Urteil des LG Aachen vom 02.05.2003

LG Aachen: rechtliches gehör, ablauf der frist, nachbesserung, anfechtbarkeit, anfechtung, ergänzung, konkretisierung, einigungsversuch, zugang, auflage

Landgericht Aachen, 3 T 133/03
Datum:
02.05.2003
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 T 133/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 19 IK 435/02 II
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird die Mitteilung des Amtsgerichts B
vom 18.12.2002 aufgehoben. Die Sache wird zur abschließenden
Entscheidung über den Insolvenzantrag des Schuldners vom
30.09.2002 an das Amtsgericht B zurückgegeben.
G r ü n d e
1
I.
2
Mit Antrag vom 30.09.2002 stellte der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gemäß § 305 InsO. Als Anlage zum Eröffnungsantrag fügte der
Schuldner eine Bescheinigung des Rechtsanwaltes Dr. L in S auf dem Vordruck
"Eigenantrag Verbraucherinsolvenz: Bescheinigung (Anlage 2)" bei. Unter der Rubrik
"Außergerichtlicher Einigungsversuch" ist dort angegeben, dass der außergerichtliche
Plan vom 10.09.2002 beigefügt sei. Dem Insolvenzantrag ist als weitere Anlage ein
Schreiben der Bevollmächtigten des Schuldners von diesem Tage (10.09.2002) an eine
der Gläubigerinnen beigefügt, in dem dieser Gläubigerin ein Vorschlag zur
außergerichtlichen Schuldenbereinigung gemacht wird. Diesem Schreiben wiederum ist
eine Aufstellung der Gläubiger sowie ein Ratenzahlungsplan für eine Laufzeit von fünf
Jahren beigefügt (Bl. 23-25 d.A). Des weiteren hat der Schuldner unter der Rubrik
"Außergerichtlicher Einigungsversuch" angegeben, dass von neun Gläubigern keiner
dem Plan zugestimmt hat und dass von neun Gläubigern acht keine Rückäußerung
abgegeben haben. Unter der Rubrik "Wesentliche Gründe für das Scheitern des
Einigungsversuchs" hat der Schuldner die Formulierung "Nicht alle Gläubiger haben
dem ihnen übersandten Plan zugestimmt. Als maßgebliche Gründe wurden genannt:"
angekreuzt und zur näheren Konkretisierung auf die Anlage verwiesen, in der sich die
Schreiben zweier Gläubiger befinden, die den Plan ohne weitere Begründung
abgelehnt haben.
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Mit am 09.10.2002 zu Zustellungszwecken zur Post aufgegebenen Schreiben vom
02.10.2002 hat das Amtsgericht den Schuldner zur Ergänzung der vorgelegten
Unterlagen nach Maßgabe des § 305 InsO n.F. aufgefordert. Die vorgelegte
Bescheinigung über den erfolglosen Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den
Gläubigern sei zu allgemein gehalten. Diese müsse insbesondere den zeitlichen Ablauf,
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den zu Grunde liegenden Plan, die Angebote des Schuldners, die Antworten der
Gläubiger sowie die Gründe für das Scheitern des Planes darstellen. Zugleich wurde
der Schuldner darauf hingewiesen, dass der Eröffnungsantrag gemäß § 305 Abs. 3 InsO
als zurückgenommen gelte, sofern das Fehlende nicht binnen eines Monats seit
Zustellung ergänzt werde.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2002 teilte der Schuldner mit, er wisse nicht, "was an der
Bescheinigung auszusetzen" sei. Er habe schließlich mit dem Insolvenzantrag das
Anschreiben an die Gläubiger, den Schuldenbereinigungsplan und Kopien der
Antworten der Gläubiger übersandt. Er wisse nicht, wie er den Ablauf des
Einigungsversuchs detaillierter darstellen könne und bitte um einen klärenden Hinweis
des Gerichts. Auf das Schreiben hin verfügte der Abteilungsrichter eine dreiwöchige
Wiedervorlagesfrist, ohne zuvor gegenüber dem Schuldner die Anforderungen an eine
Ergänzung der vorgelegten Bescheinigung zu konkretisieren.
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Mit Schreiben vom 18.12.2002 teilte das Amtsgericht dem Schuldner mit, dass sein
Eröffnungsantrag vom 30.09.2002 kraft Gesetzes als zurückgenommen gelte, weil er
unvollständig gewesen und trotz gerichtlicher Aufforderung nicht fristgerecht ergänzt
worden sei (§ 305 Abs. 3 InsO). Gegen diese Mitteilung hat der Schuldner mit Schriftsatz
vom 06.01.2003 "Beschwerde" eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die von ihm
vorgelegten Unterlagen den Anforderungen des § 305 InsO genügen. Das Amtsgericht
hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.03.2003 nicht abgeholfen und die Sache der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
7
II.
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1. Die vom Schuldner eingelegte "Beschwerde" gegen die gerichtliche Mitteilung vom
18.12.2002 ist als sofortige Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 InsO statthaft und auch im
Übrigen zulässig.
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a) Allerdings ist nach verbreiteter Auffassung (vgl. etwa OLG L3, ZIP 2000, S. 1379 ff.;
OLG L3, ZIP 2000, S. 1149 f.; OLG Naumburg, ZInsO 2000, 218; LG L3, ZVI 2002, 464
ff.; LG L2, ZInsO 2002, S. 841; LG C2, ZInsO 2000, S. 349; HK-Landfermann, InsO § 305
Rn. 34a), der sich auch die Kammer bereits angeschlossen hat (Beschlüsse vom
30.04.2002 - 3 T 112/02 - und vom 31.05.2002 - 3 T 146/02) die Mitteilung des
Insolvenzgerichts über den Eintritt der gesetzlichen Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3
Satz 2 InsO unanfechtbar. Begründet wird dies einerseits damit, dass die
Rücknahmefiktion kraft Gesetzes eintrete und deshalb schon keine Entscheidung des
Insolvenzgerichtes darstelle (so etwa OLG L3, ZIP 2000, S. 1397, 1398 und ZIP 2000, S.
1149, 1450). Zum anderen wird darauf verwiesen, dass gemäß § 6 InsO die sofortige
Beschwerde nur in den ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig ist und eine
derartige Regelung für § 305 Abs. 3 S. 2 InsO fehlt (OLG L3, a.a.O., BayObLG ZIP 1999,
S. 1767 ff. und ZIP 2000, S. 320 ff.; nach Ansicht des BayObLG soll allenfalls die
vorangegangene Ergänzungsaufforderung der sofortigen Beschwerde unterliegen, und
zwar dann wenn das Insolvenzgericht an die vom Schuldner vorzulegenden Unterlagen
inhaltlich in qualitativer Hinsicht bestimmte Anforderungen gestellt hat, deren
Unerfüllbarkeit von vornherein eindeutig erkennbar ist und sich die Aufforderung
deshalb in ihren materiellen Auswirkungen als endgültige Ablehnung des
Eröffnungsantrags darstellt). Der Grundsatz der Unanfechtbarbarkeit gelte insbesondere
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auch dann, wenn der Schuldner - wie hier - nach der gerichtlichen
Ergänzungsaufforderung ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht hat,
dass er an seinem Eröffnungsantrag festhalten will (so etwa OLG L3, ZIP 2000, S. 1397,
1398 und ZIP 2000, S. 1449, 1450).
b) Nach der in unterschiedlichen Varianten vertretenen Gegenauffassung kann
hingegen in Ausnahmefällen auch die Feststellung des Insolvenzgerichtes über den
Eintritt der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde
angefochten werden:
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Nach einer vereinzelt vertretenen Auffassung soll zwar die Mitteilung des
Insolvenzgerichts über den Eintritt der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
selbst keine beschwerdefähige Entscheidung darstellen. In den Fällen, in denen der
Schuldner die Rechtsfolge der Antragsrücknahme für ungerechtfertigt halte, könne er
aber entsprechend der §§ 4 InsO, 269 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 ZPO verlangen, dass das
Gericht die Wirkung der Antragsrücknahme durch Beschluss ausspricht. Dieser
Beschluss unterliege dann gemäß § 269 Abs. 3 S. 5 ZPO der sofortigen Beschwerde
(so etwa LG Q, ZinsO 2002, 1052; weitere Nachweise bei HK-Landfermann, § 305 Rdn.
34a).
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Nach anderer Auffassung kommt eine Beschwerde dann in Betracht, wenn die
zugrundeliegende gerichtliche Entscheidung einen offenkundigen schwerwiegenden
Fehler in der Rechtsanwendung aufweist, etwa dann, wenn das Insolvenzgericht bei
seiner Entscheidung den Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör verletzt hat
(so etwa LG H ZInsO, 2000, S. 650), wenn das Gericht ihm auf eine Antragsablehnung
hinauslaufende, unerfüllbare Auflagen erteilt hat (vgl. OLG D, ZIP 2000, 802) oder wenn
das Gericht inhaltliche Auflagen gemacht hat, die durch das Gesetz nicht gedeckt sind
(OLG D, ZIP 2001, S. 340, 341; Braun/Buck, InsO, § 305 Rdn. 23). Dies soll
insbesondere dann gelten, wenn der vorgelegte Schuldenbereinigungspplan einer
inhaltlichen Überprüfung unterzogen worden ist (vgl. dazu etwa Uhlenbruck/Vallender,
die dort zitierten Entscheidungen des OLG L3 [ZIP 1999, 1929] und des BayOGLG
[ZInsO 1999, 645, u. ZIP 2000, 320] betreffen allerdings Fälle, in denen entweder eine
ausdrückliche Zurückweisung des Insolvenzantrages als unzulässig erfolgte oder es um
die Anfechtung der vorangegangenen Ergänzungsaufforderung ging).
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c) Weitergehend wird eine Anfechtungsmöglichkeit immer dann bejaht, wenn der
Schuldner auf die Ergänzungsaufforderung hin fristgerecht reagiert hat, indem er
entweder - aus Sicht des Insolvenzgerichts unzureichende - Ergänzungen nachgereicht
oder aber den vom Insolvenzgericht gestellten Anforderungen widersprochen hat. Für
die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO sei dann insgesamt kein Raum, diese
gelte vielmehr nur dann, wenn der Schuldner innerhalb der Monatsfrist des § 305 Abs. 3
S. 2 InsO gänzlich untätig geblieben sei. Reagiere der Schuldner fristgerecht, bestehe
sein Insolvenzantrag fort; sofern das Gericht die eingereichten Unterlagen weiterhin für
unzulänglich halte, müsse es den Antrag als unzulässig zurückweisen. Hiergegen sei
dann in - unmittelbarer - Anwendung des § 34 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde
statthaft (OLG G, ZVI 2002, 165, 168, ebenso Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 305 Rdn.
30).
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d) Der letztgenannten Auffassung schließt sich die Kammer unter Aufgabe ihrer
bisherigen Rechtsprechung an.
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aa) Die in § 305 Abs. 3 InsO enthaltene Regelung dient insgesamt der
Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung. Es soll auf ein zügiges Handeln des
Schuldners hingewirkt werden (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages, BT Drucks. 12/7302, S. 192). Kommt der Schuldner der Aufforderung des
Insolvenzgerichts, seinen - unvollständigen - Antrag nachzubessern, nicht innerhalb
eines Monats nach, so gilt sein Antrag deshalb gemäß § 305 Abs. 3 S. 2 InsO als
zurückgenommen.
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Der Eintritt dieser Rücknahmefiktion ist allerdings nur dann unproblematisch, wenn der
Schuldner innerhalb der genannten Frist völlig untätig bleibt. In diesem Fall hat nämlich
der Schuldner sein mangelndes Interesse an dem zunächst beantragten
Insolvenzverfahren hinreichend dokumentiert, so dass es ohne weiteres gerechtfertigt
ist, denn ursprünglich gestellten Antrag als zurückgenommen zu betrachten. Es wäre
eine überflüssige und vom Gesetzgeber eben nicht gewollte Beanspruchung des
Gerichts, wenn der ursprüngliche Antrag noch ausdrücklich zurückgewiesen werden
müsste.
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Reagiert der Schuldner hingegen innerhalb der Monatsfrist des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
auf die gerichtliche Aufforderung, so dokumentiert er damit im Regelfall sein Interesse
an der weiteren Verfahrensdurchführung und macht deutlich, dass er bereit ist, hieran
aktiv mitzuwirken. Die gesetzliche Rücknahmefiktion hat dann keine Entsprechung im
Tatsächlichen, weil der Schuldner gerade seinen einer Antragsrücknahme
zuwiderlaufenden Willen deutlich macht. Dies würde für sich gesehen natürlich nicht
verbieten, auch an ein solches Verhalten die Rücknahmefiktion zu knüpfen, es kommen
aber weitere Gesichtspunkte hinzu, die eine Anwendung des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO in
diesen Fällen unangemessen erscheinen lassen.
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aa) Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der
Gesetzgeber auch bei einer Reaktion des Schuldners § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
angewendet wissen wollte. Im Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, auf
den § 305 Abs. 3 InsO zurückgeht, heißt es insoweit, mit der Fristbestimmung solle "auf
ein zügiges Handeln des Schuldners hingewirkt" werden (BT-Drucks. 12/7302, S. 191).
Dem lässt sich nur entnehmen, dass der Schuldner durch die drohende
Rücknahmefiktion überhaupt zur Nachbesserung bewegt werden soll, an die inhaltliche
Qualität der Reaktion werden indes keine Anforderungen gestellt.
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Auch kann der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 305 Abs. 3 InsO beabsichtigte
Vereinfachungseffekt in den Fällen der genannten Art tatsächlich nur in geringem
Umfang erzielt werden kann. Wenn nämlich der Schuldner auf die
Ergänzungsaufforderung reagiert hat, so hat das Insolvenzgericht zur Klärung des
weiteren Verfahrens, wenn schon nicht durch ausdrücklichen Beschluss, so doch
zumindest gedanklich zu prüfen, ob die eingereichten Unterlagen nunmehr den
gesetzlichen Anforderungen genügen. Unbeschadet des Umstandes, dass die
Rücknahmefiktion kraft Gesetzes eintritt, ist also eine rechtliche Bewertung erforderlich,
von deren Ausgang die weitere Verfahrensweise abhängig ist. Der Vereinfachungseffekt
würde sich als darauf beschränken, dass das Insolvenzgericht sein weiteres Vorgehen
nicht begründen muss und die zugrunde liegende Wertung nicht im Rechtsmittelwege
überprüft werden kann.
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bb) Aus dem Vorgenannten folgt zugleich, dass es sich bei der Beurteilung der Frage,
ob nach erfolgter Reaktion des Schuldners die der Ergänzungsaufforderung zu Grunde
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liegenden Bedenken ausgeräumt sind, durchaus um eine "Entscheidung" handelt, und
zwar unabhängig davon, ob diese Beurteilung im Wege eines förmlichen Beschluss
oder durch formlose Mitteilung erfolgt. Allerdings dürfte aus dem Anspruch des
Schuldners auf rechtliches Gehör folgen, dass die Entscheidung durch einen
begründeten Beschluss zu treffen ist. Denn der Schuldner, der auf die
Ergänzungsaufforderung reagiert hat, kann erwarten zu erfahren, aus welchen Gründen
das Insolvenzgericht trotz seiner Antwort die eingereichten Unterlagen für unzulänglich
hält. Gerade der vorliegende Fall zeigt dies deutlich: Der Schuldner hat als Anlage zu
seinem Eröffnungsantrag eine Bescheinigung über das Scheitern des
außergerichtlichen Einigungsversuchs vorgelegt. Er hatte dabei den entsprechenden
Vordruck weitgehend ausgefüllt und lediglich hinsichtlich der Rubrik "wesentliche
Gründe für das Scheitern des Einigungsversuchs" auf die Anlage verwiesen, aus der
sich die vorgerichtlichen Einigungsbemühungen und die Reaktion der Gläubiger mit
einiger Deutlichkeit ergaben. Gleichwohl hat das Amtsgericht dem Schuldner mit seiner
Ergänzungsaufforderung vom 02.10.2002 zur Nachbesserung aufgefordert. Dieser
Aufforderung ist der Schuldner zumindest insoweit nachgekommen, als er mit seinem
Schreiben vom 21.10.2002 um Präzisierung gebeten hat, welche weiteren Unterlagen er
vorlegen solle. Das Insolvenzgericht hat diesen auch aus Sicht der Kammer gebotenen
Hinweis hingegen nicht erteilt, sondern lediglich eine Wiedervorlagefrist bestimmt und
sodann nach Ablauf der Frist mitgeteilt, den Insolvenzantrag gelte kraft Gesetzes als
zurückgenommen. Durch diese Verfahrensweise ist dem Schuldner faktisch der Zugang
zu dem von ihm beantragten Insolvenzverfahren verwehrt worden, ohne dass für ihn
überhaupt erkennbar geworden wäre, welche weiteren Unterlagen seinem Antrag
konkret hätten beigefügt werden müssen.
cc) Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, für einen ausdrücklichen Beschluss
über die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens in den Fällen der hier vorliegenden Art
fehle eine Grundlage, weil aufgrund der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
überhaupt kein Antrag mehr vorliege (so etwa Vallender, ZIP 1999, S. 125, 128 f.), steht
dies der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Denn die Rücktrittsfiktion greift
nach richtiger Ansicht von vornherein nur dann ein, wenn der Schuldner innerhalb der
Monatsfrist überhaupt nicht reagiert hat. Andernfalls besteht der Insolvenzantrag des
Schuldners fort, über diesen kann und muss dann auch entschieden werden.
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dd) Für die Beschränkung der Rücknahmefiktion auf die Fälle, in denen der Schuldner
auf die Ergänzungsaufforderung hin gänzlich untätig geblieben ist (und die daraus
folgende Anfechtbarkeit der nachfolgenden gerichtlichen Entscheidung in allen anderen
Fällen) sprechen auch praktische Erwägungen.
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Bereits die Vielzahl der Entscheidungen, in denen in jeweils unterschiedlichen
Fallkonstellationen mit verschiedenen Begründungen ausnahmsweise auch im Rahmen
des § 305 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde zugelassen worden ist, macht deutlich,
dass die Unanfechtbarkeit jeglicher Entscheidung zum Eingreifen des § 305 Abs. 3 S. 2
InsO vielfach als unangemessen empfunden wird - wohl nicht zuletzt deshalb, weil
andernfalls die Möglichkeit geschaffen würde, in nicht überprüfbarer Weise dem
Schuldner faktisch der Zugang zum Insvolvenzverfahren zu verwehren.
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Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die nach § 305 Abs. 1 Nr. 1. - 4.
vorzulegenden Unterlagen ebenso wie der Anwendungsbereich der Vorschrift selbst
keineswegs so eindeutig geregelt sind, dass jegliche obergerichtliche Klärung
verzichtbar erscheint (so ausdrücklich auch Vallender, ZIP 1999, S. 125, 129).
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Beispielhaft sei hier etwa die Frage genannt, ob auch ein sogenannter "Null-Plan" den
Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO genügt (vgl. zur Problematik etwa HK-
Landfermann, § 305 Rdn. 27 f.). Auch die Frage, welchen Anforderungen die
Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO genügen muss, ist
konkretisierungsbedürftig, zumal dem Insolvenzgericht insoweit über eine rein formalen
Kontrolle hinaus auch die Prüfung obliegen soll, ob die Bescheinigung hinsichtlich der
materiellen Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1. - 4. insgesamt schlüssige
Erklärungen enthält (vgl. hierzu etwa BayObLG ZIP 1999, S. 1767 ff.; OLG C, DZWiR
2001, S. 467 f.).
ee) Schließlich erscheinen sämtliche in der Rechtsprechung erwogenen
Lösungsmöglichkeiten zur beschränkten Eröffnung des Beschwerderechtszuges nur in
Ausnahmefällen der Kammer nicht praktikabel.
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Eine Abgrenzung danach, ob das Gericht dem Schuldner eine auf eine
Antragsablehnung hinauslaufende, unerfüllbare Auflage erteilt hat (vgl. OLG D, ZIP
2000, 802) oder inhaltliche Auflagen gemacht hat, die durch das Gesetz nicht gedeckt
sind (OLG D, ZIP 2001, 340 ff.), ist rechtsdogmatisch kaum begründbar. Denn ob die
dem Schuldner erteilten Auflagen erfüllbar oder vom Gesetz gedeckt sind, ist keine
Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit einer etwaigen Beschwerde. Zudem
führt diese Auffassung zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten: So darf zwar der
Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) vom Insolvenzgericht keiner
inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden (OLG D, a.a.O.; BayObLG, ZIP 2000, S.
320, 322; OLG L3, ZIP 1999, S. 1929, 1930), das Insolvenzgerichtes soll aber
andererseits prüfen dürfen, ob die Bescheinigung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO
hinsichtlich der materiellen Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1. - 4. insgesamt
schlüssige Erklärungen enthält (BayObLG ZIP 1999, S. 1767 ff.; OLG C, DZWiR 2001,
S. 467 f.). Obwohl es sich auch im letztgenannten Fall um eine Prüfung handelt, die über
die bloße formale Vollständigkeit hinausgeht, wäre in diesem Rahmen sowohl die
Ergänzungsaufforderung als auch die nachfolgende Entscheidung über den Eintritt der
Rücknahmefiktion unanfechtbar, weil sich die Auflage im Rahmen der gerichtlichen
Prüfungskompetenz hält. Diese Differenzierung leuchtet nicht ein.
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Auch die vom BayObLG erwogene Anfechtbarkeit der Ergänzungsaufforderung in den
Fällen, in denen das Insolvenzgericht an die vom Schuldner vorzulegenden Unterlagen
inhaltlich in qualitativer Hinsicht bestimmte Anforderungen gestellt hat, deren
Unerfüllbarkeit von vornherein eindeutig erkennbar ist (BayObLG ZIP 1999, S. 1767 ff.
und ZIP 2000, S. 320 ff.), ist nicht praktikabel. Denn zum einen besteht ein Bedürfnis für
die Zulassung der sofortigen Beschwerde auch dann, wenn dem Schuldner erfüllbare
Auflagen gemacht werden, die keine gesetzliche Grundlage haben. Vor allem aber
würden dadurch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners erheblich verkürzt.
Dieser wird nämlich auf die Ergänzungsaufforderung hin zunächst versuchen, die
angeforderten Unterlagen beizubringen oder das Gericht davon zu überzeugen, dass
weitere Unterlagen nicht erforderlich sind. Er wird auch auf seine Antwort hin nicht ohne
weiteres davon ausgehen, dass gleichwohl die Rechtsfolgen des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO
eintreten, insbesondere dann nicht, wenn - wie hier - keine weitere Reaktion des
Gerichts erfolgt. Erst dann, wenn er nach Ablauf der Monatsfrist die Mitteilung erhält,
sein Antrag gelte gleichwohl als zurückgenommen, entsteht aus Schuldnersicht die
Notwendigkeit, den Instanzenweg zu beschreiten. Eine Anfechtung der
Ergänzungsanforderung würde dann aber am zwischenzeitlichen Ablauf der
Beschwerdefrist scheitern.
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2. Die aus den dargelegten Gründen zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners ist
auch begründet. Das Amtsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der
Insolvenzantrag des Schuldners gem. § 305 Abs. 3 S. 2 InsO als zurückgenommen gilt.
Dies gilt vorliegend jedenfalls deshalb, weil der Schuldner auf die gerichtliche
Aufforderung vom 02.10.2002 reagiert und hierbei ausdrücklich seine Bereitschaft zum
Ausdruck gebracht hat, weitere (allerdings konkret zu benennende Unterlagen)
einzureichen.
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Das Insolvenzgericht wird deshalb nunmehr - ggf. nach weiterer Konkretisierung
nachzureichender Unterlagen - zu entscheiden haben, ob der Insolvenzantrag zulässig
ist.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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1. XX Dr. I
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