings mit § 17 Abs. 3 GKG belegt. Damit
scheidet auch nach dieser Auffassung ein "Abhängigmachen" iSd. § 17 Abs. 1 GKG
aus.
Die Kammer lässt die Frage offen, ob § 17 Abs. 3 GKG von der Gläubigerin ein
Auslagenvorschuss verlangt werden kann. Zur Überprüfung dieser
Ermessensentscheidung des Amtsgerichts ist sie nicht berufen, weil hiergegen kein
Beschwerderecht nach § 67 GKG besteht. § 67 GKG ermöglicht die Anfechtung von
Entscheidungen, in denen die Vornahme einer Handlung von der Zahlung eines
Vorschusses abhängig gemacht wird. Das Gesetz eröffnet das Beschwerderecht in
solchen Fällen auch im Bagatellbereich. Die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 GKG ist
aber gerade kein "Abhängigmachen" iSd. § 67 GKG, so dass eine Beschwerde zum
Landgericht nur bei Überschreitung der Beschwerdesumme von 200,- Euro möglich
wäre. Diese ist hier offenkundig nicht erreicht. Die Gläubigerin wehrt sich lediglich
gegen eine Inanspruchnahme iHv. 3,50 Euro.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 788 Abs. 1 ZPO.
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