Urteil des LG Bochum vom 20.02.2002
LG Bochum: fremder, sicherheit, einziehung, datum, gestaltung, anpassung, vermieter, inhaber, haftpflichtversicherer, sicherungsabtretung
Landgericht Bochum, 10 S 112/01
Datum:
20.02.2002
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 112/01
Vorinstanz:
Amtsgericht Witten, 3 C 477/01
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.11.2001 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Witten (3 C 477/01) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin nach einem Streitwert
von 1 779,84 DM (= 910,00 EUR) auferlegt.
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Beklagten ist begründet.
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Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert, sie kann nicht aus
abgetretenem Recht einen Anspruch gemäß §§ 7,17 StVG, 3 PflVG auf Zahlung
restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 1 779,84 DM geltend machen.
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Zwar stand dem bei einem Verkehrsunfall mit der Beklagten zu 1), die bei der Beklagten
zu 2) haftpflichtversichert ist, Geschädigten N grundsätzlich gegen die Beklagten ein
Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG, 3 PflVG zu. Der Geschädigte N hat bei
der Mietwagenanmietung am 07.12.2000 auch gegenüber der Klägerin die Abtretung
seines Schadensersatzanspruches gegen das leistungsverpflichtete
Versicherungsunternehmen und deren Versicherungsnehmer bis zur Höhe der
Mietwagenkostenrechnung zur Sicherheit an die Klägerin als Mietwagenunternehmen
erklärt. Der Zeuge N hat eine "Mietwagenkosten-Übernahmebestätigung und Unfall-
Kurzbericht" unterzeichnet, wobei auf der Vorderseite der Hinweis auf die umseitigen
Vertragsbedingungen enthalten war und die Abtretungserklärung nebst Anweisung an
das Versicherungsunternehmen, unmittelbar an das Mietwagenunternehmen zu zahlen,
auf der Rückseite erfolgte.
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Diese Abtretung ist jedoch gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches
Verbot nichtig, da die Abtretung gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstößt. In Art. 1 § 1
Abs. 1 RBerG ist geregelt, daß die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, ein-
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schließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu
Einziehungszwecken abgetretener Forderungen geschäftsmäßig - ohne Unterschied
zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher oder unentgeltlicher Tätigkeit -
nur von Person be- trieben werden darf, denen dazu von der zuständigen Behörde die
Erlaubnis erteilt ist. Eine derartige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten hat die
Klägerin mittels der Abtretung ohne die erforderliche Erlaubnis vorgenommen.
Zwar ist die Abtretung vorliegend nach dem Wortlaut nur- "zur Sicherheit" erfolgt.
Grundsätzlich besorgt der Abtretungsempfänger bei Einziehung einer
sicherungsabgetretenen Forderung eine eigene Rechtsangelegenheit, wenn die
Abtretung erfolgte, um den Empfänger wegen einer eigenen Forderung gegen den
Abtretenden zu sichern und wenn der Abtretungsempfänger auf die abgetretene
Forderung zurückgreifen muß, weil der Abtretende seine Schuld nicht erfüllt. Anders ist
jedoch der Fall zu beurteilen, wenn aus den Gesamtumständen des Geschäftes folgt,
daß die nach dem Wortlaut des Vertrages erfolgte Sicherungsabtretung lediglich auf
eine Umgehung der Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes abzielte. Ergibt sich bei
der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus den tatsächlichen Umständen,
daß der Einziehende bei der Einziehung nicht ein eigenes Sicherungsinteresse
befriedigen, sondern dem Kunden lediglich die mit der Forderungseinziehung
verbundene Arbeit abnehmen wollte, liegt die Besorgung einer fremden
Rechtsangelegenheit vor (OLG Hamm - 9 U 165/00 -, Beschluß vom 26.01.2001).
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Im Hinblick auf die "zur Sicherheit" an die Klägerin erfolgte Abtretung ist vorliegend
ausdrücklich geregelt worden, daß sich der Geschädigte um die Schadensregulierung
selbst kümmern und beim leistungsverpflichteten Versicherer den Schaden anmelden
werde. Dieser Wortlaut spricht zunächst dafür, daß sich das Mietwagenunternehmen
den Anspruch tatsächlich nur zur Sicherung seines eigenen Anspruchs hat abtreten
lassen, also gerade nicht die Regulierung des Unfallschadens für den
Unfallgeschädigten übernehmen sollte, da sich dieser selbst um die Unfallregulierung
zu bemühen hatte.
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Allerdings ist bei der Anwendung der Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG nicht auf die
äußere Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten alleine abzustellen, wie sie
im Wortlaut der Abtretungserklärung Ausdruck gefunden hat, sondern auch auf die
Umstände, unter denen die Geschäftbeziehungen im übrigen begründet worden sind
(BGH, NJW-RR 1994, 1081, 1083). Wenn danach die in die Abtretungserklärung
aufgenommene Wendung, nach der der Mieter selbst für die Geltendmachung seiner
Schadensersatzansprüche zu sorgen hat, als bloße Anpassung an
Rechtsprechungsgrundsätze und damit als Scheinerklärung zu sehen ist, während in
Wahrheit die Klägerin dem Geschädigten die Verfolgung und Durchsetzung seiner
Ansprüche zielbewußt abnimmt, so liegt hierin ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1
RBerG, da die Erlaubnispflicht nach dem Rechtsberatungsgesetz ausgelöst wird, wenn
der Vermieter seinem Kunden die Verfolgung und Durchsetzung der abgetretenen
Ansprüche abnimmt (BGH, NJW-RR 1994, 1081, 1083). Hierbei handelt es sich um eine
tatrichterliche Würdigung des Einzelfalls, wobei auch Umstände einbezogen werden
können, die nach der Abtretung eingetreten sind (BGH, NJW-RR 1994, 1081, 1083).
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Nach diesen Grundsätzen verstößt es nicht gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, wenn ein
Mietwagenunternehmen sich von seinem unfallgeschädigten Kunden die Ansprüche auf
Ersatz der Mietwagenkosten sicherungshalber abtreten läßt und sodann einen von
diesem gefertigten Unfallbericht zusammen mit der Aufforderung, die Mietwagenkosten
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zu begleichen, an den Haftpflicherversicherer des Schädigers weiterleitet (BGH, NJW
1985, 1223; NJW-RR 1994, 1081, 1083). Der Geschädigte N hat vorliegend jedoch der
Klägerin nicht nur den Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten als solche, sondern
vielmehr seinen Schadensersatzanspruch insgesamt, nur der Höhe nach begrenzt auf
die Höhe der Mietwagenkostenrechnung abgetreten. Nach diesem Inhalt der
Abtretungserklärung konnte die Klägerin gegenüber den Beklagten nicht nur die
Mietwagenkosten, sondern auch sonstige Schadensersatzansprüche des Geschädigten
N bis zur Höhe der von ihr beanspruchten Mietwagenkosten geltend machen. In diesem
Fall hat das Mietwagenunternehmen die Möglichkeit, zur Befriedigung seines
Anspruchs auf Ersatz der Mietwagenkosten gegenüber dem Haftpflichtversicherer auch
auf andere Ansprüche des Geschädigten als den Anspruch auf Erstattung der
Mietwagenkosten zurückzugreifen und damit für den Geschädigten Rechtsnachteile
herbeizuführen. Damit nimmt die Klägerin entgegen den schutzwürdigen Interessen der
Inhaber einer behördlichen Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 Abs. .1 RBerG die Besorgung
fremder Rechtsangelegenheiten ohne eine entsprechende Erlaubnis wahr (vgl. BGH,
NJW-RR 1994, 1081, 1083; OLG Hamm, - 9 U 165/00 -, Beschluß vom 26.01.2001).
Darüber hinaus spricht auch für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch
die Klägerin, daß die Klägerin nicht ernsthaft von dem Geschädigten N die Zahlung der
Mietwagenkosten begehrt hat. Die Rechnung vom 27.12.2000 über die
Mietwagenkosten ist zwar auf den Geschädigten N ausgestellt worden, wurde jedoch
unter dem gleichen Datum der Beklagten zu 2) zur Zahlung übersandt. Ob der
Geschädigte die Rechnung überhaupt erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Jedenfalls hat die Klägerin aber nicht vor der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2)
versucht, ihrerseits den Rechnungsbetrag von dem Zeugen Molar zu erhalten. Dies
ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Ablauf, da der Zeuge N die Rechnung frühestens
zeitgleich mit der Beklagten zu 2) erhalten haben kann. Dieses Verhalten der Klägerin
spricht ebenfalls dafür, daß die Forderung gerade nicht nur zur Sicherheit - für den Fall
der Nichtzahlung des Hauptschuldners - abgetreten wurde, sondern die Klägerin selbst
gegenüber den Beklagten für die Beitreibung der Mietwagenkosten Sorge tragen sollte,
was ebenfalls für eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheit spricht (vgl. BGH, NJW-
RR 1994, 1081, 1082; OLG Hamm, - 9 U 165/00 -, Beschluß vom 26.01.2001).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, §§ 543 ZPO n.F., 26 EGZPO.
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