Urteil des LG Bochum vom 18.06.2010
LG Bochum (kläger, beweisverfahren, höhe, gegenstand, versicherungsleistung, zahlung, gutachten, erstattung, zpo, eingriff)
Landgericht Bochum, 4 O 42/10
Datum:
18.06.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 42/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 3 OH 1/09 –
Landgericht Bochum – werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Beklagte nur gegen
Sicherheits-leistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages. Die Be-klagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Kraftfahrversicherung, welcher die AKB der
Beklagten aus dem Jahr 2008 zu Grunde liegen.
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Im Dezember 2008 wurde das Mercedes-Benz C-Klasse Coupé des Klägers durch
Unbekannte erheblich beschädigt, worauf der Kläger seine Kraftfahrversicherung bei
der Beklagten in Anspruch nahm. Die Beklagte hatte zur Feststellung der
Schadenshöhe einen Sachverständigen beauftragt, der im Gutachten vom 09.01.2009
Reparaturkosten in Höhe von 17.306,13 € brutto feststellte. Der Kläger hingegen hatte
einen Schaden in Höhe von etwa 30.000,00 € brutto behauptet und die Beklagte durch
anwaltliches Schreiben vom 12.01.2009 unter Fristsetzung bis zum 19.01.2009 zur
Zahlung aufgefordert. Eine solche erfolgte nicht. Mit Schriftsatz vom 22.01.2009, der am
28.01.2009 beim Landgericht Bochum eingegangen ist, hat der Kläger ein
selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet (Az. I-3 OH 1/09). Dies endete mit der
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Feststellung eines Reparaturaufwandes in Höhe von 25.624,96 € brutto. Am 20.08.2009
zahlte die Beklagte diesen Betrag an den Kläger.
Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten Ersatz für den Nutzungsausfall und die
Erstattung der anwaltlichen Verfahrensgebühr aus dem selbstständigen
Beweisverfahren.
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Der Kläger behauptet, die Beklagte habe Pflichten aus dem Versicherungsverhältnis
verletzt, indem sie bewusst ein für die Beklagte günstiges Gutachten habe erstellen
lassen. Hierdurch sei das selbstständige Beweisverfahren nötig geworden. Bis zum
Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens mit Zahlung am 20.08.2009 hätte das
Fahrzeug, um die Beweiserhebung nicht zu vereiteln, nicht repariert werden können.
Die Nutzungsausfallentschädigung belaufe sich auf 79,00 € pro Tag. Der Kläger ist
daher der Auffassung, die Beklagte schulde für die Zeit vom 09.01.2009 bis zum
22.08.2009, mithin 222 Tage, Nutzungsausfallentschädigung. Im Übrigen sei die im
selbstständigen Beweisverfahren angefallene anwaltliche Verfahrensgebühr in Höhe
von 718,40 € im Wege des Schadensersatzes zu erstatten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.256,40 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 aus 17.538,00 € und aus 718,40 € seit dem
01.04.2010 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Anspruch auf Nutzungsentschädigung folge weder
aus dem Vertrag, noch als Schadensersatzanspruch. Insbesondere sei die
Versicherungsleistung bezüglich der Reparaturkosten zum Zeitpunkt der Einleitung des
selbstständigen Beweisverfahren noch gar nicht fällig gewesen, weil Umfang des
Schadens noch nicht festgestanden hätten und das nach den AKB nötige
Sachverständigenverfahren noch nicht durchgeführt worden sei. Die Kosten des
selbstständigen Beweisverfahrens könnten nicht im Wege eines materiellen
Schadensersatzanspruchs verfolgt werden, sondern nur durch eine prozessuale
Kostengrundentscheidung, die jedoch fehle.
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Die Akte I-3 OH 1/09 – Landgericht Bochum – wurde beigezogen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist, soweit die Erstattung der Verfahrensgebühr aus dem selbstständigen
Beweisverfahren in Höhe von 718,40 € begehrt wird, bereits unzulässig.
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Insoweit fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Die Kosten des selbstständigen
Beweisverfahrens des Landgerichts Bochum I-3 OH 1/09 gehören zu den Kosten in
diesem Rechtsstreit und sind daher im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen.
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Für eine separate Leistungsklage fehlt selbst dann das Rechtsschutzbedürfnis, wenn
zwischen dem Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens und des späteren
Hauptsacheverfahrens nur Teilidentität besteht. Eine solche ist bereits dann
anzunehmen, wenn das im selbstständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten
zumindest teilweise gem. § 493 ZPO genutzt wird (OLG Hamm, Urteil v. 22.11.2007 – 22
U 11/07; NJW-RR 2008, 950). So verhält es sich hier. Hier stützt sich der Kläger
hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten in Auftrag gegebenen
Gutachtens auf die Erkenntnisse aus dem selbstständigen Beweisverfahren und
begründet so den vermeintlichen Anspruch auf Erstattung des Nutzungsausfalls.
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
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Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung besteht weder aus dem
Versicherungsvertrag, noch aufgrund eines Schadensersatzanspruchs.
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Ein Anspruch sowohl aus dem Versicherungsvertrag, als auch aufgrund eines
Schadensersatzanspruchs, scheitert bereits an Ziff. A 2.15.1 der AKB 2008, wonach
Nutzungsausfall ausdrücklich nicht ersetzt wird und damit nicht zum Leistungsumfang
der Kraftfahrversicherung gehört (OLG Schleswig, r+s 1995, 408; zur damaligen
Fassung aus § 13 Nr. 6 AKB). Die Möglichkeit einen solchen Ausschluss zu
vereinbaren ist zulässig (BGHZ 85, 11).
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Unabhängig von dem Ausschluss hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs stünde
dem Kläger kein Anspruch aus §§ 280 ff. BGB zu. Unterstellt, die Beklagte hätte durch
die Einholung eines falschen Gutachtens oder durch die verzögerte Auszahlung
wenigstens eines Teilbetrages ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger
verletzt, scheitert ein solcher Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 ff. BGB dann daran, dass der
Nutzungsausfall eine im konkreten Fall nicht zu erstattende Schadensposition darstellt.
Grundsätzlich kann zwar Ersatz für entgangene Nutzungen im Wege des
Schadensersatzes – sowohl vertraglicher als auch deliktischer – verlangt werden. Die
dafür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze lassen sich aber nicht auf
versicherungsrechtliche Ansprüche ausdehnen, bei denen es letztlich um die Erfüllung
einer Geldschuld geht (OLG Düsseldorf, r+s 2006, 63; OLG Schleswig, a.a.O.). Für
Erstattungsfähigkeit von Nutzungsausfall kommt es darauf an, dass der Schädiger einen
Eingriff in den Gegenstand des Gebrauchs getätigt hat, die seine Benutzung objektiv
verhindert hat – kann ein Gegenstand aus anderen Gründen nicht genutzt werden, ist
kein Nutzungsausfallersatz zu leisten (BGHZ a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.;
MüKo/Oetker, 5. Auflage 2006, § 249 BGB, Rn. 68). An diesem gegenstandsbezogenen
Eingriff fehlt es aber bei der hier geltend gemachten Pflichtverletzung. Die von der
Beklagten geschuldete Geldleistung stand zur freien Verfügung des Klägers. Dass die
Versicherungsleistung tatsächlich für die Reparatur des Fahrzeugs aufgewandt werden
sollte, genügt für die Annahme eines gegenstandsbezogenen Eingriffs nicht (OLG
Düsseldorf, a.a.O.). Die vorliegende Situation ist auch nicht mit der Inanspruchnahme
der Kraftfahrversicherung eines Schädigers vergleichbar, bei der Nutzungsausfall
grundsätzlich ersetzt werden kann. Dort greift der Schädiger, für den die Versicherung
einsteht, ja gerade in den Gegenstand des Gebrauchs ein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 96 ZPO. Hinsichtlich der Kosten des
selbstständigen Beweisverfahrens, welches sich aufgrund seines Erfolges bereits vor
Erhebung der Hauptsacheklage erledigt hat, ist eine Kostenquotierung unter Erfolg
dieses Beweismittels abweichend von dem Erfolg im Hauptsacheverfahren möglich
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(OLG Hamm, a.a.O.). Danach hatte die Beklagte die Kosten des selbstständigen
Beweisverfahrens zu tragen, da sie den dort ermittelten Betrag voll erstattet hat, damit
das selbstständige Beweisverfahren voll erfolgreich war. Zum Zeitpunkt der Einleitung
des selbstständigen Beweisverfahrens mit Eingang der Antragsschrift bei Gericht am
28.01.2009 hat sich die Beklagte mit der Versicherungsleistung in Verzug befunden.
Nach Ziff. A.2.16.1 AKB 2008 hat der Versicherer binnen 2 Wochen nach Feststellung
der Leistungspflicht, die mit Erstellung des eigens beauftragten Gutachtens am
09.01.2009 festgestellt wurde, zu zahlen. Auch die Nichtdurchführung des
Sachverständigenverfahrens führt zu keiner anderen Beurteilung. Ziff. A.2.19.1 der AKB
2008 sprechen nur davon, dass der Versicherungsnehmer ein solches Durchführen
lassen kann. Eine Pflicht hierzu ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 709 S.
1 und S. 2, 711 ZPO.
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