Urteil des LG Bochum vom 11.06.2002
LG Bochum: bindungswirkung, grundbuchamt, gebühr, vollzug, nebenleistung, anwendungsbereich, vertretung, belastung, eigentümer, beurkundung
Landgericht Bochum, 7 T 48/02
Datum:
11.06.2002
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 48/02
Tenor:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die Beteiligte zu 1) hat dem Beteiligten zu 2) die diesem in den
Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.
Der Wert für das Beschwerdevertahren 7 T 48/02 wird auf 102,66 EUR,
der Wert für das Beschwerdeverfahren 7 T 49/02 wird auf 69,60 EUR
festgesetzt
Die weitere Beschwerde wird in beiden Verfahren zugelassen.
Gründe:
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I.
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Im Rahmen von Kaufpreisfinanzierungen übersandte die Beteiligte zu 1) dem
Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 21.12.2001 und 28.12.2001 Vordrucke für
Grundschuldbestellungen und kündigte an, der Beteiligte zu 1) werde von den
Kreditnehmern G den Auftrag erhalten, die Bestellung einer Gesamt-Buchgrundschuld
in Höhe von 144.000,00 EUR nebst Zinsen und Nebenleistung für die Beteiligte zu 1) zu
beurkunden, und von dem Kreditnehmer L den Auftrag erhalten, die Bestellung einer
Buchgrundschuld in Höhe von 237.100,00 EUR nebst Zinsen und Nebenleistung für sie
zu beurkunden.
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In beiden Schreiben heißt es unter Ziffer 7 b:
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"Wir beauftragen und bevollmächtigen sie, die Grundschuldbestellungsurkunde mit
Rücksicht auf § 873 BGB für uns entgegenzunehmen, beim Grundbuchamt
unverzüglich auch in unserem Namen die Eintragung der Grundschuld zu
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beantragen und uns dies zu bestätigen."
Unter den UR-Nummern 01/02 und 02/02 beurkundete der Beteiligte zu 1) die
Grundschuldbestellungen. Die jeweils zweite Ausfertigung der
Grundschuldbestellungsurkunden versah er mit folgendem Vermerk:
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"Die vorstehende, mit der Urschrift übereinstimmende zweite Ausfertigung meiner
Urkunde (...) wird hiermit der Deutschen Bank 24 AG, Fil. Düsseldorf in Düsseldorf
zur Vorlage beim Grundbuchamt erteilt.
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Zugleich nehme ich diese Ausfertigung aufgrund der mir von der Gläubigerin
hierzu erteilten Vollmacht für diese entgegen.
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Witten, den
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Siegel (Dr. V) Notar"
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Die zweiten Ausfertigungen mit dem vorbezeichneten Ausführungsvermerk legte er dem
Grundbuchamt zur Eintragung der Grundschulden vor. Mit insoweit gleichlautenden
Schreiben vom 07.01.2002 teilte der Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 1) in beiden
Angelegenheiten mit, dass er die dem Grundbuchamt vorgelegten Ausfertigungen für sie
entgegen genommen und dies auf der Ausfertigung vermerkt habe. Zudem übermittelte
er seine Kostenberechnungen über 102,66 EUR und 69,60 EUR, wegen deren genauen
Inhalts auf Blatt 3 und 4 d. A. Bezug genommen wird.
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Die Beteiligte zu 1) weigerte sich, die Kostenberechnungen zu begleichen und bezog
sich auf eine Stellungnahme des Geschäftsführers der Notarkammer für den
Oberlandesgerichtsbezirks Hamm, in der dieser zu einem gleichgelagerten Sachverhalt
die Auffassung vertreten hat, wegen der speziellen Regelungen in § 146 Abs. 3 KostO
sei § 147 Abs. 2 KostO nicht anwendbar.
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Mit Schreiben vom 25.02.2002 hat die Beteiligte zu 1) im Hinblick auf diese
Rechtsauffassung Beschwerde gegen die beiden Kostenberechnungen erhoben.
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Der Beteiligte zu 2) ist der Beschwerde entgegengetreten. Er ist der Auffassung, bei der
Herbeiführung der Bindungswirkung handele es sich um eine zusätzliche Tätigkeit des
Notars im Interesse der Bank. § 146 KostO sei nicht einschlägig, weil die Tätigkeiten
nicht dem Vollzug, sondern der Regelung von Rechtsverhältnissen gedient hatten und
zwar nicht einmal derjenigen der Vertragsteile des notariellen Kaufvertrages. Wegen der
besonderen Bedeutung der Herbeiführung der Bindungswirkung sei ein Geschäftswert
von 30 % des Grundschuldbetrages angemessen.
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Die Kammer hat die Präsidentin des Landgerichts gem. § 156 KostO gehört. Auf die von
ihr veranlasste Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 14.05.2002 wird Bezug
genommen.
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II
.
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Die Beschwerden sind gem. § 156 Abs. 1 KostO zulässig, aber unbegründet.
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Die Kostenberechnungen entsprechen den formellen Anforderungen des § 154 Abs. 2
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KostO und ermöglichen somit eine sachliche Überprüfung.
Dem Beteiligten zu 2) steht für die im Auftrag der Beteiligten zu 1) für diese erfolgte
Entgegennahme der Ausfertigungen der beiden Grundschuldbestellungsurkunden
jeweils eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO zu.
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§ 147 Abs. 2 KostO enthält die Hilfsklausel für alle in der KostO nicht besonders
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aufgeführten Notargeschäfte.
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Sie gilt
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nicht für Beurkundungen, sondern für die "sonstige" Betreuung der Beteiligten
durch den Notar auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege nach § 24 BNotO
soweit nicht die §§ 145, 146, 147 Abs. 1, 148, 149, 150 KostO oder aber die §§
141, 130 Abs. 2 KostO Platz greifen und
soweit es sich nicht um ein gebührenfreies Nebengeschäft handelt (vgl.
Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 14. Auflage, § 147 Rdnr. 19).
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Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei der Annahme der Ausfertigungen der beiden
Grundschuldbestellungsurkunden in Vertretung für die Beteiligte zu 1) handelte es sich
zweifelsfrei nicht um Beurkundungstätigkeiten, sondern um die sogenannte sonstige
Betreuung der Beteiligten. Die vorbezeichneten Vorschriften sind im vorliegenden Fall
nicht einschlägig. Insbesondere ist der Anwendungsbereich des § 146 KostO nicht
eröffnet. Bei der Annahme der Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden
handelt es sich nicht um Vollzugstätigkeiten, da sie für den grundbuchlichen Vollzug der
Grundschuldbestellungsurkunde nicht erforderlich war. Für die Eintragung der
Grundschulden reichte vielmehr die Bewilligung durch die Berechtigten. Die Annahme
der Urkundenausfertigungen diente dagegen der Regelung der Rechtsverhältnisse
zwischen den Grundstückseigentümern einerseits und der Beteiligten zu 1)
andererseits. Sie war dazu bestimmt, die Bindungswirkung der Einigungen über die
Belastung der Grundstücke mit den bestellten Grundschulden herbeizuführen. Denn
nach § 873 Abs. 2 BGB sind die Beteiligten an die Einigung über die
Grundstücksbelastung u. a. nur gebunden, wenn der Berechtigte (hier der Eigentümer)
dem anderen Teile (hier der Beteiligten zu 1) eine den Vorschriften der
Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Um diese
Bindungswirkung nicht erst mit Zugang der Ausfertigungen bei der Beteiligten zu 1)
eintreten zu lassen, sondern zeitlich vorzuverlegen, und damit früher den Schutz vor
nachträglichen Verfügungsbeschränkungen nach § 878 BGB zu erreichen, hat die
Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) beauftragt, für sie die Ausfertigungen der beiden
Grundschuldsbestellungsurkunden entgegen zu nehmen. Diese Aufträge dienten
deshalb allein der Erfüllung des Sicherungsinteresses der Beteiligten zu 1).
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Hieraus folgt auch, dass es sich bei den Tätigkeiten des Beteiligen zu 2) nicht um
sonstige gebührenfreie Nebengeschäfte gem. § 35 KostO gehandelt hat.
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Nebengeschäfte im Sinne dieser Vorschrift sind Geschäfte, die im Verhältnis zum
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Hauptgeschäft (hier die Bestellung der Grundschulden) als minderwichtige Tätigkeit
erscheinen und mit dem Hauptgeschäft derart im Zusammenhang stehen, dass sie nicht
als selbstständige Geschäfte in Erscheinung treten, sondern nur dazu dienen, das
Hauptgeschäft vorzubereiten oder zu fördern (vgl. Korintenberg / Lappe / Bengel /
Reimann a. a. O. § 35 Rdnr. 4). Die Herbeiführung der Bindungswirkung hat zwar die
Rechtsverhältnisse zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Grundstückseigentümern
gefördert. Sie war aber weder zur Beurkundung der Grundschuldsbestellungsurkunden
noch - wie ausgeführt - zu deren Abwicklung erforderlich, sondern hatte im Hinblick auf
das Sicherungsinteresse der Beteiligten zu 1) für diese selbstständige Bedeutung.
Nach § 147 Abs. 2 KostO steht dem Notar jeweils die Hälfte der vollen Gebühr zu.
Angesichts der besonderen Bedeutung der Herbeiführung der Bindungswirkung
erscheint der gem. § 30 KostO angenommene Geschäftswert von 30 % des jeweiligen
Grundschuldbetrages als angemessen. Da die Beteiligte die Aufträge erteilt hat, ist sie
Kostenschuldnerin gem. § 2 Nr. 1 KostO.
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Die Entscheidung ergeht gem. § 156 Abs. 4 Satz 2 KostO gerichtsgebührenfrei. Die
Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf der zwingenden Vorschrift
des § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Geschäftswerte bestimmen sich nach §§ 131, 30
KostO.
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Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung - soweit ersichtlich, ist noch keine
obergerichtliche Entscheidung zu den hier in Rede stehenden Fragen ergangen - hat
die Kammer in beiden Verfahren die weitere Beschwerde zugelassen, § 156 Abs. 2 Satz
2 KostO.
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