Urteil des LG Aachen vom 11.06.2004
LG Aachen: treu und glauben, abrechnung, heizung, nebenkosten, ermessen, anschlussberufung, betriebskosten, aufrechnung, hauswart, vermieter
Landgericht Aachen, 5 S 269/03
Datum:
11.06.2004
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Zivilikammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 269/03
Schlagworte:
Nebenkosten
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.10.2003 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Aachen - 82 C 208/03 - teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger
auf Zahlung von Betriebskosten für das Jahr 2003 in Höhe von 1.284,23
EUR aufgrund Aufrechnung des Klägers gegenüber der Beklagten mit
dem Betriebskostenerstattungsanspruch des Klägers für das Jahr 2001
erloschen ist.
Die weitergehende Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung
der Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die
Beklagte 64%, der Kläger 36%.
Gründe:
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I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540
Abs. 2 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten sind zulässig. In
der Sache teilweise begründet ist jedoch nur die Berufung.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der für das Jahr
2001 geleisteten Betriebskosten in Höhe von 1.284, 23 EUR, da die Beklagte für diesen
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Zeitraum keine hinreichend überprüfbare Betriebskostenabrechnung erteilt hat, das
Mietverhältnis zwischen den Parteien zwischenzeitlich beendet ist und der Kläger im
Wege der Schätzung schlüssig und plausibel dargelegt hat, dass seine in 2001
geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 4.441,20 EUR die tatsächlich
entstandenen Betriebskosten um 1.284,23 EUR übersteigen. Die Anspruchsgrundlage
ergibt sich aus einer ergänzenden Auslegung des Mietvertrages (§§ 133, 157 BGB; vgl.
OLG Braunschweig, Rechtsentscheid vom 08.07.1999, NJW-RR 2000, 85 ff m.w.N.). Mit
dem Ende des Mietverhältnisses ist der Kläger auch nicht mehr an der Aufrechnung
gegen später in 2003 entstandene Ansprüche der Beklagten auf Zahlung laufender
Nebenkosten gehindert, weil gerade der Grund für ein im laufenden Mietverhältnis
bestehendes Aufrechnungsverbot entfallen, die fragliche Abrechnungsperiode im
Berufungsverfahren abgelaufen ist und die vorgenannten Grundsätze der ergänzenden
Vertragsauslegung auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im
vorliegenden Fall eine Aufrechnungsbefugnis des Klägers begründen.
Die von der Beklagten in der Nebenkostenabrechnung für 2001 geforderten Beträge
sind nicht fällig, weil die Abrechnung sich nicht an der seit Beginn des Mietverhältnisses
in 1998 geübten Abrechnungspraxis orientiert, sondern andere Verteilungsansätze
anwendet, die zu einer spürbaren Erhöhung der Nebenkosten für den Kläger geführt hat.
So lag die Gesamtsumme der Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum 01.04. bis
31.12.2000 nach der bislang praktizierten Abrechnungsweise der Parteien bei 5.186,20
DM und stieg nach Abänderung der Verteilungsansätze für den Zeitraum 01.01. bis
31.12.2001 auf 4.681,29 EUR.
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Aus der vom Kläger vorgelegten Nebenkostenabrechnung für 2000 (Bl. 8 d. A.) ergibt
sich, dass insbesondere die Nebenkostenarten Hausmeisterkosten, Müllabfuhr und
Reinigung nach der Gesamtquadratmeterzahl des Hauses Q-Straße - 9 von 1.855 qm
berechnet wurden, während in der Abrechnung für 2001 (Bl. 9 d. A.) nur die
Gewerbefläche dieses Hauses von 767 qm zum Ansatz genommen wurde. Beide
Ansätze mögen zwar billigem Ermessen gemäß § 316 BGB entsprechen, jedoch ist der
Vermieter regelmäßig an das einmal ausgeübte billige Ermessen gebunden und darf
hiervon grundsätzlich nicht einseitig zum Nachteil des Mieters abweichen (vergl.
Sternel, 3. Aufl., Rz III/406).
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Die Überprüfung der Abrechnung für 2001 zu den streitigen Punkten Heizung,
Müllabfuhr, Hausmeisterkosten und Hausreinigung ergibt zudem, dass im Vergleich zur
Vorjahresabrechnung zum Teil deutliche Abweichungen bestehen.
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Um beide Zahlenwerke näher miteinander zu vergleichen, waren zunächst die
Vorjahresabrechnungen, die sich nur auf 275 Tage beziehen, auf ein ganzes Jahr zu
360 Tagen hochzurechnen. Auf die vom Kläger gemieteten Räume wären danach in
2000 folgende Kosten entfallen: Müllabfuhr 956,06 EUR, Hausmeisterkosten 792,15
EUR, Reinigungskosten 279,87 EUR und Heizung 246,95 EUR. Dem stehen zu diesen
Kostenpunkten für 2001 818,78 EUR Müllabfuhr, 1.132,48 EUR Hausmeisterkosten,
236,93 EUR Reinigung und 654,94 EUR Heizung gegenüber. Bei den Kostenarten
Heizung und Hausmeisterkosten ergeben sich danach spürbare Veränderungen zum
Nachteil des Klägers.
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Soweit die Beklagte sich darauf beruft, Änderungen in den Abrechnungsansätzen seien
aus Gründen einer angemessenen Betriebskostenumlage auf alle Mieter der
Wirtschaftseinheit sachgerecht, so rechtfertigt diese Überlegung allein keine einseitige
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Abänderung des vertraglich durch ständige Übung festgelegten Verteilungsmaßstabes.
Vielmehr war die Beklagte gehalten, rechtzeitig ein Einvernehmen mit dem Kläger über
geplante Änderungen herbeizuführen. Auch das einmal nach § 316 BGB ausgeübte
billige Ermessen kann der Vermieter grundsätzlich nicht frei abändern, sondern muss
eine einvernehmliche Änderung anstreben, und zwar regelmäßig vor der
Abrechnungsperiode, in der der veränderte Umlageschlüssel erstmals angewendet
werden soll (vergl. LG Bautzen, Urteil v. 25.04.2001, WuM 2001 S. 288 f. unter Hinweis
darauf, dass dies gegebenenfalls im Wege einer Klage auf Zustimmung zur Änderung
zu erfolgen habe). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Abweichend ist hingegen die Heizkostennachforderung der Beklagten zu beurteilen:
Hier hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass ihr eine Abrechnung im Einklang
mit der getroffenen vertraglichen Vereinbarung wegen eines Ausfalls der Messgeräte
nicht möglich war. Entsprechend § 9 a Absatz 2 der Heizkostenverordnung war sie
daher berechtigt, eine Verteilung gemäß § 7 Absatz 1 S. 2 HeizKVO nach Grundfläche
oder umbautem Raum, abweichend von den Vorjahren, vorzunehmen. Die hier von ihr
im Rahmen des § 316 BGB ausgeübte Abrechnung nach qm ist daher nicht zu
beanstanden, zumal diese den von der Rechtsprechung geforderten Sicherheitsabzug
von 15% (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2003 - 24 U 74/02; LG Köln NZM 2001,
617) vorgenommen hat.
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Da das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet ist und die Beklagte keine der
vertraglichen Vereinbarung und praktizierten Übung entsprechende Abrechnung
vorgelegt hat, war der Kläger berechtigt, eine an seiner Schätzung orientierte
Überzahlung der Nebenkosten zurückzuverlangen (vergl. OLG Braunschweig, aaO).
Dies betrifft insgesamt die streitigen Nebenkostenarten Hauswart, Müllabfuhr und
Hausreinigung. Zwar ergibt sich nur bei den Hauswartkosten eine in absoluten Zahlen
erkennbare Veränderung zum Nachteil des Klägers, allerdings kann bei den Kosten für
Müllabfuhr und Hausreinigung nicht überprüft werden, zu welchen Kostenbelastungen
der in den Vorjahren angewendete Schlüssel für den Kläger geführt hätte, so dass
insgesamt auf die plausible Schätzung des Klägers mit Schriftsatz vom 26.06.2003
zurückzugreifen ist. Diese Schätzung entspricht im Übrigen den Kosten, die der Kläger
für seine zwischenzeitlich neu angemieteten und vergleichbaren Büroräume nach
Abrechnung seines Vormieters erwarten darf. Unter Zugrundelegung der Beträge
gemäß Schriftsatz vom 26.06.2003 sind für Hauswart statt 770,52 EUR nur 340,50 EUR,
für Müllabfuhr statt 818,78 EUR nur 143,37 EUR und für Hausreinigung statt 236,93
EUR nur 180,00 EUR in die Abrechnung einzustellen. Es ergibt sich danach eine
Summe von 3.156,97 EUR für 2001, der Nebenkostenvorauszahlungen von 4.441,20
EUR gegenüberstehen. Den Differenzbetrag von 1.284,23 EUR kann der Kläger mithin
zur Aufrechnung stellen.
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Da wie ausgeführt, dem Beklagten Ansprüche aus der Betriebskostenabrechnung 2001
gegen den Kläger nicht zustehen, war die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 ZPO.
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Gegen diese Entscheidung wird die Revision nicht zugelassen, da die
Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere war die mit
Beklagtenschriftsatz vom 29.04.2004 betonte Frage der Zulässigkeit und der
Voraussetzungen einer Nebenkostenabrechnung nach Wirtschaftseinheiten nicht
entscheidungserheblich.
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Berufungsstreitwert:
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