Urteil des LG Duisburg vom 13.01.1998

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Landgericht Duisburg, 44 O 103/97
Datum:
13.01.1998
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
44. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
44 O 103/97
Tenor:
Der Antrag vom 17.07.1997 auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-- DM
abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Streitwert: 15.000,-- DM.
T a t b e s t a n d
1
Der Verfügungskläger (im folgenden: Kläger) betreibt im Landgerichtsbezirk Duisburg
eine Rechtsanwaltspraxis.
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Die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) betreibt ein Abschleppgeschäft, das
nach ihrem Vortrag (Schutzschrift vom 10.07.1997, Bl. 1-4 Beiakten 3 OH 21/97)
aufgrund Vertrages vom 06.12.1996 mit dem Land Nordrhein/Westfalen (Bl. 11-18 BA)
seinen Schwerpunkt in der Durchführung hoheitlicher Aufgaben im Auftrag des
Ordnungsamtes der Stadt , der Autobahnpolizei Bezirksdirektion und des
Polizeipräsidiums hat.
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Am 16.06.1997 wurde von der Beklagten der auf einem privaten Parkplatz einer -Filiale
abgestellte Personenkraftwagen einer Mandantin des Klägers abgeschleppt und auf das
Betriebsgelände der Beklagten verbracht. Als die Mandantin das Fahrzeug abholen
wollte, verlangte die Beklagte die Bezahlung der Abschleppkosten mit den Hinweisen,
andernfalls werde das Fahrzeug nicht herausgegeben, im übrigen werde eine
Beitreibung der Forderung durch den -Markt noch teurer werden. Die Mandantin des
Klägers sah sich durch diese Erklärungen veranlaßt, den gesamten Rechnungsbetrag
von 220,80 DM, den die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers in eigenem Namen
geltend machte, zu bezahlen.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte betreibe geschäftsmäßig eine
Inkassotätigkeit, ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Der Kläger macht
geltend: Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen Art. 1 § 1 RBerG, § 1 UWG, da
sie mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in die Sphäre des Klägers als
Anwalt eingreife und damit diesem Schaden zufüge.
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Der Kläger beantragt,
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der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Einzelfall,
ingesamt bis zu zwei Jahren,
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zu untersagen,
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Ansprüche Dritter im eigenen oder fremden Namen gegen Eigentümer bzw. Halter
oder Fahrer von Kfz. geltend zu machen, die darauf beruhen, daß die Beklagte
diese im Auftrag eines Dritten abschleppt, weil sie ohne Erlaubnis des
Grundstückeigentümers bzw. auf Privatgrundstücken behindernd oder aber im
öffentlichen Straßenverkehrsraum behindernd abgestellt sind.
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Die Beklagte beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die beanstandete Tätigkeit. Sie behauptet, gegenüber der
Mandantin des Klägers habe es sich um einen Einzelfall gehandelt, in dem sie auf
Bitten eines privaten Grundstücksberechtigten abgeschleppt habe. Im übrigen, nämlich
soweit sie aufgrund Vertrages mit dem Land Nordrhein-Westfalen tätig werde, verweist
sie darauf, daß sie gemäß § 5 (1) S. 1 des Vertrages vom 06.12.1996 "auf Verlangen der
Polizei verpflichtet" sei, "von dem Berechtigten die Bezahlung der Kosten zu verlangen
und entgegenzunehmen."
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht vertritt die Beklagte die Ansicht, daß dem Antrag
infolge Zeitablaufes die erforderliche Dringlichkeit fehle. Eingetreten ist der Zeitablauf
dadurch, daß der Kläger den Antrag zunächst an die Zivilkammer gerichtet hat und
diese auf den Antrag der Beklagten an die Kammer für Handelssachen verwiesen hat.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze mit
Anlagen sowie die Beiakten 3 OH 21/97 verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Es fehlt - ungeachtet der Frage des Verfügungsgrundes - an einem
Verfügungsanspruch. Die von dem Kläger gerügte Tätigkeit der Beklagten kann nach
dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht als ein Verstoß gegen Art. 1 § 1
RBerG, 1 UWG angesehen werden.
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1. Zwar erfüllt das angegriffene Verhalten der Beklagten den Tatbestand der
erlaubnispflichtigen Inkassotätigkeit gemäß § 1 RBerG, soweit es um die Einziehung
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fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen geht, und den
Tatbestand des erlaubnispflichtigen Erwerbs von Forderungen gemäß § 1 der 5.
RBerVO, soweit es um die Einziehung vollabgetretener Forderungen geht. Auch kann
die nach dem RBerG erforderliche Erlaubnis nicht darin gesehen werden, daß die
Beklagte im wesentlichen im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen tätig wird.
2. Es fehlt jedoch nach dem Ergebnis der Verhandlung an dem Merkmal der
Geschäftsmäßigkeit. Geschäftsmäßigkeit iSd § 1 RBerG setzt eine selbständige
Tätigkeit (vgl. Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, 1993, § 1 Rn 103; Rennen/Caliebe,
RBerG, 1986, § 1 Rn. 28, jeweils mwN) sowie ein Hinausgehen über den aus
besonderen Gründen ausgeübten Gelegenheitsfall (Altenhoff/Busch/Chemnitz aaO Rn
104 mwN), d. h. ein Handeln in der Absicht voraus, die Tätigkeit in gleicher Weise zu
wiederholen und dadurch zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil der
Beschäftigung zu machen (Rennen/Caliebe aaO Rn 29 mwN).
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a. Soweit es um die Einziehung einer etwaigen Forderung der Firma gegenüber der
Mandantin des Klägers geht, fehlt es an der zweitgenannten Voraussetzung. Denn nach
dem durch die eidesstattliche Versicherung der Inhaberin der Beklagten vom
11.07.1997 (Bl. 5 BA) glaubhaft gemachten Sachverhalt handelt es sich um einen
Einzelfall. Das gesamte Vorbringen des Klägers reicht nicht zu dem Schluß von der am
16.06.1997 erfolgten Einzelhandlung auf eine wiederkehrende oder dauernde
Inkassotätigkeit der Beklagten, soweit diese im Auftrag Privater Fahrzeuge abschleppt.
Hierzu wäre es erforderlich gewesen, daß der Kläger zumindest einen weiteren
vergleichbaren Sachverhalt dartut.
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b. Soweit die Beklagte aufgrund des mit dem Land Nordrhein-Westfalen
abgeschlossenen Vertrages vom 06.12.1996 von den Berechtigten Bezahlung von
Kosten verlangt und entgegennimmt, fehlt es an dem Merkmal der Selbständigkeit. Eine
solche ist dann gegeben, wenn sie frei von jeden Weisungen in eigener
Entscheidungsfreiheit und Verantwortung ausgeübt wird (vgl. BGH NJW 1963, 441).
Nach dem Vertrag ist die Beklagte jedoch weisungsgebunden, denn sie ist - im
Gegensatz zu dem Sachverhalt, der der von dem Kläger herangezogenen Entscheidung
des OLG Bamberg (NJW 1986, 854) zugrundeliegt - nicht zum Einzug der
(vollabgetretenen) Forderung
berechtigt,
Kosten zu verlangen und entgegenzunehmen,
wenn die Polizei dies verlangt.
Kammer versteht diese Klausel so, daß jeweils im Einzelfall eine Anweisung der Polizei
vorliegen muß. Die Entscheidungsgewalt liegt nach § 5 (1) des Vertrages vom
06.12.1996 ausschließlich bei der Polizei. Dies folgt insbesondere auch aus den in den
folgenden Sätzen getroffenen Bestimmungen. Nach Satz 2 entscheidet die Polizei über
die Herausgabe des Fahrzeuges, wenn der Berechtigte nicht bereit ist, die Kosten vor
der Übernahme des Fahrzeuges zu bezahlen. Nach Satz 3 rechnet die Polizei mit der
Beklagten ab, wenn das Fahrzeug im Einvernehmen mit der Polizei herausgegeben
wird.
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Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Verfügungsklägers vom 7.
Januar 1998 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Zum einen erlaubt das vorliegende Verfahren wegen seines Eilcharakters nur in
besonderen Ausnahmefällen einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Zum
anderen kann auch der Inhalt des Schriftsatzes nicht zu einer anderweitigen
Entscheidung in der Sache führen. Nach dem von dem Zeugen glaubhaft gemachten
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Sachverhalt hat am 17. Dezember 1997 - anders als am 16. Juni 1997 - keine
Einziehung statt gefunden; eine solche ist allenfalls auf Drängen des Zeugen in
Aussicht gestellt worden.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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