Urteil des LG Bochum vom 12.02.1992
LG Bochum (kläger, parkplatz, betriebsgefahr, hindernis, friedhof, unfall, schaden, wagen, zpo, höhe)
Landgericht Bochum, 6 O 216/90
Datum:
12.02.1992
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
6. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 216/90
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.762,10 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 21.6.1991 zu zahlen.
2. Soweit die Beklagte verurteilt worden ist, wird das Versäumnisurteil
vom 31.7.1991 aufgehoben. Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil
aufrechterhalten.
3. Der Kläger trägt die Kosten seiner Säumnis. Die weitergehenden
Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.
4. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig gegen Sicherheitsleistung von
3.000,-- DM vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des PKW BMW 318 i mit dem amtlichen Kennzeichen ####.
Mit diesem Wagen fuhr er am 11.8.1989 in X auf den Friedhof. Er stellte den Pkw auf
dem dortigen Parkplatz ab und nahm an einer Beerdigung teil. Danach wollte er gegen
15.30 Uhr über eine Nebenstraße, die der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten
unterliegt, zurückfahren. Diese Straße ist normalerweise durch 3 Pfähle abgesperrt und
kann deshalb vom Parkplatz des Friedhofs nicht angefahren werden. Der mittlere
Sperrpfahl war jedoch umgelegt worden, wie das im Anschluss an Beerdigungen üblich
ist, um den Verkehr über die Nebenstraße abzuleiten.
2
Der umgelegte Sperrpfahl ragte konstruktionsbedingt etwa 130 mm über die ihn
umgebende Oberfläche des Straßenbelags hinaus. Als der Kläger darüber fuhr, stieß er
mit der Unterseite seines Wagens dagegen. Durch den Zusammenstoß entstand ihm ein
Schaden von 5.524,19 DM, den er nunmehr einklagt.
3
Der Kläger behauptet, der Zusammenstoß sei allein darauf zurückzuführen, dass der
Pfahl zu hoch über seine Umgebung geragt habe und sein Pkw tiefergelegt sei. Weitere
Schadensursachen gebe es nicht. Sein Wagen habe nur eine Bodenfreiheit von 127
4
mm und sei seit dem Unfall nicht verändert worden. Der Kläger habe auch das
Hindernis weder gesehen noch sehen können, da er den Friedhof in dichtem
Kolonnenverkehr verlassen habe.
Der Kläger hat beantragt,
5
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.524,19 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
21.6.1991 (Klagezustellung) zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Die Kammer hat die Klage durch Versäumnisurteil vom 31.7.1991 abgewiesen.
Dagegen hat der Kläger frist- und formgerecht Einspruch eingelegt. Er beantragt
nunmehr,
9
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagte entsprechend seinem
ursprünglichen Klageantrag zu verurteilen.
10
Die Beklagte beantragt,
11
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
12
Sie bestreitet die Behauptungen des Klägers zur Bodenfreiheit seines Fahrzeugs. Die
Höhe des umgelegten Pfahles habe sich nicht unfallursächlich ausgewirkt. Zudem habe
die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht genügt.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf die
übergebenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14
Die Kammer hat ein Gutachten des Sachverständigen M zu den Fragen aus dem
Beweisbeschluss vom 16.10.1991 (Bl .77 d.A.) eingeholt. Hinsichtlich der schriftlichen
Ausführungen des Sachverständigen wird auf Bl. 88 ff d.A. verwiesen.
15
Entscheidungsgründe
16
I.
17
Die Klage ist nur zur Hälfte begründet.
18
1.
19
Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt und deshalb dem
Kläger nach den §§ 839 BGB, 9, 9 a NRWStrWG, Art.34 GG Schadensersatz zu leisten.
Sie durfte den Sperrpfahl nicht so errichten, dass dieser im umgelegten Zustand noch
etwa 130 mm über die ihn umgebende Oberfläche der Fahrbahndecke hinausragte. Es
war nicht gewährleistet, dass der umgelegte Pfahl gefahrlos überfahren werden konnte.
Die Klägerin musste nämlich damit rechnen, dass das Hindernis von allen möglichen
Fahrzeugen passiert wurde, die nach § 30 Abs.1 und 2 StVZO zugelassen werden
können. Dazu gehören u.a. Pkw, die eine geringere als die "übliche" Bodenfreiheit
20
aufweisen (vgl. BGH NJW 1991, 2824, 2825). Die Klägerin musste deshalb zumindest
dafür Sorge tragen, dass auch noch Autos mit einer Bodenfreiheit von nur 100 mm den
Friedhof schadlos verlassen konnten (vgl. OLG Hamm NJW 1990, 2474). Das hat sie
jedoch nicht getan.
Der überhöhte Pfahl war auch ursächlich für den Schaden des Klägers. Dieser hat
nämlich nachgewiesen, dass sein Pkw teilweise nur eine Bodenfreiheit von 105 mm,
117 mm und 118 mm aufwies. Daran kann nach den eindeutigen Feststellungen des
Sachverständigen M kein Zweifel mehr bestehen. Bei der festgestellten Bodenfreiheit
musste es nahezu zwangsläufig zu einem Unfall kommen, wenn der Kläger das
Hindernis, dem er in seiner Fahrtrichtung nicht ausweichen konnte, überfuhr.
21
Die Kammer ist im Übrigen weiterhin überzeugt davon, dass die Bodenfreiheit des
Wagens schon zur Unfallzeit im später festgestellten Maße herabgesetzt war. Sie geht
davon aus, dass der damalige Zustand spätestens seit dem Jahre 1986 bestand, als die
Höhe des Fahrzeugs um 30 mm herabgesetzt wurde, wie dem Fahrzeugbrief zu
entnehmen ist.
22
2.
23
Der Kläger muss sich aber über § 254 BGB die Betriebsgefahr seines Wagens
zurechnen lassen. Der Unfall war nämlich für ihn nicht unabwendbar i.S.d. § 7 Abs.2
StVG. Er hätte ihn vielmehr leicht verhindern können, wenn er die Fahrbahn mit der
nach § 1 StVO gebotenen Sorgfalt beobachtet und den dazu erforderlichen Abstand
zum vorausfahrenden Kraftfahrzeug eingehalten hätte, was angesichts der geringen
Bodenfreiheit seines Fahrzeugs im besonderen Maße geboten gewesen wäre. Aufgrund
der Tieferlegung war die Betriebsgefahr seines Wagens gegenüber einem
unveränderten Fahrzeug deutlich erhöht. Weitere gefahrerhöhende Merkmale hat der
Kläger jedoch nicht zu vertreten. Insbesondere weicht sein Pkw nicht von der Zulassung
ab, wie der Sachverständige M verlässlich ermittelt hat.
24
3.
25
Die Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge führt zu
einer Schadensteilung (vgl. KG OLGZ 1976, 452, 455). Die hohe Mithaftung des Klägers
ist darauf zurückzuführen, dass der erhöhten Betriebsgefahr seines Wagens nur ein
leichtes Fehlverhalten der Beklagten gegenübersteht. Das Straßenstück, auf dem sich
der umgelegte Pfahl befand, wurde nämlich nur von einem eng begrenzten Kreis von
Verkehrsteilnehmern genutzt. Es schloss sich zudem unmittelbar an den Parkplatz an,
so dass die von dort losfahrenden Autofahrer, die es passierten, zwangsläufig nur mit
geringer Geschwindigkeit fuhren. Die Gefahr, die von dem umgelegten Pfahl ausging,
war deshalb eher gering und zudem bei etwas Aufmerksamkeit vermeidbar.
26
II.
27
1.
28
Der Zinsausspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs.1 BGB.
29
2.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.1, 244 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass
die Parteien ihre Kostenerstattungsansprüche verrechnen, so dass eine Vollstreckung
der Beklagten ausscheidet.
31