Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.03.2004
LArbG Mainz: probezeit, entschädigung, arbeitsgericht, sanktion, gespräch, behinderung, kündigungsschutz, analogie, unterbrechung, ausnahmecharakter
LAG
Mainz
18.03.2004
4 Sa 31/04
Aktenzeichen:
4 Sa 31/04
3 Ca 1896/03
ArbG Trier
Verkündet am: 18.03.2004
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.12.2003 - 3 Ca 1896/03 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten eine Entschädigung für die Nichtfortsetzung eines
Arbeitsverhältnisses. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80. Grundlage der
Behinderung sind zum einen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und der Verlust beider Brüste
infolge Krebserkrankung. Beim Beklagten war die Klägerin vom 01.01.2003 bis 31.05.2003 im E
Berufsbildungswerk B als Arbeits- und Beschäftigungstherapeutin angestellt. Vereinbarungsgemäß
dauerte die Probezeit 6 Monate. Mit Schreiben vom 17.04.2003 kündigte der Beklagte das
Arbeitsverhältnis während der Probezeit ordentlich zum 31.05.2003. Während der Probezeit war die
Klägerin dreimal erkrankt. In einem Gespräch mit ihrem Dienstvorgesetzten wurde ihr erklärt, dass
aufgrund ihrer Erkrankung in Zukunft mit größeren Fehlzeiten zu rechnen sei und dass das
Arbeitsverhältnis demzufolge beendet werden müsse. Diesem Gespräch ging eine 5-wöchige Erkrankung
voraus. Die Erkrankungen waren direkte oder indirekte Folge der Behinderungen der Klägerin.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Kündigung während der Probezeit sei sie wegen
ihrer Schwerbehinderung benachteiligt worden und habe deshalb einen Anspruch auf Schadenersatz
nach § 81 Abs. 2 Ziff. 2 SGB IX in Höhe von drei Monatsverdiensten.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagte wird verurteilt, an sie 4.125,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
03.07.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klägerin sei nicht wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft gekündigt worden,
sondern weil bei ihr nicht gewährleistet gewesen sei, dass die Kinder und Jugendlichen eine
kontinuierliche Bezugsperson gehabt hätten.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09.12.2003 die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09.12.2003 die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen
ausgeführt, eine Anwendung des § 81 Abs. 2 Ziff. 2 SGB IX auf den Fall der Kündigung während der
Probezeit komme nicht in Betracht. Gegen eine ergänzende bzw. erweiternde Auslegung der Vorschrift
spreche schon ihr eindeutiger Wortlaut der klar regele, dass die Entschädigung nur im Falle einer
Benachteiligung des Schwerbehinderten bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu zahlen sei.
Eine analoge Anwendung würde voraussetzen, dass eine Regelungslücke gegeben sei. Dies sei
offensichtlich nicht der Fall. Der Gesetzgeber habe mehrere mögliche Fälle der Benachteiligung eines
schwerbehinderten Beschäftigten aufgezählt, darunter unter anderem die Benachteiligung bei der
Gründung eines Arbeitsverhältnisses und die Benachteiligung bei einer Kündigung. In § 81 Abs. 2 Ziff. 2
habe er dann nur den Fall der Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der
Sanktion der Entschädigung versehen, habe also erkennbar bewusst nur für diesen Fall eine
Entschädigung vorgesehen, nicht jedoch für die anderen Fälle möglicher Benachteiligung des
Schwerbehinderten. Die Auffassung der Klägerin, eine Anwendung der Vorschrift sei aus ihrem
Schutzgedanken, d. h. um ihre Umgehung zu verhindern geboten, werde von der Kammer nicht geteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Gegen das der Klägerin am 18.12.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.01.2004 eingelegte und
gleichzeitig begründete Berufung. Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Arbeitsverhältnis werde
abschließend erst nach Ablauf der Probezeit begründet. Daher sei eine Kündigung während der Probezeit
gleich zu behandeln mit einer Benachteiligung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Ansonsten
könne der Arbeitgeber die Schadenersatzverpflichtung dergestalt umgehen, dass er den
schwerbehinderten Bewerber zunächst einstelle und ihn sodann während der Probezeit entweder ohne
Begründung oder mit einer nicht nachweispflichtigen Begründung wieder entlasse.
Die Klägerin beantragt,
der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.12.2003 - 3 Ca 1896/03 -
verurteilt, an die Klägerin 4.125,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
03.07.2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Im Übrigen sei die Klägerin nicht wegen ihrer
Schwerbehinderteneigenschaft gekündigt worden, sondern weil eine kontinuierliche Anwesenheit und
Unterstützung der Jugendlichen auf der auszuübenden Stellen notwendig sei. Wenn dies nicht geleistet
werden könne, möge dies auch seine Ursache in der Schwerbehinderung der Klägerin haben. Im
Vordergrund stehe jedoch der sachliche Grund, dass die Ergotherapie bei Rehabilitanden qualifiziert und
kontinuierlich durchgeführt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 18.03.2004.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg.
II.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend die Klage der Klägerin
abgewiesen. Auch im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte
aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden.
Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug auf den begründenden Teil des
angefochtenen Urteils.
Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Mit der Klage verfolgt die Klägerin eine Zahlung einer Entschädigung. Sie macht ausdrücklich nicht die
Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend. Die Berufungskammer hatte daher keine
Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob die Klägerin mit Erfolg die Kündigung der Beklagten, welche
auf Umstände gestützt wurden, die möglicher Weise mittelbar oder unmittelbar mit der
Schwerbehinderung zu tun hatten, gem. § 134 BGB rechtsunwirksam gewesen wäre. Diese Frage ist nicht
Streitgegenstand.
Eine Anspruchsgrundlage des klägerischen Begehrens lässt sich nicht feststellen. Einzig mögliche
Anspruchsgrundlage ist § 81 Abs. 2 Ziff. 2 SGB IX. Die Vorschrift findet keine direkte Anwendung. Die
Klägerin ist nicht bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses benachteiligt worden. Ihre Auslegung,
die Begründung des Arbeitsverhältnisses sei auch die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses über eine
Probezeit hinaus, lässt sich weder mit Sinn und Zweck der Bestimmung noch mit dem Gesetzeswortlaut in
Einklang bringen. Ein Arbeitsverhältnis wird mit Abschluss des Arbeitsvertrages und Aufnahme der
Tätigkeit begründet, nicht erst nach Ablauf der Probezeit dadurch, dass eine, wenn die Probezeit
unbefristet war, Kündigung nicht erfolgt ist.
Wie vom Arbeitsgericht zutreffend heraus gearbeitet, hat der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen
möglicher Benachteiligungen von Schwerbehinderten getroffen und ausdrücklich lediglich die
Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Sanktion einer
Entschädigungszahlung verknüpft. Damit scheidet auch eine Analogie aus. Eine Unvollständigkeit des
Gesetzes ist nicht zu sehen. Entschädigungsanspruch besteht nur, wenn bei der Begründung eines
Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wird.
Der Gesetzgeber kann den Fall der Kündigung in der Probezeit nicht übersehen haben. In Nr. 1 des § 81
Abs. 2 SGB IX ist ausdrücklich der Fall der Kündigung aufgenommen worden neben dem Fall der
Begründung eines Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses. Hinzu kommt, dass gerade der
Kündigungsschutz im SGB IX differenziert geregelt wurde. Gem. § 90 SGB IX gelten die Vorschriften des
Kündigungsschutzes nicht für schwerbehinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung von noch nicht länger als 6 Monate bestanden
hat. Eine analoge Anwendung der Vorschrift mit Ausnahmecharakter, welche eine
Entschädigungsleistung als Sanktion für den Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot vorsieht, kommt
daher für den vorliegenden Fall nicht in Betracht. Daher musste das klägerische Begehren erfolglos
bleiben. Die gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung der
Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2
ArbGG nicht.