Urteil des LG Bonn vom 12.11.2004

LG Bonn: versicherung auf den todesfall, zustand, suizid, beweislast, unzurechnungsfähigkeit, ausschluss, geisteskrankheit, einfluss, versicherer, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Nachinstanz:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Landgericht Bonn, 9 O 447/04
12.11.2004
Landgericht Bonn
9. Zivilkammer
Beschluss
9 O 447/04
Oberlandesgericht Köln, 5 W 168/04
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
vom 21.09.2004 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche
Auslagen werden nicht erstattet
Gründe:
Der Antrag der Antragstellerin vom 21.09.2004 - gerichtet auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für das beabsichtige Klageverfahren - ist zurückzuweisen, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO)
Die Antragstellerin hat nicht hinreichend schlüssig dargetan, dass die
Antragsgegnerin aufgrund des am 15.01.2004 verübten Suizids des Versicherten A, zur
Leistung aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag verpflichtet ist, nachdem
sich die Antragsgegnerin auf ihre Leistungsfreiheit nach § 169 WG i. V .m. § 6 der dem
Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kapitallebensversicherung
berufen hat. Hiernach wird der Versicherer bei der Versicherung auf den Todesfall von
seiner Leistungspflicht befreit, wenn sich der Versicherte selbst getötet hat. Eine
Verpflichtung zur Leistung besteht nur für den Fall, dass der Suizid in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit
begangen worden ist.
Ein Ausschluß der freien Willensbestimmung liegt dann vor, wenn jemand nicht imstande
ist, seinen Willen frei und ohne Einfluss einer Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend
gewonnenen Einsichten zu handeln. Hierbei ist darauf abzustellen, ob eine freie
Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei einer sachlichen Prüfung der in
Betracht kommenden Gesichtspunkte noch möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien
Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung
äußere Einflüsse den Willen übermäßig beherrschen (vgl. BGH WM 1984, 1063 f.; KG
VersR 2000, 86; OLG Karlsruhe VersR 2003, 977 ff.). Als krankhafte Störung der
Geistestätigkeit im Rahmen des § 169 WG können alle Störungen der Verstandestätigkeit
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sowie des Willens, des Gefühls und des Trieblebens in Betracht kommen, ohne dass die
Manifestation einer Geisteskrankheit erforderlich ist (vgl. OLG Karlsruhe , a.a.O., OLG
Stuttgart VersR 1989, 794)
Zu diesen Voraussetzungen für einen die freie Willensentscheidung ausschließenden
Zustand des Versicherten hat die Antragstellerin nicht hinreichend vorgetragen. Die
pauschale Behauptung der Antragstellerin, die Tat sei in einem die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit
begangen worden, so dass von einer Bewusstseinsstörung auszugehen sei, reicht hier
nicht aus, um eine Leistungspflicht der Antragsgegnerin begründen zu können. Vielmehr
wäre die Darlegung konkreter Anknüpfungstatsachen erforderlich gewesen, die zumindest
in einer summarischen Prüfung den Schluss zugelassen hätten, dass der Suizid nicht vom
freien Willen des Versicherten getragen war. An einer solchen Darlegung tatsächlicher
Umstände fehlt es. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eine die freie
Willensbestimmung ausschließenden Zustandes des Versicherten trifft insoweit den
Anspruchsteller (vgl. BGH VersR 1995, 79; OLG Karlsruhe, a.a.O. m.w.N.).
Allein die Tatsache, dass der Verstorbene bis auf die Socken und Schuhe entkleidet
aufgefunden worden ist, lässt nicht den hinreichend sicheren Schluss auf seine
Unzurechnungsfähigkeit zu. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Umstand, dass
die Tat unerklärlich erscheint, für die Annahme einer Störung der Geistestätigkeit nicht
ausreicht, wie auch das Fehlen eines bestimmten und ausreichenden Beweggrundes für
die Tat für sich genommen einen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit nicht zu begründen
vermag (vgl. OLG Köln OLGR 2002, 25; QLG Karlsruhe, a.a.O.).
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.