Urteil des LG Bochum vom 22.03.2006
LG Bochum: agb, rücktritt vom vertrag, allgemeine geschäftsbedingungen, leichte fahrlässigkeit, gebrauchte ware, abmahnung, mitbewerber, handel, gewährleistung, bezahlung
Landgericht Bochum, 13 O 128/05
Datum:
22.03.2006
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
13. Zivilkammer des Landgerichts - Kammer für Handelssachen -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 128/05
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von seiner
Zahlungsverpflichtung gegen-über der Anwaltskanzlei F in Höhe von
911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.11.2005 freizustellen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 45 % und der
Beklagte 55 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die
Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Vollstreckende zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die
Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefris-tete
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelasse-nen Geldinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger handelt mit Computern und Computerzubehör. U. a. betreibt er zwei
Verkaufsfilialen und den Internetshop *internetadresse*. Der Beklagte betreibt ebenfalls
über das Internet unter der unter *internetadresse* einen Einzelhandel mit
Computerkomponenten und Computerzubehör.
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Mit anwaltlichem Schreiben der Rechtsanwälte F vom 25.08.2005 (Bl. 34 d. A.), auf das
hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, mahnte der Kläger den Beklagten
mit der Begründung ab, dass der Beklagte allgemeine Geschäftsbedingungen
verwende, die gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstießen und damit durch
Verstoß gegen §§ 3 und 4 Nr. 2 und Nr. 11 UWG einen Wettbewerbsvorteil erlange. Im
Einzelnen rügte der Kläger folgende Klauseln:
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"3. Preise/Zahlungsbedingungen 3.4 Nimmt der Käufer die verkaufte Ware nicht ab,
so sind wir berechtigt, wahlweise auf Abnahme zu bestehen oder 10 % des
Kaufpreises als pauschalisierten Schaden- und Aufwendungsersatz zu verlangen."
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und
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"6. Eigentumsvorbehalt
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6.1 Sämtliche von der Fa. E gelieferte Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung
und Ausgleich sämtlicher Ansprüche aus der Geschäftsverbindung Eigentum der
Fa. E."
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sowie
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"In der Zurücknahme, sowie in der Pfändung der Vorbehaltssache, liegt kein
Rücktritt vom Vertrag."
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weiter
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"7. Gewährleistung und Haftung
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7.1 ...Gebrauchte Ware wird unter Ausschluss jedweder Gewährleistung verkauft."
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und
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"7.2 Wenn Sie uns Mängel an gelieferter Ware belegen, werden wir in
angemessener Zeit entweder für Ersatzlieferung oder Beseitigung der Mängel
sorgen. Gelingt uns dies nicht, haben Sie nach Ihrer Wahl das Recht auf
Rückgängigmachung des Kaufs oder Herabsetzung des Kaufpreises."
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und
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"7.6 Offensichtliche Mängel sind unverzüglich nach Empfang der Lieferung
schriftlich anzuzeigen,"
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schließlich
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"7.7 Soweit nicht anders ausdrücklich vereinbart, sind weitergehende Ansprüche
des Käufers – gleich aus welchem Rechtsgrund – ausgeschlossen."
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Der Beklagte gab daraufhin am 31.08.2005 eine vertragsstrafenbewehrte
Unterlassungserklärung ab, verwahrte sich jedoch gegen die Kostenlast.
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Mit der Klage hat der Kläger den Beklagten zunächst auf Freistellung von seiner
Zahlungsverpflichtung gegenüber der Anwaltskanzlei F in Höhe von 1.005,40 EUR
nebst Zinsen in Anspruch genommen, wobei er eine 1,3 Gebühr nach einem
Gegenstandswert von 30.000,00 EUR zugrunde gelegt hat. Mit Schriftsatz vom
20.01.2006 hat der Kläger die Klage zunächst erweitert und ferner beantragt, den Kläger
von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Anwaltskanzlei F in Höhe von 662,90
EUR nebst Zinsen wegen einer weiteren Abmahnung vom 18.10.2005 freizustellen.
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Im Termin vom 22.03.2006 hat der Kläger die Klage vor Stellung der Anträge teilweise
zurückgenommen und beantragt nunmehr nur noch,
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den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von seiner Zahlungsverpflichtung
gegenüber der Anwaltskanzlei F in Höhe von 911,80 EUR nebst 5 % Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor: Selbst wenn die AGB einen Rechtsverstoß beinhalteten, liege
hierin keine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der §§ 3 und 4 UWG. Die
Handlung sei nicht geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber zu
beeinträchtigen, geschweige denn erheblich zu beeinträchtigen. Der Beklagte betreibe
in einem 1-Mann-Betrieb den Handel mit Computerzubehör nur im Nebenerwerb und
erziele einen jährlichen Umsatz von weniger als 50.000,00 EUR. Dem Kläger sei kein
Schaden und kein Aufwand im Sinne der §§ 8, 9, 12 UWG entstanden und werde ihm
auch nicht entstehen. Es liege kein auf den konkreten Fall bezogener Anwaltsauftrag
vor. Der Kläger sei kein Mitbewerber im Sinne der §§ 8, 9 UWG. Der Kläger habe durch
die beanstandeten AGB Klauseln des Beklagten keinerlei Umsatzeinbußen oder sonst
geschäftlichen Einbußen oder Nachteile erlitten. Der Gegenstandswert sei mit
30.000,00 EUR viel zu hoch angenommen worden. Das Eigeninteresse des Klägers,
der seinen Handel 450 km entfernt von dem Beklagten betreibe, belaufe sich auf 0 EUR.
Zudem habe Rechtsanwalt F mit Schreiben vom 16.09.05 erklärt, dass er nur noch die
Bezahlung eines Betrages von nur 755,80 EUR begehre. Daran sei er gebunden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist im jetzt geltend gemachten Umfang nach der Teilklagerücknahme in
vollem Umfang begründet. Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1,
§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil beide über das Internet einen Handel mit
Computerkomponenten und Computerzubehör betreiben. Dass der Beklagte nach
seinen Angaben erheblich weniger Umsatz erzielt als der Kläger, steht der
Mitbewerbereigenschaft nicht entgegen. Ebenso ist unerheblich, dass sich der
Geschäftssitz mehr als 400 km entfernt befindet, weil die Parteien sich über das Internet
bundesweit an Kunden wenden und damit überregional in Wettbewerb treten.
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Die Abmahnung war berechtigt. Ziff. 3.4 der AGB des Beklagten verstößt gegen § 309
Ziff. 5 b BGB, weil er dem Vertragspartner nicht ausdrücklich das Recht eingeräumt wird,
den Nachweis eines geringeren Schadens zu erbringen. Ziff. 6.1 der AGB verstößt
gegen §§ 307 ff. Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 449 Abs. 2 BGB, weil der
Kontokorrentvorbehalt gegenüber Verbrauchern unzulässig ist (vgl. Palandt, BGB, 65.
Aufl., § 307 Rdn. 99) und weil die Voraussetzungen der §§ 323 f. für das
Herausverlangen der Ware vorliegen müssen (vgl. Palandt, § 449 Rdn. 26). Ziff. 7.1 der
AGB des Beklagten verstößt gegen § 475 Abs. 2 BGB, weil die Verjährung
ausgeschlossen sind. Ziff. 7.2 der AGB verstößt gegen § 439 Abs. 1 BGB und ist daher
gem. § 475 Abs. 1 BGB bei Verträgen mit Verbrauchern unwirksam. Ziff. 7.6 der AGB
verstößt gegen § 307 BGB. Zwar ist für offensichtliche Mängel eine Ausschlussfrist für
Mängelanzeigen möglich, doch darf dies nicht unter 14 Tage bzw. keinesfalls unter 1
Woche liegen (vgl. Palandt, 309 Rdn. 71 f.). Ziff. 7.7 der AGB verstößt gegen § 309 Nr. 7
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a HGB, weil bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit die Haftung auch für
leichte Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung liegen auch die
Voraussetzungen des § 3 UWG vor. Die Verwendung der unwirksamen AGB, die die
Verbraucher in unzulässiger Weise benachteiligen, ist geeignet, den Wettbewerb zum
Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.
Durch die AGB können die Kunden des Beklagten davon abgehalten werden,
berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Aus Laiensicht schließen die AGB die
Haftung des Beklagten eindeutig aus, obwohl gesetzliche Ansprüche bestehen. Die
potentielle Abschreckwirkung auf Kunden, ihre berechtigten Ansprüche geltend zu
machen, bedeutet für den Beklagten einen Wettbewerbsvorteil, da er in seiner
Kalkulation niedrigere Kosten für berechtigte Reklamationen berücksichtigen muss.
Dies kann sich zum Nachteil der Mitbewerber auf die Preisgestaltung auswirken.
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Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG kann der Kläger den Ersatz der für die Abmahnung
erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der von dem Kläger in der Klageschrift
ursprünglich zugrunde gelegte Streitwert von 30.000,00 EUR ist nach Auffassung der
Kammer zu hoch. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts ist zu berücksichtigen,
dass der Gegenstandswert nicht dem des Verfügungs-, sondern dem des
Hauptsachverfahrens entspricht, weil die Abmahnung auf Verschaffung eines
endgültigen Titels gerichtet ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., §
12 Rdn. 1.95). Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern für Handelssachen des
Landgerichts Bochum ist bei einer durchschnittlichen wettbewerbsrechtlichen
Streitigkeit von einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für das einstweilige
Verfügungsverfahren und von 15.000,00 EUR für das Hauptsacheverfahren
auszugehen. Im vorliegenden Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger
Verstöße von 7 AGB-Klauseln gegen zwingende Bestimmungen abgemahnt hat.
Angesichts dessen hält das Gericht die Bemessung des Streitwerts auf 25.000,00 EUR
für angemessen. Unter Zugrundelegung dieses Streitwerts und einer Mittelgebühr von
1,3 ergibt sich somit ein Kostenerstattungsanspruch einschließlich einer
Auslagenpauschale in Höhe von insgesamt 911,80 EUR.
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Der Einwand des Beklagten, die Abmahnung sei nur ausgesprochen worden, um einen
Gebührentatbestand für den Prozessbevollmächtigten des Klägers zu erzeugen, greift
nicht durch. Allein der Umstand, dass der Kläger bislang keine Zahlungen an seinen
Prozessbevollmächtigten geleistet hat und dieser die Gerichtskosten eingezahlt hat,
erlaubt einen derartigen Schluss nicht. Ebenso wenig ist die Verwendung einer zum Teil
vorgedruckten und zum Teil weitergefassten Vollmacht als Indiz für eine derartige nur
aus Kostengesichtspunkten erfolgte Abmahnung heranzuziehen. Weitere Indizien
werden nicht vorgetragen.
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Der Kläger hat die weitergehende Klage im Termin vom 22.03.2006 wirksam
zurückgenommen. Die Zurücknahme der Klage kann nach § 269 Abs. 1 ZPO ohne
Einwilligung des Beklagten zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten
zur Hauptsache zurückgenommen werden. Eine Güteverhandlung ist noch kein
streitiges Verhandeln über die Hauptsache (vgl. BGH NJW 87, 3263). Auch die vor
Stellung der Anträge mit dem Ziel einer Vermeidung des streitigen Verfahrens
durchgeführte Erörterung der Sach- und Rechtslage ist noch keine mündliche
Verhandlung im Sinne des § 269 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 269 Rdn. 13).
Der Kläger konnte daher die Klage innerhalb der Güteverhandlung vor Stellen der
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Anträge ohne Einwilligung des Beklagten zurücknehmen. Dass dieser keine Erklärung
abgegeben hat, ist daher unbeachtlich. Da die Klage bereits vor Abgabe der
Verzichtserklärung wirksam zurückgenommen worden war, greift der Verzicht nicht mehr
ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO; die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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