Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.01.2006

LArbG Mainz: reisekosten, arbeitsgericht, stadt, thüringen, vergütung, quelle, beschwerderecht, ausschluss, kündigung, datum

LAG
Mainz
20.01.2006
2 Ta 16/06
Prozesskostenhilfe - Reisekosten des beigeordneten Rechtsanwalts
Aktenzeichen:
2 Ta 16/06
6 Ca 1234/05
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Entscheidung vom 20.01.2006
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 20.12.2005 wird auf Kosten des Beschwerdeführers
bei einem Beschwerdewert von 100,-- Euro zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, der seinen Wohnsitz in A-Stadt hat, hat sich im vorliegenden Verfahren gegen eine
betriebsbedingte Kündigung gewendet, die die beklagte Leiharbeitgeberin ihm gegenüber
ausgesprochen hat. Der Kläger war von ihr als Reiniger in einem Automobilwerk in Wörth auf Dauer
eingesetzt gewesen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die ihren Kanzleisitz in Germersheim
haben, haben für das Kündigungsschutzverfahren Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von
Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort.
Gegen diesen Beschluss haben seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.12.2005
sofortige
Beschwerde
Beiordnung ohne Einschränkung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und hat es dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 78 ArbGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft. Sie wurde
insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und darüber hinaus auch noch begründet.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind vorliegend beschwerdebefugt. Lehnt das Arbeitsgericht in
der Beiordnungsentscheidung, also in der eigentlichen Prozesskostenhilfegrundentscheidung, dem
beigeordneten Rechtsanwalt die Erstattung von Reisekosten durch die Staatskasse ab, dann steht dem
beigeordneten Rechtsanwalt insoweit ein eigenes Beschwerderecht zu (BAG, Beschluss v. 18.07.2005 - 3
AZB 65/03). Dies ergibt sich daraus, dass der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 45 RVG einen
eigenen Anspruch gegenüber der Staatskasse erwirbt. Greift eine gerichtliche Entscheidung in dieses
Rechtsverhältnis ein, kann der Rechtsanwalt nach § 56 Abs. 1 RVG selbst dagegen vorgehen.
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist es zulässig, einen Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe
nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen. Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann
ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch
weitere Kosten nicht entstehen. Da es im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Rechtsanwalts-"Zulassung"
gibt, sind die nach § 11 a Abs. 3 ArbGG "entsprechend" anwendbaren Vorschriften der ZPO im
arbeitsgerichtlichen Verfahren dahingehend auszulegen, dass in § 121 Abs. 3 ZPO nicht auf die
Zulassung eines Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht, sondern auf dessen Ansässigkeit am Ort
des Gerichts abzustellen ist (BAG v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03). Die Beiordnung eines auswärtigen
Rechtsanwalts kann deshalb lediglich erfolgen, wenn dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Dieser Grundsatz ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung und daher von Amts wegen in
dem Beiordnungsbeschluss aufzunehmen. Das folgt aus der Verknüpfung des Erstattungsanspruchs mit
dem Beiordnungsbeschluss nach dem Gebührenrecht, weil sich die Vergütung des beigeordneten
Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt
beigeordnet worden ist, bestimmt (§ 48 Abs. 3 RVG).
Ein nicht beim Prozessgericht ortsansässiger Rechtsanwalt kann der Partei auf Antrag beigeordnet
werden, wenn dadurch keine höheren Kosten für die Staatskasse entstehen. Dies ist etwa der Fall, wenn
der Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht erklärt, zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht
zugelassenen Rechtsanwalts tätig zu werden. Stellt der beizuordnende Anwalt - wie vorliegend - den
Antrag auf eigene Beiordnung im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens, so bedarf es keiner
Nachfrage durch das Gericht oder der Herbeiführung eines ausdrücklichen Einverständnisses zu einer
solchermaßen eingeschränkten Beiordnung (OLG A-Stadt NJW 2005, 2718). Der Rechtsanwalt gibt
bereits mit seinem vorbehaltlos gestellten Beiordnungsantrag zu erkennen, dass er mit einer Beiordnung
nur zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen einverstanden ist. Will er das nicht, dann muss er
ausdrücklich darauf hinweisen, dass er im Falle der Einschränkung nicht bereit ist, für die vertretene Partei
weiter tätig zu werden. Dann ist der Beiordnungsantrag abzulehnen. Eine derartige Einschränkung hat der
Beschwerdeführer in seiner Antragstellung nicht vorgenommen.
Im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht
niedergelassenen bzw. kanzleiansässigen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die
Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies
nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt "zu den Bedingungen eines ortsansässigen
Rechtsanwalts" beigeordnet werden (BGH NJW 2004, 2749; BAG v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03; Beschluss
des erkennenden Gerichts v. 11.11.2005 - 2 Ta 259/05). Erfolgt - wie vorliegend - keine Beiordnung eines
Verkehrsanwalts, dann sind die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten jedoch insoweit aus der
Staatskasse erstattbar, als die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart wurden. Bei der Auslegung des
unbestimmten Rechtsbegriffs "besondere Umstände" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO ist zu berücksichtigen, dass
aus verfassungsrechtlichen Gründen eine weitgehende Angleichung der Situation der mittellosen mit der
nicht bedürftigen Partei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten ist. Die Hinzuziehung eines
am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts ist in der Regel
zweckdienlich und jedenfalls dann erforderlich, wenn die Kosten des Verkehrsanwalts die Reisekosten
des nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht wesentlich übersteigen (BGH NJW
2004, 2749; LAG Thüringen v. 31.01.2005 - 1 Ta 137/03).
Bei Anwendung dieser Grundsätze waren vorliegend die Beschwerdeführer dem Kläger nicht unter
Erstattung von Reisekosten beizuordnen. Der Kläger wohnt in Karlsruhe, die Beschwerdeführer haben
ihre Kanzlei im ca. 25 Kilometer davon entfernten Germersheim. Die Verhandlung findet vor den
Auswärtigen Kammern in Landau statt. Die Entfernung zwischen Karlsruhe und Landau bzw.
Germersheim und Landau ist in etwa genauso groß wie die Entfernung zwischen Karlsruhe und
Germersheim, so dass die drei Orte grob gesehen ein gleichschenkliches Dreieck bilden. Bei dieser
Sachlage war es dem Beschwerdeführer zumutbar, einen in Landau ansässigen Rechtsanwalt mit seiner
Prozessführung zu beauftragen. Tat er dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht, dann ist die
Staatskasse jedenfalls nicht verpflichtet, dem Kläger die Reisekosten für seinen beigeordneten in
Germersheim kanzleiansässigen Rechtsanwalt zu erstatten. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung
eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO liegen vorliegend erkennbar nicht vor. Hierfür hätte es
billigenswerte besondere Umstände bedurft.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde hat es vorliegend nicht bedurft, nachdem das BAG mit Beschluss
vom 18.07.2005 - 3 AZB 65/03 die vorliegende Problematik grundsätzlich entschieden hat.