Urteil des LG Bochum vom 29.01.2002

LG Bochum: dvd, datenträger, aushändigung, form, kontrolle, versandhandel, anstalt, konzert, freizeitbeschäftigung, empfang

Landgericht Bochum, Vollz F 727/01
Datum:
29.01.2002
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
Strafvollstreckungskammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Vollz F 727/01
Tenor:
wird die Entscheidung des Anstaltsleiters vom 15.03.2001 in der Form
des
Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Justizvollzugsamts
Westfalen-Lippe vom 11.05.2001 aufgehoben.
Der Empfang und die Benutzung der beantragten DVD (Bon Jovi
Konzert) wird gestat-tet.
Die Kosten des Verfahrens sowie die insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen, die sich nach einem Geschäftswert von 25,00
Euro berechnen, trägt die Staatskasse.
Gründe:
1
Der Antragsteller verbüßt in der JVA Bochum eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er
beantragte am 15.03.2001 die Genehmigung zum Empfang eines Paketes von einem
Versandhandel und Aushändigung des Inhalts, nämlich von 3 CDs und einer DVD (Bon
Jovi Konzert). Der Antrag wurde bezüglich der CDs am gleichen Tag genehmigt,
hinsichtlich der DVD aber abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller verfüge nicht
über das erforderliche Abspielgerät.
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Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller am 16.03.2001 Widerspruch ein, der
vom Präsidenten des Justizvollzugsamts mit Bescheid vom 11.05.2001 als unbegründet
zurückgewiesen wurde. In dem Bescheid heißt es u. a.:
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"Gemäß § 19 Abs. 1 StVollzG darf der Gefangene seinen Haftraum im angemessenen
Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Der Gesichtspunkt der Angemessenheit
bemisst sich u. a. danach, was einem Gefangenen zur menschenwürdigen Gestaltung
seiner Privatsphäre zugestanden werden kann (vgl. Rdnr. 3 zu § 19 StVollzG,
Kommentar Calies/Müller/Dietz). Bei der beantragten DVD handelt es sich nicht um
einen Gegenstand, der zur menschenwürdigen Unterbringung bzw. zur wohnlichen
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Ausgestaltung des Haftraumes beiträgt. Es handelt sich insoweit weder um ein
Dekorations- noch um ein Gebrauchsgegenstand. Eine Zulassung der DVD nach
anderen Vorschriften des StVollzG ist ebenfalls ausgeschlossen. Da der Gegenstand in
Ermangelung einer Abspielmöglichkeit nicht zweckentsprechend (nämlich als
Musikvideo) genutzt werden kann, kommt eine Aushändigung auf der Grundlage von §
70 StVollzG ohnehin nicht in Betracht."
Mit seinem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 29.05.2001 macht der
Verurteilte geltend, die Entscheidung gehe von falschen Voraussetzungen aus - er habe
ein Abspielgerät- und verletze seine Rechte aus § 70 StVollzG. Eine DVD diene der
Freizeitgestaltung, so daß § 70 StVollzG als speziellere Regelung herangezogen
werden müsse, nicht aber § 19 StVollzG. Es liege auch kein Ausschlußgrund gem. § 70
Abs. 2 StVollzG vor, da die Sicherheit der Anstalt durch die Überlassung der DVD nicht
gefährdet würde.
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In seiner Entgegnung auf den Antrag erklärt der Antragsgegner, die Entscheidung gehe
tatsächlich von falschen Voraussetzungen aus. Dem Antragsteller sei am 06.02.2001
die Zulassung einer Sony Playstation II genehmigt worden, wobei infolge falscher
Information nicht bekannt gewesen sei, daß das Gerät mit den mitgelieferten Kabeln für
die Spielfunktion gleichfalls als DVD-Abspielgerät genutzt werden könne. Die
Zulassung der DVD-Funktion sei aber aus vollzuglichen Gründen weder erwünscht
noch gewollt gewesen. Über die Aushändigung von DVDs sei jetzt auf der Grundlage
des § 70 StVollzG zu entscheiden. Dazu trägt der Antragsgegner u. a. vor:
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"Die Zulassung weiterer, der Freizeitbeschäftigung dienender Datenträger in Form von
Video-CDs (DVD) würde weitere unverzichtbare Kontrollen nach sich ziehen. Gerade
DVD-Datenträger sich aufgrund ihrer außerordentlichen Speichermöglichkeiten und
ihrer im Vergleich zu Audio-CDs ungleich komplexerer Struktur nur mit einem hohen
Zeitaufwand zu kontrollieren. Durch die Möglichkeit des Abspielens von Videofilmen
erhöht sich für die Gefangenen der Anreiz, nicht zugelassene DVDs (z. B.
gewaltverherrlichende Produktionen oder solche mit einem strafgesetzlich relevanten
pornografischen Inhalt) unerlaubt in die Anstalt einzubringen bzw. einbringen zu lassen.
Eine Zulassung von DVDs müßte daher aus vollzuglichen Aspekten mit einer stärkeren
Kontrolle aller ausgehändigten Datenträger in CD-Form (eine bloße optische
Unterscheidung der diversen Datenträger ist nicht möglich) einhergehen.
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Eine weitere Erhöhung des Kontrollaufwandes (z. B. Überprüfung der unterschiedlichen
Datenträger auf Zulassung, stichprobenartige "Inhaltskontrolle" pp.) steht aber
angesichts der übrigen den Gefangenen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der
Mediennutzung (u. a. Radio, Fernseher, Computerspiele, CD- Geräte) in keinem
Verhältnis mehr zum objektiven Freizeitwert (Nutzen) für den Gefangenen."
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Der Antrag des Verurteilten ist begründet.
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Gem. § 70 Abs. 1 StVOllz hat ein Strafgefangener Anspruch darauf, in angemessenem
Umfang Bücher oder andere Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung zu besitzen, mit
der sich aus § 70 Abs. 2 StVollzG ergebenden Einschränkung. Der angemessene
Umfang würde durch die Zulassung (\ eines weiteren Datenträgers - der DVD - nicht
überschritten, da die Obergrenze der insoweit gestalteten Gegenstände nicht geändert
werden müßte. Die Übersichtlichkeit des Haftraumes wird nicht beeinträchtigt, zumal
DVDs kaum mehr Platz beanspruchen als CDs.
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Es ist auch nicht ersichtlich, daß ein Ausschlußgrund des § 70 Abs. 2 StVollzG vorliegt.
Dabei ist schon fraglich, ob überhaupt eine konkrete Gefährdung gegeben ist, wie sie
diese Vorschrift voraussetzt. Der Bezug der DVDs kann wie bei den CDs geregelt
werden ausschließlich über den Versandhandel und originalverpackt. Damit kann eine
Umetikettierung ausgeschlossen werden, so daß das Einbringen von DVDs mit
gewaltverherrlichendem oder strafgesetzlich relevantem prornografischem Inhalt
unmöglich gemacht wird. Auch die größeren Speichermöglichkeiten einer DVD stellen
keinen Ausschlußgrund dar. Eine Manipulation oder das Verstecken von Daten pp. ist
nur mit Zusatzgeräten möglich, die sich bei dem vorhandenen Abspielgerät
normalerweise nicht befinden. Durch den Bezug über den Versandhandel und die
Originalverpackung ist sichergestellt, daß sich nichts anderes auf der DVD befindet.
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Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb bei dieser Regelung eine stärkere Kontrolle aller
ausgehändigten Datenträger im CD-Form notwendig sein sollte, sofern diese auch über
den Fachhandel bezogen wurden. Im übrigen ist im Einzelfall eine Kontrolle durchaus
zumutbar und hinzunehmen.
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Es besteht nach allem kein Grund, dem Antragsteller die Aushändigung der beantragten
DVD zu versagen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 121 StVollzG, 13, 48 a GKG.
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