Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.10.2006

LArbG Mainz: betriebsrat, arbeitsgericht, betreiber, arbeitsbedingungen, form, kündigungsfrist, rechtfertigung, zeugenaussage, verfügung, metzgerei

LAG
Mainz
26.10.2006
4 Sa 615/06
Kündigung
ktenzeichen:
4 Sa 615/06
3 Ca 2053/05
ArbG Trier
Entscheidung vom 26.10.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.06.2006 - 3 Ca 2053/05 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingt ausgesprochenen
Arbeitgeberkündigung. Die Klägerin ist am 07.04.1952 geboren. Sie ist seit dem 24.10.1977 bei der
Beklagten als Kantinenfrau zu einem zuletzt bezogenen Bruttomonatsverdienst von 1.696,00 €
beschäftigt. Dort war sie zuletzt einzige Beschäftigte und für alle in der Kantine anfallenden Tätigkeiten
wie den Ein- und Verkauf von Speisen und Getränken, sämtlichen Bestellungen, Abrechnungen,
Reinigungs- und Spülarbeiten zuständig.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.12.2005 zum 31.07.2006.
Die Klägerin hat mit am 29.12.2005 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenem Schriftsatz gegen die
Kündigung Feststellungsklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei nach § 174 BGB
unwirksam, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört. Gründe für die Kündigung lägen nicht vor.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom
21.12.2005 beendet worden ist sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht;
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zur Rechtskraft des
Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Wiedereinstellung ab dem
01.08.2006 zu den Arbeitsbedingungen des Arbeitsvertrags vom 26.09.1996 als Mitarbeiterin in der
Abteilung Kantine bei Anrechnung bisherige Betriebszugehörigkeit seit dem 24.10.1977 anzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, bei den anfallenden Personalkosten der Klägerin von 37.485,88 € habe sie sich
gezwungen gesehen, bei schwindender Personalanzahl und bei geringerem Interesse an den
Kantinenleistungen die Kantine in der bisherigen Form gänzlich zu schließen, weil diese im Jahre 2005
einen Verlust in Höhe von 42.512,08 € ausgewiesen habe. Damit sei der Arbeitsplatz der Klägerin
ersatzlos weggefallen.
Es stehe noch offen, ob sich die Beklagte und der Betriebsrat letztlich mit einem Metzgerbetrieb oder
ähnlichem einigen würden, dass dieser z. B. während ein bis zwei Stunden pro Tag noch gewisse Essen
austeile. Eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin werde es in Zukunft nicht geben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 27.06.2006 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K über die Frage, ob die Kantine
vollständig geschlossen werde und ob der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.04.2006 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt, es könne nach
durchgeführter Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zum
Kündigungszeitpunkt die endgültige Entscheidung zur Schließung der Kantine getroffen habe. Der Zeuge
K habe zwar ausgesagt, die Kantine werde zum 31.07. oder zum Ende der Kündigungsfrist der Klägerin
geschlossen, weiter jedoch ausgesagt, die Kantine werde weitergeführt mit einem anderen Betreiber. Die
Beklagte könne die Kantine lediglich nicht mehr mit eigenem Personal betreiben. Im Dezember 2005, als
der Betriebsrat informiert worden sei, habe noch nicht festgestanden, wie die Situation mit der Kantine
weitergehe. Hieraus sei zu entnehmen, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen war. Auch
wenn man davon ausgehe, dass die Kantine von einem anderen Betreiber fortgeführt werde, sei noch
offen gewesen, ob dies im Wege des Betriebsübergangs stattgefunden hätte, was dann der Kündigung
der Klägerin entgegenstehen würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 19.07.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.08.2006 eingelegte
Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hat ihre Berufung am 12.09.2006 begründet. Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil
aus Tatsachen- und Rechtsgründen an. Sie habe vorgetragen, dass am 13.12.2005 ein Gespräch
zwischen den Geschäftsführern, dem Personalleiter und dem gesamten Betriebsrat stattgefunden habe, in
dessen Rahmen der Betriebsrat unter Nennung aller wirtschaftlichen Daten über die aktuelle Situation der
Beklagten unterrichtet und ihm mitgeteilt worden sei, dass die Beklagte die Kantine aus Kostengründen
nicht mehr mit eigenem Personal weiter betreiben werde. Daher habe sie sich entschlossen, die Kantine
mit eigenem Personal zu schließen und das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, weil ein
anderer Arbeitsplatz entsprechend ihrer Ausbildung und Fähigkeiten nicht zur Verfügung stehe. Diesen
Sachvortrag habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Auch sei nicht nachvollziehbar,
weswegen das Arbeitsgericht die Aussage des Zeugen als widersprüchlich und unbestimmt bezeichnet
habe. Der Zeuge habe ausdrücklich erklärt, die Kantine könne mit eigenem Personal nicht mehr betrieben
werden und werde zum 31.07.2006 geschlossen. Damit sei eine endgültige Stilllegungsentscheidung im
Dezember 2005 getroffen worden. Mittlerweile sei die Kantine mit eigenem Personal tatsächlich
geschlossen und nunmehr ein Kleinunternehmer mit der Gestellung der Essen für die Mitarbeiter
beauftragt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.06.2006 - 3 Ca 2053/05 - abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung wird zurückgewiesen;
die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Klägerin verteidigt die Ausführungen des angefochtenen Urteils. Die Schließung der Kantine habe im
Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine greifbaren Formen angenommen. Die Kündigung
sei nicht wegen beabsichtigter Stilllegung eines Betriebes oder Betriebsteils gerechtfertigt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird
auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 26.10.2006.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs.1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).
II.
Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier der Klage der
Klägerin entsprochen. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte
aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden.
Die Berufungskammer nimmt daher, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, vollumfänglich Bezug
auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Begründung, weswegen ein dringendes betriebliches
Erfordernis nicht angenommen werden kann, sind entgegen der Auffassung in der Berufung weder
widersprüchlich noch unvollständig.
In der Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine beabsichtigte Betriebs- oder Betriebsteilstilllegung eine
Kündigung sozial rechtfertigen kann, wenn sie bereits im Kündigungszeitpunkt, dies ist allein der
maßgebende Zeitpunkt, greifbare Formen angenommen hat.
Die Beweisaufnahme hat nun zugunsten der Beklagten zwar ergeben, dass sich die Beklagte im
Dezember 2005, also vor Ausspruch der Kündigung bereits abschließend entschlossen hat, die Kantine
mit eigenem Personal nicht weiterzuführen. Dies stellt aber entgegen ihrer Auffassung nicht zwingend
eine Betriebsteilstilllegung dar. Der Zeuge K hat zunächst ausgesagt, dass die Kantine zum 31.07.
geschlossen wird zum Ende der Kündigungsfrist der Klägerin, die Sozialräume erhalten bleiben und zum
Zeitpunkt der Beweisaufnahme Verhandlungen mit einem Catering-Betrieb über die Fortführung der
Kantine mit einem anderen Betreiber liefen. Zum Beweisthema hat er gesagt, dass die Beklagte die
Kantine mit eigenem Personal nicht mehr betreiben will. Er hat weiter ausgeführt, als der Betriebsrat im
Dezember informiert wurde, habe noch nicht festgestanden, wie die Situation mit der Kantine weitergehe,
weil man das noch nicht wissen konnte. Die Entscheidung sei allerdings gefallen, die Kantine nicht mit
eigenem Personal weiterzuführen. Was danach komme, sei noch nicht bekannt gewesen.
Das waren alles Überlegungen aber noch keine Entscheidungen und sei auch dem Betriebsrat so
mitgeteilt worden. Der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass er Gespräche mit der Metzgerei A hatte, ob die
das weitermachen würde. Unter Berücksichtigung dieser Zeugenaussage stand im Kündigungszeitpunkt
noch nicht fest, ob eine endgültige Betriebsteilstilllegung erfolgen sollte oder ob nicht der Betriebsteil im
Wege der Betriebsnachfolge auf einen anderen Pächter hätte übertragen werden sollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten im Berufungsverfahren trägt der Arbeitgeber die volle
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt eine endgültige
Stilllegungsentscheidung bereits gefallen war und diese greifbare Formen angenommen hat.
Wird ein Betrieb oder Betriebsteil veräußert, wird aber gerade dieser Betrieb oder Betriebsteil nicht
stillgelegt. Die Entscheidung darüber, wie es weitergehen soll, möglicherweise auch im Wege einer
Betriebsnachfolge durch Verpachtung des Betriebsteils Kantine war im Dezember 2005, dies ist der
maßgebende Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage, noch nicht gefallen. Es hätte durchaus
eine Entwicklung geben können, wonach die Kantine im Wege einer Betriebsnachfolge auf einen
Bewerber übergehen konnte und somit ein dringendes betriebliches Erfordernis nicht vorlag, welches der
Weiterbeschäftigung der Klägerin in diesem übergegangenen Betrieb entgegenstand.
Wie sich die Verhältnisse nach Ausspruch der Kündigung entwickelt haben, ist für die Beurteilung der
streitbefangenen betriebsbedingt ausgesprochenen Kündigung unmaßgeblich. Insbesondere ist
unmaßgeblich, ob anschließend tatsächlich eine Betriebsnachfolge stattgefunden hat oder der Betrieb
stillgelegt wurde, weil die Teilfunktionen der Kantine lediglich im Wege der Funktionsnachfolge von einem
Dritten weitergeführt wurden. Die Kammer hatte daher nicht zu entscheiden, ob im gegenwärtigen
Zeitpunkt für die Beschäftigung der Klägerin kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht, weil maßgebend für
die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der angefochtenen
Kündigung sind.
III.
Erweist sich die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts somit als richtig, war die hiergegen
gerichtete Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.