Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.04.2007

LArbG Mainz: stadt, vertreter, kausalzusammenhang, unmittelbare stellvertretung, befristung, urlaub, arbeitsgericht, form, unbefristet, kontrolle

LAG
Mainz
26.04.2007
2 Sa 793/06
Befristung
Aktenzeichen:
2 Sa 793/06
1 Ca 833/06
ArbG Trier
Entscheidung vom 26.04.2007
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.09.2006 - 1 Ca 833/06 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Fristablauf infolge wirksam
vereinbarter Befristung mit dem 31.05.2006 endete.
Die Klägerin, geboren am 15.11.1967, ist seit 10.07.2001 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge
bei der Beklagten als Zustellerin beschäftigt. Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der
Woche verdiente sie zuletzt 1.997,00 € brutto.
Der letzte befristete Arbeitsvertrag datiert vom 20.10.2005. Danach sollte eine Änderung der
Arbeitsbedingungen am 01.11.2005 gelten. Der Arbeitsvertrag war ausweislich der im Formular
angekreuzten Bestimmung zweckbefristet. Als Grund wurde angegeben: "Beschäftigung nach § 14 Abs. 1
TzBfG Elternzeit V., jedoch längstens bis 31.05.2006."
Nachdem sich die Beklagte auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen hat, hat die Klägerin
mit am 06.06.2006 bei Gericht eingegangener Klageschrift die Feststellung beantragt, dass das
Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht und Weiterbeschäftigung verlangt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit
und der Tätigkeit von Frau V. bestehe nicht. Hierzu hat sie sich auf die Einteilung in Zustellstützpunkte und
Zustellstützpunkte mit Leitungsfunktion bezogen. Soweit die Beklagte den Sachgrund der Vertretung mit
dem Ausfall des Mitarbeiters U. begründe, hat sie ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang bestritten.
Herr U. sei Vertreter im ZSP A-Stadt mit häufiger Abordnung zum ZSP B-Stadt gewesen und erst nach
seiner Rückkehr aus dem unbezahlten Urlaub sei er im ZSP C-Stadt eingesetzt worden. Dahingegen
habe sie ausschließlich die Zusteller des Teams 04 vertreten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Befristung zum
01.11.2005 nicht beendet ist und über den 31.05.2006 unbefristet fortbesteht.
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu
unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zustellerin weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, bei der Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag habe es sich um ein
Versehen gehandelt. Tatsächlich sei die Vertretung für den beim ZSP C-Stadt im Urlaub ohne Entgelt
befindlichen Zusteller U. erfolgt. Dieser habe sich bis zum 31.10.2006 im genehmigten Urlaub ohne
Entgelt befunden, da er eine Ausbildung zum Ergotherapeuten durchlaufen habe. Diese Ausbildung habe
er abgebrochen und die Arbeit am 06.06.2006 wieder aufgenommen.
Weiter hat die Beklagte vorgetragen, selbst wenn man versehentliche Falschbezeichnung als schädlich
ansehen würde, komme vorliegend auch eine Vertretung für die im Arbeitsvertrag bezeichnete
Arbeitnehmerin V. in Betracht. Diese habe sich bis 10.11.2005 in Elternzeit befunden und seit dem
11.11.2005 bis zunächst 10.11.2006 im Urlaub ohne Bezüge. Vor dem Beginn der Elternzeit sei der
Arbeitnehmerin V. als Stammzustellerin beim ZSP D-Stadt eingesetzt gewesen. Unter Hinweis auf
manteltarifliche Bestimmungen hat die Beklagte vorgetragen, dass der Personalaustausch zwischen dem
ZSP durch den ZSPL gesteuert werde. Bei diesem sei ein Springerpool organisatorisch angesiedelt, aus
welchem im Falle von Personalengpässen Ausfälle kompensiert würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 13.09.2006 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, da Herr U. im
Arbeitsvertrag als Vertretungsgrund nicht bezeichnet sei, läge eine Festlegung nicht vor, die die
Grundlage für die gerichtliche Kontrolle der Befristungsabrede sein könne. Der Sachgrund der Vertretung
sei auch nicht in Bezug auf die Mitarbeiterin V. gegeben. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt des Abschluss
des befristeten Arbeitsvertrages. Da nach dem Vortrag der Beklagten der Personalaustausch zwischen
den ZSP durch den ZSPL gesteuert und in der Form von Umsetzung realisiert werde, habe die zum ZSP
D-Stadt gehörende Zustellerin V. nur durch den ZSPL E-Stadt umgesetzt werden können. Zu diesem
ZSPL gehöre jedoch nicht der ZSPL C-Stadt, wo die Klägerin als Vertretungskraft eingesetzt war.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Das Urteil wurde der Beklagten am 22.09.2006 zugestellt. Hiergegen hat sie am 09.10.2006 Berufung
eingelegt und ihre Berufung, nachdem die Frist bis zum 22.12.2006 verlängert worden war, mit am
20.12.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte rügt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine direktionsmäßige gedeckte
Austauschbarkeit der einzelnen Mitarbeiter nicht vorläge. Umsetzungen zwischen verschiedenen ZSPL
fänden ohne weiteres statt. Somit würde der Einsatz der Arbeitnehmerin V. beim ZSP C-Stadt keinesfalls
daran scheitern, dass die Steuerung des Personaleinsatzes für die zum ZSP C-Stadt gehörende
Arbeitnehmerin V. durch den ZSPL E-Stadt erfolge, zum der ZSP C-Stadt nicht gehöre.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 13.09.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Trier - 1 Ca 833/06 - die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet nach wie vor eine sachliche Rechtfertigung für die mit
ihr vereinbarten Befristung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 26.4.2007.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der
Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Befristung unwirksam war, da der
Sachgrund der Vertretung nicht gegeben ist.
Ob das Urteil hinsichtlich seiner Begründung vollständig zutreffend ist, wie von der Beklagten in Abrede
gestellt wird, weil unter Umständen die organisatorischen Vorgaben eine Versetzung auch über ZSPL
hinweg ermöglichen würde, kann an dieser Stelle dahin gestellt bleiben. Der mit der Klägerin vereinbarte
Vertrag hält eine Befristungskontrolle nicht statt. Die vereinbarte Befristung ist durch den Sachgrund der
Vertretung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 c TzBfG hierzu nicht gerechtfertigt.
Die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweiligen ausfallenden Mitarbeiters ist nach
der ständigen Rechtsprechung des Senats als Befristungsgrund anerkannt und mit Inkrafttreten des
Teilzeit- und Befristungsgesetzes in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gesetzlich geregelt.
Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristete zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter
die Aufgabe der vorübergehend ausgefallenen Stammkraft erledigt. Der Vertreter kann auch mit anderen
Aufgaben betraut werden. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und
Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgeber unberührt.
Der Arbeitgeber kann bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers darüber
bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will, ob er im Wege der Umverteilung die von
dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgabe einem anderen Mitarbeiter
zuweist oder ob er dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen lässt. Der
Arbeitgeber kann einen zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und die dadurch bedingte Einstellung einer
Ersatzkraft auch zum Anlass für eine Umorganisation nehmen, die dazu führt, dass ein völlig neuer
Arbeitsplan erstellt wird, in dem die Aufgaben des zeitweilig ausgefallenen Mitarbeiters einem dritten
Mitarbeiter übertragen werden, dieser für die Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht und für diese
andere Aufgaben nunmehr eine Ersatzkraft eingestellt wird. Die vom Arbeitgeber anlässlich der
vertretungsbedingten befristeten Einstellung vorgenommene Umorganisation kann schließlich dazu
führen, dass infolge des nunmehr geschaffenen Arbeitsplanes ein nach seinen Inhalten neuer Arbeitsplatz
entsteht, der nach der bisherigen Arbeitsorganisation noch nicht vorhanden war.
Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des
Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des befristet beschäftigten
Arbeitnehmers muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende
Abwesenheit des zu vertretenen Mitarbeiters entsteht. Das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs soll
gewährleisten, dass der Vertretungsfall für die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers
ursächlich und der vom Arbeitgeber geltend gemachte Sachgrund der Vertretung nicht nur vorgeschoben
war. Fehlt der Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung
gerechtfertigt. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber
richten sich dabei nach der Form der Vertretung.
Im Falle der unmittelbaren Vertretung hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem
Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer
übertragen waren. Wenn die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Arbeitnehmers nicht von dem
Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare
Vertretung), hat der Arbeitnehmer zum Nachweis des Kausalzusammenhang grundsätzlich die
Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen.
Nimmt der Arbeitgeber schließlich den Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass die Aufgaben in seinem
Bereich oder seiner Dienststelle neu zu verteilen, muss er zunächst die bisher dem vertretenen
Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben darstellen, anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf
einen oder an mehrere andere Arbeitnehmer zu schildern. Schließlich ist darzulegen, dass sich die dem
Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenstellung ergeben.
Da der Arbeitgeber aufgrund seines Organisationsrechts in der Entscheidung über die Umverteilung frei
ist, kann er von der Neuverteilung der Arbeitsaufgaben absehen und den befristet beschäftigten
Arbeitnehmer zudem Tätigkeiten übertragen, die der vertretene Arbeitnehmer zu keiner Zeit ausgeübt hat.
Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn
der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die von dem Vertretenen nach dessen Rückkehr ausgeübt werden
können. Hierzu muss der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag berechtigt sein.
Werden dem Vertreter die Aufgabe des zu vertretenden Arbeitnehmers auf diese Weise weder unmittelbar
noch mittelbar übertragen, liegt der erforderliche Kausalzusammenhang nur vor, wenn der Arbeitgeber bei
Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden
Beschäftigten gedanklich zuordnet. Nur dann beruht die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit
des zu vertretenen Arbeitnehmers. Die gedankliche Zuordnung, welche dem vorübergehend abwesenden
Arbeitnehmer die vom Vertreter ausgeübten Tätigkeiten übertragen werden könnten, muss erkennbar
sein. Die Verdeutlichung der Überlegungen des Arbeitgebers kann beispielsweise durch die
entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei
der Einstellung erfolgen. Diese Festlegung bildet die Grundlage für die gerichtliche Kontrolle der
Befristungsabrede. Ohne eine erkennbare Festlegung kann nämlich nicht beurteilt werden, ob der
Sachgrund der Vertretung tatsächlich vorliegt oder nur vorgeschoben ist (vgl. hierzu BAG, Urteil vom
15.02.2006,7 AZR 232/05 in NZA 2006, 781).
Unter Anwendung vorbezeichneter Grundsätze erweist sich der von der Beklagten behauptete
Kausalzusammenhang für das Gericht nicht als feststellbar.
Die Beklagte hat bereits in der Güteverhandlung vorgetragen, dass die Angabe des Befristungsgrundes,
nämlich die Vertretung der Arbeitnehmerin V. im Arbeitsvertrag versehentlich erfolgte, in Wirklichkeit eine
Vertretung für den Zusteller U. erfolgen sollte.
Damit kann aufgrund der Angaben im Arbeitsvertrag, die laut der vorbezeichneten Rechtsprechung
erkennbar sein müssen, um überhaupt eine Befristungskontrolle nachvollziehbar überprüfen zu können,
eine gedankliche Zuordnung weder zu dem Mitarbeiter U. noch zur der Mitarbeiterin V. erfolgen, weil die
Beklagte zwar gedanklich eine Vertretungssituation dem Mitarbeiter U. zuordnen wollte, hier unterstellt die
Kammer, dass ein Vertretungsgrund nicht vorgeschoben sein sollte, andererseits eine gedankliche
Zuordnung zur Arbeitnehmerin V. nicht erfolgte, somit auch keine Organisationsentscheidungen
nachvollziehbar dargestellt werden können, die hier einen Kausalzusammenhang zwischen dem Ausfall
der Mitarbeiterin V. und der befristeten Einstellung der Klägerin erkennen lassen.
Fehlt es damit an einer möglichen gedanklichen Zuordenbarkeit zu einem Arbeitnehmer, der tatsächlich
und vorübergehend ausgefallen ist, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie den
ursprünglich eingesetzten Befristungsgrund durch einen anderen Befristungsgrund zur Begründung einer
Befristungskontrolle austauschen kann. Dies würde Unsicherheiten und Manipulationsmöglichkeiten Tür
und Tor öffnen, weil immer in den Fällen, in denen eine mittelbare oder unmittelbare Stellvertretung nicht
vorliegt, vielmehr die ausgefallenen Tätigkeiten durch Organisation umverteilt werden, es in einer
größeren Organisation Arbeitnehmer gibt, die vorübergehend ausfallen und auf die man sich zur
Begründung von Befristungsabreden beziehen könnte.
Erweist sich somit die Feststellung nicht als möglich, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem
Ausfall der im Arbeitsvertrag angegebenen Mitarbeiterin, hier liegt eine gedankliche Zuordnung nicht vor,
oder des Mitarbeiters U., hier ist eine etwaige gedankliche Zuordnung nicht erkennbar gemacht worden,
möglich ist, ist das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis, dass der befristete Arbeitsvertrag nicht durch
den Sachgrund der Vertretung gedeckt war, zutreffend.
Die gegen die entsprechende Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten musste mit der
Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.