Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.04.2005

LArbG Mainz: stadt, kündigungsfrist, betriebsstätte, arbeitsgericht, inhaber, versetzung, hauptbetrieb, leiter, rechtfertigung, weisung

LAG
Mainz
07.04.2005
4 Sa 983/04
Betriebsbedingte Kündigung und Weiterbeschäftigung
Aktenzeichen:
4 Sa 983/04
2 Ca 873/04
ArbG Trier
Entscheidung vom 07.04.2005
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 07.10.2004 - 2 Ca 873/04 - wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingt ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung.
Seit 01.03.1989 ist der Kläger bei der Beklagten als Leiter der Betriebsstätte A-Stadt zu einem
monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.120 € tätig gewesen. Als Einsatzort ist im Anstellungsvertrag A-
Stadt vereinbart. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages ist der Kläger im Bedarfsfalle verpflichtet,
vorübergehend andere auch auswärts anfallende Arbeiten zu verrichten.
Am Sitz der Beklagten in C-Stadt befinden sich die kaufmännischen Abteilungen, die Verwaltung und ein
Lager. Im Nebenbetrieb in A-Stadt waren 3 Arbeitnehmer tätig. Dort wurden vor allem so genannte
Kinderköfferchen aus PVC für CDs produziert, außerdem Verpackungen für einen geringen Teil der von
der Beklagten vertriebenen Waren.
Nachdem der alleinige Gesellschafter der Beklagten beschlossen hatte, die Betriebsstätte A-Stadt bis
30.11.2004 zu schließen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.05.2004 zum
30.11.2004. Diese Kündigung ist Gegenstand des Klageverfahrens.
Der Kläger hat vorgetragen, die Stilllegung der Betriebsstätte A-Stadt sei kein Grund für eine
betriebsbedingte Kündigung. Es entziehe sich seiner Kenntnis, dass es aus betriebsbedingten Gründen
erforderlich sei, die Nebenstelle zu schließen. Er könne auch in C-Stadt weiter beschäftigt werden. Dabei
sei es sein Problem zur Arbeitsstelle zu gelangen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.05.2004 zum 30.11.2004 unwirksam ist und das
Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, durch die Stilllegung des Betriebsteiles seien alle dortigen Arbeitsplätze ersatzlos
weggefallen. Die Sozialauswahl erstrecke sich nicht auf den Hauptbetrieb. Vergleichbare Stellen seien
dort nicht vorhanden. Daneben lasse die Entfernung nach C-Stadt die Sozialauswahl entfallen. Eine
Versetzung des Klägers nach C-Stadt sei ohne Änderung des Inhaltes des Arbeitsvertrages nicht möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 07.10.2004 verwiesen.
In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die
Schließung der Betriebsstätte A-Stadt, die zum Überhang von 3 Arbeitsplätzen führe, rechtfertige den
Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Es sei unerheblich, aus welchen Gründen die Schließung
der Betriebsstätte beschlossen wurde oder ob die Schließung erforderlich war. Dass die
Stilllegungsentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich wäre, sei weder vorgetragen
noch ersichtlich. Mit den Arbeitnehmern der Beklagten in C-Stadt sei der Kläger nicht vergleichbar.
Entscheidend sei, ob der gekündigte Arbeitnehmer in der Lage, die Aufgaben eines anderen
Arbeitnehmers zu übernehmen und ob ihm dieser neue Tätigkeitsbereich im Wege des Direktionsrechts
zugewiesen werden könnte. Da mit dem Kläger vereinbart sei, dass er zur Verrichtung auswärts
anfallender Arbeiten nur vorübergehend, nicht aber dauerhaft verpflichtet sei, hätte seine Versetzung nach
C-Stadt einer Änderungskündigung bedurft. Der Kläger habe auch nicht dargetan, dass er an einem
anderen freien Arbeitsplatz in C-Stadt weiter beschäftigt werden konnte.
Gegen das dem Kläger am 05.11.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 06.12.2004
eingelegte Berufung. Der Kläger hat seine Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis 07.02.2005
verlängert worden war, mit am 01.02.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger wiederholt
seinen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt geprüft habe, ob es ihr
möglich sei, ihm im Betrieb in C-Stadt weiter zu beschäftigen. Damit habe er von der Beklagten Auskunft
verlangt, über evtl. dort freie oder frei werdende Stellen informiert zu werden. Im Laufe des
Kündigungsschutzrechtsstreits sei im Hauptbetrieb eine Stelle frei geworden, die er hätte besetzen und
ausfüllen können. Es handele sich um den Leiter des Kleinversandes, weil der ehemalige Inhaber dieser
Position altersbedingt in Rente gegangen sei. Nach Kenntnis des Klägers sei die Pensionierung im
September bzw. Oktober 2004 erfolgt. Eine Vergleichbarkeit bestehe insofern, als der Kläger in dem
stillgelegten Betrieb in A-Stadt ebenfalls kaufmännische Tätigkeiten ausgeübt habe, wenn auch nur in
geringem Umfang. Der Kläger sei daher der Auffassung, dass die Kündigung wegen fehlerhaft erfolgter
Sozialauswahl unwirksam sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 07.10.2004 - 2 Ca 873/04 - wird festgestellt,
dass die Kündigung der Beklagten vom 14.05.2004 zum 30.11.2004 unwirksam ist und das
Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz. Die Stelle des Leiters
im Kleinversand konnte dem Kläger nicht angeboten werden, weil sie nicht frei sei. Bei dem
Stelleninhaber handele es sich um Herrn R.K., der im Rahmen eines Altersteilzeitvertrages im
Blockmodell vom 30.09.2003 mit Ablauf des 30.09.2004 in seine Freistellungsphase wechselte und erst
ab 30.09.2005 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Grundlage sei die Bezuschussung durch das
Arbeitsamt. Ohne die Bezuschussung hätte die Beklagte dem Altersteilzeitvertrag mit Herrn K. nicht
zugestimmt. Gesetzliche Voraussetzung auf eine Bezuschussung sei auch die Wiederbesetzung mit
einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder mit einem übernommenen Auszubildenden. Die
Beklagte habe sich in Verbindung mit dem Altersteilzeitvertrag mit Herrn K. dazu entschlossen, im Lager
nach seiner Prüfung im Sommer 2004 zur Fachkraft für Lagerwirtschaft den Auszubildenden R. B. zu
übernehmen und damit die Zuschussvoraussetzungen für den Altersteilzeitvertrag zu erfüllen. Nachdem
Herr B. die Prüfung im Sommer 2004 bestanden habe, sei er ab dem 15.07.2004 entsprechend als
Mitarbeiter im Lager übernommen worden.
Hierzu hat die Beklagte im Berufungsverfahren die Vereinbarung über Altersteilzeit, die Anträge bei der
Bundesanstalt für Arbeit und die Zuschussbewilligungen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verweisen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 07.04.2005.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat in der
Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend die
Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Soweit das Arbeitsgericht aufgrund des gehaltenen
Sachvortrages die soziale Rechtfertigung der Kündigung festgestellt hat, weil dringende betriebliche
Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen und auch die Sozialauswahl
zutreffend getroffen wurde, sind im Berufungsverfahren keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte
aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen
könnten. Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug auf den begründenden Teil
des angefochtenen Urteils.
Im Berufungsverfahren macht der Kläger auch im Wesentlichen geltend, dass die Beklagte eine
fehlerhafte Sozialauswahl deswegen getroffen habe, weil sie eine freie Stelle, die noch innerhalb der
laufenden Kündigungsfrist des Klägers frei geworden ist, mit einem Auszubildenden besetzt hat, nämlich
die Stelle des Leiters des Kleinversandes, welcher in Pension gegangen sei.
Die Kammer ist angesichts des Sachvortrags der Parteien nicht an die rechtliche Bewertung gebunden.
Der Kläger macht zwar formal eine fehlerhafte Sozialauswahl geltend, könnte dieses letztendlich mit
Erfolg auch schon deswegen nicht, weil die Stelle des Leiters eines Kleinversandes ihm nicht im Wege
des Direktionsrechts zugewiesen werden könnte. Hierbei ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts zum
Umfang des Direktionsrechtes aus dem Arbeitsvertrag voll zuzustimmen. Aufgrund des geschlossenen
Vertrages kann der Kläger ohne Vertragsänderung nicht durch Weisung der Beklagten nach C-Stadt
versetzt werden.
In Wirklichkeit macht der Kläger geltend, dass er eine andere freie Stelle im Betrieb hätte einnehmen
können. Damit bezieht er sich auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG.
Diese im Gesetz angesprochene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit betrifft allerdings nur freie
Arbeitsplätze. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die Einrichtung neuer Arbeitsplätze. Als frei sind
solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind und
möglicher Weise auch noch im Laufe der Kündigungsfrist frei werden. Ein Arbeitgeber kann sich nicht auf
einen von ihm selbst treuwidrig durch vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier
Arbeitsplätze berufen. Sofern der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung mit hinreichender Sicherheit
vorhersehen kann, dass sein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird,
ist ein derartiger Arbeitsplatz ebenfalls als "frei" anzusehen (vgl. BAG AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969
"betriebsbedingte Kündigung").
Unter Berücksichtigung vorbezeichneter Kriterien erweist sich der Arbeitsplatz des Leiters Kleinversandes
in C-Stadt nicht als freier Arbeitsplatz im Sinne der vorbezeichneten gesetzlichen Bestimmung. Zum einen
ist der Arbeitsplatz sowohl im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitbefangenen Kündigung auch bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist nicht frei. Zunächst hatte ihn der Arbeitnehmer K. inne, dann aufgrund vorher
mit der Arbeitsverwaltung abgestimmter Wiederbesetzung durch den Auszubildenden B. dieser. Alle diese
Maßnahmen erfolgten vor Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers. Der Beklagten kann nun insbesondere
nicht vorgehalten werden, sie habe treuwidrig es herbeigeführt, dass der Arbeitsplatz des Versandleiters
nicht zum Ablauf der Kündigungsfrist frei war und daher zur Meidung einer Kündigung dem Kläger hätte
angeboten werden müssen.
Unbestritten hat die Beklagte vorgetragen, dass Voraussetzung des Abschlusses eines
Altersteilzeitvertrages eine Bezuschussung durch die Arbeitsverwaltung war. Dieses setzt allerdings nach
den gesetzlichen Bestimmungen voraus, dass eine zuschussfähige Wiederbesetzung erfolgt ist, d. h. eine
Wiederbesetzung mit einem entweder arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einem Auszubildenden.
Eine Besetzung des Arbeitsplatzes durch den Kläger hätte eine Bezuschussung nicht ausgelöst. Wenn
sich unter diesen Gegebenheiten die Beklagte entschließt, einen Altersteilzeitvertrag mit Herrn K.
abzuschließen, kann dies nicht als treuwidrige Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den
Kläger angesehen werden. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass eine Besetzung der Stelle des
Altersteilzeitarbeitnehmers mit dem Kläger das Altersteilzeitmodell hätte scheitern lassen. Die
Übertragung dieses Arbeitsplatzes an den Kläger wäre daher für sie nicht zumutbar gewesen und hätte
unzulässig in das mit dem Altersteilzeitvertrag realisierte freie unternehmerische Organisationskonzept
eingegriffen. Wenn ein geplantes, geschlossenes Altersteilzeitmodell mit zuschussfähiger
Wiederbesetzung immer durch eine vorher nicht absehbare inzwischen eingetretene Kündigung eines
anderen Mitarbeiters durchbrochen werden könnte, bestände für den Arbeitgeber eines
Altersteilzeitvertrages nicht mehr die für den Vertragsabschluss notwendige Planungssicherheit. Im
Übrigen würde eine Einbeziehung des Arbeitsplatzes, den mittlerweile der Mitarbeiter B. inne hat, in die
Überprüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wiederum dazu führen, dass soziale
Auswahlgesichtspunkte eine Rolle spielten, die hier nicht entscheidungserheblich sein können.
Hinsichtlich der Sozialauswahl kann sich der Kläger eben nicht mit dem Inhaber der Stelle des Leiters
Kleinversandes in C-Stadt vergleichen, weil ihm diese Stelle nicht im Wege des Direktionsrechtes
zugewiesen werden kann.
Nach allem musste daher die Berufung des Klägers auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
der Kläger eine konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in C-Stadt im Berufungsverfahren aufgezeigt
hat, erfolglos bleiben. Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2
ArbGG nicht.
Die Entscheidung ist daher für den Kläger mit der Revision nicht anfechtbar.