Urteil des LG Essen vom 20.07.2007
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Landgericht Essen, 45 O 4/07
Datum:
20.07.2007
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
45 O 4/07
Normen:
§ 10 UWG
Sachgebiet:
Handelsrecht
Rechtskraft:
nein
Tenor:
hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 08. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht M. für R e c h t erkannt:
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner
verurteilt,
dem Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen und
Rechnung zu legen über den mit dem Vertrieb des
Mittels „X“ erzielten Gewinn unter Angabe
der vom 02.08.2005 bis zum 08.06.2007 erfolgten
Verkäufe, und zwar unter Angabe von Stückzahlen
sowie Ein- und Verkaufspreisen.
Die Beklagten können diese Angaben einem
vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit
verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer
mitteilen, sofern sie die Kosten seiner Ein-
schaltung tragen und ihn zugleich ermächtigen
und verpflichten, dem Kläger auf Antrag
mitzuteilen, ob in der Rechnungslegung ein oder
mehrere bestimmte Abnehmer enthalten sind.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten
verpflichtet sind, den durch den nach dem
01.08.2005 erfolgten Vertrieb des Mittels
“X“ erzielten Gewinn an den Bundes-
haushalt unter Anrechnung der Leistungen,
die die Schuldner aufgrund der Zuwiderhandlung
an Dritte oder an den Staat erbracht haben,
herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die
Beklagten.
Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung
von 20.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger macht Auskunfts- und Rechnungs- sowie Feststellungsansprüche gemäß §
10 UWG geltend. Der Kläger hat im Verfahren 44 O 243/03 LG Essen (4 U 101/04 OLG
Hamm) Unterlassungsansprüche gegenüber den Beklagten geltend gemacht. Durch die
Urteile des Landgerichts Essen vom 10.03.2004 bzw. des OLG Hamm vom 07.12.2004
wurden die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, für das Mittel XX wegen bestimmter
nicht zugelassener Zusatzstoffe im Produkt zu werben und/oder zu vertreiben. Die
Urteile sind seit dem 01.08.2005 rechtskräftig, nachdem der BGH die
Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen hat. Die Beklagten
reagierten insofern, als sie danach ein Mittel namens X vertrieben, dessen
Zusammensetzung der des Mittels XX. gleicht und deren Hersteller die O., Niederlande
ist, deren Alleingesellschafter wiederum der Beklagte zu 2) ist.
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Im Urteil des OLG Hamm vom 07.12.2004 wird dazu in den Entscheidungsgründen (auf
Seite 6 des Urteils) in eindeutiger Weise ausgeführt, dass sich das Unterlassungsverbot
auch auf die Bewerbung bzw. Vertreibung eines Mittels bezieht, dass zwar nicht die
Bezeichnung X trägt, aber in seiner Zusammensetzung dieselben nicht zugelassenen
Zusatzstoffe enthält, wie das Produkt mit dem Namen XX.
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Der Kläger geht von einem vorsätzlichen Verstoß der Beklagten bereits für den
Zeitpunkt der Urteile des LG Essen und OLG Hamm aus. Des Weiteren hat der Kläger
eine Reihe von Ordnungsgeldanträgen gegen die Beklagten gestellt, über die zu
unterschiedlichen Zeitpunkten entschieden worden sind bzw. in deren Verfahren die
Gerichte zu unterschiedlichen Zeitpunkten den Beklagten Hinweise erteilt haben. Für
den Fall, dass für den Zeitpunkt nach dem 01.09.2005 ein vorsätzlicher Verstoß seitens
der Beklagten nicht anzunehmen ist, beruft sich der Kläger hilfsweise auf weitere
Zeitpunkte, ab denen bei den Beklagten für den Verstoß gegen das
Unterlassungsverbot ein Vorsatz anzunehmen ist. Zeitpunkt des 01.09.2005: Zu diesem
Zeitpunkt hatten die Beklagten Kenntnis über die Rechtsauffassung des Klägers.
Zeitpunkt des 12.09.2005: Zum 12.09.2005 wurde der Beklagte im Verfahren 44 O 21/04
LG Essen der dort im ersten Ordnungsmittelverfahren ergangene Hinweisbeschluss des
erkennenden Gerichts vom 08.09.2005 zugestellt. In diesem Beschluss sei von dem
Gericht die Verletzung des Untersagungsgebotes durch die Beklagten dargelegt
worden. Zeitpunkt des 09.12.2005: Zu diesem Zeitpunkt wurde den Beklagten durch das
Landgericht Essen der auf die Beschwerde des Klägers ergangene
Ordnungsgeldbeschluss vom 02.11.2006 zugestellt.
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Zeitpunkt des 25.01.2006: Zu diesem Zeitpunkt wurde den Beklagten die auf die
sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den vorgenannten Ordnungsgeldbeschluss
ergangene Entscheidung des OLG Hamm vom 17.01.2006 zugestellt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, a) dem Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen und
Rechnung zu legen, über den mit dem Vertrieb des Mittels X erzielten Gewinn unter
Angabe der vom 02.08.2005 bis zur letzten mündlichen Verhandlung erfolgten Verkäufe,
und zwar unter Angabe von Stückzahlen sowie An- und Verkaufspreisen,
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b) festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den durch den nach dem
01.08.2005 erfolgten Vertrieb des Mittels X erzielten Gewinn an den Bundeshalt unter
Anrechnung der Leistungen, die die Schuldner aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte
oder an den Staat erbracht haben, herauszugeben.
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Ferner stellte der Kläger hilfsweise dieselben Anträge als Hilfsanträge, allerdings mit
der Maßgabe, dass die Anträge für die Zeitpunkte ab dem 01.09.2005, 12.09.2005,
09.12.2005 und 25.01.2005 gestellt werden.
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Die Beklagten stellen den Antrag,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise den Beklagten jeweils nachzulassen, nicht dem Kläger, sondern einem zur
Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer Auskunft zu erteilen,
sofern die Beklagten diesen jeweils ermächtigen, den Kläger über das Ergebnis der
erteilten Auskünfte Mitteilung zu machen.
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Die Beklagten weisen darauf hin, dass die Herstellung und der Vertrieb des Produkts
XX nach Zustellung der BGH-Entscheidung eingestellt worden sei. Seit dem 24.01.2006
– Zugang des Ordnungsgeldbeschlusses des OLG Hamm – hätten die Beklagten die
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Bewerbung und den Vertrieb des Produktes X eingestellt.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 10 UWG nicht
gegeben sind. Entscheidende Voraussetzungen für das Bestehen der Ansprüche sei,
dass der jeweilige Anspruchsgegner vorsätzlich gegen ein Unterlassungsverbot
verstoßen habe. Die vom Kläger angeführten Gerichtsverfahren bzw. Urteile bezögen
sich nicht auf das Produkt X, sondern auf das Produkt XX.
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Bezüglich des Produktes X bestünde eine völlig andere Rechtslage. Dieses Produkt
werde nämlich in den Niederlanden hergestellt und dort rechtmäßig verkauft. Folge sei,
dass der Vertrieb dieses Produktes in Deutschland nicht ein vorsätzlicher Verstoß
gegen die vom Kläger angeführten Urteile sein könne. Die Beklagten berufen sich auf
das BGH-Urteil vom 06.05.2004, wonach die deutsche Zusatzstoffregelung nicht auf das
in Verkehr bringen von Lebensmitteln aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen
Gemeinschaft anzuwenden sei. Das Verbot des in Verkehr Bringens und des Vertriebes
eines solchen Produktes in Deutschland sei nur zulässig, soweit dies konkret zum
Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen erforderlich sei.
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Zudem sei gemäß § 10 UWG der Gewinn herauszugeben, der zu Lasten einer Vielzahl
von Abnehmern erzielt worden sei. Den Abnehmern des Produktes sei jedoch kein
Nachteil entstanden, da das Produkt X durchaus einen wirtschaftlichen Wert darstelle
und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme.
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Hilfsweise, für den Fall, dass die Klage begründet sein sollte, begehren die Beklagten
die Aufnahme eines Wirtschaftsprüfervorhaltes in den Tenor. Hinter dem Kläger stünden
die Mitbewerber des Beklagten zu 1). Es sei nicht gerechtfertigt, das durch den
Auskunfts- und Rechnungslegungsantrag den Mitbewerbern Geschäftsinterna bekannt
würden, die sonst dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten unterliegen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die gestellten Hauptklageanträge sind zulässig.
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Die Auskunfts- und Rechnungsklage kann selbstständig erhoben bzw. mit anderen
Klagearten verbunden werden (Hefermehl-Köhler 24. Auflage UWG, § 12 Rdnr. 2.60).
Auch für den Antrag zu 1 b) ist das notwendige Feststellungsinteresse gegeben. Der
Kläger kann nicht auf eine Stufenklage (unbezifferte Leistungsklage) verwiesen werden
(Hefermehl-Köhler § 12 UWG Rdnr. 2.18). Selbst nach Auskunftserteilung sind
Schwierigkeiten bei Berechnung und Bezifferung des Schadens abzusehen.
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Die Klage ist begründet.
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Die Voraussetzungen des § 10 UWG sind gegeben. Durch die Urteile des LG Essen
und des OLG Hamm ist ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber den
Beklagten festgestellt worden. Formal gesehen, ist den Beklagten Recht zu geben, dass
dieses Verfahren das Produkt XX und nicht das Produkt X zum Gegenstand gehabt hat.
Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch aus der Begründung der Klage bzw. aus
dem Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz und insbesondere aus dem Urteil
des OLG Hamm vom 07.12.2004, dass Gegenstand des Unterlassungsverbotes der
Vertrieb und die Bewerbung von Produkten ist, die dieselben, in Deutschland nicht
zugelassenen Zusatzstoffe enthalten wie das Produkt XX. Der Sachvortrag der
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Beklagten, das Produkt X falle nicht unter das Unterlassungsverbot, da dieses Produkt
in den Niederlanden hergestellt und dort rechtmäßig vertrieben werde, ist unerheblich,
weil durch das rechtskräftige Urteil des OLG Hamm ein eindeutiges Verbot
ausgesprochen worden ist.
Es ist auch festzustellen, dass dem Grunde nach bei den Beklagten ein Gewinn zu
Lasten der Vielzahl der Produktabnehmer entstanden ist. Es mag durchaus sein, dass
das Produkt X von der Substanz her gesehen zu einem angemessenen Preis verkauft
worden ist, die Abnehmer als einen Gegenstand als Gegenleistung erhalten haben.
Tatsache ist jedoch, dass das Produkt suggerierend als Arzneimittel angeboten worden
ist, obwohl bei der im Produkt enthaltenen Dosierung der Zusatzstoffe diese keinerlei
positive medizinischen Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben und die
Beklagten das Produkt letztlich als ein Lebensmittel in den Verkehr gebracht haben.
Infolge des beim Verbraucher hervorgerufenen Irrtums wird diesem nicht bewusst, dass
sie ein Produkt erstanden haben, dass sie bei vollständiger Aufklärung über die
Sachlage nicht gekauft hätten. Die Folge ist, dass die Verbraucher Ansprüche wegen
Irrtumsanfechtung bzw. Gewährleistung nicht geltend machen bzw. es unterlassen, die
abgeschlossenen Kaufverträge rückabzuwickeln. Unter diesem Gesichtspunkt ist das
Produkt X für den Verbraucher ohne jeden Wert, so dass der gemäß § 10 UWG
einzufordernde Gewinn im Gesamten durch den Verkäufer des Produktes erzielten
Umsatzerlöses zu sehen ist. Schließlich ist auch das Erfordernis gegeben, dass die
Beklagten vorsätzlich gegen das Unterlassungsverbot verstoßen haben
(Hefermehl/Köhler, § 9 Rdnr. 1.17. 1-19 / § 10 Rdnr. 6). Die Beklagten haben die
Tatsachen, die dem Unterlassungsverbot zu Grunde liegen, gekannt, da diese
insbesondere im Urteil des OLG Hamm vom 07.12.2004 sehr ausführlich und eindeutig
dargelegt worden sind. Die Beklagtenseite hat lediglich daraus fehlerhafte Schlüsse
gezogen, sich im Grunde genommen in einem Rechtsirrtum befunden. Nach der
Rechtsprechung ist ein derartiger Irrtum nur dann erheblich (Hefermehl-Köhler, § 9
1.19), wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu dieser
falschen Rechtsauffassung gelangen durfte. Zu Gunsten der Beklagten kann dieses
nicht angenommen werden. Die Beklagten hätten bei genauem Durchlesen des Urteils
des OLG Hamm (Seite 6) erkennen können, dass das Unterlassungsverbot sich nicht
auf ein einzelnes Produkt, sondern auf Produkte mit bestimmten Zusatzstoffen bezieht.
Die Beklagten können sich auch nicht auf den von ihnen eingeholten Rechtsrat berufen.
Angesichts der Eindeutigkeit der Entscheidungsgründe des Urteils des OLG Hamm
mussten den Beklagten erhebliche Zweifel an der Objektivität der Rechtsauskunft
aufkommen. Somit steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Beklagten
spätestens ab Rechtskraft des Urteils des OLG Hamm, also ab dem 01.08.2005, die
Rechtsgrundlagen und der Umfang des Unterlassungsverbotes bekannt waren.
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Auf die vom Kläger gestellten Hilfsanträge ist daher nicht mehr einzugehen.
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Im Urteilstenor war allerdings ein Wirtschaftsprüfervorbehalt aufzunehmen. Ein solcher
Vorbehalt ist in der Rechtsprechung (Hefermehl-Köhler §§ 9 Rdnr. 4.20) anerkannt. Da
im vorliegenden Verfahren der Kläger lediglich ein Interesse am Ergebnis hat, dass
Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung von unternehmensinternen
Wirtschaftsdaten höher zu bewerten ist, war ein entsprechender
Wirtschaftsprüfervorbehalt ins Urteil aufzunehmen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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