Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.02.2008

LArbG Mainz: erheblicher grund, vertagung, auflage, arbeitsgericht, krankheit, rücknahme, zukunft, stillstand, aussetzung, fehlerhaftigkeit

LAG
Mainz
28.02.2008
9 Ta 20/08
Vertagungsbeschluss - Anfechtb
Aktenzeichen:
9 Ta 20/08
3 Ca 1834/06
ArbG Trier
Entscheidung vom 28.02.2008
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Vertagungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom
15.01.2008, Az.: 3 Ca 1834/06, wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Arbeitsgericht nach geheimer Beratung einen Beschluss folgenden Wortlauts: "Die Sache wird vertagt.
Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf den 25.03.2008, 9:30 Uhr. Dem
Kläger wird Gelegenheit gegeben, die Auflage aus dem Termin vom 16.10.2007 (Bl. 74 d. A.) bis zum
10.02.2008 zu erfüllen. Der Beklagten wird aufgegeben, hierauf unter Beweisantritt zu erwidern. Frist zur
Erfüllung der Auflage: 10.03.2008."
In dem vorangegangenen, im genannten Beschluss in Bezug genommenen Termin vom 16.10.2007
wurde dem Kläger folgende Auflage erteilt:
"Dem Kläger wird aufgegeben, zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2007 unter Beweisantritt
Stellung zu nehmen. Ihm wird insbesondere aufgegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob er ab dem
24.10.2006 wieder arbeitsfähig war, ggf. sein diesbezügliches Vorbringen ordnungsgemäß unter Beweis
zu stellen. Außerdem wird ihm aufgegeben, die geltend gemachte Sonderzahlung und die
Lohnerhöhungen ordnungsgemäß zu begründen."
Die dort genannte Schriftsatzfrist wurde durch Verfügung des Vorsitzenden vom 13.11.2007 bis zum
10.12.2007 verlängert.
Ein Schriftsatz des Klägers ging auch bis zum Kammertermin am 15.01.2008 nicht ein.
Im Protokoll der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Trier vom 15.01.2008 heißt es u. a.:
"Das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger die ihm erteilten Auflagen aus dem Termin vom 16.10.2007
nicht erfüllt hat (Bl. 73 d. A.) Fristverlängerung bis 10.12.2007 (Bl. 80 d. A.)
Der Kläger-Vertr. erklärt dazu, die Versäumung der Frist beruhe darauf, dass die Sachbearbeiterin, Frau T.
mehrfach erkrankt sei. Er selbst sei erst wieder seit letzter Woche in T. Er sei im Dezember nur an einigen
Tagen in T. gewesen in Vertretung."
Gegen den genannten Vertagungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 15.01.2008 hat die Beklagte
mit einem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 4. Februar 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und
beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 15.01.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie hält den Vertagungsbeschluss für offensichtlich, greifbar gesetzwidrig. Die Anträge des Klägers seien
im Kammertermin vom 15.01.2008 nach wie vor unschlüssig gewesen, weil dieser im Rahmen der von
ihm gestellten Zahlungsanträge das während der streitgegenständlichen Zeiträume bezogene
Arbeitlosen- und Krankengeld nicht berücksichtigt habe. Der Rechtsstreit sei daher allein aufgrund der
Fristversäumung im Kammertermin vom 15.01.2007 entscheidungsreif gewesen, so dass die Klage hätte
abgewiesen werden müssen. Der Beschluss könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Kläger
seinen verspäteten Sachvortrag entschuldigt habe, da weder bis zum Kammertermin noch im
Kammertermin selbst überhaupt irgendein Sachvortrag gehalten worden sei. Die im Kammertermin
genannten Entschuldigungsgründe seien nicht geeignet, die Versäumung der Frist zu rechtfertigen. Die
Erkrankung der Sachbearbeiterin sei bereits seit Anfang November 2007 bekannt. Da der Kläger die
Klage nach dem Kammertermin vom 16.10.2007 zwei Mal erweitert hat, sei es ihm auch zuzumuten
gewesen, schriftsätzlich der erteilten Auflage zu entsprechen. Der Beschluss verstoße gegen § 57 ArbGG
i. V. m. § 227 ZPO.
Mit Beschluss vom 06.02.2008 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache
dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt,
der Beschluss sei nach § 227 Abs. 4 ZPO unanfechtbar. Er sei auch nicht greifbar gesetzeswidrig, da nach
Überzeugung der Kammer der Kläger die Versäumung der ihm gesetzten Auflagenfrist ausreichend damit
entschuldigt habe, dass seine Prozessbevollmächtigten wegen Krankheit bzw. aus sonstigen
nachvollziehbaren Gründen daran gehindert waren, die Fristen einzuhalten.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht hat die Beklagte weiter gemäß Schriftsatz vom
25.02.2008, auf den Bezug genommen wird (Bl. 100 ff. d. A.), Stellung genommen und - zusammengefasst
- geltend gemacht: Die sofortige Beschwerde sei in entsprechender Anwendung des § 252 ZPO statthaft,
da eine Verlegung oder Vertagung sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei und deshalb im Ergebnis
eine Rechtsverweigerung darstelle. Der Vertagungsbeschluss entbehre jeder gesetzlichen Grundlage
und benachteilige die Beklagte zu Gunsten des Klägers. Mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit sei es
nicht zu vereinbaren, dass eine offensichtlich unrichtige Entscheidung eines Gerichts, die durch ein höher
instanzliches Gericht auch als offensichtlich unrichtig erkannt werde, nicht nur nicht korrigiert werden
dürfe, sondern auch hinsichtlich ihrer Folgen unverändert bliebe. Aufgrund der bereits im Kammertermin
vom 16.10.2007 gestellten Anträge sei es auch unschädlich, dass im Kammertermin vom 15.01.2007 die
Anträge nicht erneut gestellt worden seien. Soweit das Landesarbeitsgericht in seinem Hinweisschreiben
vom 18.02.2008 auf Bedenken hinsichtlich der Statthaftigkeit des Rechtsmittels hingewiesen und auch
aus Kostengründen eine Rücknahme der Beschwerde nahegelegt habe, befremde dieser Hinweis auf die
Kosten, der offensichtlich allein dem Zweck habe dienen sollen, sie - die Beklagte - zur Rücknahme der
sofortigen Beschwerde zu bewegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Gemäß § 78 ArbGG i. V. m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO findet die sofortige Beschwerde nur statt, wenn
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht
erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen
worden ist. Im vorliegenden Fall ist keine dieser Alternativen erfüllt. Insbesondere ist durch die Vertagung
des Verhandlungstermins kein Gesuch i. S. d. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückgewiesen worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss ist lediglich der Rechtsstreit vertagt worden (§ 227 ZPO). Die
Unanfechtbarkeit der Vertagung eines Termins auf einen späteren Zeitpunkt ist in § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO
geregelt.
Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht in entsprechender Anwendung des §
252 ZPO. Eine entsprechende Anwendung dieser Norm wird befürwortet für Entscheidungen des Gerichts,
mit denen faktisch ein Stillstand des Verfahrens herbeigeführt wird, so z. B. in Fällen, in denen ein bereits
bestimmter Termin ohne Bestimmung eines neuen Termins aufgehoben wurde oder in denen der neue
Termin unangemessen weit in die Zukunft verschoben wurde, so dass die gerichtliche Untätigkeit in den
Auswirkungen einer Aussetzung gleichkommt (vgl. etwa OLG Düsseldorf 26.09.2006 - I 24 W 59/06; OLG
R Düsseldorf 2007, 533; vgl. auch LAG Köln 12.09.1995 - 6 Ta 160/95 - LAGE § 57 ArbGG 1979 Nr. 1).
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Vielmehr hat das Arbeitsgericht einen nicht zeitfernen Folgetermin
bestimmt.
Auch unter dem Gesichtspunkt der sogenannten "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" ist die sofortige
Beschwerde vorliegend nicht statthaft. Der im Gesetz nicht vorgesehene außerordentliche Rechtsbehelf
der außerordentlichen sofortigen Beschwerde ist auf Ausnahmefälle krassen Unrechts beschränkt. Diese
Voraussetzung liegt nur vor, wenn die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin
unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist, so etwa,
wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem
Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die
durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BAG 05.11.2003 - 10 AZB 59/03 - NZA 2003,
1421; LAG Köln 28.12.2005 - 9 Ta 361/05 - NZA RR 2006, 434; Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 77, Rdz.
22 m. w. N.). Nicht ausreichend ist die bloße Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung (Schwab/Weth, a. a. O.).
Zutreffend ist, dass gem. § 57 ArbGG die Verhandlung möglichst in einem Termin zu Ende zu führen ist
und gem. § 227 Abs. 1 ZPO eine Vertagung nur aus erheblichen Gründen in Betracht kommt, wobei ein
erheblicher Grund insbesondere nicht die mangelnde Vorbereitung einer Partei ist, es sei denn die Partei
habe dies genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts hatte der Kläger die Versäumung der ihm
gesetzten Auflagefristen nach Einschätzung der Kammer mit der Krankheit bzw. sonstigen
nachvollziehbaren Verhinderung seiner Prozessbevollmächtigten ausreichend entschuldigt. Diese
rechtliche Bewertung mag fehlerhaft sein, ist aber mit der geltenden Rechtsordnung nicht schlechthin
unvereinbar und entbehrt nicht jeder rechtlichen Grundlage. Das Gesetz lässt vielmehr bei einer
ausreichenden Entschuldigung der mangelnden Vorbereitung einer Partei eine Vertagung zu.
Die Beschwerde war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen. Eine
Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Zulassungsgründe i. S. d. §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG
bestehen nicht.