Urteil des LG Düsseldorf vom 02.09.2009

LG Düsseldorf (einstweilige verfügung, recht am eigenen bild, antragsteller, in ungerechtfertigter weise, bild, persönlichkeitsrecht, eingriff, grundrecht, pressefreiheit, beitrag)

Landgericht Düsseldorf, 12 O 273/09
Datum:
02.09.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 273/09
Tenor:
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Juli 2009 wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
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Der Antragsteller wendet sich gegen ein heimliches Anfertigen von Bild- und
Tonaufnahmen durch die Antragsgegnerin, so wie es unstreitig am 19.05.2009 erfolgt
und am 29.06.2009 im Rahmen einer Reportage unter dem Titel "X" in der Sendung X
ausgestrahlt worden ist. Die gesendeten Ausschnitte zeigen den Antragsteller in seiner
X Arzt-Praxis bei einem Beratungsgespräch mit seiner "Patientin", die tatsächlich eine
Reporterin der Antragsgegnerin ist, aber auch den Empfangsbereich der Praxis und das
Treppenhaus. Hierbei steht im Streit, ob der Antragsteller und seine Praxis trotz der von
der Antragsgegnerin vorgenommenen Maßnahmen (Vernebelung, Hochpitchen etc.)
erkennbar waren.
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Auf die Abmahnung durch den Antragsteller vom 02.07.2009 (Anlage Ast 4 = Bl.12 – 15
GA) hat die Antragsgegnerin unter dem 06.07.2009 (Anlage Ast 5 = Bl.16 - 17 GA) eine
Teil-Unterlassungserklärung bezüglich des Veröffentlichens von Bild- und
Tonaufnahmen des Antragstellers, soweit dieser erkennbar sei, abgegeben.
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Der Antragsteller hält diese für unzureichend, da die heimliche Anfertigung Bild- und
Tonaufnahmen sein Persönlichkeitsrecht, sein Recht am eigenen Bild und § 201 StGB
verletzten. Er sei in dem Beitrag erkennbar gewesen und sei auch von einem seiner
Patienten tatsächlich erkannt worden.
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Mit Beschluss vom 14.07.2009 hat die Kammer unter Androhung der gesetzlichen
Ordnungsmittel der Antragsgegnerin untersagt,
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in den Praxisräumen des Antragstellers ohne dessen Einwilligung Ton- und
Bildaufnahmen des Antragstellers zu fertigen, wie in Anlage ASt 2 wiedergegeben. >>
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Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
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Der Antragsteller beantragt,
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die einstweilige Verfügung vom 14.07.2009 zu bestätigen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung vom 14.07.2009 aufzuheben und den Antrag
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auf ihren Erlass zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin macht im Wesentlichen geltend, das Verbot greife in
ungerechtfertigter Weise in ihre Rechte aus Art.5 Abs.1 GG ein. Der Antragsteller sei in
dem Beitrag nicht erkennbar, das Gleiche gelte für das Umfeld der Praxis, es werde
nicht einmal erwähnt, dass diese sich in X befindet. Das heimliche Herstellen sei nicht
grundsätzlich unzulässig, hier sogar zulässig, da ein Journalist in Erfüllung des
Informationsauftrages der Medien recherchiert und die Aufnahmen angefertigt habe. Das
Anfertigen beziehungsweise Herstellen solcher Aufnahmen könne ihr sowieso nicht
verboten werden, allenfalls könne es um das Veröffentlichen, also Ausstrahlen gehen.
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung gelange man zur Zulässigkeit, da der
Freiheit der Berichterstattung der Vorrang zukomme.
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Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da sie zu Recht ergangen ist. Es ist
sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund gegeben, §§ 935 ff.
ZPO.
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Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin aus § 823 Abs. 1 BGB ein
Unterlassungsanspruch zu, so dass der Verfügungsantrag begründet ist. Der
Antragsteller hat klargestellt, dass er den Unterlassungsanspruch nur bezüglich der
konkreten Verletzungsform geltend macht, nicht aber darüber hinaus bezüglich –
losgelöst vom jeweiligen Anlass der Berichterstattung - ähnlicher Bild- oder
Tonaufnahmen.
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I. Das nicht nur ohne seine Einwilligung sondern sogar heimliche Anfertigen der Bild-
und Tonaufnahmen verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG, § 823 Abs.1 BGB. Dieser Eingriff ist
nicht im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs.1 GG
gerechtfertigt.
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1. Zwar enthält Art. 2 Abs.1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1GG kein allgemeines oder gar
umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (BVerfGE
101,361 ff.; 120,180 ff.). Es ist aber anerkannt, dass das Recht am eigenen Bild als
besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dem Einzelnen
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durchaus Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten gewährleistet, soweit es um die
Anfertigung und Verwendung von Bildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht
(BVerfGE 120, 180 ff.). Dabei wird der Schutz – soweit es um das reine Herstellen von
Bildern geht - nicht über die spezialgesetzlichen Regelungen des § 22 KUG
gewährleistet. Berührt sein kann durch das bloße Herstellen aber das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten (Wandtke/Bullinger UrhR, 3. Aufl., § 22 KUG RN
9 mN; BGH AfP 1995, 597-599; OLG Düsseldorf NJW 1994,1971-1972). Die Herstellung
eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten kann einen unzulässigen Eingriff
in dessen nach § 823 Abs.1 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht
darstellen (BGH aaO). Ein solcher Eingriff liegt hier vor.
2. Das Recht am eigenen Wort, insbesondere die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der
Inhalt eines Gesprächs nur dem Gesprächspartner beziehungsweise Adressaten oder
aber der Öffentlichkeit zugänglich sein soll, genießt als Bestandteil des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts ebenfalls den Schutz über Art. 2 Abs. 1, 1 Abs.1 GG, § 823 Abs.1
BGB (BGH NJW 2003,1727). Darüberhinaus ist das Recht am eigenen Wort geschützt
über §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 201 StGB. Das heimliche Anfertigen von
Tonaufnahmen stellt einen Eingriff in die Rechte des Antragstellers dar.
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3. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers erfolgte
hinsichtlich beider Einzelausprägungen widerrechtlich und stellt eine den erhobenen
Unterlassungsanspruch tragende Rechtsverletzung dar.
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Da es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand handelt, wird allerdings die
Rechtswidrigkeit nicht von der Tatbestandsmäßigkeit des Eingriffs indiziert. Es bedarf
vielmehr einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung, in die vor allem das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers sowie die Intensität seiner
Beeinträchtigung einfließen. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist das Grundrecht der
Pressefreiheit aus Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG in die Abwägung einzubeziehen.
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a) Durch das unstreitig heimlich erfolgte Anfertigen der Bild- und Tonaufnahmen hat die
Antragsgegnerin massiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers
eingegriffen. Es ist anerkannt, dass sich gerade aus einem heimlichen Vorgehen ein
besonderer Schutzbedarf ergeben kann (BVerfGE 101,361 ff.). Hinzu kommt, dass der
Antragsteller in seiner Arztpraxis mit dem Anfertigen von Film- oder Tonaufnahmen nicht
rechnen muss. Zwar wird durch die berufliche Schweigepflicht, der der Antragsteller
gemäß § 203 Abs.1 Nr. 1 StGB, 9 MBO-Ä als Arzt unterliegt, der Patient geschützt und
nicht er selbst. Auch dürfte in dem Anfertigen dieser Aufnahmen kein Eingriff in sein
Grundrecht aus Art. 12 GG liegen. Gleichwohl kann nach der Ansicht der Kammer im
Rahmen der umfassenden Güter- und Interessenabwägung nicht außer Acht gelassen
werden, dass die Medien bei ihrer Berichterstattung dann besondere Sensibilität und
Sorgfalt walten zu lassen haben, wenn es um ganz besonders schutzwürdige
Verhältnisse geht wie etwa das zwischen Arzt und Patient oder dasjenige zwischen
Rechtsanwalt und Mandant. Dies führt indes nicht dazu, Bild- oder Tonaufnahmen in
einer Arztpraxis allein im Hinblick auf das bestehende und schutzwürdige
Vertrauensverhältnis und die beruflichen Schweigepflichten des Arztes und das damit
korrespondierende prozessualen Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs.1 Nr. 6
ZPO generell für unzulässig zu erachten, zumal dieses - anders als die Schutz über Art.
5 GG genießende Vertraulichkeit in Redaktionsräumen
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(BVerfGE 66, 116 ff. - Wallraff; 117, 244. – Cicero) – schwächeren gesetzlichen Schutz
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genießt, wohl aber zu höheren Anforderungen im Rahmen der Abwägung.
b) Zugunsten der Antragsgegnerin ist zu berücksichtigen, dass diese über Art. 5 Abs.1
Satz 2 GG umfassenden Schutz genießt und zwar auch soweit es um die
Informationsbeschaffung sowie die Entscheidung darüber, ob im Rahmen eines Berichts
Bild- oder Tonaufnahmen Verwendung finden, geht. Geschützt ist sie über ihr
Grundrecht der Pressefreiheit auch insoweit, als sie ohne Bewertung der Qualität des
konkreten Beitrages selbst zu entscheiden hat, was sie für berichtenswert hält (BVerfGE
120, 180 ff; BGH NJW 2009, 757).
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c) Für die Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Presse im konkreten Fall
eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert und
damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen
Meinung beiträgt, ob es sich etwa um einen allgemein interessierenden Beitrag über ein
aktuelles Thema handelt. Dies ist hier zu bejahen und zwar unabhängig davon, ob man
auf den aktuellen Anlass im Zeitpunkt der Ausstrahlung – Tod des Künstlers X – oder
auf den allgemeinen Anlass im Zeitpunkt der Erstellung der Aufnahmen abstellt. Denn in
beiden Fällen handelt es sich um einen Beitrag, der allgemeine Interessen der
Öffentlichkeit berührt.
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Andererseits ist jedoch ganz entscheidend die Heimlichkeit zu würdigen, in der die
Aufnahmen angefertigt wurden. Ein anzuerkennendes journalistisches Erfordernis
genauso vorzugehen wie geschehen, also die heimliche Aufnahme eines vorgespielten
Patientengesprächs zum Zwecke der Ausstrahlung der Aufnahmen, hat die
Antragsgegnerin nicht dargetan oder gar glaubhaft gemacht. Die Kammer ist vielmehr zu
der Einschätzung gelangt, dass sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
mildere Mittel angeboten hätten, um den Zweck des Beitrages gleichermaßen zu
erfüllen, ohne dass es dabei zu massiven Persönlichkeitsrechtsverletzungen kommt.
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Es ging in dem Bericht darum herauszufinden, ob es in Deutschland möglich ist von
einem "fremden" Arzt nach wenigen Minuten verschreibungspflichtige Psychopharmaka
zu bekommen. Die Wiedergabe des Gesprächsablaufs zwischen dem Antragsteller und
der "Patientin" wäre, worauf der Antragstellervertreter im Termin überzeugend
hingewiesen hat, ohne weiteres dadurch möglich gewesen, dass man sie zum Inhalt
des Beratungs- und Behandlungsgesprächs befragt, sie ggf. das Rezept vorzeigen lässt,
welches sie erhalten hat, und diese Bild- und Tonaufnahmen sendet.
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Einen konkreten Anlass, die Person und Teile der Praxisräume gerade des
Antragstellers zu zeigen, hat die Antragsgegnerin weder vorgebracht noch ist ein
solcher ersichtlich, zumal die Antragsgegnerin sich selbst darauf beruft, die Person und
die Örtlichkeit des Gesprächs unkenntlich gemacht zu haben.
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Bei dieser Sachlage hat das Grundrecht der Pressefreiheit der Antragsgegnerin hinter
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zurückzutreten.
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II. Die Wiederholungsgefahr ist gegeben. Eine auf die Herstellung von heimlichen Bild-
und Tonaufnahmen wie in der Anlage ASt 2 geschehen gerichtete
Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben.
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III. Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass auch ein Verfügungsgrund im Sinne des § 935
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ZPO vorliegt. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen
Verletzungshandlung keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Eines Ausspruchs zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.
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Streitwert: 50.000,00 €
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