Urteil des LG Bochum vom 06.11.2008
LG Bochum: einstweilige verfügung, medizinische betreuung, unternehmen, auflage, erlass, gesundheitszustand, beförderung, verkehrsmittel, mensch, ermessen
Landgericht Bochum, I - 17 O 27/08
Datum:
06.11.2008
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
17. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I - 17 O 27/08
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, I - 4 U 5/09
Tenor:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 15.10.2008
wird bestätigt.
Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
T a t b e s t a n d :
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Die Verfügungsklägerin verfügt über die Genehmigung zum Krankentransport und zur
Notfallrettung im Sinne von §§ 18 ff. RettG. In der Krankentransportgenehmigung ist als
Auflage aufgegeben, dass nach jeder Beförderung einer Person, die an einer
übertragbaren Krankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von
Infektionsschutzkrankheiten beim Menschen erkrankt oder dessen verdächtig ist,
fachgerecht das Fahrzeug zu desinfizieren und ggfs. zu entseuchen ist. Die
Verfügungsbeklagte setzt Fahrzeuge ein, die nach § 49 PBefG genehmigt sind. Sie
unterliegt derartigen Auflagen nicht.
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Die Verfügunsbeklagte transportierte u. a. am 16.09.2008 und am 18.09.2008 Patienten,
die an MRSA erkrankt sind. MRSA sind Methicillinresistente Staphylococcus aureus
Erreger, die in § 23 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz gelistet sind. Die Mitarbeiter der
Verfügungsbeklagten trugen bei diesen Transporten Schutzkleidung (Kittel,
Handschuhe und Mundschutz bzw. Mundschutz und Handschuhe). Mit Antrag vom
13.10.2008 begehrte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung,
mit der der Verfügungsbeklagten untersagt werden sollte, an MRSA erkrankte Personen
oder die dieser Erkrankung verdächtig sind zu befördern. Durch einstweilige Verfügung
vom 15.10.2008 ist der Verfügungsbeklagten dies antragsgemäß untersagt worden.
Hiergegen wendet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten.
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Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, der Anspruch sei begründet und
dementsprechend die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen. Bei MRSA-
Erkrankten handele es sich um Personen, die gegen Antibiotika Resistenzen zeigten.
Das führe zu besonderen Gefahren im Zusammenhang mit Personen, die unter
Antibiotikabehandlung stehen. Deshalb sei dies zu einem großen Problem in
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Krankenhäusern geworden. MRSA-erkrankte Personen könnten unproblematisch
öffentliche Verkehrsmittel und auch Taxen benutzen, da die Infektion eines Gesunden in
der Regel ausgeschlossen sei. Allerdings betreibe die Verfügungsbeklagte keinen
Taxendienst, sondern befördere kranke und erkrankte Personen, die nicht eines
Transports nach dem Rettungsgesetz bedürften. Von daher sei die Infektionsgefahr in
diesen Bereichen deutlich erhöht, zumal die Verfügungsbeklagte nicht die Auflage zur
Desinfektion habe und auch nicht über das entsprechend ausgebildete Personal
verfüge, denn nur angelerntes oder geschultes Personal dürfe zur medizinischen
Desinfektion nicht herangezogen werden.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
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unter Zurückzuweisung des Widerspruchs die einstweilige Verfügung vom
15.10.2008 zu bestätigen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 15.10.2008 aufzuheben
und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagte weist darauf hin, dass sie ihre Fahrzeuge ebenfalls
desinfiziere. Sie verweist auf ein Schreiben des Gesundheitsamtes der Stadt Bochum
vom 10.08.2007 (Bl. 70 d. A.) und meint, darin habe Dr. X ihr den Transport MRSA-
erkrankter Personen gestattet, sofern nicht der allgemeine Gesundheitszustand einen
Krankentransport erfordere. Sie verweist darauf, dass die ärztlichen Verordnungen keine
medizinische Betreuung vorsehen, so dass auch bei Anordnung eines
Krankentransportwagens gemäß dem Beschluss des OVG NRW der Transport von
Unternehmen durchgeführt werden könne, die nicht nach dem Rettungsgesetz, sondern
nach § 49 PBefG konzessioniert seien.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird Bezug genommen auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 15.10.2008 war zu
bestätigen, denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war begründet.
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Unstreitig transportiert die Verfügungsbeklagte Patienten, die an MRSA erkrankt oder
einer solchen Erkrankung verdächtig sind. Die Kammer ist insoweit der Auffassung,
dass der Transport von derartigen Patienten dem nach dem Rettungsgesetz
konzessionierten Unternehmen vorzubehalten ist.
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Patienten, die an MRSA erkrankt sind, stellen nicht grundsätzlich eine Infektionsgefahr
für ihre Umwelt dar, da ein gesunder Mensch sich in der Regel nicht ansteckt. Von daher
ist auch die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, so auch Taxen, in der Regel
unproblematisch. Anders ist dies aber, wenn – wie von der Beklagten - gezielt Kranke
befördert werden, und zwar in oder aus Krankenhäusern. Die Antibiotikaresistenz dieser
Erkrankung führt gerade bei Kranken und in Krankenhäusern zu besonderen Gefahren,
weil erkrankte und geschwächte oder gar unter Antibiotika stehende Personen sich
infizieren können. Der Transport erkrankter Menschen wird daher zum erhöhten Risiko,
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weil bei den nach § 49 PBefG konzessionierten Unternehmen nach einer an MRSA
infizierten Person eine andere erkrankte Person transportiert werden könnte, bei der
eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Dies gilt sowohl für den Transport ins
Krankenhaus als auch aus dem Krankenhaus heraus. Angesichts der Umstände, dass
die Staphylococcus-Erreger auch im Bundesinfektionsgesetz gelistet sind, bedarf es für
den Transport derartiger Patienten besonderer Maßnahmen.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese besonderen Vorsichtsmaßnahmen
ausschließlich von den nach dem Rettungsgesetz konzessionierten Unternehmen
gewährleistet sind. Denn allein sie stehen unter der Auflage, Infektionsschutz aktiv zu
betreiben, sei es durch Schutzkleidung der an der Beförderung beteiligten Personen, sei
es durch Desinfektionsmaßnahmen. Soweit die Verfügungsbeklagte darauf hinweist,
dass auch ihre Fahrer Schutzkleidung tragen und die Fahrzeuge desinfiziert würden,
insoweit seien ihre Mitarbeiter geschult worden, ist dies im Ergebnis unerheblich. Denn
es mag sein, dass die Beklagte so vorgeht, sie hat diese Maßnahmen aber weder als
Auflage noch wird sie diesbezüglich kontrolliert. Von daher stellen diese Maßnahmen
bei der Verfügungsbeklagten freiwillige Regelungen dar, deren tatsächliche Einhaltung
aber überhaupt nicht kontrolliert wird und auch nicht Gegenstand der
Beförderungsgenehmigung ist. Angesichts des Gefährdungspotentials gerade im
Bereich der Krankenhäuser und damit auch im Bereich des Krankentransportes in oder
aus Krankenhäusern kann daher nicht dieser Transport Unternehmen überlassen
bleiben, die nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, ob sie risikoeindämmende
Maßnahmen ergreifen und dies kontinuierlich oder nicht. Nach Auffassung der Kammer
handelt es sich bei einer MRSA-Infizierung um eine Erkrankung, die zwar in der Regel
beim Transport keine medizinische Betreuung erfordert, aber gleichwohl aufgrund ihres
besonderen, ortsbezogenen Risikopotentials dem nach dem Rettungsgesetz
konzessionierten Krankentransport vorzubehalten ist.
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Die Verfügungsbeklagte kann auch nicht damit gehört werden, Dr. X vom
Gesundheitsamt Bochum habe am 10.08.2007 die Beförderung MRSA-Erkrankter
genehmigt. Zum einen ist Dr. X dazu offenkundig gar nicht befugt, sein Schreiben stellt
eine persönliche Wertung dar. Zum anderen wird in diesem Schreiben auch differenziert
zwischen Personen, deren Gesundheitszustand die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel erlaubt und solchen Personen, bei denen dies nicht möglich ist.
Allerdings ist nach Auffassung der Kammer nicht der Gesundheitszustand des MRSA-
Erkrankten das alleinige Kriterium für die Frage, welches Transportmittel zu benutzen
ist, sondern es ist auch von entscheidender Bedeutung, welche Risikobereiche durch
den Transport berührt werden. Gerade der Krankentransport ins oder aus dem
Krankenhaus birgt die besonderen Risiken, weil außer dem MRSA-Erkrankten andere
Patienten befördert werden, deren Abwehrverhalten möglicherweise geschwächt ist und
die bei einem anschließenden Transport infektionsgefährdet sind. Gerade der dauernde
Transport von kranken und möglicherweise geschwächten Personen durch die
Verfügungsbeklagte erhöht das Infektionsrisiko für die anderen von ihr transportierten
Patienten immens. Von daher war die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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