Urteil des LG Düsseldorf vom 23.05.2001
LG Düsseldorf: treu und glauben, lizenzgebühr, tee, lizenznehmer, verwirkung, lizenzgeber, urheber, unternehmen, inhaber, ruf
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 2a O 435/00
23.05.2001
Landgericht Düsseldorf
2a. Zivilkammer
Urteil
2a O 435/00
In dem Rechtsstreit
hat die 2 a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche
Verhandlung vom 4. April 2001 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.432, 94 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 19.12.2000 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin vorab die durch die
Anrufung des Landgerichts X entstandenen Kosten zu tragen, Die
übrigen Kosten haben die Klägerin zu 64 % sowie die Beklagte zu.36 %
zu tragen,
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM l.000,00
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe .von DM 3.000,00 abwenden, wenn nicht die
Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt. Schadenersatz wegen einer von der Beklagten unstreitig
begangenen Marken- und Geschäftskennzeichenverletzung . Die Beklagte verkaufte in
ihren Märkten zweierlei verschiedene Autofußmatten/ und zwar 1713 Autofußmatten
(Einkaufspreis 29,40 DM) zum Verkaufspreis von 39,95 DM sowie 615 Autofußmatten
(Einkaufspreis 34,80 DM) zum Verkaufspreis von 59,95 DM. Diese Autofußmatten waren
mit dem Schriftzug "Mercedes" versehen, ohne jedoch die individuellen Merkmale des von
der Klägerin verwandten Schriftzuges in dessen als Marke eingetragener Form
aufzuweisen.
Nach Auskunftserteilung forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von
Schadensersatz auf. Die Klägerin bezifferte ihren Schadensersatzanspruch im Wege der
Lizenzanalogie . In einem ersten Schreiben vom 16,07*1999 verlangte die Klägerin 10 %
des von der Beklagten erzielten Gesamtverkaufspreises . Der Gesamtverkaufspreis belauft
sich auf DM 105.303,60 DM. Gleichzeitig erklärte sich die Klägerin bereit, diesen
Schadensersatz bei sofortiger Zahlung dem Betrage nach auf die Hälfte zu reduzieren. Die
Beklagte lehnte das Angebot ab und zahlte einen Teilbetrag von DM 2.106,00. Mit
weiterem Schreiben vom 24.11.1999 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des
Restbetrages laut ursprünglichem Angebot (DM 3.159,00) auf verbunden mit der
Ankündigung, nach Fristablauf den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch in voller
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Höhe geltend zu machen. Rund sieben Monate später verlangte die Klägerin Zahlung von
DM 8.424,36 abzüglich der geleisteten DM 2,106,00,
Die Klägerin meint, ein Lizenzsatz von 10 % bezogen auf den Nettoverkaufspreis sei als
Schadensersatz angemessen. Sie berechnet diesen, Schadensersatz mit DM 8.424,36. Die
Klägerin behauptet, üblicherweise einen Lizenzsatz zwischen 10 % und 15 % von ihren
Lizenznehmern zu beanspruchen und zu erhalten. Sie meint, ein Mindestlizenzsatz von 10
%, wie er mit der Klage eingefordert werde, sei durch die Exklusivität und Berühmtheit der
Marke Mercedes gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.739,50 DM nebst 4 % ' Zinsen seit dem
22.12.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, daß die Verbraucher ihre Fahrzeuge regelmäßig - und zwar
teilweise unmittelbar nach dem Fahrzeugkauf, teilweise erst nach Verschleiß der zunächst
im Fahrzeug befindlichen Fußmatten - mit anderen als den zur Grundausstattung
gehörenden Fußmatten des Herstellers selbst versehen. Entscheidend für den
Verkaufserfolg von Fußmatten sei deren Qualität. Ob auf der Fußmatte ein bestimmter
Schriftzug angebracht sei, sei gleichgültig. Die Beklagte meint, eine fiktive Lizenzgebühr in
Höhe von 10 % sei deutlich übersetzt. Anzusetzen seien lediglich die bereits gezahlten 2,4
% des Nettoverkaufspreises*
Die Beklagte beruft sich im übrigen auf Verwirkung.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu der Frage, in welcher Höhe die Klägerin üblicherweise
Lizenzsätze vereinbart, durch Vernehmung der Zeugin M. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.04.2001 (Bl. 81 ff. GA) Bezug
genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist lediglich in Höhe von DM 2.432,95 nebst 4 % Zinsen seit 19.12.2000
begründet. Im übrigen ist sie unbegründet .
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 5 Markengesetz zum
Schadensersatz verpflichtet, allerdings nicht in der beantragten Höhe. Der
Schadensersatzanspruch ist lediglich in Höhe von DM 2,432, 95 begründet .
Die Schadensersatzhöhe kann, wie von der Klägerin begehrt, auf der Grundlage einer
angemessenen Lizenzgebühr bestimmt werden, weil die Beklagte, die nach dem Vortrag
der Parteien unstreitig die Kennzeichenrechte der Klägerin verletzt hat, nicht besser stehen
soll, als im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch die Klägerin (vgl. BGH
GRUR 1966, 375, 376 - Meßmer Tee II; BGH GRUR 1973, 375, 376 f. - Miss Petite). Für die
nach der Lizenzanalogie zu ermittelnde Lizenzgebühr ist darauf abzustellen, was die
Parteien bei vertraglicher Einräumung der Benutzungsbefugnis vereinbart hätten (BGH
GRUR 1966, 375, 376 - Meßmer Tee II). Wegen des hypothetischen Ausgangspunktes der
Lizenzanalogie kann die Höhe der im Einzelfall angemessenen Lizenz in der Regel nicht
genau ausgerechnet werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1981, 45, 47 -Absatzhaltehebel).
Sie ist vielmehr aufgrund einer wertenden Entscheidung unter Berücksichtigung aller
17
18
19
20
21
Umstände des Einzelfalles vom Gericht gemäß § 287 Abs. l ZPO nach freier Überzeugung
zu bestimmen (RGZ 144, 187, 192 - Beregnungsanlage) .
Die Schadenersatzlizenzgebühr ist dabei nach einem Von-Hundertsatz des anhand der
Auskünfte der Beklagten errechneten Gesamtumsatzes zu bemessen (vgl. BGH GRUR
1966, 375, 378 - Meßmer Tee II; 1973, 375, 376 f. - Miss Peti-te). Der Umsatz der Beklagten
ist mit DM 105.303,60 unstreitig.
Der angemessene Lizenzsatz liegt unter Berücksichtigung aller Umstände des
vorliegenden .Falles nach Auffassung der Kammer bei 5 %; der von der Klägerin begehrte
Lizenzsatz von 10 % ist übersetzt.
Die Höhe des Lizenzsatzes richtet sich bei einer Namens- und
Firmengeschäftszeichenverletzung in erster Linie nach dem Bekanntheitsgrad und dem Ruf
des verletzten Zeichens; ferner kommt es auf den Grad der Beeinträchtigung, insbesondere
das Maß der Verwechslungsgefahr und die Waren- oder Branchennähe an. Dabei geht die
Rechtsprechung im Einklang mit der Verkehrsübung davon aus, daß die angemessene
Lizenzgebühr bei einer Verletzung von Kennzeichnungsrechten im allgemeinen niedriger
zu bemessen ist als bei einem Eingriff in Urheber- oder Patentrechte. Denn anders als ein
Urheber- oder Patentrecht verleiht ein Kennzeichenrecht dem Inhaber nicht die Befugnis,
den Mitbewerbern den Vertrieb einer Ware mit bestimmten technischen Vorteilen oder das
ästhetische Empfinden der Abnehmer besonders ansprechenden Merkmalen zu
untersagen. Andererseits ist generell zu berücksichtigen, daß der Inhaber einer
geschützten Bezeichnung bei Erteilung einer Lizenz an ein fremdes selbständiges
Unternehmen sich immer dem Risiko aussetzt, daß die gleichzeitige identische oder sehr
verwechslungsfähige Benutzung durch mehrere Unternehmen die Herkunftsfunktion
beeinträchtigt, beim Publikum zu Irritationen führt, die Bezeichnung in ihrem Wert mindert
und insbesondere in seiner Kennzeichnungskraft schwächt. Ein Lizenzgeber wird schon
aus diesem Grund eine gewisse Mindestvergütung vereinbaren und ein vernünftig '
denkender Lizenznehmer sie auch zubilligen. Aus diesem Grunde ist bei der Berechnung
der angemessenen Lizenzgebühr rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher
Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer
gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt
hätten.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß das verletzte Zeichen "Mercedes" einen
überragenden Ruf und eine besondere Verkehrsbekanntheit hat. Es handelt sich bei der
verletzten Marke "Mercedes" um eine weltberühmte Marke mit einem überragendem
Aufmerksamkeitswert beim Publikum. Obwohl die Beklagten nicht den Originalschriftzug
mit den individuellen Merkmalen des von der Klägerin verwandten Schriftzugs in dessen
als Marke eingetragener Form benutzt haben, bestand Verwechslungsgefahr. Es liegt
Branchenidentität bzw. mindestens starke Branchennähe vor. Die Beklagte behauptet
zwar, daß bei Fußmatten entscheidend für den Verkaufserfolg nur die Qualität sei. Ob auf
Fußmatten ein bestimmter Schriftzug angebracht sei, sei gleichgültig. Gleichwohl ist davon
auszugehen, daß die Beklagten als Lizenznehmer von dem Zeichen der Klägerin profitiert
hätten. Denn allein die Tatsache, daß die Fußmatten gleichwohl mit dem Schriftzug
"Mercedes" versehen waren, spricht dafür, daß die Beklagten sich von dem Gebrauch des
Kennzeichens jedenfalls gewisse Vorteile versprochen haben, die sie nicht für verzichtbar
hielten.
Bei der Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr ist ferner zu berücksichtigen, daß die
Klägerin nicht beweisen konnte, in Höhe von 10 % üblicherweise Lizenz s ätze zu
vereinbaren. Die Zeugin M hat vielmehr ausgesagt, daß im Zubehörbereich bislang keine
bestimmten Lizenzsätze vereinbart worden sind, da für Zubehörteile gerade keine Lizenzen
erteilt werden. Dieses werde lediglich für Tochtergesellschaften im Ausland diskutiert.
Insoweit existiere bei der Klägerin ein internes Papier (Bl. 77 GA), in dem von einem
22
23
24
25
26
Lizenzsatz von 10 % die Rede sei. Tatsächlich sei ein solcher Linzenzsatz jedoch noch
nicht vereinbart worden. Lediglich bei Schadensersatz Verhandlungen, bei denen sich die
Klägerin auf eine Lizenzanalogie gestützt habe, seien in drei oder möglicherweise vier
Fällen Prozentsätze zwischen 10 % und 15 % vereinbart worden. Die Aussage der Zeugin
M reicht nach Auffassung der Kammer nicht aus, um davon auszugehen, daß bei
vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber im vorliegenden Fall 10 % gefordert
und ein vernünftiger Lizenznehmer auch diesen Prozentsatz gewährt hätte. Vielmehr ist
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der in der
Entscheidung Meßmer Tee II einen Lizenzsatz von l % als nicht zu hoch angesehen hat,
sowie unter Berücksichtigung der markenrechtlichen Literatur, nach der der typische
Bereich der heutigen Lizenzpraxis zwischen l % und bis zu 5 % liegt (vgl. Ingerl/Rohnke,
MarkenG, vor § 14 bis 19, Rru 67 sowie Fezer; Markenrecht, 2. Aufl.; § 14 Rn. 522) im
vorliegenden Fall ein Lizenzsatz von 5 % angemessen.
Nach allem beläuft sich die von .der Beklagten geschuldete Schadensersatzlizenz auf DM
4,538,95. Der Bruttoerlös beträgt unstreitig DM 105.303,60. Zieht man davon die
Umsatzsteuer ab, errechnet sich der Nettoerlös mit DM 90.778,97 und nicht die von der
Klägerin berechneten DM 88.455,02. Von den geschuldeten 5 % des Nettoumsatzerlöses
(4.538,95 DM) sind die bereits gezahlten DM 2.106,00 DM abzuziehen, so daß die
Beklagte noch DM 2.432,95 schuldet.
Dieser Zahlungsanspruch ist auch nicht wegen Verwirkung untergegangen. Verwirkung ist
dann anzunehmen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend
gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten
darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, daß dieser das Recht auch in Zukunft
nicht geltend machen werde (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 87 f.). Seit
der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muß längere Zeit verstrichen sein. Die
erforderliche Dauer des Zeitablaufs richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die
Beklagte beruft sich auf ein sieben Monate dauerndes Untätigbleiben der Klägerin. Dieser
Zeitraum reicht zur Ausfüllung des "Zeitmomentes" der Verwirkung nach Auffassung der
Kammer, nicht aus. Darüber hinaus fehlt jeglicher Vortrag der Beklagten zum
"Umstandsmoment". Der Verpflichtete muß sich nämlich aufgrund des Verhaltens des
Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein vermeintliches Recht nicht mehr
geltend machen und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muß die verspätete
Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte
erscheinen.
Der Anspruch auf 4 % Zinsen seit 22.12.2000 ergibt sich aus §§ 291, 284, 286 BGB.
Die Entscheidung über die Kosten resultiert aus §§ 281 Abs. 3, 92 Abs. l ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: DM 6.739,50.