Urteil des LG Bochum vom 18.02.2002
LG Bochum: lege artis, schmerzensgeld, unverzüglich, verschulden, anweisung, unterlassen, dokumentation, anästhesist, behandlungsfehler, zukunft
Landgericht Bochum, 6 O 321/97
Datum:
18.02.2002
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
6. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 321/97
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 3 U 100/02
Tenor:
Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an
die Kläger als Gesamtgläubiger ein Schmerzensgeld in Höhe von
153.387 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1995 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern als Gesamtgläubigern
sämtliche materiellen Schäden für Vergangen-heit und Zukunft, die
ihnen aus der Behandlung der Frau T vom Februar/März 1995
entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese
Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige
Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen
diese als Ge-samtschuldner zu 5/7 und die Beklagten zu 1.) und 2.) als
Gesamtschuldner zu 2/7.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) und 2.) tragen diese
jeweils selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3.), 4.), 5.), 6.) und 8.)
tragen die Klä-ger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstrecken-den Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind als Ehemann und Kinder Erben und Rechtsnachfolger der im Verlaufe
des Rechtsstreits am 4. Februar 1998 verstorbenen früheren Klägerin, Frau T.
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Sie verlangen im wesentlichen von den Beklagten Schmerzensgeld und Feststellung
der Ersatzpflicht der materiellen Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung.
3
Frau T befand sich wegen einer mittelgradigen Gebärmuttersenkung, die zu
Unterbauchbeschwerden und insbesondere zu einem unangenehmen Blasendruck
führte, seit dem 1. Februar des Jahres 1995 in stationärer Behandlung im Krankenhaus
der Beklagten zu 1.).
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Der behandelnde Chefarzt, der Beklagte zu 2.), riet der Patientin aufgrund ihrer als
unzumutbar empfundenen Beschwerden zu einer Operation der Gebärmutter, die er als
Routine-Eingriff bezeichnete.
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Am 2. Februar 1995 wurde der Patientin die Gebärmutter in einer zunächst von 9.20 bis
11.10 Uhr dauernden Operation entfernt; da es zu Nachblutungen kam, erfolgte bis
12.25 Uhr eine Nach-Operation zur Blutstillung. Die Operation führte der Beklagte zu 2.)
durch, ihm assistierten die Beklagten zu 3.) und 4.); der zuständige Anästhesist war der
Beklagte zu 5.).
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Sodann wurde die Klägerin auf die gynäkologische Station 00 zurückverlegt.
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Im Verlaufe des folgenden Tages, dem 3. Februar 1995, spätestens ab dem Zeitraum
von 15.00 bis 16.00 Uhr, klagte Frau T über Übelkeit und Schmerzen, wollte aber
zunächst kein Medikament einnehmen. Nach der Chefarztvisite gegen 16.00 bis 16.30
Uhr und auf die Nachfrage der diensthabenden Krankenschwester, der Beklagten zu 6.),
wie zu verfahren sei, erklärte der Beklagte zu 2.), dass sie der Patientin ein Vomex
Zapfchen verabreichen solle, wenn diese erneut über Übelkeit klage. Weitere
Anweisungen erteilte er nicht.
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Um 20.30 Uhr gab die Beklagte zu 6.) der Patientin, die wiederum über Übelkeit klagte
und im Krankenzimmer umherlief, ein Vomex Zäpfchen. Eine Blutdruckmessung erfolgte
nicht.
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Im Verlaufe der folgenden halben Stunde - die genauen Zeiten sind zwischen den
Parteien streitig - erlitt die Patientin einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand.
Die von der Bettnachbarin alarmierte Beklagte zu 6.) verständigte daraufhin die weitere
Schwester, die Beklagte zu 7.) - ihr konnte die Klage nicht zugestellt werden, die Kläger
haben inzwischen die Klage zurück genommen -‚ die sich ihrerseits um ärztliche Hilfe
bemühte. Da der Anästhesist im nahen Operations-Saal wegen einer bereits
eingeleiteten Geburt nicht abkömmlich war, wurde der Beklagte zu 8.) als
diensthabender Internist verständigt. In der Zwischenzeit beatmeten die Beklagten zu 6.)
und 7.) Frau T mit Guedeltubus und Ambubeutel, und zwar mit Raumluft ohne Zufuhr
reinen Sauerstoffs. Dabei schoben sie die Patientin bereits auf den Gang in Richtung
Intensivstation. Der Beklagte zu 8.), der nach eigenen Angaben ca. 40 Sekunden nach
seiner Anforderung auf der Station erschien, fand die Patientin bereits mit weiten
Pupillen vor und begann umgehend mit der Herzdruckmassage. Gegen 21.02 Uhr trafen
sie auf der Intensivstation ein; die Patientin konnte reanimiert werden, war seit diesem
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Zeitpunkt aber Apallikerin.
Die Kläger tragen vor, die Beklagten hätten ihre Ehefrau und Mutter, Frau T, in vielfacher
Hinsicht fehlerhaft behandelt. Es habe bereits keine zwingende Indikation zur Operation
bestanden. Insoweit sei die frühere Klägerin über die Notwendigkeit der Hysterektomie
falsch aufgeklärt worden.
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Die Operation selbst sei ebenfalls fehlerhaft verlaufen, wie insbesondere die
Nachblutungen zeigten.
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Schließlich seien die Reanimationsmaßnahmen völlig unzureichend, vor allem aber
verspätet erfolgt. Die frühere Klägerin sei viel zu lange ohne die für das Gehirn
lebensnotwendige Sauerstoffversorgung gewesen: erst 15 Minuten nach dem
Kreislaufzusammenbruch sei der Beklagte zu 8.) eingetroffen. Dies erkläre den Eintritt
des apallischen Syndroms.
13
Die Kläger beantragen,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger ein
angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 153.387,- EUR nebst
5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch 8 % seit dem 1. September
1995 zu zahlen;
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festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern als
Gesamtgläubigern sämtliche materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft, die
ihnen aus der Behandlung der Frau T vom Februar/März 1995 entstanden sind bzw.
entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ersatzansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
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Die Beklagten beantragen,
17
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten bestreiten, die Patientin falsch aufgeklärt bzw. behandelt zu haben. Bei
dem tragischen Geschehen handele es sich vielmehr um einen schicksalsbedingten
Krankheitsverlauf. Insbesondere seien die Reanimationsmaßnahmen unverzüglich und
sachgerecht erfolgt. Auf der Station befinde sich ordnungsgemäß ein Notfallkoffer mit
Tubus und Ambubeutel.
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Die Beklagte zu 6.) sei maximal eine Minute nach dem Schellen der Bettnachbarin der
Frau T im Krankenzimmer eingetroffen. Die umgehend verständigte Beklagte zu 7.) sei
unverzüglich mit Guedeltubus und Ambubeutel erschienen und habe besonnen und
schnellstmöglich ärztliche Hilfe angefordert. Mit der künstlichen Beatmung der Patientin
sei unverzüglich begonnen worden; der nur 40 Sekunden später eingetroffene Beklagte
zu 8.) habe Frau T sachgerecht mittels Herzdruckmassage reanimiert. Vom Notruf der
Bettnachbarin bis zum Eintreffen des Arztes, des Beklagten zu 8.), seien allenfalls fünf
Minuten vergangen, nämlich entweder der Zeitraum von 20.50 Uhr bis 20.55 Uhr
(Dokumentation der Beklagten zu 6.) oder von 20.55 Uhr bis 21.00 Uhr (Dokumentation
der Beklagten zu 7.).
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher
21
Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten.
Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen E vom 16. April 1999 und auf
seine ergänzende Stellungnahme vom 26. Januar 2001 verwiesen.
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Weiterhin wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen H vom 7. Dezember
1999 sowie auf dessen ergänzende Stellungnahme vom 29. August 2001 verwiesen.
23
Die Kammer hat überdies den Sachverständigen H im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 18. Februar 2002 zur Erläuterung seiner Gutachten mündlich
angehört. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll vom 18. Februar 2002, Bl. 320-323 GA,
verwiesen.
24
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
25
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) richtet; im
Übrigen ist sie unbegründet.
27
I.
28
Den Klägern steht aus der Behandlung der früheren Klägerin gegen die Beklagten zu 1.)
und 2.) gemäß § 847 (i.V.m. § 31) BGB ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von
153.387 EUR zu.
29
1.)
30
Der Anspruch ergibt sich daraus, dass die Behandlung des Kreislaufzusammenbruchs
der früheren Klägerin grob fehlerhaft erfolgt ist (siehe unter 2.).
31
a.)
32
Die Kläger haben hingegen nicht den Beweis erbracht, dass bereits die Operation nicht
indiziert war. Der Sachverständige E hat in seinem Gutachten vom 16. April 1999 und
namentlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Januar 2001 (S. 4)
nachvollziehbar und zweifelsfrei erläutert, dass zwar der bei der früheren Klägerin
vorgelegene Befund des mittelgradigen Descensus genitalis allein keine
Operationsindikation dargestellt habe; aufgrund der Kombination der pathologischen
Symptome und der von der Patientin beklagten Beschwerden habe aber eine klare
Indikation zur Hysterektomie und Inkontinenz-Operation bestanden. Dieses Argument
haben die Kläger auch nicht mit Hilfe der von ihnen eingeholten Privatgutachten des P
vom 13. September 1995 und 9. Dezember 1996 zu entkräften vermocht. Der
Privatgutachter verneint nämlich die Dringlichkeit des Eingriffs aus objektiv-
medizinischer Sicht - insoweit besteht kein Widerspruch zu dem Gerichts-
Sachverständigen E, berücksichtigt aber nicht hinreichend das subjektive Befinden der
Patientin, die gerade nicht bereit war, die Beschwerden weiter zu ertragen.
33
b.)
34
Auch die Operation selbst ist sachgerecht erfolgt; entgegenstehende Anhaltspunkte hat
der Sachverständige E nicht festgestellt. Dass es zu Nachblutungen gekommen ist,
spricht nicht dagegen. Der Gutachter hat diese als mögliche Folge einer derartigen
Operation erachtet und zugleich in seinem Gutachten vom 16. April 1999 (S. 4)
ausgeführt, dass auch bei sorgfältigster Blutstillung eine solche Nachblutung nicht mit
letzter Sicherheit vermieden werden könne. Diese sei im Wege der Nachoperation lege
artis gestillt worden.
35
c.)
36
Schließlich ist auch die nachoperative Behandlung nicht zu beanstanden. Der
Blutverlust ist hinreichend aufgefangen worden; der Sachverständige hat dargelegt,
dass sich der Hämoglobingehalt der früheren Klägerin am 2. und 3. Februar 1995
stabilisiert habe und die Nachbehandlung aus gutachterlicher Sicht einwandfrei erfolgt
sei. Dies hat der weitere Sachverständige H in seinem Gutachten vom 7. Dezember
1999 im Hinblick auf die dokumentierten Blut-/Blutdruckwerte ausdrücklich bestätigt und
zugleich einen kausalen Zusammenhang zu dem akuten Ereignis am 3. Februar 1995
ausgeschlossen (Bl. 3).
37
2.)
38
Grob behandlungsfehlerhaft war jedoch die Behandlung der früheren Klägerin im
Hinblick auf die von ihr geäußerte Übelkeit bis hin zur Reanimation anlässlich ihres
Kreislaufzusammenbruchs und Herzstillstandes.
39
a.)
40
Der Sachverständige H hat in seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer, namentlich
zur Erläuterung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. August 2001
nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Patientin bereits in den
Nachmittagsstunden beklagte Übelkeit dazu Veranlassung hätte geben müssen,
zumindest mit der Verabreichung des Vomex Zäpfchens um 20.30 Uhr eine
Blutdruckkontrolle vorzunehmen. Zwar handele es sich bei Übelkeit grundsätzlich um
eine unspezifische Symptomatik; unter Berücksichtigung der konkreten
Krankengeschichte der Patientin im Hinblick auf Alter, Operation und Nach-Operation
sei die Übelkeit aber ein führendes Symptom eines niedrigen bzw. abfallenden
Blutdrucks und Kreislaufzusammenbruchs. Deshalb sei die Verabreichung des
Zäpfchens allein nicht ausreichend gewesen; es hätte vielmehr zusätzlich eine
Blutdruckkontrolle erfolgen müssen, da zu diesem Zeitpunkt bereits - möglicherweise –
ein abfallender Blutdruck hätte festgestellt und ggf. eine intensivmedizinische
Behandlung mit Aussicht auf Erfolg eingeleitet werden können.
41
Der Beklagte zu 2.) hätte folglich der Beklagten zu 6.) mit der Anweisung, der früheren
Klägerin bei Übelkeit ein Vomex-Zäpfchen zu verabreichen, zugleich auferlegen
müssen, auch den Blutdruck zu kontrollieren.
42
Das Unterlassen dieser Maßnahme erachtet die Kammer unter Berücksichtigung der
von dem Sachverständigen dargestellten Tatsachen als groben Behandlungsfehler des
Beklagten zu 2.) : Da die Zäpfchengabe nämlich nach den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen H allein nicht ausreichend, vielmehr die
43
Blutdruckkontrolle erforderlich war, um einen möglichen und auch durchaus
wahrscheinlichen Blutdruckabfall zu verifizieren oder aber auszuschließen, und zudem
auch ohne nennenswerten Aufwand hätte erfolgen können, stellt das Unterlassen dieser
Maßnahme einen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und gesicherte
medizinische Erkenntnisse dar, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich
erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH, NJW
1995, 778; 1996, 2428; 1997, 794, 796; 1998, 814; 1780, 1782)
Die Beklagte zu 6.) trifft insoweit allerdings kein Verschulden, da sie ordnungsgemäß
nach der Anweisung des Beklagten zu 2.) gehandelt hat, der zuvor nur die
Verabreichung eines Medikaments gegen Übelkeit angeordnet hatte. Mehr kann von ihr
als Nichtmedizinerin selbstredend nicht erwartet werden.
44
b.)
45
Ein weiterer Behandlungsfehler liegt darin, dass die frühere Klägerin über Guedeltubus
und Ambubeutel nur mit normaler Raumluft, nicht aber mit reinem Sauerstoff beatmet
worden ist. Die Verantwortung trifft insoweit die Beklagte zu 1.), die der Station des
Beklagten zu 2.) nicht ein entsprechend ausgestattetes Notfallsystem zur Verfügung
gestellt hat. Die Kammer brauchte deshalb die von den Beklagten zur Notfallausstattung
benannten Zeugen L und L1 nicht mehr zu hören; die Beklagte zu 6.) hat im Termin vom
18. Februar 2002 nämlich erklärt, die Patientin nur mit normaler (Raum-) Luft beatmet zu
haben. Dies ist auch zwischen sämtlichen Parteien unstreitig geblieben.
46
Der Sachverständige H hingegen hat - insbesondere auf Nachfrage des Klägervertreters
- erklärt, dass mit reinem Sauerstoff habe beatmet werden müssen. Aufgrund der von
ihm als wahrscheinlich erachteten Lungenembolie und des entstandenen
Lungenthrombus habe nämlich ohnehin nur ein geringeres Sauerstoff-Volumen
aufgebaut werden können, das Gehirn habe zuwenig Sauerstoff erhalten, selbst bei
einer im Übrigen lege artis durchgeführten Reanimation. Da die Patientin jedenfalls
beinahe komatös gewesen sei, sei die Zuführung von reinem Sauerstoff "zwingend
notwendig", in keinem Fall kontraindiziert gewesen.
47
c.)
48
Da in diesen Fällen die Gabe von Sauerstoff die Chancen des kollabierten, komatösen
Patienten deutlich zu verbessern geeignet und in keinem Fall schädlich ist, entspricht
das von der Beklagten zu 1.) verwendete Notfallsystem der Beatmung nur mit Raumluft
ohne reinen Sauerstoff nicht mehr dem aktuellen zeitgerechten Stand der Medizin; eine
derartige Notfallversorgung erachtet die Kammer als grob fehlerhaft.
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Die Beklagten zu 6.) und 8.) trifft hieran kein Verschulden. Es ergibt sich kein
Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte zu 6.) mit den vorhandenen Mitteln nicht
ordnungsgemäß reanimiert hätte. Auch die ärztlichen Reanimationsmaßnahmen des
Beklagten zu 8.) sind nach den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen H
nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte zu 1.) ist allerdings als Krankenhausträgerin für die jedenfalls im Hinblick
auf fehlenden reinen Sauerstoff unzureichende Notfallversorgung auf der Station 00
verantwortlich.
51
3.)
52
Aufgrund dieser zweifelsfrei feststehenden massiven Versäumnisse erachtet die
Kammer vorliegend eine zur Beweislastumkehr führende Beweiserleichterung
zugunsten der Kläger als gegeben. Es entspricht nunmehr der Billigkeit, den Beklagten
zu 1.) und 2.) die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die Behandlungs- und
Organisationsfehler nicht das apallische Syndrom der Frau T kausal verursacht haben
(vgl. hierzu Dr. Müller, Vors. des VI. Zivilsenats beim BGH, Senat für Arzthaftungsfragen,
in DRiZ 2000, 259, 266-269).
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Diesen Beweis haben die Beklagten nicht zu führen vermocht. Denn es ist namentlich
nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen H durchaus möglich, wenn
nicht sogar wahrscheinlich, dass eine anlässlich der Verabreichung des Vomex
Zäpfchens durchgeführte Blutdruckkontrolle tatsächlich bereits einen Blutdruckabfall
ergeben hätte. Dann aber hätten bereits zu diesem Zeitpunkt intensivmedizinische
Maßnahmen - etwa zur Blutverdünnung - eingeleitet und damit möglicherweise der
Zusammenbruch der Patientin Frau T verhindert werden können.
54
4.)
55
Die Kammer erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 153.387 EUR für den Verlust
der Persönlichkeit der früheren Klägerin als angemessen. Es entspricht der Höhe des
auch in anderen vergleichbaren Fällen von der Kammer zugesprochenen
Schmerzensgeldes.
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Dieser Betrag ist mit Ablauf der den Beklagten im Schreiben vom 28. Juli 1995 zum 1.
September 1995 gesetzten Frist mit 4 % gemäß §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu
verzinsen.
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II.
58
Der Feststellungsantrag ist in der zuerkannten Weise begründet. Da noch nicht
absehbar ist, welche materiellen Einbußen sich aus dem Schadensereignis von Februar
1995 im Hinblick auf den Verlust von Unterhaltsleistungen bzw. zusätzliche Kosten der
Haushaltsführung ergeben, ist es gerechtfertigt, insoweit insgesamt die Ersatzpflicht der
Beklagten zu 1.) und 2.) festzustellen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
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IV.
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Im Hinblick auf den Vornamen der früheren Klägerin war der im Termin vom 18. Februar
2002 verkündete Urteilstenor dahingehend von Amts wegen zu berichtigen, dass der
Vorname der früheren Klägerin J - nicht J1 - lautet.
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