Urteil des LG Bochum vom 13.12.2005
LG Bochum: ernährung, existenzminimum, wohnkosten, unterhalt, nebenkosten, medikamentenkosten, zahnbehandlung, beschwerdeschrift, aufwand, datum
Landgericht Bochum, 7a T 115/05
Datum:
13.12.2005
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
7a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7a T 115/05
Tenor:
Dem Schuldner wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin I in Bochum bewilligt.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:
Der dem Schuldner pfandfrei zu verbleibende Teil seiner monatlichen
Bezüge bei der Drittschuldnerin wird auf 830,56 € festgesetzt.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens I. Instanz trägt der Schuldner. Die Kosten des
Be-schwerdeverfahrens tragen der Schuldner zu 96 % und der
Gläubiger zu 4 %.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.017,96 €
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die gemäß § 11 Abs. 1 RPlfG, §§ 567 Abs. 1, 569, 793 ZPO zulässige sofortige
Beschwerde ist unbegründet.
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Dem Unterhaltsschuldner ist nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO bei der Pfändung von
Arbeitseinkommen , zu dem begrifflich auch das Renteneinkommen zählt, soviel zu
belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt bedarf. Für die Berechnung des
notwendigen Bedarfs des Schuldners gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO kann auf den
Sozialhilferegelsatz des § 28 SGB XII zurückgegriffen werden. Der Umfang des
notwendigen Unterhalts ist für den Pfändungsfreibetrag nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO
gesetzlich nicht festgelegt. Er ist daher unter Berücksichtigung der
Lebenshaltungskosten. Der örtlichen Verhältnisse und der Besonderheiten des
einzelnen Falles festzusetzen.
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Hier ist von einem einfachen Regelecksatz für einen Haushaltsvorstand in Höhe von
345,00 € auszugehen.
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Angemessen ist hier weiter die Erhöhung des Regelecksatzes um einen 20 %-igen
Zuschlag. Denn der notwendige Unterhalt im Sinne des SGB XII gilt die Aufwendungen
für die Beschaffung von Verbrauchsgütern mit nicht geringem Anschaffungspreis und
längerer Gebrauchsdauer nicht ab. Bei der Bemessung hat die Kammer berücksichtigt,
dass das Existenzminimum so zu bemessen ist, dass es in möglichst allen Fällen den
existenznotwendigen Bedarf abdeckt (vgl. BVerfG FamRZ 1993, 285). Nach detaillierten
Berechnungen der Bundesregierung, die der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über das steuerlich zu verschonende Existenzminimum
zugrunde lagen, wurden Sozialhilfeempfängern ab 1986 durchschnittlich einmalige
Zuschläge zum Lebensunterhalt von 20 % des Regelsatzes gewährt.
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Weiter ist gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ein 17 %-iger Zuschlag im Hinblick auf das
Alter und die Schwerbehinderung des Schuldners und die sich für ihn daraus
ergebenden besonderen Belastungen mit Kosten für Medikamente zu gewähren. Soweit
der Schuldner einen zusätzlichen Mehrbedarf für eine besonders gesunde Ernährung
geltend macht, hat er nicht dargelegt, inwieweit dies zwangsläufig zu höheren Kosten
führt. Die Notwendigkeit einer gesunden Ernährung beinhaltet zunächst – entsprechend
der von dem Schuldner vorgelegten Hinweise für eine Ernährung bei Krebs des Dipl.-
Oecotrophologen X – eine Umstellung der Ernährung, also ein Weglassen von
bestimmten Nahrungsmitteln und ein Hinzunehmen von anderen Nahrungsmitteln. Da
dies z. B. auch bedeutet, dass der Fleischkonsum eingeschränkt und auf das Rauchen
ganz verzichtet werden soll, hat der Schuldner nicht ausreichend vorgetragen, warum
dennoch durch die reine Umstellung der Ernährung ein bislang nicht gedeckter
Mehrbedarf entsteht. Auch hat der Schuldner nicht dargelegt, welcher monatliche
Mehrbedarf für die Mittel zur Stärkung seiner Abwehrkräfte anfallen. Die – bis auf den
Monat September 2005, für den zwei Belege vorliegen – vorgelegten monatlichen
Belege für "Echinacea Stada Classic" sind von dem oben genannten und in dem
angefochtenen Beschluss auch entsprechend festgesetzten monatlichen Mehrbedarf
gedeckt.
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Bei der Festsetzung des Zuschlags für die Wohn- und Heizkosten ist die Kammer von
einem Betrag von monatlich 357,91 € für Wohn- und Heizkosten ausgegangen. Ein
solcher Aufwand fällt nach den eingereichten Unterlagen zumindest an und erscheint
als angemessen. Die weiteren Nebenkosten sind grundsätzlich nicht in den fiktiven
Sozialhilfebedarf als Teil der Wohnkosten einzurechnen, denn diese Kosten sind bereits
bei der Berechnung der Höhe des Sozialhilferegelsatzes berücksichtigt.
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Der dem Schuldner pfandfrei zu belassende Betrag errechnet sich daher wie folgt:
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Regelsatz Haushaltsvorstand 345,00 €
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20 % Zuschlag für einmalige Aufwendungen 69,00 €
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17 % Zuschlag wegen Schwerbehinderung und für
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Medikamentenkosten 58,65 €
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Wohnkosten 357,91 €
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Summe fiktiver Sozialhilfebedarf 830,56 €.
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Der weitere Einwand des Schuldners, er sei derzeit insbesondere durch erforderlich
werdende Zahnbehandlungskosten erheblich finanziell belastet, weil er mit einem
Eigenanteil von mehr als 7.500,00 € rechnen müsse, ist unbeachtlich. Aus der von ihm
vorgelegten Kostenzusammenstellung ist nicht ersichtlich, welche Zahnbehandlung in
welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt überhaupt erforderlich ist. Dies gilt vor
allem vor dem Hintergrund, dass die Kostenzusammenstellung für den erforderlichen
Zahnersatz bereits vom 07.03.2005 datiert, während in dem vorliegenden Verfahren
nunmehr erstmalig unter dem 14.11.2005 diese Kosten angeführt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der gemäß § 3 ZPO, § 25 Abs. 1
Nr. 1 RVG, § 47 Abs. 1 GKG festgesetzte Beschwerdewert von 4.017,96 € entspricht
dem Jahresbetrag des Unterschiedsbetrages zwischen dem mit dem angefochtenen
Beschluss festgesetzten pfandfreien Betrag von 818,00 € und dem mit der
Beschwerdeschrift vom 09.11.2005 begehrten monatlich pfandfreien Betrag von
1.152,83 € (12 x (1.152,83 € - 818,00 €)).
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