Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 01.10.2004
LArbG Mainz: ordentliche kündigung, arbeitsgericht, ermessen, beschwerdekammer, alter, verbilligung, quelle, monatsverdienst, form, leiter
LAG
Mainz
01.10.2004
9 Ta 207/04
Gegenstandswert bei Kündigung
Aktenzeichen:
9 Ta 207/04
7 Ca 1689/04
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Verkündet am: 01.10.2004
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 23.08.2004, Aktenzeichen 7 Ca 1689/04 -
wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 386,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger war bei der Beklagten, die regelmäßig ca. dreißig Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem
10.11.2003 als Leiter der Reparaturabteilung gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe
von 3.300,00 € brutto beschäftigt.
Mit Schreiben vom 31.07.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2004.
In seiner beim Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - eingereichten Klage hat der
Kläger beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die
ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2004, dem Kläger bereits am 29.07.2004 zugegangen,
nicht aufgelöst worden ist.
Der Rechtsstreit ist dann durch den gerichtlichen Vergleich,.der während der Güteverhandlung des
Arbeitsgerichtes vom 23.08.2004 geschlossen worden ist, beendet worden. Nachdem die
Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes während der
Güteverhandlung gestellt hatte, hat das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - den
Wert des Streitgegenstandes auf 6.600,00 € festgesetzt.
Mit Schreiben vom 03.09.2004, das am 03.09.2004 bei Gericht eingegangen ist, hat die
Prozessbevollmächtigte des Klägers sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom
23.08.2004 eingelegt.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers macht geltend,
der Gebührenstreitwert sei gem. § 12, VII S. 1 ArbGG in Höhe von 9.900,00 € festzusetzen, da nach
herrschender Auffassung der Regelwert eines Vierteljahresgehaltes nach § 12, VII S. 1 ArbGG erst
unterschritten werden dürfe, wenn um eine Restvertragszeit von weniger als drei Monaten gestritten
werde. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom
19.04.2004 (Aktenzeichen: 4 Ta 105/04). Vorliegend habe es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
gehandelt, so dass der Vierteljahresverdienst erst Recht in Ansatz zu bringen sei.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt uns insbesondere
auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde form- und fristgerecht
eingelegt und ist nach §§ 10, III BRAGO, 78 S. 1 ArbGG, 567 ff ZPO zulässig.
Der Rechtsbehelf ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der
Prozessbevollmächtigten des Klägers gem. §§ 10, I BRAGO, 12, VII S. 1 ArbGG im vorliegenden Verfahren
vom Arbeitsgericht zu Recht auf 6.600,00 € festgesetzt worden ist.
Nach § 12, VII S. 1 ArbGG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das
Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer
eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgeltes maßgebend. Der in dieser gesetzlichen Vorschrift
genannte Vierteljahresverdienst ist nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes, welche die
Beschwerdekammer teilt, nicht der Regelstreitwert, der nur dann niedriger anzusetzen ist, wenn es um
den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für weniger als drei Monate geht. Der Vierteljahresverdienst ist
vielmehr nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Streitwert. § 12,
VII S. 1 ArbGG hat aus sozialen Erwägungen zum Ziel, eine Verbilligung des Kündigungsrechtsstreites zu
erreichen, um den für die Existenz des Arbeitnehmers bedeutsamen Kündigungsschutzprozess nicht mit
einem zu hohen Kostenrisiko zu belasten. Bei der Bestimmung des Streitwertes innerhalb des gesetzlich
vorgegebenen Höchstrahmens hat das Gericht sein Ermessen insbesondere an den wirtschaftlichen
Interessen der klagenden Partei an dem Streitgegenstand zu orientieren. Das wirtschaftliche Interesse bei
einer Kündigungsschutzklage hängt vom konkreten wirtschaftlichen Wert des Arbeitsverhältnisses für die
klagende Partei ab. Dieser Wert wird in erster Linie davon bestimmt, wie stark sich das Arbeitsverhältnis
gefestigt hat. Dafür ist bei einem Bestandsstreit um das Arbeitsverhältnis vor allem dessen Bestandsdauer
maßgeblich. Bei einem typisierenden, regelgebundenen Maßstab sind dann, wenn nicht besondere
Umstände (wie z.B. Familienstand, Alter und wirtschaftliche sowie soziale Stellung des Arbeitnehmers)
eine Erhöhung oder Herabsetzung rechtfertigen, bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zu sechs
Monaten ein Monatsverdienst, von sechs bis zwölf Monaten zwei Monatsverdienste und von mehr als
einem Jahr drei Monatsverdienste als Streitwerte anzusetzen (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1984 - 2 AZN
572/82 - (B) = AP Nr. 9 zu § 12 ArbGG 1979; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
14.01.1991 - 9 Ta 3/91 - = LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 88).
Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, es handele sich bei dem Vierteljahresentgelt im
Sinne von § 12, VII S. 1 ArbGG nicht um einen Höchst-, sondern um einen Regelwert, folgt dem die
Beschwerdekammer nicht und hält an der bisherigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes
Rheinland-Pfalz (vgl. Beschluss vom 19.07.1985 - 1 Ta 160/85 - = LAGE § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr.
40; Beschluss vom 24.03.1986 - 1 Ta 55/86 - = LAGE § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 54; Beschluss vom
23.04.1987 - 1 Ta 75/87 - = LAGE § 12 ArbGG 1979, Streitwert Nr. 65) fest. Wenn das
Landesarbeitsgericht Köln in seinem Beschluss vom 06.02.2004 (Aktenzeichen 4 Ta 105/02) einer
gegenteiligen Rechtsauffassung folgt, steht dem die zutreffend und ausführlich begründete Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.1984 entgegen. Dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln
sind auch keine neuen Argumente zu entnehmen, die eine Auseinandersetzung erforderlich machen
würden.
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Rechtsgrundsätze hat das Arbeitsgericht Koblenz -
Auswärtige Kammern Neuwied - den Gegenstandswert für den vorliegenden Rechtsstreit zu Recht auf
6.600,00 € festgesetzt. Dieser Wert entspricht zwei Bruttomonatsvergütungen des Arbeitnehmers und war
angesichts der lediglich achtmonatigen Beschäftigungsdauer in Ansatz zu bringen. Weitere Umstände, die
eine Erhöhung oder Herabsetzung dieses Wertes rechtfertigen würden, sind im vorliegenden Rechtsstreit
nicht vorgetragen worden.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97, I ZPO zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 3 ff ZPO. Hierbei wurde die Differenz der
Anwaltsvergütung, berechnet aus dem von dem Beschwerdeführer angestrebten sowie dem vom
Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswert, zugrunde gelegt.
Gegen die vorliegende Entscheidung ist unter Berücksichtigung von § 10, V S. 3 BRAGO kein Rechtsmittel
gegeben.