Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2004
LArbG Mainz: arbeitsgericht, befristung, transport, inbetriebnahme, projekt, sicherheit, arbeitskraft, zukunft, aufgabenbereich, firma
LAG
Mainz
30.04.2004
4 Sa 116/04
Befristung
Aktenzeichen:
4 Sa 116/04
3 Ca 1348/03
ArbG Trier
Verkündet am: 29.04.2004
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.12.2003 - 3 Ca 1348/03 - wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tabestand:
Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses trotz vereinbarter Befristung. Der
Kläger arbeitete zuletzt in der Abteilung Tabakschneiderei mit monatlich 2.493,00 € brutto. In der Zeit vom
01.05.2001 bis einschließlich 30.04.2003 wurde der Kläger aufgrund eines befristeten
Arbeitsverhältnisses, welches dreimal verlängert wurde, beschäftigt.
Für die Folgezeit vereinbarten die Parteien am 12.03.2003 einen Aushilfsarbeitsvertrag, zunächst befristet
vom 01.05. bis 30.06.2003. Nach § 1 des Vertrages erfolgte die Einstellung zur Aushilfe für das Projekt C
G.
Am 26.05./11.06.2003 wurde der Aushilfsarbeitsvertrag verlängert. Das Aushilfsarbeitsverhältnis sollte
nach diesem Vertrag mit dem 31.07.2003 enden, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Im Übrigen
bleibe es bei den Regelungen des Aushilfsarbeitsvertrages vom 12.03.2003.
Mit der am 23.07.2003 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Klage macht der Kläger das
Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend und bestreitet, dass es einen sachlichen Grund für den
Aushilfsarbeitsvertrag und den Verlängerungsvertrag gegeben habe. Er hat vorgetragen, wenn es einen
sachlichen Grund gegeben habe sei dieser vorgeschoben. Von der Beklagten sei erklärt worden, er solle
sich bei einer Arbeitnehmerüberlassungsfirma melden und dort bewerben und werde dann über diese
Firma entliehen und könne dann die gleiche Arbeit in der Tabakschneiderei machen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund
Aushilfsarbeitsvertrages vom 12.03.2003 unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ab dem 4. Quartal 2001 mit dem Aufbau einer neuen Diet-anlage und dem Abbau der
alten Expansionsanlage begonnen zu haben. Die Maßnahmen sollten im April 2003 abgeschlossen
seien. Unmittelbar in dieser Anlage sei die Tabakaufbereitung eingebaut worden. Durch die Verlagerung
der Tabakaufbereitung in die Dietanlage sei dieser Aufgabenbereich und der damit verbundene Transport
für eine Tabakaufbereitung entfallen mit der Folge, dass 5 Arbeitsplätze in Wegfall geraten seien. Im
Hinblick auf den feststehenden Wegfall von 5 Arbeitsplätzen, die mit fest angestelltem Personal besetzt
waren, habe sie beschlossen, die frei gewordenen Mitarbeiter nach Fertigstellung des Projektes in der
Tabakschneiderei einzusetzen, in der einschließlich des Klägers 5 Arbeitnehmern mit befristeten
Arbeitsverhältnissen tätig gewesen seien. Die befristeten Arbeitsverhältnisse sollten demgemäß
auslaufen. Anfang März 2003 habe sich herausgestellt, dass das Projekt nicht bereits zum 30.04. sondern
voraussichtlich erst im Juni 2003 abgeschlossen sein würde. Daraufhin habe sie beschlossen das
Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2003 zu befristen. Ende Mai habe sodann festgestanden, dass das Projekt
C G endgültig am 31.07.2003 abgeschlossen sein werde und mit dem 01.08.2003 die 5 Mitarbeiter aus
der Tabakaufarbeitung in die Tabakschneiderei wechseln würden. Dem Kläger habe ein Vorgesetzter
mitgeteilt, dass er ggf. wieder bei ihr beschäftigt werden könne, wenn sie in Zukunft wieder Aushilfskräfte
benötige und er sich über die Firma M bewerbe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.12.2003 verwiesen. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch
Vernehmung der Zeugin B M. Auf das Sitzungsprotokoll vom 09.12.2003 wird Bezug genommen.
Im vorbezeichneten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt,
entscheidend sei, ob für den Aushilfsarbeitsvertrag und den Verlängerungsvertrag, der als einheitlicher
Vertrag anzusehen sei ein sachlicher Grund bestehe. Dieser sachliche Grund sei festzustellen, weil der
betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses der beiden letzten
Verträge nur vorübergehend bestanden habe. Die Beklagte habe den Wegfall von 5 Arbeitsplätzen im
Bereich der Tabakaufbereitung aufgrund des Baus der neuen Anlage behauptet und eine entsprechende
Prognose zum Zeitpunkt Ende Juni 2003 getroffen. Unerheblich sei, dass diese Prognose nicht völlig
stimme. Aufgrund greifbarer Tatsachen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durfte die Beklagte mit
hinreichender Sicherheit annehmen, dass der Arbeitskräftebedarf in Zukunft wegfallen würde. Gewissheit
könne nicht verlangt werden. Unerheblich sei es auch, dass es nicht der Arbeitsplatz des Klägers in der
Tabakaufschneiderei war, der weggefallen sei, darauf komme es nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG nicht an.
Dass bei der Beklagten in der Tabakaufbereitung die Arbeitsplätze zum 31.07.2003 weggefallen seien,
habe die Vernehmung der Zeugen M. ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Gegen das dem Kläger am 15.01.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 16.02.2004
eingegangene Berufung. Der Kläger hat seine Berufung mit am 18.02.2004 eingegangenem Schriftsatz
begründet. Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der
Arbeitgeber gehalten sei, eine Bedarfsprognose zu erstellen, anhand derer überprüft werden müsse, ob
der Arbeitsplatz ggf. wie viele Arbeitsplätze entbehrlich würden. Auf einen vorübergehenden
Arbeitskräftebedarf lasse sich die Befristung des Arbeitsvertrages nur stützen, wenn im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit zu erwarten sei, dass die
Arbeitskraft des Arbeitnehmers in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werde. Die Ungewissheit, die jeder
Prognose anhafte, ändere nichts daran, dass der Prognose des Arbeitgebers ausreichend konkrete
Anhaltspunkte zu Grunde liegen müssen. Der Arbeitgeber habe die Grundlage seines
Wahrscheinlichkeitsurteils stets auszuweisen. Um beantworten zu können, ob die Arbeitskraft des Klägers
nur vorübergehend benötigt werde, hätte die Beklagte nach den bei Abschluss der
Befristungsvereinbarung vorliegenden Erkenntnisquellen zu prüfen, wie viele und welche Arbeitskräfte
nach Inbetriebnahme der Anlage voraussichtlich ausreichen würden. Diesen Personalbedarf hätte die
Beklagte dem Personalbestand gegenüber zu stellen mit dem nach Abzug der mit einiger Sicherheit zu
erwartenden Personalabgänge zu rechnen war. Die Beklagte durfte sich nicht darauf beschränken dem
Gericht lediglich das Ergebnis ihrer Überprüfung mitzuteilen, sondern hätte im Einzelnen darlegen
müssen, worauf ihre Beurteilung beruhe. Den Feststellungen des Arbeitsgerichts lasse sich eine derartige
tragfähige Prognose nicht entnehmen. Die Beklagte habe lediglich das Ergebnis ihrer Überlegungen
mitgeteilt, nicht aber eine nachvollziehbare und nachprüfbare Prognose, anhand derer das Gericht
verpflichtet gewesen wäre zu prüfen, in welchem Umfang tatsächlich ein Arbeitskräfteüberhang bei
Inbetriebnahme der Anlage bestehe.
Der Kläger beantragt,
auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.12.2003 - 3 Ca 1348/03 -
abgeändert und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die
Befristung in den Arbeitsverträgen vom 12.03.03 und 26.05.03 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers und Berufungsklägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie habe dargelegt und bewiesen, dass mit der Verlagerung der
Tabakaufbereitung für die Dietanlage in der Anlage selbst der Aufgabenbereich und der damit
verbundene Transport für die Tabakaufbereitung entfalle. Sie habe vorgebracht, dass in der
Tabakaufbereitung 43 Mitarbeiter beschäftigt waren, von diesen 5 Arbeitnehmern der Transport zwischen
Aufbereitung und Anlage oblag und für deren Beschäftigung mit Inbetriebnahme der Anlage aufgrund des
Wegfalls der Transportwege kein Bedarf mehr bestand. Diesen Vortrag habe die Beklagte nicht nur
gehalten, sondern auch durch Vernehmung der Zeugin M. voll umfänglich bewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 29.04.2004.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht nach durchgeführter
Beweisaufnahme festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund wirksam vereinbarter Befristung der
Parteien mit dem 31.07.2003 geendet hat und die entgegen stehende Klage des Klägers abgewiesen.
Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine
Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die
Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG voll umfänglich Bezug auf den begründenden
Teil des angefochtenen Urteils und stellt dies ausdrücklich fest.
Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Der Ausgangspunkt der klägerischen Berufung ist zutreffend. Die darin enthaltenen rechtlichen
Ausführungen decken sich mit der Rechtsauffassung der Kammer und der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts. Danach hat der vom Arbeitgeber vorzutragenden Prognose über den künftigen
Arbeitskräftebedarf zu Grunde zu liegen eine aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermittelnde
Wahrscheinlichkeitsberechnung. Zu folgen ist auch dem Kläger, dass nicht lediglich das Ergebnis der
Prognose mitgeteilt werden muss, sondern die Erkenntnisquellen die zu der Prognose geführt haben.
Hierzu ist entgegen der Auffassung des Klägers aber seitens der Beklagten ausreichend vorgetragen. Die
Beklagte hat erklärt, dass von den 43 Mitarbeitern in der Tabakaufbereitung 5 Arbeitnehmer mit dem
Transport zwischen Tabakaufbereitung und der Anlage betraut waren. Die Beklagte hat weiter
vorgetragen, dass durch den Aufbau der neuen Anlage durch das Projekt C G nach Inbetriebnahme
künftig die Transporttätigkeiten entfallen. Damit hat die Beklagte schlüssig vorgetragen, dass für eine Zahl
von 5 Arbeitnehmern ein Beschäftigungsüberhang besteht. Die Beklagte hat diesen bestrittenen
Sachvortrag auch unter Beweis gestellt. Das Arbeitsgericht hat die Zeugin B M. vernommen und diese
Zeugin hat in ihrer Aussage, ohne dass der Kläger auch die Richtigkeit der Aussage in Zweifel gezogen
hat, erklärt, durch die Aufbereitung des Tabaks in der neuen Dietanlage seien die Arbeitsplätze
weggefallen, die für den Transport aus der Aufbereitung in die Dietanlage vorhanden waren. Es waren 5
Arbeitsplätze. Damit hat die Beklagte die für die Prognose maßgebliche Erkenntnisquellen nicht nur
mitgeteilt, sondern auch entsprechende tatsächliche Behauptungen bewiesen. Sie hat des Weiteren nicht
nur lediglich das Ergebnis ihrer Berechnung mitgeteilt, sondern auch ausgewiesen, wie sie zu dem
Ergebnis gekommen ist. Damit erweist sich die klägerische Berufung als unbegründet. Sie war mit der
Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2
ArbGG nicht.