Urteil des LG Bochum vom 23.12.2005

LG Bochum: wohnung, miete, stadt, beweiswürdigung, mietzins, unangemessenheit, vollstreckbarkeit, zahl, zustand, dokumentation

Landgericht Bochum, 10 S 29/03
Datum:
23.12.2005
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 29/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Witten, 3 C 501/02
Tenor:
1.
Das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 31.03.2003 wird abgeändert:
Die Beklagten werden verurteilt, einer Erhöhung des Grundmietzinses
für die von ihnen inne-gehaltene Wohnung im Hause I-Straße ## in X
von 304,22 Euro auf 355,64 Euro mit Wirkung ab dem 01.08.2002
zuzustimmen.
2.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
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Sie hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zu der verlangten
Mieterhöhung nach §§ 535, 558 BGB. Sie hat nachgewiesen, dass es sich bei der von
ihr geltend gemachten Grundmiete von 5,23 Euro/m2, d.h. insgesamt 355,64 Euro um
eine ortsübliche und angemessene Miete für die streitgegenständliche Wohnung
handelt.
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Dem steht der vorliegende, für die Stadt X geltende Mietspiegel nicht entgegen. Bei
diesem handelt es sich - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts - nicht um einen
qualifizierten Mietspiegel i.S.d. § 558d BGB, so dass er nicht nach § 558d Abs. 3 BGB
die Vermutung für die Ortsüblichkeit der darin angegebenen Vergleichsmieten
begründet. Der Sachverständige S hat insoweit in seinem Gutachten vom 17.09.2004
sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.01.2005 ausführlich und
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nachvollziehbar dargestellt, dass der Mietspiegel der Stadt X nicht nach anerkannten
statistisch-methodischen Grundsätzen erstellt worden ist und eine angemessene
Dokumentation hinsichtlich der zugrundeliegenden Datenerhebung fehlt. Er konnte nicht
sicher feststellen, ob bzgl. der Auswahl von Häusern als Stichprobenelemente eine
Repräsentativität gegeben ist. Schließlich ist die Art und Weise, in der die
ausgewiesenen Mietspannen bestimmt wurden, nach der statistischen Methodik ebenso
wenig wie die konkrete Anwendung der Regressionsmethode nicht nachvollziehbar.
Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
ausführlichen Darstellungen des Sachverständigen S in seinem Gutachten vom
17.09.2004 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom. 18.01.2005 Bezug
genommen.
Die Klägerin hat durch die Ausführungen des Sachverständigen E unter dem
26.08.2005 bewiesen, dass die geforderte Grundmiete von 5,23 Euro/m2 der
Ortsüblichkeit und Angemessenheit entspricht. Der Sachverständige hat die konkrete
Lage und den tatsächlichen Zustand der streitgegenständlichen Wohnung umfassend
dargestellt und berücksichtigt. Besondere wertbeeinflussende Mängel, akute
Renovierungsrückstände oder gar einen Renovierungsstau an dem Objekt hat er nicht
festgestellt. Dabei ist auch nicht ersichtlich, dass er den von den Beklagten
vorgebrachten Blick auf den Garagenhof nicht beachtet hat, insbesondere weil er diesen
selbst fotografisch festgehalten hat.
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Den Beklagten mag zugegeben werden, dass der Sachverständige bei seiner
Begutachtung nur eine geringe Anzahl von Vergleichswohnungen aus der
unmittelbaren Umgebung heranziehen konnte und dass Mietwerte aus anderen Städten
auch nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Gerade aufgrund der sich zeigenden
Schwierigkeiten bei der Feststellung von Vergleichsmieten darf jedoch nicht jede
einzelne, vom Sachverständigen aufgeführte Bewertungsposition isoliert betrachtet
werden. Vielmehr ist eine Gesamtschau vorzunehmen, aus der sich nachvollziehbar
begründet eine ortsübliche und angemessene Miete von bis zu 5,50 Euro/m2 ergibt.
Insoweit hat der Sachverständige auch nicht Vergleichsmieten aus E2 herangezogen,
ohne hierbei die Ortsverschiedenheit konkret zu berücksichtigen. Schließlich darf auch
die vom Sachverständigen angesprochene eigene Erfahrung nicht außer Acht gelassen
werden.
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Der Einwand der Beklagten, insbesondere wegen der geringen Zahl der vom
Sachverständigen herangezogenen Vergleichswohnungen sei der - wenn auch
einfache - Mietspiegel geeigneter, um die Ortsüblichkeit der Mieten zu bestimmen,
überzeugt nicht. Zwar können die Ergebnisse des (einfachen) X-er Mietspiegels im
Rahmen freier Beweiswürdigung herangezogen werden. Der Sachverständige S hat
jedoch gerade festgestellt, dass die Repräsentativität der im Mietspiegel aufgeführten
Vergleichswohnungen nicht nachvollzogen werden kann. Im Gegensatz dazu hat sich
die Kammer im konkret zu entscheidenden Fall anhand der ausführlichen Darstellung
des Sachverständigen E ein eigenes Bild bzgl. der einzelnen Vergleichswerte machen
können.
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Schließlich ergibt sich aus den Darstellungen des Sachverständigen, dass sich der von
der Klägerin verlangte Mietzins nicht am oberen Limit der ortsüblichen und
angemessenen Vergleichsmieten bewegt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass etwa der
Einwand der Beklagten bzgl. des Kabelanschlusses zu einer Unangemessenheit der
geltend gemachten 5,23 Euro/m2 führen kann.
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Da die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen auch formell ordnungsgemäß begründet
hat (§ 558a Abs. 2 BGB), war der Klage insgesamt stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht
erfordert.
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